Seit dem 11. September haben wieder viele Menschen in unserem Land Angst vor Terror und Krieg. Seit Sonntag Abend ist Krieg leider wieder Teil unserer Lebenswirklichkeit. Jetzt ist aber nicht die Stunde der Kulturkämpfer und der parteipolitischen Eiferer. Jetzt müssen wir vielmehr entschlossen und besonnen handeln, um Angst zu vertreiben, Sicherheit zu schaffen und Zuversicht zu wecken. Das ist die Aufgabe verantwortlicher Politiker, und dafür stehen wir Sozialdemokraten als Garanten der inneren Sicherheit in Bayern und in Deutschland.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob wir in diesen Tagen und Wochen in einer historischen Zeit leben – vieles spricht dafür –, wird man mit Sicherheit erst später sagen können. In der „Welt“ vom 05.10.hat Michael Stürmer geschrieben: Niemals wieder werden Sicherheit und Freiheit so selbstverständlich sein wie in der Zeit zwischen 9. November 1989 bis 11. September 2001. In der Tat haben wir tief greifende Veränderungen, die über die reinen Sicherheitsfragen hinausgehen. Tief greifende Gewichtsverlagerungen in der Politik werden erst allmählich offensichtlich. Wir erleben eine neue Bedeutung des Staates und des staatlichen Handelns in einer Zeit, in der lange Zeit ausschließlich davon die Rede war, dass einflussreich und bedeutsam nur noch die großen Konzerne und diejenigen sind, die wirtschaftliches Geschehen steuern. Wir erleben wieder einen neuen Stellenwert der Politik. Wir werden sicher immer wieder neu prüfen und ausbalancieren müssen, wie der Freiheit Sicherheit gegeben und wie in der Sicherheit die notwendige Freiheit ausgestaltet werden kann.
Historisch bedeutsam ist wahrscheinlich die Entwicklung der nächsten Monate im Verhältnis von Islam und westlicher Zivilisation. Es ist zunächst eine Problematik des Islam, welchen Zugang der Islam zu der technisch geprägten Welt, zur modernen Volkswirtschaft und zur Trennung von Religion und Staat findet. Aber es ist gleichzeitig eine Schicksalsfrage für uns alle; denn wenn es in den nächsten Wochen und Monaten letztlich zu einer stärkeren Polarisierung der westlich und der vom Islam geprägten Welt kommt, geht die ganze Welt in eine äußerst unruhige und schwierige Zeit. Weil es gleichzeitig ein Stück Innenpolitik und europäische Politik ist, wird
es sehr darauf ankommen, wie sich dies bei uns und international entwickelt und was wir dazu tun können.
Bewusst geworden ist in diesen Tagen die Verletzlichkeit der modernen Zivilisation, zum einen unter dem Aspekt der Sicherheit. Zum anderen bin davon überzeugt, dass man in den nächsten Monaten vermehrt darüber diskutieren wird, inwieweit die extreme Arbeitsteiligkeit einer globalisierten Welt auch da zu Problemen führen kann. Wir haben bislang mit dem Begriff der „einen Welt“ in erster Linie die notwendige Gesamtschau in den Zusammenhängen der Ökologie und die Solidarität der „einen Welt“ im Sinne von Solidarität für die Schwächeren verbunden. Wir erleben jetzt in einer vorher kaum denkbaren Weise die „eine Welt“ in Sicherheitsfragen. Wir haben eine neue Qualität in den Sicherheitsfragen in einer Verzahnung von äußerer und innerer Sicherheit, wie sie vorher nicht da war.
Wir erleben, ob es uns gefällt oder nicht, aus der Sicht bin Ladins – er hat dies in dem am Sonntag ausgestrahlten Video deutlich zum Ausdruck gebracht – und aus der Sicht dieser radikalen Kräfte eine Konfrontation und eine grundsätzliche Auseinandersetzung der Kulturen. Er hat nicht davon gesprochen, dass es gegen Amerikaner gehe, sondern gegen das Juden- und das Christentum. Deswegen stehen wir neben der Notwendigkeit, ganz konkrete Maßnahmen zu beschließen, wie jetzt in diesem Sicherheitspaket der Staatsregierung und wie mit anderen Maßnahmen auf Bundesebene, vor einer Phase, die uns zu grundsätzlichen geistigen Auseinandersetzungen über die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte und deren Problemseiten herausfordern wird.
