es freut mich, dass ich so viel Zuspruch erhalte, obwohl ich als letzte Rednerin an die Reihe kam –, dass den Kalifen von Köln über viele Jahre hinweg die Regierungsfraktion Kohl gehätschelt hat, weil sie dachte, er werde der neue Führer Algeriens.
Da heute plötzlich aufgedeckt wird, dass sich in Deutschland seit Jahren zirka 120 Schläfer aufhalten sollen – in Bayern anscheinend gleich 50 davon –, müssen wir feststellen, dass die bisherige Sicherheitspolitik mit den alten Mitteln, zum Beispiel Rasterfahndung und Schleierfahndung, wenn die Leute eben schon seit so vielen Jahren hier leben, wohl wenig gewirkt haben.
Wir sagen: Wir brauchen neue Konzepte in der Terrorismusbekämpfung. Dazu gehört die Aufstockung der Dienste und der Polizei. Es geht um 50 Stellen hier und
600 oder 800 oder 1000 Stellen dort; das ist relativ beliebig. Aber damit werden Sie uns nicht wirksam schützen.
Wir müssen feststellen: Je nachdem, wo es gerade knallt, werden die Millionen aus dem Hut gezogen. Knallt es bei BSE, wird heftig ein Finanzpaket gebastelt. Knallt es wegen der Ganztagsbetreuung, werden dafür eben mal ein paar Millionen aus dem Hut gezaubert – so einfach mit „Abrakadabra“. Danach ist aber alles wieder Makulatur. Und plötzlich, gerade jetzt, stellt man fest, dass bei der Polizei etwas fehlt.
Wir wissen schon seit langem – mein Kollege Maget hat zu Recht darauf hingewiesen –, dass die Polizei, die Staatsanwaltschaft, die Richter und die Justizvollzugsanstalten unterbesetzt sind. Das ist nichts Neues.
Nach den Gegenschlägen der Vereinigten Staaten ist neue Unsicherheit entstanden. Niemand weiß, was uns erwartet. Das spüren die Menschen. Sie haben Angst. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, den Menschen ihre Angst zu nehmen und für mehr Sicherheit zu sorgen, aber nicht neue Ängste zu schüren. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angst unseren Alltag, unser gesamtes Leben bestimmt.
Wir dürfen auch nicht zulassen, dass aus dieser Angst heraus eine andere Art von Feldzug geführt wird. Es wäre ein Feldzug im Innern. Er hat zwar keine Todesopfer zur Folge, tötet aber die Freiheit.
Dass Journalisten in den Staaten entlassen werden, weil sie schreiben, was sie denken, dass Unionspolitiker, wie eben in Ansätzen wieder geschehen, den Rücktritt von Nachrichtensprechern in unserem Land fordern, dass Lehrer wegen Äußerungen abgemahnt werden, sind untrügliche Zeichen und Vorboten für eine neue intellektuelle Eiszeit.
Wir kennen das aus der Geschichte, zum Beispiel aus der McCarthy-Ära. Wir kennen das in Ansätzen aus RAF-Zeiten. Das ist ein dumpfes Klima,
in dem jeder jeden verdächtigte, ein Klima, das unkritische Duckmäuser produzierte und der Meinungsfreiheit den Atem nahm.
Wir haben bis heute in kleinen Ansätzen wieder erlebt, dass diejenigen, die nachfragen, ob etwas sinnvoll ist und ob diese oder jene Maßnahme geeignet ist, diffa
miert und hier, das muss man wirklich schon fast sagen, als Befürworter und Sympathisanten dargestellt werden.
Wir warnen eindringlich vor einem neuen kalten Krieg. Diesmal sind nicht die Kommunisten die Gegner, sondern die Unzivilisierten. Glücklicherweise sind wir noch nicht so weit. Ihre Ankündigungen subsumiere ich aber gern darunter. Die gehören nach meiner Auffassung dazu.
Glücklicherweise sind wir noch nicht so weit. Aber Ihre Ankündigung, wie viele Sicherheitsmaßnahmen und -pakete Sie noch vorlegen werden, lassen Schlimmes ahnen.
Meine Herren und Damen, wir warnen vor Überreaktionen und Stimmungsmache und davor, die Freiheits- und Bürgerrechte zu missachten. Wir setzen auf eine ruhige und überlegte, gleichzeitig zielorientierte Auseinandersetzung über notwendige Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung. Diese Auseinandersetzung – anscheinend befinde ich mich da in guter Übereinstimmung mit Herrn Glück – muss ohne Schaum vor dem Mund, wie auch Sie es gesagt haben, erfolgen. Entschlossen müssen wir verhindern, dass jemals wieder ein solches Attentat geschehen kann.
Statt sich in Schuldzuweisungen über Versäumnisse in der Sicherheitspolitik zu ergehen, sollten Sie sich gemeinsam mit uns überlegen, welche Lösungen es gibt, einem international agierenden Terrorismus das Handwerk zu legen. Dieser hat seine Wurzeln nicht nur in Afghanistan, sondern in vielen Ländern. Bedauerlicherweise verweigern sich CSU und Staatsregierung der Diskussion über geeignete Mittel und Maßnahmen zum Schutz von Freiheit und gegen Überfälle. Stattdessen überlässt man das Feld kurzsichtigen Stimmungsmachern, die sich nach meinen Beobachtungen noch nie als Beschützer von Bürgerrechten hervorgetan haben. Für mich ist das eher so, als würde man den Bock zum Gärtner machen.
