Der Vergleich mit Holzmann wurde heute mehrfach strapaziert. 1999 ist es durch den Einsatz des Bundeskanzlers leider nur vorübergehend gelungen, eine Insolvenz abzuwenden.
Dies ist dadurch geschehen, meine Damen und Herren, dass der Bund – hören Sie gut zu – ein Darlehen und eine Bürgschaft in Höhe von insgesamt 125000 Millionen Euro übernommen hat. Bei Kirch dagegen belaufen sich die Kredithilfen der halbstaatlichen öffentlich-rechtlichen Bayerischen Landesbank – und das ist die Bank der bayerischen Bürgerinnen und Bürger, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht Ihre -,
Jetzt sollen offenbar noch weitere neue Kredite in Höhe von über 1 Milliarde Euro, mitgetragen erneut von der Bayerischen Landesbank, erfolgen, um überhaupt ein tragfähiges Insolvenzverfahren zu ermöglichen. Das staatliche Engagement bei Kirch und das damit verbundene Risiko der öffentlichen Hand ist um ein Vielfaches höher und schon deshalb mit Holzmann nicht vergleichbar.
Eines jedoch haben beide Konkurse gemeinsam. Über die jetzt eingetretenen Insolvenzen weder bei Holzmann noch bei Kirch sollte sich irgendjemand freuen. Immerhin geht es um Tausende von Arbeitsplätzen, um menschliche Existenzen und um die Zukunftschancen unserer Wirtschaft.
Die Kirch-Pleite ist in der Tat die Folge einer Kette unternehmerischer Fehlentscheidungen, beruhend auf eklatanten Fehleinschätzungen des Marktes und gepaart mit einer zunehmender Hybries, die alle Warnungen – die es zuhauf gegeben hat – bedenkenlos in den Wind schlug.
Hier hat ein ursprünglich mittelständischer Unternehmer, dessen Verdienste in der Vergangenheit ich keineswegs schmälern will, ganz offensichtlich den Bezug zur Realität verloren und versucht, auf der Basis einer völlig unzureichenden Eigenkapitalausstattung das große Rad zu drehen. Ginge es nur um Herrn Kirch, würde man von einem bedauerlichen Unternehmerschicksal sprechen, von einem Unternehmer, der im Übrigen für seinen eigenen Lebensabend und für seine Familie Vorsorge getroffen haben dürfte. Doch hier geht es um Arbeitsplätze und um die berufliche Existenz tausender von Menschen. Übrigens geht es auch um die Existenz von vielen kleinen Produktionsgesellschaften, für die jetzt Lösungen gesucht und gefunden werden müssen.
Doch dieses viel zu große Rad hätte Kirch niemals drehen können, hätten sich nicht insbesondere die CSUStaatsregierung und die Bayerische Landesbank an dieser Konstruktion beteiligt. Die Großzügigkeit, mit der die Landesbank, getrieben von der Staatsregierung, Herrn Kirch Kredite gegeben hat, steht in einem merkwürdigen Gegensatz zu den Schwierigkeiten, vor denen heute andere, vor allem kleine und mittlere Unternehmen stehen, wenn sie Kredite brauchen.
Wenn heute, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ein durchschnittlicher bayerischer Handwerksmeister einen Bankkredit will, dann muss er hohe Zinsen zahlen, die persönliche Haftung erklären, sein Haus und sein gesamtes Eigentum verpfänden. Beim Kleinen werden die Daumenschrauben angezogen, bei Kirch dagegen hat man die pure Großzügigkeit walten lassen.
Es ist selbstverständlich, dass eine Landesbank bei Kreditvergaben in anderer Weise Standortkriterien berücksichtigt als Privatbanken. Das ist auch nicht zu kritisieren. Dafür ist die Landesbank schließlich da, und dafür werden wir auch in Zukunft eine gute, intakte und finanzstarke Landesbank benötigen.
