Protokoll der Sitzung vom 09.10.2002

Wir haben mit den Steuermehreinnahmen nicht das gemacht, was sozialdemokratisch regierte Länder gemacht haben – diese haben das Geld nämlich zum Fenster hinausgeschmissen und dann ein Jahr später angefangen zu jammern, dass sie kein Geld mehr hätten. Das ist die Realität. Ihrer Anmahnung, HausväterVorsorge in Jahren zu betreiben, in denen es steuerlich besser geht, wurde in diesem Lande in beispielhafter Weise Folge geleistet.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Virtuell!)

Den Unterschied zwischen virtuellen und tatsächlichen Rücklagen will ich Ihnen nicht noch einmal erklären. Ich habe gestern in einem Pressegespräch versucht, diesen Unterschied darzulegen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nur ein einziges Land, das nicht auch virtuelle Rücklagen hat, nämlich Kassenüberschüsse aufgrund eines ausgeglichenen Haushaltes in den Jahren 1999 und 2000. Etwas anderes kann es nicht sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, es ist interessant gewesen, dass Frau Kellner gesagt hat, wir bräuchten dringend einen zusätzlichen Investitionsschub. Dies sagt die Vertreterin einer Partei, die Verantwortung in der Bundesregierung hat. Dort werden die Investitionen auf 10% heruntergefahren, aber hier im Bayerischen Landtag sagt sie: Wir brauchen einen Investitionsschub. Sie sagt dies einem Finanzminister, der eine Investitionsquote von 15% aufzuweisen hat, während diese in Berlin bei 10% liegt. Ist dies eine Aufforderung zu weiteren Privatisierungen gewesen? Wie soll ich das verstehen? – Ich verstehe Frau Kellner überhaupt nicht mehr, die auf der einen Seite Privatisierungen beklagt, auf der anderen Seite aber offenbar Privatisierungen einfordert.

Das Tollste, was ich hier gehört habe, Frau Kollegin, war Ihr nachdrücklicher Hinweis darauf, man müsste wegen der Steuergerechtigkeit bei der Beteiligung der großen Konzerne bei der Körperschaftsteuer etwas machen. Sie

haben dann etwas sottisenhaft darauf hingewiesen, dass Dr. Stoiber – ich habe es mir mitgeschrieben – zum Zeitpunkt seines Kandidatenstatus dies auch gesagt hat.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Status hat heute noch!)

Halten wir etwas inne. Edmund Stoiber und ich haben vor den Wahlen genau darauf hingewiesen und gesagt: Da muss sich etwas ändern. Wir haben den Wählern vor den Wahlen gesagt, was sein muss. Von der Koalition in Berlin haben wir kein einziges Wort dazu gehört. Jetzt, nach den Wahlen, hören wir: Das ist wohl richtig, und Herr Stoiber hat das vor den Wahlen gesagt. Was soll denn dieser Vorwurf? Wir haben den Leuten reinen Wein eingeschenkt.

(Beifall bei der CSU)

Sie aber lassen erst hinterher den Vorhang wegziehen und sagen, dass Sie dies auch entsprechend ändern wollen. Diese Erkenntnis kommt zu spät.

Meine Damen und Herren von der CSU, die GRÜNEN im Bayerischen Landtag kündigen etwas an. Frau Kellner hat hier ein Bekenntnis abgelegt, dass der Splittingvorteil, den wir im Steuerrecht haben, abgeschafft werden soll. Frau Kellner hat ausdrücklich gesagt: Das muss geändert werden. Der Splittingvorteil ist nach dem Verfassungsgericht ein nicht ohne weiteres beliebig änderbarer steuerlicher Vorteil, sondern ist ein Ausfluss des Artikels 6 und dient vor allem dazu, die Ehegemeinschaft als Wirtschafts- und Erwerbsgemeinschaft tatsächlich steuerlich nicht gegenüber denjenigen zu benachteiligen, die nicht verheiratet sind. Ich sage euch jetzt voraus, dass deshalb jede Änderung des Splittings durch diese Koalition vor dem Verfassungsgericht landen und abgeschmettert werden wird. Lassen Sie diesen Unfug,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernhard (CSU))

der dazu führt, dass Leute, die Familie, die Kinder haben, aufgrund der Reduzierung des Splittingvorteils die Kindererziehung selbst bezahlen, diese Kindererziehung aber nicht in der Familie, sondern in Betreuungseinrichtungen der Gesellschaft stattfindet. Dies ist blanker Sozialismus; das muss ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen ist dies auch unsozial, weil sich der kleine Mann, der Arbeitnehmer nicht mehr gewissermaßen gestaltend den nicht mehr vorhandenen Splittingvorteil sichern kann, während der Selbstständige dies sehr wohl tun kann.

