Protokoll der Sitzung vom 17.07.2002

Herr Heike, Sie haben es immer noch nicht verstanden.

(Zuruf von der SPD: Er will es nicht verstehen!)

Es kommt nicht darauf an, ob der gewählte Mandatsträger selbst irgendwelche Wahlverstöße begangen hat. Es

kommt nur darauf an, dass es bei der Wahl, bei der er gewählt worden ist, zu diesen Verstößen gekommen ist.

(Heike (CSU): Welche?)

Ich sage es noch einmal: 60 Wähler haben im Beisein eines selbsternannten Wahlhelfers diese Stimmzettel ausgefüllt. Das war keine geheime Wahl.

(Heike (CSU): Das betrifft doch die Stadtratswahl!)

Mindestens sechs Versicherungen an Eides statt waren gefälscht und hätten zurückgewiesen werden müssen.

(Heike (CSU): Reicht nicht aus!)

Sieben Stimmzettel hätten mangels Wahlbrief zurückgewiesen werden müssen.

(Heike CSU) : Reicht nicht aus!)

Es gab drei Unregelmäßigkeiten bei Wahlscheinen. Die hätten auch zurückgewiesen werden müssen.

(Heike CSU) : Reicht nicht aus!)

Außerdem hat es noch zwei Stimmzettel gegeben, die anderweitig beschriftet waren. Auch diese waren ungültig.

(Heike CSU) : Reicht nicht aus!)

Wenn man diese Fälle zusammenzählt, kommt man auf mehr als 73 Stimmen Unterschied. Das reicht für die Annahme einer offensichtlichen Verdunkelung aus. Das reicht für den Nachweis offensichtlicher Wahlfälschung, wie ich sie hier vorgetragen habe, vollständig aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Heike (CSU): Lesen Sie das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs!)

Als Nächster hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin in einer schwierigen Situation. Sonst wird man vom Landtag immer zur Kürze ermahnt. Heute scheint das möglicherweise anders zu sein, damit eine neue Redezeit eröffnet wird. Wir werden einmal sehen, wie mich die Kollegen von der SPD reizen, um auf diese Weise über die vollen 25 oder 30 Minuten hinweg zu kommen.

Es ist mir zunächst ein ganz besonderes Anliegen, zu sagen, dass die Aufsichtsbehörden – Landratsamt, Regierung und Innenministerium – bei der Wahl in Dachau ganz bewusst mit höchster Korrektheit vorgegangen sind und wir deshalb die jeweiligen Erkenntnisse, die von der Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen gewonnen worden sind, zur Grundlage der Überprüfung durch die Verwaltungsbehörden gemacht haben. Ich hebe hervor, dass die eigentlichen Ermittlungen über

Unkorrektheiten bei der Wahl durch die Staatsanwaltschaft vorgenommen worden sind. Ich halte das eindeutig für richtig, denn bestimmte Maßnahmen können nur von der Staatsanwaltschaft oder von den Gerichten getroffen werden, etwa, wenn es um Durchsuchungen, Festnahmen oder Haftbefehle geht. Die Realität hat gezeigt, dass die Aussagebereitschaft in diesem Zusammenhang größer ist oder überhaupt erst entsteht.

Ich will als erstes hier sagen, dass es ganz offensichtlich richtig war, Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft vornehmen zu lassen und nicht daneben eigene Ermittlungen durchzuführen. Ich möchte nicht wissen, welche Vorwürfe erhoben worden wären, wenn man die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dadurch gestört hätte, dass parallel zu diesen Ermittlungen die Aufsichtsbehörden Betroffene vernommen hätten. Das ist der erste Punkt.

Es wurde relativ bald klar, dass bei der Wahl vom 3. März 2002 die Stimmzettel für die Gremienwahl manipuliert worden sind. Ich brauche das im Einzelnen nicht darzustellen, das ist in diesem Haus immer wieder gesagt worden. Deswegen hat die Regierung die Kreistagswahl und das Landratsamt die Stadtratswahl aufgehoben, weil das Wahlergebnis verdunkelt werden kann. Die Verdunkelungsmöglichkeit betrifft bei der Stadtratswahl zwar nur Listennachfolger – das ist ein etwas eigenwilliges Ergebnis –, aber die Wahl muss insgesamt für ungültig erklärt werden. Das ist geschehen.