Der Aufstieg von Leo Kirch wurde stets von CSU-Politikern hilfreich begleitet. Jetzt aber dem Bundeskanzler vorzuwerfen, er würde versuchen, mit Hilfe des Medieneinflusses seine Politik zu befördern – und das ausgerechnet aus Ihrem Mund –, das ist an Unverfrorenheit nicht zu überbieten.
Der Aufstieg von Leo Kirch in Bayern wäre ohne die tatkräftige und politisch motivierte Mithilfe von Edmund Stoiber und seinem Kabinett niemals möglich gewesen.
1997 versuchten Sie, Herr Wirtschaftsminister Wiesheu, den Einstieg Kirchs in das Bezahl-Fernsehen mit Hilfe eines 500-Millionen-DM-Großkredites der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung zu unterstützen.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist die Bank, die für den Mittelstand zuständig ist! – Unruhe bei der CSU)
Hören Sie gut zu, Herr Prof. Faltlhauser. Es wurde versucht, mit Hilfe der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung, die für die Mittelstandsförderung zuständig ist – –
Ich habe Herrn Faltlhauser angesprochen, weil er Herrn Schily hierfür kritisierte. Sie haben versucht, hier die Landesbank für Aufbaufinanzierung ins Geschäft zu bringen. Man ist Ihnen aber dahintergekommen, und unter dem Druck der Öffentlichkeit konnten Sie dieses Geschäft dann nicht machen, und so haben Sie es zurückgezogen.
Kurze Zeit später engagierte sich die Bayerische Landesbank im Rahmen eines Milliardenkredits gemeinsam mit mehreren Großbanken beim Bezahl-Fernsehen. Auf unsere kritische Nachfrage im Landtag warnte der damalige Finanzminister – das waren Sie, Herr Huber – davor, Herrn Kirch jetzt im Stich zu lassen. Die Kreditwürdigkeit war im Übrigen bereits damals schlecht bewertet. Das wollten Sie jedoch nicht zur Kenntnis nehmen. Mit der Umressortierung 1998, als die Zuständigkeit der Medienpolitik aus dem Wirtschaftsministerium in die Staatskanzlei verlegt wurde, gaben Huber und Stoiber aber erst richtig Gas. Bereits im April 1999 finanzierte die Landesbank mit sage und schreibe 1,6 Milliarden DM den Herauskauf des Abo-Senders Premiere aus Bertelsmann. Minister Huber sprach damals in diesem Hause von einem „Big Point“ der bayerischen Medienpolitik
und jubelte über die Stärkung des Medienstandortes Bayern durch die Verlagerung von Premiere von Hamburg nach München. In Wahrheit war dies, wie mein Kollege Hoderlein zu Recht bemerkte, der Anfang vom Ende und damit der Sargnagel für Kirch, den Sie tatkräftig für ihn organisiert haben.
Auch in der Folge begleitete die CSU-Staatsregierung aufmerksam das Engagement von Leo Kirch. Um den
Einstieg des Herrn Murdoch bei Premiere – und hier wird es wirklich interessant, Herr Wiesheu – zu bewerkstelligen, reiste wer nach Los Angeles? Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber höchstpersönlich. Ob er allerdings in der verdunkelten Limousine vorfuhr, weiß ich nicht.
Ich weiß aber, dass er dort war, um Herrn Murdoch persönlich zu überreden, bei Leo Kirch einzusteigen. Auch dies hat man wieder über eine Tochter der Bayerischen Landesbank finanziert, und zwar über die Wabag in Österreich.
Den Höhepunkt dieser äußerst fragwürdigen und letztlich verderblichen Aktivitäten der Staatsregierung bildete Kirchs Einstieg in das Formel 1-Geschäft, der schließlich nur noch durch die Landesbank zu finanzieren war, weil private Geschäftsbanken das Risiko bereits damals für viel zu hoch erachteten. Sie, Herr Huber, mussten damals auf unsere kritischen Anfragen hin bekennen, dass Sie versucht haben, die Hypo-Vereinsbank noch ins Boot zu bekommen, was Ihnen aber nicht gelungen ist. So blieb die Bayerische Landesbank zu ihrem Schaden allein im Regen stehen. Das müssen Sie jetzt zugeben.
