Protokoll der Sitzung vom 17.07.2002

ich anzuzeigen. – Die Fraktion der SPD. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Herrmann, Hofmann und anderer und Fraktion (CSU)

Bau der ICE-Trasse Nürnberg – Erfurt (Drucksache 14/10053)

Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen? – Herr Kollege Herrmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CSU-Fraktion hat diesen Dringlichkeitsantrag eingebracht, weil die öffentliche Debatte über die ICE-Trasse Nürnberg – Erfurt nach wie vor anhält. Es ist wichtig, dass der Bayerische Landtag in dieser kontroversen Debatte unmissverständlich Stellung nimmt. Deshalb beantragt die CSU-Fraktion auch namentliche Abstimmung zu diesem Antrag.

Die CSU-Landtagsfraktion fordert ja schon seit langem in völligem Gleichklang mit der Bayerischen Staatsregierung und auch mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ganz entschieden die Fortführung des Neubaus bzw. Ausbaus der ICE-Strecke Nürnberg – Erfurt. Ich denke, die Bedeutung dieser Trasse als transeuropäische SüdNord-Verbindung – wie dies internationale Bahnkonferenzen erklärt haben – von Verona über München, Nürnberg und Erfurt nach Berlin und noch darüber hinaus für das zusammenwachsende Europa ist offensichtlich. Genauso offensichtlich ist aber auch die strukturpolitische Bedeutung dieser Bahnstrecke für Oberfranken, für Mittelfranken, für Thüringen.

Die in diesem Zusammenhang diskutierten Streckenführungen über Saalfeld und auch die so genannte Franken-Sachsen-Magistrale sind keine echten Alternativen. Die Streckenführung über Saalfeld ist aufgrund der topografischen Gegebenheiten des Thüringer Waldes und des Frankenwaldes nicht als Hochgeschwindigkeitsstrecke geeignet. Die Franken-Sachsen-Magistrale von Karlsruhe über Stuttgart, Nürnberg und Hof nach Dresden dient seit der Wiedervereinigung dem stark angewachsenen Ost-West-Verkehr. Zudem sind ihre Kapazitäten nunmehr erschöpft. Bei einem Ausbau auch zur Nord-Süd-Verbindung ergäbe sich schätzungsweise ein Zeitverlust von über 10 Jahren.

Deshalb stellt die ICE-Trasse Nürnberg – Erfurt aus verkehrspolitischer wie auch aus ökonomischer und ökologischer Sicht einen unverzichtbaren Beitrag für unser künftiges Verkehrsnetz dar.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Wilhelm (CSU))

Meine Damen und Herren, trotzdem hat der damalige Bundesverkehrsminister Franz Müntefering vor genau drei Jahren, am 7. Juli 1999, verkündet, den Bau der ICE-Trasse Nürnberg–Erfurt einstellen zu wollen. Der Coburger SPD-Oberbürgermeister Norbert Kastner erklärte dazu damals spontan – wörtlich –: „Ich werde es

nicht hinnehmen, dass der Bund unsere Region jetzt auch noch verkehrspolitisch ins Abseits stellt.“ Das ist schon eine beachtliche Wortwahl eines SPD-Oberbürgermeisters, aber Kastner hat Recht. Diese ICE-Trasse bedeutet unter anderem für Coburg eine ganz hervorragende wirtschaftspolitische und entwicklungspolitische Chance.

Auch Heinz Köhler hat sich nach einigem Hin und Her – er wusste zunächst auch nicht genau, wie er sich positionieren sollte – dafür entschieden, im Interesse der Coburger Region zu sagen: Ja, wir brauchen diese ICEVerbindung dringend.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die Oberbürgermeister von Bamberg, Erlangen, Fürth und Nürnberg genauso energisch gegen den Baustopp protestierten, ebenso zahlreiche Landräte, will ich nur am Rande erwähnen.

Anders zahlreiche Landes- und Bundespolitiker der SPD und der GRÜNEN. Sie verteidigten den Baustoppbeschluss damals. Die damalige SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt erklärte, der Baustopp sei vielleicht bedauerlich, aber akzeptabel, die Trassenführung über Erfurt sei von allen Fachleuten als unwirtschaftlich und ökologisch schädlich eingestuft worden.

Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Mattischeck, Mitglied des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages, begrüßte den Beschluss des Bundesverkehrsministers als vernünftige Entscheidung. Und der Landtagskollege Vogel – er ist leider im Moment nicht anwesend –

(Vogel (SPD): Doch!)

oh, er ist verdeckt, Entschuldigung, lieber Herr Vogel – hat damals auch erklärt, das sei eine Entscheidung mit Augenmaß auf dem Boden der Vernunft. Der drohende Mauerbau zu Erlangen durch die die Stadt zerschneidende ICE-Strecke sei nun erst einmal vom Tisch. So Originalton Vogel vor drei Jahren.

