Protokoll der Sitzung vom 16.10.2007

(Joachim Herrmann (CSU): Ich weiß, dass Sie gerne unsere Sorgen hätten!)

Herr Herrmann, da sage ich gar nicht Nein. Die Sorgen hätte ich gerne. Darüber brauchen wir gar nicht zu reden.

Herr Herrmann, was haben Sie nicht alles gesagt, was die Fraktion ist: Herzkammer, Machtzentrum. Und das verlassen Sie?

(Joachim Herrmann (CSU): Nein!)

Ob Sie die Machtposition verlassen, um sich ins Kabinett einbinden zu lassen – da bin ich gespannt, ob Sie mir das erklären können.

Der zweite Neue, der partout ins Kabinett wollte, ist wohl eher ein Versorgungsfall. Und was hätte er nicht alles sollen werden können. Wirtschaftsminister. Das wollten die Wirtschaftsverbände nicht. Umwelt- und Verbraucherminister. Das wollten die Umweltverbände nicht. Und die Bären wahrscheinlich auch nicht.

Jetzt also Bundes- und Europaangelegenheiten. Da kann er seinen Kampf gegen die Osmanen gleich weiterführen. Die Kommentierung zu dieser Besetzung lautet,

ich zitiere: „Eine Abstrafung“, „das am wenigsten öffentlichkeitswirksame und unwichtigste Ministerium“. – Vielleicht wurde er dazu auch deshalb berufen, damit er nicht zu oft in München ist und nicht so viel Schaden anrichten kann. Das weiß ich natürlich nicht. „Demütigung“ habe ich auch noch gelesen.

Der Grundsatz „Hauptsache Minister“ ist wohl am wichtigsten. Da muss ich natürlich auch wieder den Herrn Ministerpräsidenten zitieren, der gesagt hat: Kompetenz vor Regionalproporz. Da kann ich nur sagen, jawohl, Frau Männle, jawohl, Herr Bocklet!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuruf)

Jawohl, dazu komme ich noch.

Ich kann die Verärgerung in Ihrer Fraktion schon verstehen, wenn über die Köpfe hinweg ein neuer Vorsitzender präsentiert wird und vieles an ihr vorbeiläuft. Ich zitiere aus Ihrer Fraktion – das bin auch nicht ich, die das sagt –: Es fehlt jeglicher Esprit. Oder: Es ist schon fast eine Auszeichnung, nicht dabei zu sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Allerdings muss man auch sagen, dass es ein kluger Schachzug aus der Sicht des Ministerpräsidenten ist, seinen Intimus, Adlatus, was auch immer, seinen loyalen Begleiter aus dem Innenministerium zur Fraktionsführung zu bestimmen. Und die Fraktion darf ihn dann wählen. So regiert der Regierungschef in die Fraktion mit hinein. Es fragt sich nur, ob der Fraktionsvorsitzende den Laden zusammenhält oder Schluss mit dem Laden ist. Da lassen wir uns von Ihnen überraschen.

Neues Kabinett oder alles beim Alten? Sie haben selber den Zauber beschworen. Der Zauber ist leider schon verflogen, wenn man die Kommentare aus der Fraktion in den Medien liest.

Welche Chancen haben Sie vertan, Herr Ministerpräsident! Sie haben auf die Verfassung geschworen. Ein Blick in die Verfassung hätte Ihnen die eine oder andere Hilfestellung geben können. Zum Beispiel der Artikel 49, wo acht Geschäftsbereiche beschrieben sind, die man sicher auch verändern kann. Aber das würde bedeuten, Ministerien zusammenzulegen. Und das bedeutet eben auch, Mut zu zeigen und auf Positionen zu verzichten. Wir haben das schon vor langer Zeit einmal gemacht. Wir haben eine neue Geschäftsverteilung für das bayerische Kabinett vorgeschlagen. Kollege Ritzer hat das damals getan. Ich will nur ein paar Dinge ansprechen, die bei uns gut angekommen wären, wenn Sie es denn gemacht hätten. Wir geben Ihnen gerne das Ritzer-Papier zum Weiterarbeiten.