Noch eine Bemerkung dazu: Der Splittingvorteil beträgt im Übrigen nicht 9800 e. Dies ist eine Rechnung, die die entsprechenden Grundfreibeträge nicht zweimal zählt. Bei Verheirateten müssen Sie jedoch zweimal den Grundfreibetrag rechnen; dann beträgt der maximale Splittingvorteil 6355 e. Dies könnte man auch einmal den

in Berlin in den Koalitionsverhandlungen sitzenden Leuten mitteilen.

Ich will etwas zu den Bemerkungen zu den Kommunen sagen. Zunächst einmal will ich darauf hinweisen, dass die Kommunen, Herr Strasser, 1998 bis 2001 sehr wohl noch mehr Einnahmen hatten. Was interessieren uns und die Kommunen heute aber die Mehreinnahmen der Jahre 1998 bis 2001? Die Kommunen in Bayern haben im Jahr 2001 Steuereinbrüche von 3,1% gehabt; im ersten Halbjahr 2002 sind sie in freiem Fall mit einem Minus von 7,2%. Die kommunalen Spitzenverbände und Bürgermeister wissen mittlerweile, wem sie das zu verdanken haben. Die kommen Gott sei Dank nicht mehr zu mir, sondern sagen: Das ist die Verantwortlichkeit der Bundesregierung.

Noch etwas: Herr Strasser hat, wie ich meine, einen schiefen Vergleich im Zusammenhang mit den Schlüsselzuweisungen gemacht. Sie können die Schlüsselzuweisungen, die wir in Bayern an die Kommunen leisten, nicht einfach pauschal mit anderen Ländern vergleichen. Dort gibt es ganz andere Systeme. Sie müssen da sehr komplex zusammenrechnen. Wir haben dies getan. Wir befinden uns in der Spitzengruppe. Bei den Zuweisungen dieser Art an die Kommunen befinden wir uns an dritter Stelle. Ich kann Ihnen dies noch möglicherweise schriftlich geben, damit Sie das hier an dieser Stelle nicht zum zwanzigsten Mal wiederholen. Sie verbreiten hier schlicht fachliche Unwahrheiten. Herr stellvertretender Vorsitzender, das sollten Sie ablegen.

Jetzt noch etwas zu den Kommunen. Ich will aufgreifen, was Kollege Ach dargelegt hat. Wir befanden uns lange in einer Situation, in der Rot-Grün gesagt hat: Wir machen eine große Reform der Kommunalfinanzen, und dazu setzen wir eine Kommission ein. Dies war im Jahr 1998. Erst nach heftigen Anmahnungen von uns hat diese Koalition kurz vor Torschluss tatsächlich eine Kommission mit Unterkommissionen eingesetzt. Dort ist ein ungeheuerer Wust an Leuten dabei; selbst der DGB sitzt dabei – was der DGB und die Kommunalfinanzen miteinander zu tun haben, weiß ich nicht. In dieser Kommission sitzt die gesamte Gesellschaft, breit durch ihre Spitzen vertreten.

Frau Kellner, wir haben gesagt: Für derartige Reformen braucht es im Grunde drei Maßnahmen. Maßnahme Nummer eins ist kurzfristige Hilfe. Ich meine, eine wirksame kurzfristige Hilfe wäre die Absenkung der Gewerbesteuerumlage. Schauen wir einmal, wie sich Ihre Vertreter diesbezüglich verhalten. Wenn sie dies wieder, zum dritten Mal, ablehnen, ist dies wieder, zum dritten Mal, ein Schlag ins Genick unserer Kommunen. Wir werden draußen sagen, wer das war.

(Beifall bei der CSU)

Dies wurde bereits einmal im Bundesrat abgelehnt. Nach den Wahlen bringen wir dies nochmals in den Bundesrat ein.

Zweitens. Wir brauchen eine mittelfristig vernünftige Lösung, die beraten werden soll. Ich habe vorher schon gesagt, dass es peinlich ist, dass sich die Bundesregie

rung offenbar schon festgelegt hat, bevor wir überhaupt richtig zu Beratungen gekommen sind.

Schließlich und drittens steht das Ganze doch auf tönernen Füßen, wenn die Bundesregierung weiterhin das tut, was sie in dreister Weise die letzten vier Jahre gemacht hat, nämlich ständig irgendwelche Einsparungen zu beschließen, die zu Lasten der Kommunen gehen, aber gleichzeitig den Kommunen weiterhin Aufgaben zuzuschieben, die diese nicht finanzieren können. Wenn es nicht gleichzeitig eine klare Regelung gibt, wie es um das Konnexitätsprinzip und um die Verlagerung von Aufgaben bestellt ist, dann hat die ganze Diskussion nur den halben Wert, ist die ganze Diskussion eigentlich sinnlos, weil die Kommunen weiterhin überfordert werden. Die Bundesregierung hat aber am Montag ausdrücklich erklärt: Das ist für uns kein Thema. Das heißt: Sie wollen hinsichtlich der Kommunalfinanzen einen Torso vorlegen. Dies ist peinlich. Diese Legislaturperiode beginnt schon wieder gut.