Um auf die Formulierung von Michael Stürmer zurückzukommen: Man kann in der Tat den Eindruck gewinnen, dass die Zeit von November 1989 bis September 2001 ein glücklicher Ausnahmezustand war. Heute muss man hinzufügen: mit vielen Illusionen. Es ist vorher schon die Formulierung erwähnt worden: Wir sind nur noch von Freunden umgeben. Wir alle miteinander haben die Notwendigkeit nicht mehr gesehen, etwa den Zivilschutz in früherem Umfang aufrecht zu erhalten. Auch hätten wir dies gegenüber der Bevölkerung in einer Zeit schwer begründen können, in der kaum mehr ein Bedrohungsgefühl da ist. Es ist für alle in der Politik unendlich schwer, jetzt jedoch vielleicht wieder etwas leichter. Aber es war zumindest in den letzten Jahren sehr schwer, in der Öffentlichkeit die Akzeptanz für notwendiges Geld für die Bundeswehr und für die äußere Verteidigung zu finden – nicht nur in Deutschland, aber bei uns besonders ausgeprägt. Wir werden wahrscheinlich einiges aus den neunziger Jahren neu durchbuchstabieren müssen. Wir sind erst am Anfang der Überlegung, dass wir über diese zwölf Jahre, in denen sich so vieles entwickelt hat und wovon jetzt nicht wenig problematisch erscheint, Bilanz ziehen müssen.
Wir haben vor dem Terroranschlag eine große Ernüchterung und Enttäuschung über die Entwicklungen und Hoffnungen in die Informationstechnologie und in die Internetwirtschaft erlebt. Rückblickend muss man fragen: Wie ist es in einer so aufgeklärten Zeit möglich, dass eine so weit verbreitete kollektive Fehleinschät
zung Platz greift? Wir haben eine gewisse Ernüchterung über den Erfolg von Großfusionen erlebt. Die Situation in der Weltwirtschaft ist höchst labil. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank hat etwa anlässlich der Klausurtagung in Banz im Vorstand sinngemäß gesagt, von den drei Kraftzentren der Weltwirtschaft – USA, Japan und Europa – sei Japan so todkrank, dass es sich aus eigener Kraft nicht mehr erholen könne. Und wenn man von Experten hört, wie labil der Zustand vieler Banken im asiatischen Raum ist, ergibt eine Bestandsaufnahme über die neunziger Jahre eine höchst ungemütliche Situation. Wir werden auch eine Bestandsaufnahme über die Erfahrungen der Globalisierung machen müssen. Wir werden beim Parteitag der CSU einen Grundsatzantrag über die soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert verabschieden, in dem wir schon vor dieser jüngsten Entwicklung mit Blick auf notwendige Steuerungsmaßnahmen Instrumente formuliert haben.