Bis heute – so ist mein Kenntnisstand – sind keine Rechtsmittel eingelegt worden. Die Rechtsmittelfrist läuft allerdings noch. Ob Rechtsmittel eingelegt werden, das muss abgewartet werden.

Frau Kollegin Tausendfreund, auf die Frage des Sofortvollzugs will ich nachher eingehen.

Bei der OB-Wahl ist es am 3. März auch zu Unkorrektheiten gekommen. Dabei ist es eindeutig, dass eine Verdunkelung des Wahlergebnisses am 3. März nicht möglich gewesen ist, weil der Abstand zwischen den Positionen zwei und drei so gering ist, dass auf jeden Fall klar war, dass die Stichwahl zwischen dem ersten und dem zweiten Bewerber vorzunehmen ist. Die Stichwahl vom 17. März – –

(Herrmann (CSU): Der Abstand zwischen Position zwei und drei war so groß!)

Der Abstand zwischen Position zwei und drei betrug mehrere tausend Stimmen.

(Maget (SPD): Sie hatten sich versprochen!)

Ich bitte um Entschuldigung. Bevor ich etwas offensichtlich Unrichtiges gesagt habe, wiederhole ich es noch einmal. Der Abstand zwischen den Positionen eins und zwei war knapp, aber zwischen den Positionen zwei und drei lagen mehrere tausend Stimmen. Es ist eindeutig, dass die Wahl vom 3. März 2002 nicht verdunkelt worden ist, sodass es damit zur Stichwahl am 17. März gekommen ist.

Die Frage nach dem Wahlergebnis vom 17. März stellt sich folgendermaßen: Die Zahl der Stimmzettel, die unter eindeutiger Verletzung von Wahlgrundsätzen infolge von persönlichem schuldhaften Verhalten in der Weise ausgefüllt worden sind, dass eine eidesstattliche Versicherung unrichtig abgegeben worden ist, da der Stimmzettel von einem Dritten ausgefüllt worden ist, ist nach meiner Erinnerung deutlich kleiner als 10 – ich habe die Unterlagen an meinem Platz. Daraus allein ist eine Verdunkelung nicht erkennbar.

Herr Kollege Gantzer, nach der Debatte, die hier im Landtag geführt worden ist, sind die Mitteilungen der Staatsanwaltschaft eingegangen, dass während der Einvernahmen eingeräumt worden ist, dass die Stimmzettel für die Briefwahl im Beisein von zwei Kandidaten ausgefüllt worden sind. Die beiden betreffenden Stadtratskandidaten, die hier mehrfach genannt worden sind, hätten zugesehen, wie die Stimmzettel für die Stichwahl ausgefüllt worden sind. In einigen Fällen sind Angaben gemacht worden, wie die Stimmzettel ausgefüllt worden sind. Daraus schließe ich, dass es sich eindeutig um Verstöße gegen das Wahlgeheimnis handelt und dass das in einer systematischen Weise erfolgt ist. Hier kann es zu einer Verdunkelung des Wahlergebnisses gekommen sein.

Ich räume ein, dass das, was die Juristen des Landratsamtes sagten, die vorherrschende Meinung in der Literatur ist. Danach hätte man zwischen der Verletzung des Wahlgeheimnisses durch Amtspersonen, zum Beispiel durch den Wahlvorstand, und im Rahmen des sonstigen Wahlgeschehens zu unterscheiden. Die Verletzung des Wahlgeheimnisses durch Amtspersonen führt strikt zur Ungültigkeit der Wahl, während das bei Verletzungen des Wahlgeheimnisses im privaten Bereich nach der herrschenden Auffassung in der Literatur nicht der Fall ist. Es wird darauf hingewiesen, dass es im familiären Bereich häufig vorkommt, dass Eheleute oder Familienangehörige miteinander beraten, wie die Stimmzettel ausgefüllt werden, wem man zwei oder drei Stimmen gibt oder wer gestrichen werden soll. Es ist nicht völlig lebensfremd, wie ich auch aus der Kommunalpolitik weiß, dass Derartiges im familiären und persönlichen Umfeld erfolgt. Deshalb heißt es in der Literatur, derartige Dinge sind unbeachtlich.

