Protokoll der Sitzung vom 30.01.2002

Ja; da kann ich inzwischen einen Schluck Wasser trinken.

Das ist doch gut, dass ich Ihnen auf diese Weise zur Gesundheit verhelfe. Herr Kollege Müller, ich sehe, dass Sie sich gelegentlich ähnlich wie ich der Zeitungslektüre befleißigen. Dabei werden Sie aber auch festgestellt haben, dass die bei den Holzmann-Aktionen am Ende freigesetzten Stellen, die in der Folge frei geblieben sind und vom Kanzler nicht berücksichtigt wurden, mehr sind als diejenigen, die der Kanzler gerettet hat. So herausragend scheint mir diese Aktion, die Sie meinen, also nicht zu sein.

(Zurufe von der SPD)

Also, Frau Merkel – –

(Heiterkeit und Zurufe)

Entschuldigung, Herr Goppel. Das war ein Versprecher. Sie haben mich gerade mit Ihrer Frage dermaßen irritiert, dass ich die ganze Hierarchie innerhalb der CDU und CSU durcheinandergebracht habe.

(Heiterkeit und Zurufe)

Ich werde versuchen, Ihre Frage zu beantworten. Über diese Frage würde ich ganz gern dann mit Ihnen reden, wenn wir wissen, was bei Schneider herausgekommen ist. Lassen Sie uns zunächst gemeinsam überlegen, was wir tun müssen, und dann reden wir darüber, ob hinterher mehr oder weniger Arbeitsplätze da sind. Entscheidend ist, dass sich die Bayerische Staatsregierung mit Herrn Stoiber an der Spitze engagiert. Ich hätte nichts dagegen, wenn Herr Stoiber heute da wäre, weil es um 650 Arbeitsplätze geht.

(Beifall bei der SPD)

Ich kenne einen Bundeskanzler, der seinen Terminkalender ändert, wenn es um Betriebe mit weniger Leuten geht.

(Anhaltende Zurufe von der CSU)

Ich freue mich selbstverständlich, dass der Wirtschaftsminister da ist. Das ist klar.

(Willi Müller (CSU): In Sachsen-Anhalt ist Wahl!)

Sehr gut, Herr Müller, jetzt ist die Katze aus dem Sack. Ich weiß nicht, ob Sie es alle gehört haben. Herr Müller sagte gerade, in Sachsen-Anhalt ist Wahl. Aber in Bayern gehen Arbeitsplätze verloren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist mir in der Tat allemal wichtiger.

(Beifall bei der SPD – Willi Müller (CSU): Unmöglich!)

Ich frage mich, wo sind die, die bei Grundig, Kirch oder bei der Maxhütte einsteigen, und wo sind sie, wenn es um die Arbeitsplätze bei Schneider geht. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt heute, dass die Bayerische Staatsregierung Schneider bereits habe fallen lassen. Ich hoffe, das ist nicht der Fall.

Die Fragen, die wir in unserem Antrag unter den Nummern 1 bis 10 gestellt haben, möchten wir gern so schnell wie möglich – möglichst heute – beantwortet bekommen. Wenn das nicht in vollem Umfang möglich ist, werden wir den Rest im Ausschuss beraten. Ich denke, dass wir in diesem Hohen Hause gemeinsam alles tun müssen, um unsere Probleme in Bayern in voller Verantwortung zu lösen. Es gibt weiß Gott eine Menge von Verquickungen zwischen der Bayerischen Staatsregierung und dem Hauptaktionär bezüglich der Arbeitsplätze. Ich denke, wir müssen zu deren Rettung gemeinsam antreten. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pschierer.

Pschierer (CSU) : Herr Präsident, Hohes Haus! Zunächst ein paar Vorbemerkungen zum Kollegen Müller, der hier mit Euphorie gemeint hat, die Position der SPD und vor allem die Handlungsmöglichkeiten des Bundeskanzlers noch einmal darstellen zu müssen.

(Zuruf von der CSU: Die ruhige Hand!)

Herr Kollege Müller, Ihren Dringlichkeitsantrag hätten Sie sich sparen können.

(Frau Radermacher (SPD): Warum haben Sie denn einen gemacht?)

Wir hätten das mit zwei Anrufen erledigen können. Wenn es darum gegangen wäre, einen nüchternen Bericht darüber zu erhalten, was LfA, Bayerische Forschungs

stiftung und andere getan haben, hätten Sie bei Staatsminister Dr. Wiesheu anrufen können. Darüber hinaus wollen Sie ja in dem Bericht geklärt haben, was die finanziellen und personalpolitischen Konsequenzen des Engagements des Freistaats Bayern waren. Um das zu klären, hätte ein einfacher Anruf beim Betriebsratsvorsitzenden von Schneider Technologies gereicht. Dieser hätte Ihnen nämlich gesagt, dass mit diesem Engagement des Freistaats Bayerns seit fünf Jahren 700 Arbeitsplätze gesichert worden sind.