Der Bereich Gesundheit gehört endlich in ein Ministerium, wo sich jemand zuständig fühlt und nicht in die Hände von zweien, die sich nicht zuständig fühlen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Bereich Kinderbetreuung gehört ins Kultusministerium, weil es um Bildung von Anfang an geht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und die Zusammenlegung von Landwirtschaftsministerium, Verbraucher- und Umweltministerium ist das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben aber noch mehr versprochen, was Sie machen wollten. Sie wollten eine Verjüngung. Die Verjüngung ist Ihnen nur bei den Staatssekretären und -sekretärinnen, bei den Minister-Azubis gelungen.

„Weiblicher“ haben Sie auch versprochen, aber im Kabinett sitzt keine zusätzliche Ministerin. Frauen: Fehlanzeige in der CSU. Da rächt sich die mangelnde Frauenförderung. Es nützt auch eine weitere Sekretärin nichts, obwohl Frau Huml für Sie ein Glücksgriff ist, weil sie jung, Frau und aus Oberfranken ist. Respekt, da haben Sie vieles auf einmal vereinigt. Der Regionalproporz spielt zwar keine Rolle, aber es ist halt doch ein Unterschied, ob man bei der Frauenunion schöne Worte findet oder ein Kabinett weiblich macht.

(Beifall bei der SPD)

Wie weiblich ist denn das Kabinett? – Neun Männer gegen drei Frauen. Respekt.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Mit!)

Bei den Sekretären: fünf Männer, eine Frau. Das mag ich gar nicht in Prozenten ausrechnen, obwohl ich es könnte. Seit dem Kabinett Goppel ist das in Bayern ein Fortschritt, da waren es nämlich gar keine Frauen.

(Beifall bei der SPD – Franz Maget (SPD): Wie in Saudi-Arabien!)

Zum Regionalproporz wollte ich eigentlich nichts sagen. Aber wenn ich zum Regionalproporz etwas sagen würde – Sie haben selber gesagt: Kompetenz vor Regionalproporz –, dann würde ich sagen, dass es für die Oberbayern schon ein Schock ist, dass in der Machtzentrale jetzt Franken, Schwaben und Niederbayern das Sagen haben. Aber wie gesagt, ich würde es nur sagen. Wenn ich zum Regionalproporz etwas sagen würde, dann

müsste ich auch sagen, dass der nordostbayerische Raum im Kabinett keine große Rolle spielt. Und wenn ich zum Regionalproporz noch etwas sagen würde, dann müsste ich fragen, wieso ein Freller gegen einen Sibler ausgetauscht wird. Da verstehe ich dann Ihr großes Vorhaben, Ihr Leitbild „Kompetenz statt Regionalproporz“ nicht. Aber Sie haben ja gesagt, es geht nicht um den Regionalproporz.

Es geht eigentlich um die Politik. Das wäre es, was man in den Mittelpunkt stellen müsste. Eigentlich geht es um die Politik, die dieses neue alte Kabinett für Bayern macht, machen will. Sie haben selber den Zauber des Anfangs beschworen, Herr Ministerpräsident. Aber nach einer Woche ist der Zauber schon verflogen. Bei der Kabinettsbildung haben Sie danebengelangt. Wir hoffen, dass Sie bei den Inhalten eine etwas glücklichere Hand haben.

Was darf Bayern von diesem neuen alten Kabinett erwarten? Was wird aus den Henzler-Vorschlägen?

(Simone Tolle (GRÜNE): Altpapier!)

Meinen Sie es wirklich ernst damit? Was wird aus den vier großen Investitionsschwerpunkten, die wir mittragen, weil es unsere Vorschläge der vergangenen Jahre waren? Sie haben diese quälende Übergangszeit nicht genutzt, die Inhalte herauszuarbeiten. Ich will sie noch einmal nennen.