Herr Staatsminister, erlauben Sie mir, dass ich eine Ankündigung nach der Geschäftsordnung mache? – Die SPD-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Das bedeutet, dass diese ab 18.00 Uhr durchgeführt werden kann. Ich bedanke mich.

(Maget (SPD): 19.00 Uhr!)

Ab 18.00 Uhr.

(Herrmann (CSU): Wir können bis 19.00 Uhr machen!)

Jetzt bekomme ich vom Herrn Präsidenten auch noch den Hinweis, ich muss so lange reden.

Ich wiederhole: In der Literatur wird zwischen Verletzungen des Wahlgeheimnisses durch Amtspersonen – das führt in jedem Fall zur Ungültigkeit der Wahl – und Verletzungen des Wahlgeheimnisses im privaten Bereich – das führt, so die Literatur, nicht zur Ungültigkeit – unterschieden. Die Juristen des Landratsamtes haben deutlich gemacht, dass diese in der Literatur vorherrschende Meinung von ihnen geteilt wird.

Die Regierung von Oberbayern, deren Rechtsauffassung ich teile – ich habe das in der Besprechung mit dem Regierungspräsidenten und allen Beteiligten deutlich gemacht, dass ich diese Rechtsauffassung teile –, hat allerdings dargestellt, dass ein systematischer Verstoß gegen das Wahlgeheimnis, insbesondere durch Personen, die bei der vorhergehenden Wahl bereits bei Wahlfälschungen unmittelbar selbst mitgewirkt haben, anders zu beurteilen ist, als wenn man im privaten Kämmerlein mit der Frau und den Kindern darüber redet, wie der Wahlzettel ausgefüllt wird. Sie hat deswegen eine Verletzung des Wahlrechtsgrundsatzes für gegeben erachtet. Auch die Verdunkelungsmöglichkeit wurde für gegeben erachtet. Mit den Stimmzetteln, bei denen das Wahlgeheimnis verletzt ist, wurde eindeutig die Differenz zwischen den beiden Bewerbern überschritten. Das hat dazu geführt, dass die Regierung von Oberbayern mit ausdrücklicher Zustimmung von mir dem Landratsamt die Weisung erteilt hat, die Wahl des Oberbürgermeisters aufzuheben.

Jetzt zur Frage des Sofortvollzugs, der natürlich geprüft worden ist: Die Juristen im Innenministerium, Frau Kollegin Tausendfreund, sagen, dass es hinsichtlich der Oberbürgermeisterwahl eindeutig rechtswidrig wäre, wenn ein Sofortvollzug angeordnet wird. Ich zitiere aus dem mir vorliegenden Vermerk:

Bei der Oberbürgermeisterwahl ist ein Sofortvollzug der Ungültigerklärung von vornherein rechtlich ausgeschlossen, da das Dienstverhältnis des Oberbürgermeisters nach Art. 13 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 KWBG mit Bestandskraft der Ungültigerklärung der OB-Wahl endet.

Das heißt, es wird hier aus dem KWBG gefolgert, nachdem das ein wichtiger Statusakt ist, dass es einen Sofortvollzug nicht geben kann. Im Gesetz ist ausdrücklich geregelt, dass das Dienstverhältnis mit Bestandskraft der Ungültigerklärung endet.

Die Juristen im Innenministerium schließen daraus – und zwar in einer Weise, die für juristische Verhältnisse als nicht zweifelhaft angesehen wird –, dass eine Anordnung des Sofortvollzugs der Ungültigerklärung der Oberbürgermeisterwahl rechtswidrig wäre.

