Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

obwohl 4 Milliarden e aus den Privatisierungserlösen ausgegeben wurden, und auch trotz des Beschäftigungspaktes. In keinem anderen Bundesland gibt es so große regionale Gefälle. In Freising haben wir zum Beispiel eine Arbeitslosenquote von 3,1%, in München 4,5%, in Bayreuth 8,5% oder in Hof 10,5%. Nirgendwo gibt es so große Gefälle. Die Ausflüge von Herrn Stoiber in die Wirtschaftspolitik sind doch alle ein Desaster geworden. Bei der Maxhütte wollte man dem CSU-Spezl Aicher mit illegalen Zuschüssen den Übernahmepreis runtersubventionieren. Was ist denn bei der LWS passiert? Insgesamt ist Ihre Wirtschaftspolitik eine Melange aus Staatswirtschaft wie zum Beispiel VMB, aus Filz wie zum Beispiel Kirch und aus überzogenen Reglementierungen wie zum Beispiel das Bayerische Weinabsatzförderungsgesetz.

Herr Dinglreiter, Sie reden immer über die 630-DM- bzw. 325-Euro-Jobs. In welcher Welt leben Sie? – Es gibt mehr solcher Jobs, es kommt doppelt so viel Geld in die öffentlichen Kassen, in die Rentenversicherung und in die Krankenversicherung als gleichzeitig Steuerausfälle zu verzeichnen sind. Eine Pauschalbesteuerung ist ungerecht, weil derjenige, der nebenher verdient, keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlen muss. Ein anderer, der mehr an seinem regulären Arbeitsplatz verdient, muss Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

(Willi Müller (CSU): Haben Sie schon einmal etwas von Schwarzarbeit gehört?)

Nächster Punkt: das Gerede um Steuerreform und Mittelstand. Nennen Sie mir einmal eine Personengesellschaft, die 200000 oder wenn der Inhaber verheiratet ist 400000 DM Gewinn macht. Erst ab dieser Grenze muss genau so viel Steuer bezahlt werden wie in einer Kapitalgesellschaft. Der Mittelstand profitiert wegen des niedrigen Einkommensteuersatzes, wegen des höheren Grundfreibetrags und wegen des niedrigeren Spitzensteuersatzes ganz massiv von der Steuerreform. Das sind 95 bis 98% aller Personengesellschaften. Der Rest kann ohne Problem eine Kapitalgesellschaft gründen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Erzählen Sie nicht solche Märchen. Sie verwechseln den Spitzensteuersatz mit der durchschnittlichen Steuerbelastung.

Sie, von der CSU, müssten sich an die Staatsregierung wenden. Wenn Sie wirklich etwas für den Mittelstand und für die Schaffung von Arbeitsplätzen tun wollen, dann nehmen Sie bitte Ihren unsinnigen Entwurf für die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms, mehr Großmärkte auf der grünen Wiese zu schaffen, zurück und setzen Sie sich endlich für das Dosenpfand ein. Dabei geht es ganz konkret um die Schaffung von Arbeitsplätzen und um den Mittelstand. Sie gefährden massiv den Mittelstand und Arbeitsplätze in Bayern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dieser Diskussion aufmerksam zugehört. Kollege Dr. Kaiser, Sie haben mit dem Wirtschaftswachstum angefangen. Deutschland liegt mit einem Wirtschaftswachstum von 0,6% unter den Ländern der Europäischen Union am Ende der Skala. Betrachten Sie sich das Wirtschaftswachstum anderer Staaten in der Europäischen Union: Irland 6%, Luxemburg 4,8% und selbst Griechenland hat 4%.

(Schläger (SPD): Wie schon seit zehn Jahren!)

Bayern ist keine Insel der Seligen, die sich von dem niedrigen Wirtschaftswachstum in Deutschland abkoppeln kann.