Solche Äußerungen, meine Damen und Herren, waren umso unverständlicher, ja fataler, weil schon seit langer Zeit klar war, dass die von allen politischen Kräften entlang der Entwicklungsachse Nürnberg–Fürth–Erlangen– Forchheim–Bamberg geforderte S-Bahn-Verbindung nur in baulicher und zeitlicher Verbindung mit der ICE-Strecke zu realisieren ist.

(Zuruf von der SPD: Das ist falsch!)

Entschuldigung, diese Aussage stammt nicht von der CSU, sondern von der Deutschen Bahn und dem Bundesverkehrsministerium. Es hat sich in der ganzen Zeit, als die ICE-Strecke auf Eis lag, auch gezeigt, dass die S-Bahn keinen Millimeter vorangekommen ist.

Während also namhafte SPD-Landtags- und Bundestagsabgeordnete den Baustopp ausdrücklich begrüßten, forderte die Nürnberger SPD-Stadtratsfraktion nur

wenige Monate später, nämlich im Februar 2000, die Staatsregierung auf, die ICE-Strecke Nürnberg – Erfurt aus Landesmitteln vorzufinanzieren. Das ist natürlich besonders geistreich. Nachdem die Nürnberger Landtagsabgeordnete und SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt erklärt hatte, die Strecke sei unwirtschaftlich und ökologisch schädlich, erklärt die Stadtratsfraktion in Nürnberg, genau diese Trasse solle von der Staatsregierung aus Landesmitteln vorfinanziert werden. Lieber Herr Maget, ein größeres Chaos in der politischen Positionierung einer Partei kann man sich kaum mehr vorstellen.

(Beifall bei der CSU)

Dass dieser Wirrwarr auch auf die Führung der Deutschen Bahn AG nicht ohne Wirkung blieb, verwundert natürlich nicht. Anfang April 2000 erklärte Bahnchef Helmut Mehdorn den Mitgliedern des Bundestagsverkehrsausschusses, dass das umstrittene Projekt für ihn nur noch eine schöne Vision sei, aber nicht mehr Gegenstand konkreter Planungen. Wiederum sah dann Ihre Parteikollegin Heidi Mattischeck im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages in dieser Aussage eine wichtige Klarstellung und der grüne Bundestagsabgeordnete Albert Schmidt sah endlich die Scheindebatte über ein unfinanzierbares Verkehrsprojekt beendet.

Konsequent hat der Bahnvorstand dann das Projekt im Frühjahr 2001 beim Bund nicht einmal mehr für den Bundesverkehrswegeplan, der sowieso nur zum Teil vage Zukunftsvorstellungen beinhaltet, angemeldet. Ein Bahnsprecher hat dies vor genau einem Jahr, am 12. Juni 2001, ausdrücklich bestätigt.

Meine Damen und Herren, im November letzten Jahres – immerhin gibt es auch bei der SPD noch ein paar, die selbstständig denken – forderten dann elf ostdeutsche SPD-Bundestagsabgeordnete nachdrücklich einen Weiterbau der ICE-Trasse und deren Finanzierung.

Sie wollten dann darüber mit Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig dringend sprechen. Also immerhin, die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten erkennen ab und zu noch, welch große strukturpolitische Bedeutung dieses Investitionsvorhaben für ihre Region hat.

(Hofmann (CSU): So ist es!)

Und Bodewig ließ ja dann alsbald verkünden, dass die ICE-Strecke Nürnberg – Erfurt noch nicht gestorben sei.

Zur gleichen Zeit, nur ein paar Tage später, wandten sich dann wiederum – in einer Bahnkonferenz der FriedrichEbert-Stiftung im November 2001 – der Kollege Albrecht Schläger und auch die SPD-Abgeordnete Heidi Mattischeck entschieden gegen die ICE-Strecke, während Stephan Hilsberg, SPD-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, damals vorsichtig andeutete, diese Strecke habe hohe perspektivische Bedeutung, und erste Zwischenergebnisse einer erneuten Überprüfung seien eher positiv.