In Ihrem Dringlichkeitsantrag wird das Innenministerium aufgefordert, diese Frage zu prüfen. Ich will damit sagen: Diese Frage ist auf den verschiedenen Ebenen geprüft worden. Alle beteiligten Ebenen – auch die der Regierung und des Innenministeriums – vertreten die Auffas

sung, dass ein Sofortvollzug bezüglich der Ungültigerklärung der Oberbürgermeisterwahl contra legem und damit rechtwidrig wäre. Man muss sich vorstellen: Die Wahl, die dann erfolgen würde, wäre sozusagen eine schwebende Wahl mit erheblichen rechtlichen Problemen.

Ich will deutlich machen, dass ich in der Ausgangslage, vor der ich als Innenminister, der dafür die Verantwortung trägt, stehe, nichts anordne, was von den damit befassten zuständigen Juristen, die das natürlich schon viele Jahre machen, als rechtswidrig angesehen würde.

Bezüglich der Stadtrats- und Kreistagswahl ist die Frage nach dem Sofortvollzug im Moment sehr viel mehr theoretischer Natur, weil es keine zwingenden Hinweise darauf gibt, dass ein Rechtsmittel eingelegt werden wird. Wie man im Moment hört, werden vor Ort schon Gespräche über den Zeitpunkt der Wahl geführt. Daher gehe ich davon aus, dass ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden wird. Die Frage nach dem Sofortvollzug bedarf daher im Moment keiner Antwort.

Die Frage, ob bei Stadtrats- und Kreistagswahlen ein Sofortvollzug möglich ist, kann nicht so strikt beantwortet werden wie bei der Oberbürgermeisterwahl. Bei den Gremienwahlen gibt es in der Tat die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, die in den Bayerischen Verwaltungsblättern von 1984 auf Seite 723 abgedruckt ist. Dort wurde allerdings im Falle eines Berichtigungsbescheides – nicht Ungültigerklärung – der Sofortvollzug angeordnet. In dieser Entscheidung ist offen gelassen worden, ob bei der Ungültigerklärung der Sofortvollzug möglich wäre. Ich sage Ihnen auch mit aller Deutlichkeit, dass ich aufgrund des jetzigen Kenntnisstandes keine Weisung erteilen würde, bei der Ungültigerklärung der Stadtrats- und Kreistagswahl den Sofortvollzug anzuordnen. Das würde nämlich zu dem seltsamen Ergebnis führen, dass wegen der Wahlverstöße, die für die Listennachfolger von Bedeutung sind, der jetzige Stadtrat außer Amt gesetzt würde und der Oberbürgermeister dann völlig ohne Kontrolle des Stadtrats wäre. Das kann wohl nicht vernünftig sein. Meine Mitarbeiter haben noch eine ganze Reihe weiterer Abwägungspunkte aufgeführt, die ich deswegen nicht darstellen muss, weil im Moment viel darauf hindeutet, dass die Stadtrats- und Kreistagswahlen neu durchgeführt werden.

Es wäre dann der Wahltermin zu regeln, wobei sich die Frage stellt, ob die Wahl mit der Bundestagswahl verbunden werden kann. In einer erheblichen Anzahl von Fällen haben wir es bei Wahlrechtsverstößen, welche nur einen kleineren Bereich betreffen – ich erwähne als Stichworte nur die Gemeinden Schwanstetten und Büchenbach im Landkreis Roth, wo es jedoch nur in einem sehr kleinen Bereich Wahlwiederholungen gibt –, für zulässig erachtet, die Wahlwiederholung mit der Bundestagswahl zu verbinden. Die Frage, ob eine solche Verbindung in Dachau zulässig wäre, erscheint mir sehr viel zweifelhafter, weil von allen möglichen Seiten Befürchtungen erhoben werden, dass gegenseitige Wahlbeeinflussungen möglich wären.

Grundsätzlich sind neben der Bundestagswahl andere Wahlen nicht zulässig. Nach Artikel 10 Absatz 2 des