Es ist ständig die Frage gestellt worden, wie die Bayerische Staatsregierung auf dem regionalen Arbeitsmarkt fördert. Herr Kollege Dr. Kaiser, Ihnen liegen wahrscheinlich falsche Zahlen vor. Neben 1 Milliarde Euro der Bundesanstalt für Arbeit, die hier eingesetzt werden, fördert der Freistaat Bayern zusätzlich mit 100 Millionen Euro. Wir gehen gerade in den Bereichen, die wir für besonders wichtig halten voran. Das sind die Maßnahmen für Behinderte mit 28 Millionen Euro, für Arbeit und berufliche Bildung, gerade bei den Jugendlichen für die berufliche Bildung, mit 13,8 Millionen Euro, für die

berufsbezogene Jugendhilfe mit 5,1 Millionen Euro und für die Frauen mit 0,16 Millionen Euro.

Die Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit werden zielgerichtet durch unsere Landesmittel ergänzt.

Nordbayern ist im Rahmen der regionalen Förderung ein Schwerpunkt, bei der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Fast 54% des bayerischen GA-Gebietes liegen in Oberfranken und der Oberpfalz. In den letzten zehn Jahren sind 3,3 Milliarden DM an Regionalfördermitteln für die Förderung gewerblicher Investitionen und Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur nach Nordbayern geflossen.

(Dr. Scholz (SPD): Das ist kein Erfolg!)

Das sind 57% der gesamten Fördermittel des Freistaates Bayern. Ich meine, dass Sie diese Zahlen einmal zur Kenntnis nehmen sollten. Das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen in Nordbayern hat von 1991 bis 1998 um circa 49,2 Milliarden DM zugenommen. Die Wachstumsrate von 24,9% lag zwar unter dem bayerischen Wert von 28,3%, jedoch über dem westdeutschen Wert von 22,8%.

60% der Mittel aus dem Arbeitsmarktfonds fließen in die drei fränkischen Regierungsbezirke und in die Oberpfalz. Daran sehen Sie, dass uns die regionale Wirtschaftsförderung und der Arbeitsmarkt dort am Herzen liegen, besonders die jugendlichen Langzeitarbeitslosen.

(Frau Steiger (SPD): Das merkt man!)

Frau Kollegin Stahl, bei Ihrem Redebeitrag habe ich das Gefühl gehabt, Sie tragen in der Bundesregierung keine Verantwortung.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da haben Sie Recht, sie sitzt hier, schauen Sie her!)

Ja, aber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist in der Regierungsverantwortung. So leicht kann man sich nicht aus der Verantwortung stehlen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind im Bund mit in der Regierungsverantwortung.

In 60% unserer Betriebe in Deutschland arbeiten keine über 50jährige mehr. Deutschland hat die höchste Arbeitslosenquote bei den über 50jährigen. Übrigens sehen diese Zahlen in Bayern wesentlich besser aus, –

(Frau Biedefeld (SPD): Schauen Sie sich die Zuwachsraten an!)

weil wir da mit gezielten Fördermaßnahmen reingegangen sind. Frau Kollegin von Truchseß, Ihre Ausführungen zur Jobrotation stimmen nicht. – Sie ist überhaupt nicht mehr da. Wir haben die Maßnahmen nicht auslaufen lassen. Wir haben uns intensiv darum bemüht, dass dies ins „Job-Aqtiv-Gesetz“ von Bundesarbeitsminister Riester aufgenommen wird.

Wir hätten uns auch eine andere Förderung der Jobrotation vorstellen können, sind aber damit beim Bundesarbeitsminister leider nicht durchgedrungen. Die Jobrotation war in Bayern ausgesprochen erfolgreich.

Frau Kollegin Stahl, der Teilzeitanspruch – auch dies hat Kollege Dinglreiter klar gesagt – ist nicht grundsätzlich gestiegen. Für Frauen mit Kindern unter 12 Jahren und für Frauen, die zu Hause Angehörige pflegen, soll der Teilzeitanspruch nicht grundsätzlich steigen. Ich bekomme täglich Schreiben von Frauen, die mir erklären, dass das Teilzeitgesetz Frauenarbeitsplätze verhindert. Diese beklagen sich darüber bitter. Unternehmen, die bislang bis zu 80% Frauenarbeitsplätze hatten, überlegen sich vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf Teilzeit sehr genau, ob und in welcher Art und Weise sie überhaupt noch Frauen einstellen und bemühen sich intensiv um die Männer, weil sie gegen den Rechtsanspruch auf Teilzeit Vorbehalte haben.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Steiger (SPD))

Die Schutzgesetze für Frauen verdrehen sich in der aktiven Arbeitsmarktpolitik genau ins Gegenteil.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen: Sie sagen immer, Bayern sei Schlusslicht bei den Kinderkrippen. Das haben Sie von Bundesfamilienministerin Bergmann –

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das haben Sie in der Interpellation geantwortet! – Gegenrufe von der CSU)

aus ihrem Kinder- und Jugendhilfebericht, den sie gerade veröffentlicht hat.

