Ausschlüssen mehrere Tatbestände zugrunde liegen, die jeder für sich schon einen Ausschlusstatbestand begründen. – Da ist jeder einzelne Grund schon ein Ausschlusstatbestand, aber im Falle eines großen Unternehmens sieht es dann anders aus.
Wie ist es unseren Anträgen jetzt ergangen? – Sie konnten in den Ausschüssen bedauerlicherweise keine Mehrheiten finden. Gerade zum letztbehandelten Antrag betreffend die Firma Siemens haben einige der Kollegen und Kolleginnen ganz tief ins Schatzkästchen aus Kraftmeierei und Verbalinjurien greifen müssen. Nachfolgend einige Beispiele – vielleicht hören wir die Worte ja nachher wieder – : „Grauenhaft“, „grob rechtsstaatswidrig“, „Bedenken bezüglich der Rechtsstaatlichkeit“, „keine Sippenhaft für die Verfehlungen Einzelner“, „die GRÜNEN als scheinheilige Moralapostel“ – das waren die Sprüche, die hier zu hören und dann in den Protokollen nachzulesen waren.
Wenn sich diejenigen, die solche Worte in den Mund genommen haben, etwas genauer mit der Causa befasst und etwas nachgearbeitet hätten, hätten sie nicht so große Töne spucken und Gift und Galle schleudern müssen.
Ich führe das noch einmal an einigen Beispielen aus, zunächst zur Argumentation Sippenhaft. Gegen acht der ehemals zehn Bereiche des Siemens-Konzerns sind die Ermittlungen wegen Korruption oder anderer Delikte gelaufen. Ich habe vorhin aufgezählt, worum es ging, unter anderem um massive Verstöße gegen das Kartellrecht. Immerhin gab es unlängst die europäische Rekordstrafe, die ein einzelnes Unternehmen bisher ereilt hat.
Der Siemens-Konzern hat auch gegen Bestimmungen im Betriebsverfassungsgesetz verstoßen. Der Zentralvorstand ist nicht außen vor gewesen. Selbstverständlich ist es in jedem einzelnen Fall so. Wenn in einem Unternehmen Missmanagement herrscht, wenn das Unternehmen Mist baut, schadet das selbstverständlich dem Unternehmen an und für sich und auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Hier von Sippenhaft zu sprechen und zu sagen, das wäre schlecht, weil alle darunter leiden, und man sollte ein Unternehmen weniger hart angehen als andere, das kann unseres Erachtens nicht sein.
Es gibt mittlerweile jede Menge an Geständnissen. Aber viel interessanter ist ja, wenn wir anschauen, was Bundestag und Bundesrat und die SPD bislang hier kundgetan haben. Sie haben gesagt, dass die Aufnahme in ein Korruptionsregister und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen nicht an irgendeine strafrechtliche Beurteilung, nicht an die Verhängung irgendeines Bußgeldes gebunden sein sollen. Ich zitiere dazu den Bundesratsbeschluss vom 12. Juli 2002: Eine Beschränkung auf rechtskräftige Verurteilung würde wegen der durchschnittlichen Verfahrensdauer die Effizienz der Regelung und ihre Präventionswirkung infrage stellen. Eine Eintragung ist auch zu vertreten, wenn angesichts der Beweislage kein vernünftiger Zweifel an der schweren Verfehlung besteht.
Im Gesetzentwurf der SPD vom 11. Juli 2002 steht: Ausschluss und Meldung an das Register erfolgen unabhängig von der Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens, wenn im Einzelfall angesichts der Beweislage kein vernünftiger Zweifel an einer solchen Verfehlung besteht. – Ja, gut, meinetwegen. Wollen Sie uns vielleicht sagen, Sie hätten Zweifel? Also, wir haben die Zweifel nicht. Niemand anderer in der Republik hat diese Zweifel.
Zu einer weiteren Argumentationsschiene: Siemens habe die Übeltäter schon aus dem Verkehr gezogen. Einerseits stimmt das nur teilweise, und andererseits kann und darf das niemals genügen. Ich empfehle unseren Kolleginnen und Kollegen einmal den Blick in die eigene Gesetzeslage. Es gibt beispielsweise die Bayerische Korruptionsbekämpfungsrichtlinie. Das ist die Bekanntmachung der Staatsregierung vom 13. April 2004. Dort sind kumulativ vier Bedingungen genannt, wann Unternehmen wieder bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zugelassen werden sollen. Bedingung eins: personelle Maßnahmen. Bedingung zwei: organisatorische Maßnahmen. Bedingung drei: Wiedergutmachung des Schadens. Bedingung vier: Verstreichen einer angemessenen Frist. Diese Bedingungen sind nicht alternativ, sondern sie sind kumulativ.