Wir müssen den Begriff „wehrhafte Demokratie“ neu buchstabieren. Ministerpräsident Dr. Stoiber hat es angesprochen: „Wehrhafte Demokratie“ ist der Bereich der Maßnahmen in der Sicherheits- und der Rechtspolitik. Wehrhafte Demokratie setzt voraus, dass wir uns darüber im Klaren sind, was uns verteidigungswürdig ist – verteidigungswürdig nicht nur im Sinn von militärischer Aktion. Wer sich vor Augen hält, wie nach Umfragen bei einem beträchtlichen Teil der Menschen unsere Gesellschaftsordnung eingeschätzt wird, was verteidigungswürdig in einer sozialen Marktwirtschaft oder Demokratie erscheint, erkennt, dass ein zu großer Teil unserer Bevölkerung gegenwärtig nicht in der Verfassung ist, aus innerer Überzeugung und aus einem Wissen heraus, was es zu verteidigen gilt, wehrhafte Demokratie überhaupt zu leben. In dieser Situation ist der Staat nach wie vor in erster Linie der Wohlfahrtsstaat, obwohl in diesen Tagen besonders deutlich wird, dass es immer die erste und wichtigste Aufgabe des Staates ist, die Sicherheit der Menschen in bestmöglichem Maße zu gewährleisten. Wenn dies der Staat nicht mehr kann, erleben der Staat und die Politik eine Autoritätskrise; denn wenn er die Sicherheit der Bürger nicht mehr gewährleisten kann und die Bürger gar den Eindruck haben, ihre Sicherheitsinteressen würden nicht ernst genug genommen, fühlen sie sich in ihrer Existenz bedroht. Also stellt sich auch die Frage nach den Werten, die Frage nach der Identität.
Auf der Landesebene werden wir also in mehrfacher Weise ganz konkrete Auswirkungen haben, die wir gestalten müssen. Das betrifft zum einen die Sicherheitsfragen und zum anderen die Folgen, die sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben. Dabei, meine Damen und Herren, möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Dass Deutschland im Wirtschaftswachstum in Europa an letzter Stelle steht, ist und bleibt ein hausgemachtes Problem der Bundesregierung und hat mit dem Terrorismus nichts zu tun.
Natürlich werden wir erleben, dass die Bundesregierung versuchen wird, eklatantes Versagen in diesen Bereichen internationalen Kräften zuzuschieben, die sie nicht beeinflussen kann. Das wäre ein massives Täuschungs
Das hat für uns natürlich konkrete Auswirkungen im Haushalt – der Ministerpräsident hat das dargestellt –, und es bringt für uns massive Fragestellungen in der Zuwanderung und für den Umgang mit dem Islam. Ich komme noch darauf zu sprechen.
Die Landtagsfraktion unterstützt ganz ausdrücklich das Paket an Maßnahmen sowohl im personellen wie im rechtlichen Bereich, sowohl die Maßnahmen, die für die Landespolitik vorgesehen sind, als auch die, die für die Bundespolitik gefordert werden und die die Staatsregierung hier vorstellt.
Sie, Herr Maget, sind nicht gerade sehr präzis. Genauer muss ich sagen: Sie argumentieren falsch. Sie hätten der Rede des Ministerpräsidenten entnehmen können, dass Sie Unrecht haben, wenn Sie unterstellen, das sei jetzt – wie es in Ihrem Manuskript steht – überwiegend mit eingesparten BSE-Maßnahmen finanziert. Das ist falsch. Im Übrigen entnehme ich dies auch der Presseerklärung der Frau Stahl, die schon vorab verteilt worden ist.
Richtig ist, dass auf einer sehr breiten Basis, unter anderem mit einer Erhöhung der Globalsperre, refinanziert wird und dass dieses neue Ressort im nächsten Jahr nur zu einem kleinen Teil in die Haushaltssperre einbezogen wird. Selbstverständlich werden alle Maßnahmen weitergeführt, die im Zusammenhang mit BSE, etwa im Bereich der Forschung und des Verbraucherschutzes, in die Wege geleitet worden sind.
Da können Sie sich bei Minister Sinner genau erkundigen. Das Geld ist ziemlich planmäßig abgeflossen, abgesehen von einigen Einzelbereichen. Beispielsweise benötigen wir weniger Mittel für Entschädigungen für Betriebe, die von BSE befallen sind. Gleichwohl wird im Bereich der Tiermehlbeseitigung und im Forschungsbereich, wo die Kosten da sind, selbstverständlich deswegen kein Geld eingespart.
Zu der Frage der Polizei: Ich weiß, dass das für die Polizei in der Fläche eine etwas unpopuläre Botschaft ist. Die jetzige zusätzliche Bereitstellung von Personal dient nicht einer allgemeinen Verstärkung der Polizei, sondern wird gezielt für Maßnahmen in der Terrorbekämpfung eingesetzt.