Sie hat zurückgegriffen – mittlerweile hat sich übrigens auch das Land Nordrhein-Westfalen über die alten Zahlen beschwert – auf die Zahlen von 1998. Bayern liegt zur Zeit bei der Betreuung der unter Dreijährigen bei circa 3,5%.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, damit liegen wir durchaus mit an der Spitze der westlichen Flächenländer.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf 100 Kinder 3,5 Plätze, super!)

Ich kann die Aussagen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zum Haushaltsfreibetrag bald nicht mehr hören. Wer hat denn den Haushaltsfreibetrag für die Alleinerziehenden gestrichen? – Doch nicht die CDU/CSU, sondern die rot-grüne Bundesregierung.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, das Verfassungsgericht!)

Die rot-grüne Bundesregierung schmilzt den Haushaltsfreibetrag bis 2005 ab. Deswegen wird doch geklagt.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Verfassungsgericht hat uns das aufgegeben!)

Nein, das Verfassungsgericht hat es Ihnen nicht aufgegeben. Sie haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nur in einer Richtung ausgelegt. In dem Urteil heißt es, jedes Kind ist gleich viel wert. Deswegen muss man die Alleinerziehenden gleichstellen mit den anderen Frauen, die erziehen. Sie hätten genauso gut den Freibetrag für alle einführen können. Das, was Sie gemacht haben, war vom Bundesverfassungsgericht nicht zwangsweise vorgegeben.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt gibt es dafür andere Leistungen!)

Jetzt hören Sie aber auf; das ist Ihre Politik, dass Sie den Haushaltsfreibetrag für die Alleinerziehenden gestrichen haben. Das möchte ich klar und eindeutig sagen.

(Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das tut weh!)

Ja, das tut weh, weil Sie mit in der Bundesregierung sitzen.

Lassen Sie mich noch etwas zum Mainzer Modell sagen. Selbst Bundesarbeitsminister Riester sagt, mit dem Mainzer Modell wird er vor dem Hintergrund von 4,3 Millionen Arbeitslosen in Deutschland nur 30000 Arbeitsplätze schaffen. Es ist klar, dass das vom Grundsatz her nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Ich kann Ihnen versichern, wir beschäftigen uns mit den Schicksalen, die hinter den Arbeitslosenzahlen stehen, denn nach wie vor gilt für uns der Grundsatz: Sozial ist, was Arbeit schafft.

(Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SPD): Sonntagsreden!)

An dieser Leitlinie ist unsere Arbeitsmarktpolitik ausgerichtet.

Ich möchte Ihnen noch einiges zur Investitionsquote sagen. Während der Bund die Investitionsquote senkt, nämlich von 12,5% 1998 auf 10,3% im Jahr 2005, haben wir in Bayern eine Investitionsquote von 15,6% vorzuweisen, wenn man die Privatisierungserlöse dazurechnet sogar von 16,7%. Im Nachtragshaushalt 2002 haben wir die Hochbauförderung noch einmal um 37,3 Millionen aufgestockt. Das bedeutet allein im Nachtragshaushalt eine prozentuale Steigerung von 17,2%. Das ist aktive Wirtschaftsföderung. Bei uns liegt die kommunale Investitionsquote bei 22,5% und damit 6,6% über dem Bundesdurchschnitt der anderen Kommunen.

Frau Kollegin Stahl, Sie haben die Gewerbesteuerumlage angesprochen. Wir haben die Gewerbesteuerumlage nicht abgesenkt, sondern die Bundesregierung. Das bewirkt, dass die Kommunen unter massiven Einbußen bei der Gewerbesteuerumlage leiden. Sie haben die Abgabe von 20% auf 28% erhöht. Das heißt, dass den Kommunen 8% weniger übrig bleiben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Runge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))