Wir sagen den Bürgern ehrlich, was möglich ist und welche Maßnahmen sinnlos erscheinen. Wir halten nichts von unüberlegten Maßnahmen, die lediglich lückenlose Sicherheit vortäuschen. Wir sind keine Sicherheitsillusionisten wie Herr Kollege Beckstein, sondern wir überprüfen, wie zielgenau eine Maßnahme greift. Wenn uns Maßnahmen untergejubelt werden sollen, die mit der eigentlichen Terrorbekämpfung nichts zu tun haben, aber schon immer des Innenministers liebstes Kind waren, dann durchschauen wir das.
Man bekämpft die Feinde der Freiheit nicht dadurch, dass man die Freiheit selber einschränkt. Man bekämpft die Feinde der Demokratie und damit die Feinde von
Meinungsfreiheit und Toleranz nicht, indem man Bürgerrechte einschränkt. Auch und gerade für diese Rechte haben Menschen in Europa ihr Leben gelassen, oder ihr Leben ist wegen ihres Einsatzes für die Menschenrechte immer noch bedroht. Ich frage Sie: Sollen diese Opfer für die Demokratie, wie wir sie jetzt haben und kennen, wirklich umsonst gewesen sein? Das ist der Fall, wenn Freiheiten Stück für Stück zurückgenommen werden. Sicher sind wir nur im Bunker. Aber Sie wissen selbst: Überleben kann eine Gesellschaft dort nicht.
Die CSU muss endlich lernen, sich den Anforderungen einer modernen, offenen Gesellschaft in einer globalisierten Welt zu stellen, und darf nicht die Bekämpfung von Freiheit und Bürgerrechten zum Programm erklären.
Wir haben ganz konkrete Vorstellungen von einer aktiven Sicherheitspolitik. Es gibt nämlich eine ganze Reihe von Maßnahmen, die ergriffen werden können, ohne dass man die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats verletzen muss. Vielleicht sollten Sie sich darüber einmal Gedanken machen.
Es ist erstens dringend geboten, Täterprofile zu erstellen. Was kennzeichnet die Täter? Welche Rückschlüsse lassen sich dabei auf andere mögliche Täter ziehen? Gerade hier in Bayern kann auf ein Füllhorn von Daten zurückgegriffen werden, die nur ausgewertet und vernetzt werden müssen. Hierbei ist auch eine länderübergreifende Zusammenarbeit nötig. Ich glaube, diese hat in den letzten Jahren nicht in dem Ausmaß stattgefunden, wie es sinnvoll gewesen wäre.
Zweitens müssen die über die Welt verteilten Netzwerke erfasst und ihre Verbindungen gekappt werden. Man gestatte mir jedoch den Zweifel, ob das gerade mit einer im weltweiten Vergleich kleinen Behörde wie unserem Bayerischen Verfassungsschutz, der zudem als politisches Kampfinstrument missbraucht wird, gelingen wird.
Die Aufgaben stellen sich in der Terrorbekämpfung völlig neu. Die Struktur des Verfassungsschutzes muss überarbeitet werden, damit er wirkungsvolle Arbeit leisten kann. Wir müssen uns fragen: Wie effizient arbeitet er? Und wie sieht die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden aus?
Wir brauchen drittens eine demokratisch kontrollierte europäische Polizei mit allgemein akzeptierten europäischen Rechtsnormen. Für uns ist es nicht akzeptabel, dass sich Europol durch ein Immunitätsprotokoll einer demokratischen Kontrolle entzieht.
Besondere Bedeutung kommt viertens anderen Diensten auf Bundesebene zu, deren Aufgaben und damit Organisationsstrukturen unter Berücksichtigung der Aufgaben des BKA jedoch unbedingt neu definiert werden müssen.
Fünftens gibt uns § 129 b StGB die Möglichkeit, gewaltbereite, extremistische Mitglieder terroristischer Gruppierungen, die sich in Deutschland aufhalten, besser zu verfolgen. Wir lehnen jedoch eine Verfolgung allein aufgrund der Gesinnung ab.
Sechstens. Gewaltbereite Extremisten sollen sich nicht unter dem Deckmantel der Religion betätigen können, weshalb das Religionsprivileg abgeschafft werden muss.
Siebtens sind die bereits in Durchführung begriffenen verschärften Sicherheitschecks eigentlich selbstverständlich und dürfen gar nicht mehr erwähnt werden. Aber nachdem Sie hier einzelne Maßnahmen vorgestellt haben, gehe ich noch darauf ein.
Wir müssen uns bei diesen verschärften Sicherheitschecks natürlich auch klar darüber sein, dass in einer hochtechnisierten Welt viele empfindliche Stellen für weitere Attentate denkbar sind. Diese Sicherheitschecks sind nur so weit möglich, wie sie das öffentliche Leben nicht zum Erliegen bringen.
Achtens, damit komme ich zu einem ganz wichtigen Punkt. Neben der Erstellung von Täterprofilen und der Zerschlagung von Netzwerken müssen wir den Tätern und Helfershelfern die Geldflüsse abschneiden.
Das macht Einschnitte im Banken- und Börsenrecht und unter anderem auch in der Abgabenordnung notwendig. Dazu kommen in letzter Zeit etwas widersprüchliche Aussagen von Ihnen. Sie sehen mich etwas perplex beispielsweise wegen der Äußerung der Mittelstandsunion der CSU, die einwendet, man dürfe in der Terrorismusbekämpfung nicht den gläsernen Bürger und Steuerzahler schaffen. Die Mittelstandsunion kämpft anscheinend plötzlich gegen „big brother“- das wird dort auch so genannt. Laut Mittelstandsunion sei das Bankgeheimnis das „Magma der inneren Sicherheit“ – was immer man unter der sehr schönen philosophischen Bezeichnung verstehen mag.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist wie eine Rede von Glück!)