Das ist auch richtig und notwendig, obwohl wir aus unseren Kontakten auch wissen, dass es an manchen Stellen im Lande bei der Polizei klemmt und dass es natürlich, wenn man in der Kategorie des Wünschenswerten Politik machen könnte, noch schöner wäre, sehr viel mehr Planstellen auszuweisen. Aber, Herr Maget, ebenso ist es eine Tatsache, dass die Polizei in Bayern sowohl im Hinblick auf die personelle Ausstattung als auch im Hinblick auf die sachliche Ausstattung keinen Vergleich mit
der Situation der Polizei in einem Bundesland, in dem die SPD oder Rot-Grün regiert, zu scheuen hat.
Für die innere Sicherheit in Deutschland gilt eines: In Deutschland setzt sich in der Innenpolitik jetzt der Kurs der CSU auf der ganzen Linie durch.
(Lebhafter Beifall bei der CSU – Hofmann (CSU): Wiederholen Sie das bitte, damit Herr Maget das auch hört!)
Ich fürchte nur, dass Herr Maget trotzdem nach dem Motto verfährt: Meine Meinung steht fest, verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen!
Aber zu den Tatsachen zählt, meine Damen und Herren, dass Herr Maget und die SPD in Bayern, nachdem ihnen Herr Schröder Herrn Schily als Spitzenkandidaten verordnet hat, jetzt an den Rockschößen von Herrn Schily Maßnahmen verteidigen, die sie gestern in Bayern noch kritisiert haben.
Dafür kann man vieles anführen. Ich denke beispielsweise an die Regelanfrage beim Verfassungsschutz, wenn es um Einbürgerungsanträge geht. In welchem von der SPD geführten Bundesland wird denn so etwas bisher praktiziert? Und wie haben Sie dagegen polemisiert! Tatsache ist, dass nach den mir zur Verfügung stehenden Zahlen aufgrund der Regelanfrage bei der Einbürgerung 217 ausländische Extremisten die Staatsangehörigkeit nicht bekommen haben. Hätten wir das getan, was Sie wollten, wären die heute deutsche Staatsbürger und könnten zum Beispiel nicht ausgewiesen werden.
Und, meine Damen und Herren, man sollte auch lesen, was nach dem 11. September vonseiten der Opposition alles gesagt worden ist. Nach dem „Donaukurier“ vom 21. September beschuldigt Elisabeth Köhler Ministerpräsident Stoiber und Innenminister Beckstein, wer vor Einbürgerung von Ausländern Regelanfragen beim Verfassungsschutz stelle, vergifte das gesellschaftliche Klima –
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja auch so! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) )
Gut, wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie das nach wie vor für richtig halten. Ich komme gleich noch auf Ihren Antrag zu sprechen.
haben unmittelbar nach dem Anschlag in der Woche, in der wir unsere Klausurtagung hatten, heftig Interviews gegeben nach dem Motto „übertriebene Forderungen in der Sicherheitspolitik durch den Ministerpräsidenten und den Innenminister“.
So lautete die dpa-Meldung vom 19. September. Aber wahrscheinlich hat Sie Herr Schily mittlerweile bekehrt.
Er hat jedenfalls erklärt, man müsse das etwas anders machen. Ich will jetzt all Ihre Einlassungen gar nicht einzeln aufführen. Ich erinnere nur daran, wie Ihre Argumentationslinien waren, als es um den Verfassungsschutz ging, und zwar sowohl vonseiten der SPD wie auch vonseiten der GRÜNEN. Und wie war zum Beispiel – um ein letztes Beispiel zu nennen – Ihre Argumentationslinie im Zusammenhang mit der Schleierfahndung?
Damit komme ich zum Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN, der eine Passage enthält, die mich erstaunt, die ich aber ausdrücklich begrüße. Ich zitiere wörtlich:
(Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das heißt nicht, dass Sie das tun!)