Meine Damen und Herren, die politische Einflussnahme zeigt sich bereits an einem einzigen Umstand: je bayerischer die Bank, desto höher das Engagement, desto größer das Risiko und desto schlechter die Sicherheiten. Durch diese Politik hat die CSU-Staatsregierung die Bayerische Landesbank leider zum Hauptgläubiger Kirchs aufgebaut und Verbindlichkeiten von über 2 Milliarden Euro aufgetürmt.
Hier stellt sich selbstverständlich die Frage nach den Sicherheiten. Wir haben damals mehrfach danach gefragt, jedoch nie eine ehrliche Antwort erhalten. Eines steht jedenfalls fest: Im Gegensatz zur Deutschen Bank sind die Sicherheiten der Landesbank deutlich schwächer und wesentlich kritischer zu bewerten. Die verpfändeten Filmrechte beispielsweise sind mit Sicherheit nur einen Teil dessen wert, womit sie in den Büchern stehen. Wie hoch die Landesbank im Übrigen selbst das Risiko einschätzte, macht der Umstand deutlich, dass sie im Geschäftsjahr 2001 die Risikovorsorge in Form von Rückstellungen in Höhe von annähernd 1,2 Milliarden Euro aufstockte und damit das Betriebsergebnis von 1,5 Milliarden Euro auf nur noch 287 Millionen Euro heruntersetzen musste. Anhand dessen konnte jeder erahnen, worauf die Transaktion letztlich hinauslaufen würde.
Dieser äußerst fragwürdigen Finanzierungspolitik liegt eine vollkommene Fehleinschätzung des Marktes, der Chancen und der Risiken zugrunde. Die Presseerklärung der Kirch-Media-Banken von gestern spricht Bände, was die Fehlentwicklungen und die Fehler, die gemacht wurden betrifft. Ich zitiere aus dem Pressetext:
Mit diesem Wachstum bei Kirch ging eine zunehmende Intransparenz und Verschuldung in dem Firmengeflecht der Kirch-Gruppe einher. Die Banken haben eine Entflechtung dieser Konstruktion frühzeitig angemahnt, im Hinblick auf die Verstärkung des Eigenkapitals durch die Investoren jedoch nicht nachdrücklich genug eingefordert. Zugleich wurde das schnelle Wachstum der Gruppe und damit auch die Erhöhung des Risikopotenzials zusätzlich verstärkt. Lizenzrechte – seien es Spielfilmrechte oder Sportübertragungen – wurden – auch aufgrund der völligen Überhitzung des Neuen Marktes – viel zu teuer eingekauft.
Diese Fehlentwicklung und Fehlspekulation wurde weder von den Banken noch von der Staatsregierung rechtzeitig erkannt und gestoppt. Vielmehr wurden sie von der CSU-Staatsregierung noch verstärkt. Die Regierung hat nicht begleitet und mitgesteuert, sondern nur bezahlt und finanziert, was immer an Land zu ziehen war.
Im Falle Kirch wurde schon Beihilfe zu unverantwortlicher Zockerei geleistet. Die politische Verantwortung dafür ist keinem anderen so unmittelbar zuzuordnen, wie dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber.
Herr Stoiber und Herr Huber, Sie haben die gesamte Medienpolitik in der Staatskanzlei an sich gerissen. Sie wollten sich mit Hilfe von Kirch ein standortpolitisches Denkmal setzen, das die ganze Republik ebenso ehrfürchtig wie neidvoll bestaunen sollte. Jetzt stehen Sie auf den Trümmern dieses Denkmals.
Dass Sie dafür, dass nicht auch noch der Sockel völlig zerbröselt ist, noch Beifall erwarten, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten.