Wie gesagt, mir sind Sie die Antwort auf diese Definitionsfrage schuldig geblieben. Herr Kollege Dr. Merkl meinte, ich solle mir irgendwelche Broschüren von der Hanns-Seidel-Stiftung besorgen, denn dort würde alles drinstehen. Ich sage Ihnen, den Menschen draußen werden Sie irgendwann sagen müssen, was Sie unter Integration verstehen.
Wir sagen: Integration meint das Zusammenführen von Menschen zum Nutzen aller. Integration heißt für uns: Anerkennen von Vielfalt, Erhalten von Eigenständigkeit und Sichern von Gemeinsamkeiten. Ohne diese grundlegenen Begriffsbestimmungen wird man in der Debatte nicht weiterkommen. Wenn man sich hier nicht zu einer klaren Definition durchringt, dann wird es Verwirrungen, Irritationen und Mißverständnisse geben, so wie es die Leitkulturdebatte oder auch die Antisemitismusdebatte gezeigt hat.
Unsere im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen orientieren sich denn auch an dem Grundsatz zur Integrationsförderung, den die EKD in ihrem Papier vom 4. Juli 2001 zum Bericht der Zuwanderungskommission der Bundesregierung folgendermaßen formuliert hat: „Integrationsförderung ist die vorrangige Aufgabe, um Zuwanderern eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen.“
Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Integrationsfördermaßnahmen in Form von Sprach- und Orientierungskursen im Umfang von 600 Stunden. Dieser Rechtsanspruch soll nicht nur für diejenigen gelten, die neu kommen, sondern auch für diejenigen, die seit fünf Jahren hier leben. Auch hier wird die Doppelbödigkeit der Haltung der CSU deutlich: Auf der einen Seite tönt die Union, man müsse zuerst etwas für die Integration der bereits hier lebenden Emigranten tun. Richtig, sage ich; das unterstütze ich. Wenn ich andererseits nachfrage, zum Beispiel im Ausschuss bei Kollegen Merkl, was die CSU darunter verstehe und ob sie einen Rechtsanspruch auf Fördermaßnahmen mittrage, kommt keine Antwort.
Des Weiteren fordern wir, dass mit den Migranten ein Integrationsvertrag geschlossen wird. Damit greifen wir einen Vorschlag unserer Ausländerbeauftragten Frau Marieluise Beck auf. Sie sagt, dass eine konsequente, moderne und systematische Integrationsförderung betrieben werden müsse, und schlägt genau dieses Vertragssystem vor.
Wir greifen in unserem Gesetzentwurf des Weiteren eine Forderung der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege auf, die ein einheitliches Grundangebot zur Integration fordert, das gesetzlich verankert ist. Dieses Grundangebot mit der gesetzlichen Verankerung ist in unserem Gesetzentwurf enthalten. Selbstverständlich wird die Umsetzung des Bundeszuwanderungsgesetzes dazu führen, dass auf der kommunalen Ebene Einwanderungs- und Integrationsämter eingerichtet werden müssen, wie wir das in diesem Gesetzentwurf bereits fordern. Auch wenn sich die Kommunalpolitiker dem verschließen wollen, wie es die Debatte im Haushaltsausschuss gezeigt hat: Sie werden daran nicht vorbeikommen.
Wir wollen des Weiteren, dass die Elternsprachkurse, die unter dem Titel „Mama lernt Deutsch“ bekannt sind und für welche die Bayerische Staatsregierung, wie ich einer Pressemitteilung aus dem Hause des Herrn Beckstein entnehme, die Werbetrommel rührt, auch vom Freistaat finanziert werden.
Wir haben uns auch des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes angenommen. Wir haben vorgeschlagen, dass die Erziehungsziele um den Passus „Erziehung zur Achtung und Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Lebensweisen“ ergänzt werden.
Weiterhin wollen wir die Zweisprachigkeit fördern, da es wissenschaftlich erwiesen ist, dass sich Kinder, die ihre
Muttersprache gut beherrschen, beim Erlernen einer weiteren Sprache, zum Beispiel von Deutsch, viel, viel leichter tun.