(Beifall bei der CSU)

Ein einfaches Dankeschön an den Minister, an die bayerische Forschungsstiftung und an die LfA hätte genügt.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): An den Steuerzahler, Herr Pschierer! – Zurufe von der SPD)

Damit eines klar ist: Seit 1998 hat es in dieser Firma die schwierigsten Situationen gegeben. Ohne die Bayerische Staatsregierung, ohne Zutun von Staatsminister Dr. Wiesheu und vielen anderen CSU-Politikern wären die Lichter dort ausgegangen. Ich weiß, wovon ich spreche. Die Firma ist nur ein paar Kilometer von meinem Wohnort entfernt. Fragen Sie bitte die Betriebsratsmitglieder, fragen Sie die Beschäftigten, wie schwierig die Situation dort war. Das Einzige was man uns, vielleicht auch dem Herrn Staatsminister, vorhalten kann, ist, dass wir vergessen haben, zu diesen Gesprächen, die wir häufig geführt haben, Kamerateams mitzunehmen. Ihr Bundeskanzler versteht es in der Tat besser, ein Kamerateam mitzunehmen und sich großkotzig hinzustellen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Müller, Sie haben den Artikel in der heutigen Ausgabe der „Augsburger Allgemeinen“ gerne zitiert. Darin steht ja schon, was Sie wissen wollen. Es steht darin, wie viel die LfA gegeben hat, wie hoch sie beteiligt ist; es steht darin, was die Bayerische Forschungsstiftung getan hat. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Der Antrag, den Sie formuliert haben, hat sich für mich mit dem Bericht erledigt, den Ihnen der Herr Staatsminister nachher geben wird. Aber Sie brauchen den Bericht des Herrn Staatsministers gar nicht abzuwarten. Es würde genügen, den Artikel noch einmal durchzulesen. Er enthält die Antworten auf Ihre Fragen.

(Zuruf von der CSU: Die verwechseln sogar den Generalsekretär mit Frau Merkel!)

Das muss man wohl so sehen. Dass man den Generalsekretär mit Frau Merkel verwechselt, will ich jetzt gar nicht weiter kommentieren. – Aber, Herr Müller, ich kann Sie in einem beruhigen: Auf diesen Pleiten-Pech-undPannen-Showmaster in Berlin werden wir uns nicht verlassen, wenn es um die Arbeitsplätze in Bayern geht.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Mein Gott!)

Das darf ich Ihnen versichern. Fragen Sie einmal nach, was bei Holzmann unter dem Strich herausgekommen ist, und warten Sie einmal die Entwicklung bei Bombardier ab. Bombardier ist ohnehin ein Sonderfall, was an

der Produktpalette dieser Firma liegt, die sich in einem spezifischen Segment bewegt, was Bahn und Ähnliches angeht. Das können Sie mit dem hier diskutiertem Fall in keiner Weise vergleichen.

Aber, meine Damen und Herren, was wir beim Thema „Schneider Technologies“ schon brauchen, ist eine nüchterne Bestandsaufnahme. Zu fragen ist: Warum kam es zu der Situation, vor der wir jetzt stehen? Ich habe vorhin schon gesagt: In den letzten Jahren gab es dort die schwierigsten Situationen durchzustehen. Allerdings weigere ich mich, Herr Kollege Müller, mit dem Finger auf die Staatsregierung und auf die Politik alleine zu zeigen. Ich habe vielmehr den Mut, bei einem Privatunternehmen der freien Wirtschaft, bei einer Aktiengesellschaft – kein Staatsunternehmen, ein Privatunternehmen, eine Aktiengesellschaft –, auf strategische unternehmerische Entscheidungen hinzuweisen, die meiner Meinung nach nicht richtig waren.

Wir haben das Problem der Überkapazitäten in der Unterhaltungselektronik nach wie vor. Es ist nicht gelungen, die Überkapazitäten bei Schneider abzubauen. In den Jahren 1988, 1989 und 1990 hat man den Einstieg in das PC-Geschäft verfolgt. Im Nachhinein sind wir häufig gescheiter. Wer damals geglaubt hat, in einem hoch komplizierten Markt, der weltweit ausgerichtet ist, mit billigen Produkten in Konkurrenz zu Betrieben in Asien, in Amerika oder sonstwo treten zu können, war vielleicht nicht gut beraten. Ich wage die Behauptung, dass der Mut nicht vorhanden war, Personalabbau in vernünftigem Maße – vielleicht auch sozialverträglich, vielleicht unter Zuhilfenahme der Arbeitsverwaltung – zu betreiben. Stattdessen wurde in den letzten Jahren das Personal aufgestockt.

Herr Müller, da brauchen Sie nicht auf Herrn Wiesheu oder auf Herrn Stoiber zu zeigen. Das ist kein Staatsbetrieb. Es ist die Entscheidung der Firmenleitung – nicht des Vorstandes allein, sondern der Gremien im Unternehmen – gewesen, das Personal aufzustocken. Die Umstrukturierung, die auch in dem Gutachten von Berger steht, ist vom Unternehmen nicht mit der Nachhaltigkeit verfolgt worden, die auch wir uns erwartet hätten.