Ich bin der Meinung, wir müssen einen richtigen Wurf im Interesse unserer Kommunen machen. Ein Problem steht jedoch als Kernproblem im Zentrum, das gegenwärtig und auch in Zukunft das Problem der Kommunen und der Länder ist und sein wird: Wenn wir keine vernünftige Wachstumspolitik machen und keine Rahmenbedingungen schalten, die Steuereinnahmen zur Folge haben, werden wir immer darben. Davon werden die Kommunen überproportional betroffen sein. Deshalb muss eine venünftige Wachstumspolitik her. Ich sehe nach diesen Wahlen wirklich schwarz. Ich will keine Kassandra sein, will dies aber wenigstens einmal, am Beginn der neuen Legislaturperiode in Berlin gesagt haben. Ich sehe für die wirtschaftliche Entwicklung auch im nächsten Jahr schwarz. Wir werden uns mit unserem Haushalt darauf einrichten müssen.

(Beifall bei der CSU)

Nach § 33 Absatz 7 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags sind beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. – Ich sehe, dass damit Einverständnis besteht.

Ich gebe noch das Abstimmungsergebnis der gestern durchgeführten namentlichen Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Dr. Scholz, Hoderlein, Dr. Kaiser und anderer betreffend „Offensive Handwerk und Mittelstand“ auf Drucksache 14/9091 bekannt. Mit Ja haben 67 und mit Nein 83 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Es gab sechs Stimmenthaltungen. Der Antrag ist damit abgelehnt.

(siehe Anlage 3)

Entsprechend einer interfraktionellen Absprache mit dem Präsidium unterbreche ich die Sitzung bis 14.30 Uhr für eine kleine Mittagspause. Wir beginnen um 14.30 Uhr mit der Richterwahl. Ich weise darauf hin, dass die Richterwahl mit einem Namensaufruf verbunden ist. Ich wünsche guten Appetit.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.52 Uhr bis 14.32 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir fahren mit den Beratungen fort.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 5

Besetzung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs:

Wahl des ersten Vertreters der Präsidentin

Neuwahl eines berufsrichterlichen Mitglieds

Mit Schreiben vom 5. August 2002 hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Professor Dr. Johann Wittmann mit Ablauf des 31. Juli 2002 in den Ruhestand getreten und damit aus dem Verfassungsgerichtshof ausgeschieden ist.

Als Nachfolger des Herrn Professor Dr. Wittmann in seiner Funktion als erster Vertreter der Präsidentin schlägt die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herrn Rolf Hüffer, Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, vor. Herr Hüffer ist bereits berufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.

Außerdem hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass der Vorsitzende Richter am Bayerischen Landessozialgericht Dr. Alexander Knörr zum 1. November 2002 zum Richter am Bundessozialgericht ernannt worden ist und damit als berufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ausscheiden wird.

Die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs schlägt als Nachfolgerin zur Neuwahl als berufsrichterliches Mitglied Frau Angelika Mack, Präsidentin des Arbeitsgerichts München, vor. Frau Mack ist bereit, im Falle ihrer Wahl das Amt anzunehmen und hat eine entsprechende Erklärung gemäß Artikel 6 des Verfassungsgerichtshofgesetzes abgegeben.

Die Richterwahlkommission hat in ihrer heutigen Sitzung den Vorschlägen der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs zugestimmt und beschlossen, der Vollversammlung zu empfehlen, diese Wahlvorschläge anzunehmen.

Wir kommen damit zu den Wahlen, die in einem Wahlgang durchgeführt werden. An Ihrem Platz finden Sie zwei Stimmzettel verschiedener Farben vor, auf denen die vorgeschlagenen Kandidaten aufgeführt sind. Außerdem enthält Ihre Stimmkartentasche eine gelbe Namenskarte, die für den Wahlgang zu verwenden ist.

Urnen für die Namenskarten und für die Stimmzettel befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaals im Bereich der Eingangstüren sowie auf dem Stenografen

tisch. Ich bitte, sowohl die Namenskarte als auch die Stimmzettel nicht selbst in die Urnen einzuwerfen, sondern diese den hierfür bereit stehenden Schriftführern und Mitarbeitern des Landtagsamtes auszuhändigen. Nur so kann der ordnungsgemäße Ablauf des Wahlvorgangs sichergestellt werden.

Wir beginnen nun mit dem Wahlgang. Für die Wahlen stehen fünf Minuten zur Verfügung.