Wir wollen auch, dass die interkulturelle Kompetenz gefördert wird, welche die Migrantenkinder doch mitbringen. Interkulturelle Kompetenzen sind ein Standortvorteil. Darauf kann man in unserem Wirtschaftssystem nicht verzichten.
Die Manager, die bei den Global Players in München arbeiten, zum Beispiel bei BMW, werden das bestätigen.
Im Rahmen der EUG-Änderungen haben wir uns auch mit dem Religionsunterricht auseinander gesetzt. Als Ergänzung zum bisherigen konfessionellen Religionsunterricht bzw. Ethikunterricht wollen wir das Pflichtfach „Interreligiöser Unterricht“ für alle Kinder einführen. Der konfessionelle Religionsunterricht bleibt erhalten. Wir werten damit das religiöse Element im Unterricht auf. Auf all die Verdrehungen und böswilligen Unterstellungen in diesem Zusammenhang werde ich hier nicht eingehen.
Wir halten es aus pädagogischen Gründen für sinnvoll, dass alle Kinder zusammen in einem Fach, das wir „Interreligiöser Unterricht“ nennen, weltanschaulich neutral über alle wichtigen Religionen und philosophischen Grundströmungen unterrichtet werden. Einen derartigen interreligiösen Unterricht gibt es bereits in Hamburg. Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass es in einer pluralen Gesellschaft – als plural verstehe ich auch die bayerische Gesellschaft – möglich sein muss, auch über den Religionsunterricht zu diskutieren.
Der Religionsunterricht ist keine heilige Kuh, die von jeglicher Reformdebatte unangetastet bleiben muss und sozusagen unter Quarantäne steht.
Es waren die GRÜNEN im Bayerischen Landtag, die vor allen anderen Fraktionen die zukunftsweisenden Anträge zum Islamunterricht an unseren Schulen einbrachten und dieses Thema diskutierten.
Es muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass in unserem Land immer mehr Menschen ohne Glauben leben oder einem anderen Glauben angehören. Deshalb haben wir in unserem Gesetzentwurf vorgesehen, dass die Pflicht – es geht nur um die Pflicht! – zum Aufhängen der Kruzifixe gestrichen werden soll, die nach wie vor im EUG vorgesehen ist. Wir wollen, dass das Aufhängen der Kreuze in den Schulen entschieden wird, so wie das an den Realschulen und Gymnasien bereits geschieht.
Wir wollen nicht, dass die Bürger stets vor Gericht gehen müssen, um irgendwelche Dinge durchzusetzen. Das soll vor Ort an der Schule geregelt werden. Das hat nichts damit zu tun, dass wir die Kruzifixe aus den Schulen draußen haben wollen.
Für mich nicht unbedingt. – Weil wir die religiösen Gefühle der Menschen ernst nehmen, haben wir vorgeschlagen, dass fünf islamische Feiertage so geschützt werden wie die Feiertage einer anderen Minderheitenreligion in unserer Gesellschaft, nämlich die der jüdischen Religion. Das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler frei bekommen, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Urlaub nehmen dürfen, aber nicht unbezahlten Urlaub. Eine solche Regelung gibt es in Frankreich.
Wir halten es für notwendig, dass man es den Menschen aus anderen Kulturen und Religionen ermöglicht, sich gemäß ihrer Riten und Zeremonien bestatten zu lassen. Es ist erstaunlich, welchen Wirbel diese unsere Forderung ausgelöst hat. Ich hatte eigentlich erwartet, dass religiös empfindende Menschen solche Forderungen nachvollziehen können. Ich nehme an, dass sehr viele religiös empfindende Menschen hier im Bayerischen Landtag sitzen, zumal ich gelesen habe, dass Herr Kultusminister Zehetmair in einer Pressemitteilung vom 10. April 2002 Folgendes verkündet:
Intensive Kontakte mit dem Islam im Bildungsbereich sind von essenzieller Bedeutung Intensive Kontakte zwischen Hochschulen und die Gewinnung einer möglichst großen Anzahl von Studierenden, gerade aus islamischen Ländern, seien deshalb von großer Wichtigkeit. Als positives Beispiel für die Zusammenarbeit einer deutschen Hochschule mit islamischen Gelehrten hob Zehetmair ein gemeinsames Projekt der theologischen Fakultäten der Universität München und der al-Azhar-Universität in Kairo hervor.