Letzter Punkt. Meine Damen und Herrn, ich stehe dazu, dass sich die Bayerische Forschungsstiftung tatkräftig engagiert hat, als es um das Thema „Lasertechnologie“ ging, und ich werde mich auch dagegen verwahren, dass wir jetzt die Diskussion darüber führen, ob Gelder zurückgezahlt werden oder Ähnliches. Die Förderung der Lasertechnologie hat dazu geführt, dass dieser Forschungsbereich, national und international von uns besetzt werden konnte. Das heißt, wir haben als Freistaat Bayern mit der Bayerischen Forschungsstiftung in einem wichtigen Zukunftsmarkt Zeichen gesetzt, indem wir gesagt haben: Wir wollen, dass dies auch vom Freistaat Bayern gefördert wird. Nur eines ist bis zum heutigen Tag nicht gelungen: das Thema „Lasertechnologie“ von der Idee zum Patent, vom Patent zum marktfähigen und dann zum marktgängigem Produkt weiter zu entwickeln. Im Moment besteht das Problem, dass die Lasertechnologie zwar als Idee und als Patent vorhanden ist, dass es Erfolg versprechende Aussichten gibt, dass man sie aber noch nicht in ein marktgängiges Produkt umzu

setzen konnte, das zu bezahlbaren Preisen auf dem Markt – im privaten Sektor um im industriellen Sektor – abgesetzt werden kann.

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich sagen: Für mich bleibt jetzt eines. Das ist mit das Entscheidende, was wir in der nächsten Zeit sorgfältig tun und beobachten müssen, und ich glaube, dass auch die Belegschaft dies von uns erwartet. Die Belegschaft will keine voreiligen Schuldzuweisungen, keinen Fingerzeig in Richtung Staatskanzlei oder in eine andere Richtung. Sie will einen Insolvenzverwalter, der qualifiziert ist, der befähigt ist, dieses Verfahren durchzuführen. Ich denke, es ist ein Mann gewählt worden, der die besten Voraussetzungen dafür mitbringt.

Nötig ist eine nüchterne Bestandsanalyse: Welche profitablen Bereiche sind vorhanden? Was ist an profitablen Produkten möglich, um am Markt zu bleiben? Gibt es die Möglichkeit von Nachfolgenutzungen? Gibt es die Möglichkeit, eine Auffanggesellschaft zu gründen? Diese Fragen und viele andere mehr haben wir sicherlich in den nächsten Tagen und Wochen zu klären. Zunächst wird aber der Insolvenzverwalter gefordert sein. Erst wenn es möglich ist, zu sagen, es gibt ein schlüssiges, in sich stimmiges Finanz- und Sanierungskonzept, sind der Tag und die Stunde gekommen, dass ein Wirtschaftsausschuss, ein Haushaltsausschuss und eine Staatsregierung die Frage beantworten können, welchen Beitrag wir als Politiker leisten können, um Arbeitsplätze zu sichern.

Glauben Sie mir: Ich habe gestern Abend noch einige Telefonate geführt. Man sagte mir: Lasst uns jetzt dieses Verfahren sauber durchführen. Wenn wir dann sehen, was noch machbar ist, dann erwarten wir die Unterstützung und die Hilfe aus der bayerischen Landespolitik. Ich darf Ihnen aber versichern, dass bei diesen Telefonaten keiner auf Herrn Schröder gehofft oder gewartet hat.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Pschierer. – Ich möchte noch darauf hinweisen, dass der Herr Ministerpräsident entschuldigt ist. In München findet heute, wie Sie ja der Presse entnehmen konnten, eine Regierungskonferenz mit vielen ausländischen Gästen statt. Daher ist der Herr Ministerpräsident gebunden.

Nächster Redner ist Herr Dr. Runge. – Bitte sehr, Herr Kollege.

Dazu „Regierungskonferenz“ zu sagen, ist sehr vornehm ausgedrückt. Man könnte die Veranstaltung auch anders bezeichnen.

(Zuruf von der SPD: Wie denn?)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der SPD ist ein Berichtsantrag, der im Wesentlichen dazu dient, die Vergangenheit auszuleuchten und nach der Rolle des Freistaates und seiner Einrichtungen

LfA und Forschungsstiftung zu fragen. Die Insolvenz der Schneider Technologies und das, was dem Einsatz des Insolvenzverwalters folgt, nämlich, wenn überhaupt, dann Weiterführung in sehr abgespeckter Form, ist bedauerlich. Für die etwa 700 Beschäftigten ist dies eine Katastrophe. Es ist schlimm für die Region; es ist schade für die Entwicklung von Laser-TV. und es ist bedauerlich, weil die LfA zum einen erhebliche Gelder hineingesteckt hat und weil sie zum anderen mittlerweile auch mit 19% am Kapital beteiligt ist. Diese 19% sind wohl gewählt worden, um nicht im Beteiligungsbericht erscheinen zu müssen.