Wie lange dauert diese angemessene Frist in der Praxis? – Sie liegt bei Bauunternehmen im Durchschnitt bei drei Jahren und bei Planungsunternehmen bei acht Jahren. Sie sagen jedoch, man könnte und dürfte nichts tun.
Noch einmal grundsätzlich: Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Bei den bei der Siemens AG festgestellten Rechtsverstößen handelt es sich um organisiertes kriminelles Vorgehen in ganz großem Stil. Dabei geht es um Bestechung, Betrug, Untreue und den Aufbau einer Gegenorganisation zur IG Metall – ein schwerer Verstoß gegen die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese Verstöße wurden zum großen Teil mit der Absegnung des Zentralvorstandes vorgenommen.
Noch einmal zur geltenden Rechtslage: Das Bundesrecht verlangt den Ausschluss rechtsbrüchiger Unternehmen,
denen es an Zuverlässigkeit mangelt. Wir kennen die Eignungskriterien. Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gehört dazu auch die Zuverlässigkeit. Sie finden außerdem in der Verdingungsordnung für Leistung und in der Verdingungsordnung für Bauleistung herunterdekliniert, wann ein Unternehmen auszuschließen ist. In der Vergangenheit waren – und aktuell sind – Unternehmen genau aus diesen Gründen ausgeschlossen. Wie wollen Sie rechtfertigen, dass das kleine Unternehmen A oder das Unternehmen B ausgeschlossen wird, wenn Sie hier einen Freibrief erteilen? Wir bitten Sie noch einmal, unseren Anträgen zuzustimmen. In einem dieser Anträge fordern wir die Schaffung eines Korruptionsregisters auf Bundesebene.
Dieses Register sollte nicht nur die klassischen Korruptionsdelikte enthalten, sondern auch Kartellrechts-Verstöße und Verstöße gegen die Vorgaben zur Arbeitnehmerentsendung und zur Arbeitnehmerüberlassung. Solange auf Bundesebene ein solches Register nicht existiert, sollte ein freistaatliches Register geschaffen werden. Der letzte Antrag bezieht sich auf die Siemens AG. Wir bitten dafür noch einmal freundlichst um Unterstützung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich Gäste begrüßen: Die Mitglieder des Petitionsausschusses des Niedersächsischen Landtags unter der Leitung des Vorsitzenden, Herrn Klaus Krumfuß, befinden sich auf der Ehrentribüne. Dies ist der Beginn einer dreitägigen Informationsveranstaltung. Ich wünsche Ihnen fruchtbare Gespräche im Gedankenaustausch und einen angenehmen Aufenthalt in München und in Bayern. Herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Es war einmal. Vor vielen Jahren wurde die SPD durch ihren Koalitionspartner gezwungen, einen Gesetzentwurf zur Registrierung von Unternehmen, die sich auf vielen Rechtsgebieten nicht korrekt verhalten haben, zu unterstützen.
Dieser Gesetzentwurf hatte gottlob nur eine sehr kurze Lebensdauer, weil es – wie das im Märchen so vorkommt – eine gute Fee gab. Das waren die von der Union regierten Bundesländer, die diesen Gesetzentwurf im Vermittlungsausschuss scheitern ließen. Dies geschah zur Erleichterung der SPD, zum Ärger der GRÜNEN und zur Freude vieler anständiger Unternehmer, die durch diesen Gesetzentwurf diskriminiert worden wären.
Nun dürfen wir uns in diesem Landtag wieder mit diesem Thema beschäftigen. Bei den GRÜNEN scheint es bei solchen Anträgen wirklich eine unendliche Geschichte zu geben nach dem Motto: Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Lieber Herr Kollege Dr. Runge, fast hätte ich gesagt „lieber Märchenonkel Runge“, die Wirtschaft funktioniert nicht wie ein Märchen. Auch Märchenonkel haben sich in der rauen Wirklichkeit an rechtsstaatliche Grundsätze zu halten. Sie versuchen immer wieder, verstorbenen und uralten Ideen neues Leben einzuhauchen, obwohl sie schon längst beerdigt sind. Anträge, die in den Ausschüssen gescheitert sind, werden von Ihnen ins Plenum gezogen
um die unendlich leidvolle Geschichte nochmals aufleben zu lassen. Diese Anträge werden aber – zu Ihrem Leidwesen – wieder nur ein kurzes Leben haben, weil wir sie natürlich vernünftigerweise ablehnen werden. Wir beteiligen uns nicht an einer allgemeinen Diffamierungskampagne gegen Unternehmer und Unternehmen.
Im Gegensatz zu Ihnen halten wir uns an rechtsstaatliche Grundsätze. Wir bleiben dabei – ebenfalls im Gegensatz zu Ihnen mit diesen Anträgen – auf dem Boden unserer Verfassung. Mit Ihren Anträgen fordern Sie die Einrichtung eines Registers auf Bundes- bzw. Landesebene für unzuverlässige Unternehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns ist es selbstverständlich, dass strafrechtlich relevante Delikte in unserem Rechtsstaat verfolgt und die handelnden Personen in solchen Fällen bestraft werden müssen. Natürlich müssen schwarze Schafe in der Wirtschaft bestraft werden und dürfen nicht auch noch mit öffentlichen Aufträgen belohnt werden. Grundsätzlich ist dieses Anliegen, unzuverlässige Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen, nicht verkehrt.
Wir haben in Bayern aufgrund der Korruptions-Richtlinie eine interne Ausschlussliste, die auf richtigen Vorgaben beruht. Für diese Regelungen müssen jedoch rechtsstaatliche Grundsätze gelten, die Ihre Anträge leider vermissen lassen. Voraussetzung für die Eintragung der Ausschlussliste, die in den bayerischen Behörden geführt wird, ist der Nachweis einer rechtskräftigen Verurteilung und eine Anhörung des betroffenen Unternehmens. Dann erfolgt der Ausschluss, in der Regel auf drei Jahre, wobei auch eine frühere Wiederzulassung möglich ist, wenn das Unternehmen nachweist, dass es Maßnahmen zur Selbstreinigung ergriffen hat. Das ist die Rechtslage in Bayern. Das ist gut so.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, gegen Ihre Anträge bestehen wirklich ernsthafte rechtliche Bedenken. Ich
gehe davon aus, dass mein verehrter Kollege Dr. Beyer, der in Rechtsfragen wesentlich besser als ein Landwirt wie ich bewandert ist, das noch deutlicher darstellen wird.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie wollen mit Ihren Anträgen eine zusätzliche Bestrafung von Unternehmen herbeiführen, die noch dazu für eine Vielzahl von Verstößen gelten soll, die nun wirklich gar nichts mit Korruption zu tun haben. Das von Ihnen vorgeschlagene Register soll für Fälle von Subventionsbetrug, Steuerhinterziehung, Veruntreuung von Arbeitsentgelten, Geldwäsche und für alles Mögliche gelten. Wollen Sie mit Ihren Anträgen wirklich alle strafrechtlichen Vergehen mit einer Doppelbestrafung belegen? Kennen Sie nicht den Artikel 103 des Grundgesetzes, mit dem der alte Rechtsgrundsatz ne bis in idem Verfassungsrang erhalten hat?
Ihre Anträge sind darüber hinaus sehr unjuristisch und unklar. Danach soll schon der Verdacht für ein Vergehen als Voraussetzung für die Eintragung in dieses Register genügen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, für uns gilt immer noch der Grundsatz der Unschuldsvermutung, wonach man bis zur Rechtskraft eines Urteils als unschuldig gelten muss. Weiterhin sehen Sie in Ihren Anträgen keinen Rechtsbehelf gegen die Eintragung vor. Sie scheinen den Unternehmen keine Chance einräumen zu wollen, die Maßnahmen zur Selbstreinigung ergreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bayern hat eine vernünftige rechtsstaatliche Regelung, die dem wesentlichen Anliegen Ihrer beiden Anträge Rechnung trägt.
Wie die verehrte Kollegin Haderthauer bereits in unserem Ausschuss festgestellt hat, wollen wir für die Wirtschaft keinen öffentlichen Pranger. Wir brauchen keine weitere Regelung, die noch dazu wesentlichen rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht. Wir werden diese beiden Anträge deshalb ablehnen und Ihrer Märchenstunde, verehrter Herr Kollege Dr. Runge, ein unsanftes Ende bereiten.
Herr Kollege Graf von und zu Lerchenfeld, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Runge?
Auch Ihr Antrag, die Siemens AG von öffentlichen Aufträgen auszuschließen, kann so nicht akzeptiert werden. Zunächst muss festgestellt werden, dass das Landgericht München gegen das Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von 201 Millionen Euro verhängte, die das Unternehmen auch akzeptiert hat. Damit ist das Verfahren gegen die ehemalige Kommunikationssparte der Siemens AG
beendet worden. Außerdem wurde mit den Finanzbehörden eine abschließende Regelung getroffen, nach der das Unternehmen nahezu 180 Millionen Euro an Steuern nachzahlen muss. Bei der Aufklärung der diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalte hat die Siemens AG umfassend mitgewirkt. Außerdem: Eine Verurteilung ist nicht wegen Korruption erfolgt, sondern wegen Untreue, weil das Vermögen der Gesellschafter geschädigt wurde.