Die beiden Hochschulen wollen gemeinsam ethische Grundlagen der monotheistischen Religionen als eine Art Kodex des gegenseitigen Verständnisses und der Toleranz zwischen Christen und Muslimen ausarbeiten.
Bravo, sage ich. Hier im Bayerischen Landtag aber tut man so, als wäre das christliche Abendland gefährdet, wenn man es den Muslimen erlaubt, an ihren hohen religiösen Feiertagen in die Moschee zu gehen oder wenn man es ihnen ermöglicht, sich nach ihren Riten bestatten zu lassen. Im fernen Kairo lässt sich wie gesagt leicht ein
Ein weiterer Punkt, den wir aufgreifen, sind die Ausländerbeiräte. Wir wollen, dass die Ausländerbeiräte in Integrationsbeiräte umgewandelt werden, dass sie klar definierte Aufgaben bekommen und dass sie für Kommunen ab 20000 Einwohner in der Gemeindeordnung fest verankert werden. Eine solche feste Verankerung der Ausländerbeiräte gibt es bereits in den Gemeindeordnungen Nordrhein-Westfalens und Hessens.
Auf Landesebene soll ein Integrationsrat installiert werden, und schließlich soll sich ein Landtagsausschuss federführend mit Integrations- und Migrationsfragen beschäftigen. Einen solchen Landtagsausschuss gibt es bereits in Nordrhein-Westfalen. Dieser Ausschuss arbeitet sehr erfolgreich. Für den Kollegen Merkl dagegen ist die Vorstellung oder die Forderung, einen Integrationsbeirat auf Landesebene einzurichten, geradezu total abwegig.
Ich kann auch die ablehnende Haltung der SPD gegenüber einem Migrationsausschuss im Landtag nicht nachvollziehen. Sie meinte in der Debatte, dass es erst einen Ausländerbeauftragten geben müsste, und dann könnte sie auch der Einsetzung eines Migrationsausschusses zustimmen.
Des weiteren fordern wir mit unserem Gesetz die interkulturelle Öffnung des öffentlichen Dienstes. In diesem Zusammenhang wirft uns Kollege Merkl vor, dass wir mit einer solchen Forderung eine Bevölkerungsgruppe bevorzugen würden. Darum geht es nicht, Herr Kollege Merkl. Es geht vielmehr darum, dass die interkulturelle Öffnung des Öffentlichen Dienstes und überhaupt des gesamten Sozialwesens dringend notwendig ist. Sie als ehemaliger Staatssekretär sollten es doch eigentlich wissen. Wir brauchen im gesamten öffentlichen Bereich, im Gesundheitswesen, in der Justiz, bei der Polizei usw. Menschen mit Migrationshintergrund, weil diese Menschen eine interkulturelle Kompetenz mitbringen und Sprachen beherrschen, die man genau in diesen Bereichen braucht.
Ich weiß, dass Sie sich das kaum anhören können. Das Thema Integration wird aber auf der Tagesordnung bleiben. Ob Sie es wollen oder nicht, Sie werden sich in den nächsten Jahren damit auseinandersetzen müssen. Die Leute draußen spüren, dass die Zuwanderung das Leben und die Gesellschaft verändern wird. Deshalb ist es fahrlässig, so zu tun, als könnte alles so bleiben, wie es ist. Das Rotationsmodell, welches die CSU bei der Zuwanderung nach wie vor im Kopf hat, ist kein zukunftsfähiges Modell. Damit wird Deutschland kein attraktiver Standort für die besten Köpfe. Das beweist schon die geringe Annahme der Green-Card-Regelung.
Man kann nur hoffen, dass sich in den Kommunen an der Basis etwas entwickelt. Dort nehme ich schon sehr Vieles wahr, was sich entgegen der verordneten CSUIdeologie entwickelt. Einem Schreiben des Bayerischen Städtetages vom 18. März 2002 an unsere Fraktion, in dem es um die Gesamtfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms in Bayern geht, entnehme ich, dass der Städtetag bei den grundlegenden Zielen fordert, den negativen Zungenschlag beim Thema Zuwanderung aus dem LEP herauszunehmen.