Ja, und dann, zur allgemeinen Überraschung hat nun nach drei Jahren Denkpause Bundeskanzler Gerhard

Schröder auf dem so genannten Ost-Parteitag seiner Partei die Aufhebung des Baustopps verkündet. Ausnahmsweise hat er zutreffend erkannt, dass der Bau der ICE-Strecke eine ganz wichtige Zukunftsinvestition für die Entwicklung Ostdeutschlands ist – ich füge hinzu: aber eben auch für die Entwicklung Frankens.

(Hofmann (CSU): So ist es!)

Es ist schon bemerkenswert, meine Damen und Herren, dass wenige Wochen nach dieser Erklärung von Bundeskanzler Schröder der Kollege Albrecht Schläger, verkehrspolitischer Sprecher der hiesigen SPD-Fraktion, wie man liest – am 24. Mai –, ausdrücklich diese Entscheidung seines Bundeskanzlers als „Wahnsinnsprojekt“ bezeichnet hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aufforderung zahlreicher bayerischer SPD-Vertreter, trotz der klaren Entscheidung des Bundeskanzlers und des Bundesverkehrsministers die ICE-Trasse Nürnberg – Erfurt nicht zu bauen, habe ich ganz ausdrücklich als „frankenschädlich“ bezeichnet. Diese SPD-Kollegen blockieren mit ihrer Forderung eine der wichtigsten Investitionen in Nordbayern.

(Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SPD): Was sagt denn Ihr Kollege Meißner dazu? – Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie fordern die ökologische Zerstörung in Oberfranken! – Gegenruf von der CSU)

Ich habe großes Verständnis dafür, wenn der eine oder andere aus rein ökologischen Gründen eine bestimmte Trassenführung da oder dort kritisiert oder Alternativvorschläge macht. Das hat aber mit dem Chaos und dem politischen Wirrwarr, das Sie in dieser Frage – wo ja gleichzeitig auch immer wieder finanzielle Argumente angeführt werden und dergleichen – veranstalten, überhaupt nichts zu tun.

Die ICE-Strecke ist ein wichtiges Verkehrsprojekt. Sie gibt offenbar aber auch interessante Einblicke in die ausgeprägte Diskussionskultur der bayerischen SPD. Denn wenn ich lese, dass Albrecht Schläger vor vier Wochen seinen Kanzler für schlecht beraten hielt und anschließend der Kollege Manfred Scholz aus Nürnberg – den ich vorhin hier auch schon einmal gesehen habe – mit der Aussage zitiert wird, Schläger sei „ein verkehrspolitischer Elefant im Porzellanladen“,

(Hofmann (CSU): So ist es!)

dann zeigt sich, dass da offensichtlich in der SPD eine muntere Debatte über diese interessante Frage stattfindet.

(Frau Radermacher (SPD): So ist es in einer demokratischen Partei!)

Ich habe großen Respekt davor, lieber Herr Kollege Maget, dass Sie versucht haben, in den letzten Tagen und Wochen ein wenig Ordnung in Ihre Reihen zu bringen. Das Ergebnis ist offensichtlich, dass sich der SPDLandesvorsitzende Wolfgang Hoderlein, der sich kluger

weise jetzt wohl von dieser Debatte zurückgezogen hat und sich mit seiner destruktiven Haltung zunächst in Widerspruch zum Bundeskanzler begeben hatte, sich inzwischen auch bei seinem eigenen Landesverband und in der hiesigen Landtagsfraktion ins Abseits manövriert hat.

(Zuruf von der SPD: Ach!)

Respekt, Herr Maget! Ich meine, es ist jedenfalls besser, wenn Mittel- und Oberfranken die ICE-Strecke erhalten und Wolfgang Hoderlein aufs Abstellgleis kommt, als umgekehrt.

(Beifall bei der CSU – Hofmann (CSU): Sehr gut!)

Lassen Sie mich schließen, meine Damen und Herren. Im Interesse der Entwicklungschancen und der wirtschaftlichen Zukunft Frankens, insbesondere für die Entwicklungsachse Nürnberg – Fürth – Erlangen – Forchheim – Bamberg – Coburg, fordere ich Sie alle auf, heute ein deutliches Zeichen zu setzen. Wir sollten mit einer breiten Mehrheit hier im Bayerischen Landtag ein klares Signal auch an die Bundesregierung und den Bundestag geben, dass der Bau der ICE-Strecke wichtig und vordringlich ist, sodass der Streit darüber nun endlich beendet wird. Jedes weitere politische Gezerre bringt sicherlich neue Gefahren für ICE und S-Bahn. Wer sich jetzt verweigert, meine Damen und Herren, der schädigt Frankens Zukunft. Ich hoffe, dass sich niemand in diesem Hause diesem Vorwurf aussetzen will.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Maget.