Wie sieht es mit dem Ausbau der Kinderbetreuung aus, vor allen Dingen für Kinder unter drei Jahren? Wie sieht es aus mit der Qualität der Kinderbetreuung, nicht nur mit der Quantität: Hauptsache, ein paar Plätze mehr?

(Beifall bei der SPD)

Bayern ist immer noch Schlusslicht bei der Betreuung der Null- bis Dreijährigen. Deshalb müsste man endlich einmal hören: Was hat denn das Land vor? Was machen wir mit den Mitteln des Bundes? – Die nehmen wir. Aber was geben wir aus Landesmitteln dazu? Wie unterstützen wir die Kommunen? – Da warte ich auf Antworten.

Der nächste Bereich ist die Schule. Was hat Henzler gesagt – nur ganz kurz? -Ganztagsschule flächendeckend. Davon sind wir meilenweit entfernt, Herr Kultusminister – in spe, muss ich sagen. Da hört und sieht man nur ganz kleine Ansätze, und ich sage: Ganztagsbetreuung ist keine Ganztagsschule, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Herr Beckstein, Sie haben selbst eine Äußerung getan, die Sie wahrscheinlich schon wieder bereuen. Die Klas

senstärken haben Sie als katastrophal bezeichnet. Da kann ich nur sagen: Recht hat er, der Ministerpräsident, wenn er die Klassenstärken in ganz Bayern anschaut. In dem Zusammenhang fehlt mir auch, dass Sie die Kommunen und die Eltern mehr unterstützen, aber nicht wie beim Büchergeld die Verantwortung auf die Kommunen abwälzen.

Den dritten Bereich bilden die Hochschulen. Da hört man momentan auch nichts, aber das liegt wohl an den neun Monaten quälender Überganssituation. Es ist daran gedacht, und das war von Henzler auch so verlangt, dass wir den Ausbau der Hochschulen übernehmen, viel stärker in Angriff nehmen, um mehr Studierende aufnehmen zu können. Es ist das Gebot der Stunde, mehr junge Leute ins Studium zu bringen, unabhängig von den beiden Abiturjahrgängen, und die Hochschulen zu sanieren, die, was wir alle wissen, Milliardenbeträge verschlingen wird. Da warten wir auch noch auf Antworten und konkrete Zusagen von Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Bereich: Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Da kann ich auch nur sagen: Absolut richtig, Herr Henzler, genau unsere Vorstellungen. Wir haben Ihnen damals schon gesagt, die Henzler-Kommission hätten Sie sich sparen können, wenn Sie unsere Anträge übernommen hätten.

Darauf einigen wir uns – das ist sicher auch einhellige Meinung bei Ihnen –: Kinder, Bildung, Arbeit. Wir wollen gerne noch den Klimaschutz dabei haben, allerdings nicht mit Showterminen auf der Zugspitze, sondern echte harte Angebote zum Klimaschutz in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Ein Blick in die Verfassung hilft Ihnen auch da wieder. Es gibt einen Artikel in der Bayerischen Verfassung, der den Mindestlohn beschreibt. Auch in dieser Richtung können Sie sich also etwas überlegen. Vielleicht macht eine neue Wirtschaftsministerin auch neuen Wind.

Unsere Erwartungen für Bayern an dieses neue alte Kabinett sind: Henzler plus Klimaschutz plus Regionalpolitik minus Transrapid und minus Atomkraft.

(Beifall bei der SPD)

Bisher haben Sie unsere Erwartungen leider nicht erfüllt: ältere Männer statt jüngere Frauen. Sie selber, Herr Ministerpräsident, haben sich, wie in der „AZ“ zu lesen war, noch nicht stark genug gefühlt, größere Umbrüche vorzunehmen. Also haben wir noch Hoffnung, dass sich vielleicht noch etwas tut. Darum setzen Sie auf das Altbekannte.