Es ist auf diesem Gebiet mit dieser rein gesetzlichen Zusammenführung natürlich noch lange nicht alles erreicht. Wir müssen ein noch wesentlich vielfältigeres Angebot an Wohnmöglichkeiten für behinderte Menschen finden. Das muss weiter aufgefächert sein, den Bedürfnissen mehr angepasst werden. Es muss auch endlich wieder erreicht werden, dass behinderte Menschen in Werkstätten ihr Mittagessen nicht mehr selbst bezahlen müssen. Um diesen einstimmigen Beschluss unseres Sozialausschusses scheinen sich die Bezirke überhaupt nicht zu scheren. Ich habe nachgefragt: In Mittelfranken jedenfalls wird er nicht umgesetzt.
Dieser Gesetzentwurf ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, obwohl er noch ein bisschen zu kurz springt. Ich hoffe, dass wir mit der Hilfe zur Pflege den zweiten Schritt in die richtige Richtung tun werden. Deshalb werden wir den beiden Änderungsanträgen zustimmen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich ergreife das Wort, weil ich diesen Gesetzentwurf, den wir heute, wie ich bis jetzt gehört habe, gemeinsam verabschieden wollen, für äußerst wichtig halte. Ich halte ihn deshalb für besonders wichtig, weil wir für die Zukunft gewährleisten wollen, dass mit der Zusammenführung der ambulanten und stationären Eingliederungshilfe den Menschen mit Behinderung Rechnung getragen wird in einer Gesellschaft, die auch in Zukunft menschliches und ein humanes Gesicht haben muss.
Wir alle – und ich bin dem Kollegen Unterländer und meiner Fraktion sehr, sehr dankbar – wünschen uns heute, dass die Bezirke, denen wir diese Aufgabe und Verantwortung anvertrauen, dass die Verantwortlichen in den Bezirken, sowohl die gewählten als auch die in den Verwaltungen, dem Auftrag, den das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung enthalten, gerecht werden.
Es steht uns deshalb gut an, weil ich daran denke – und ich kann das hier nur noch einmal zum Ausdruck bringen –, dass die Eingliederungshilfe – es geht nicht um Sozialhilfe – bedeutet, dass Menschen mit Behinderung – und ich träume immer noch davon, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und, Frau Staatsministerin, wenn ich recht informiert bin, ist ja die Sozialminister- und -ministerinnenkonferenz beauftragt worden, noch einmal darüber nachzudenken –, tatsächlich ein eigenes Leistungsgesetz in Deutschland auf den Weg zu bringen, natürlich in der Zuständigkeit der Länder, damit wir endlich den Sozialhilfegedanken aus der Eingliederungshilfe herausbekommen.
Ich denke dabei an ein Kind, das mit Behinderung zur Welt kommt, in eine Familie hineingeboren wird, die es annimmt, an ein Kind, das durch Krankheit für die Zukunft eine Behinderung mit sich trägt, an Menschen, die schwer verunglücken. Das sind Menschen, die nicht Almosen von unserer Gesellschaft erwarten, sondern mit der Solidarität rechnen können und rechnen müssen.
Dafür plädiere ich. Es ist die Aufgabe der Bezirke in der Zukunft, die Einzelpersönlichkeit derjenigen zu sehen, die Eingliederungshilfe benötigen, wo auch immer, sei es in den Werkstätten oder in den Wohnheimen oder in der Frühförderung.
Noch ein Wort zu dem Bezirk, der heute schon mehrfach angesprochen worden ist. Dieser Bezirk hat in einem Schreiben an die Familien einen angeblichen Anspruch des Bezirkes geltend gemacht, bei dem sich im Nachhinein herausstellt, dass dieser Anspruch rechtswidrig war. Aber darum geht es mir jetzt nicht; es geht um die Sprache, die in diesem Schreiben zum Ausdruck kommt:
Der Bezirk hat im Jahre 2006 circa 135 Millionen Euro für die laufenden Maßnahmen der Eingliederungshilfen und der Hilfe zur Teilhabe aufbringen müssen. Im Jahre 2000 waren dies noch circa 100 Millionen Euro.
Und dann bekommen die Eltern weiter mitgeteilt, dass diese rasante Kostenentwicklung und die ohnehin prekäre Finanzlage die Sozialverwaltung zwinge, gesetzlich vorgesehene Ansprüche ausnahmslos geltend zu machen, um dem Nachrangigkeitsgrundsatz der Sozialhilfe gerecht zu werden.
ruar 2007. Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt wissen Sie, was ich meine. Ein solcher Brief darf an eine Familie nicht geschrieben werden;
denn die Familie kann nichts für den Anstieg der Eingliederungshilfe. Und dann lese ich immer in den Papieren, dass die Fallzahlen gestiegen sind.
Es sind auch keine Fälle. Aber die Zahlen nehmen zu. Das beginnt schon bei der Geburt von Frühchen, die durch den medizinischen Erfolg heute mehr Lebenschancen haben als früher; auch die Bewältigung von Krankheiten oder die Fortschritte in der Rehabilitation nach schweren Unfällen wirken sich aus. Auch die erfreulicherweise längere Lebenserwartung von Menschen mit Behinderung müssen gesehen werden. Das sind offene Baustellen, die wir in der Zukunft haben. Wie gehen wir mit Menschen mit Behinderung im Alter um? Welche Möglichkeiten und Formen des Zusammenlebens haben wir für sie?
Es kann nicht sein, dass wir Menschen mit Behinderung mit 45 oder 50 Jahren in Pflegeheime geben, in denen das Eintrittsalter bereits heute bei durchschnittlich 87 Lebensjahren liegt. Wir müssen hier eigene Formen des Wohnens und des Zusammenlebens bei der Eingliederung älterer Menschen mit Behinderung selbstverständlich werden lassen, wenn die Familien das nicht mehr leisten können.
Jeder von uns hat sicherlich schon Mütter oder Väter erlebt, die uns fragen, was sein wird, wenn sie einmal nicht mehr sind. Sie selbst haben Sorge dafür getragen, 40 oder 45 Jahre lang den Sohn oder die Tochter mit Behinderung in der Familie zu betreuen. Solche Familien brauchen die Unterstützung und die Solidarität der Gemeinschaft.
Wofür werbe ich? Ich mache heute keine Vorwürfe, sondern ich werbe dafür, bereits durch die Sprache mit den Menschen einen Umgang zu pflegen, der die erwachsenen Menschen mit Behinderung spüren lässt, dass wir sie ernst nehmen, wenn sie ein selbstbestimmtes Leben gestalten wollen. Das persönliche Budget – Frau Staatsministerin, das ist etwas, wofür Sie zu Recht werben – gibt großartige Möglichkeiten für eine solche Gestaltung, aber man muss letzten Endes richtig damit umgehen und die Eingliederungshilfe zugeschnitten auf die jeweilige Persönlichkeit auf den Weg bringen.
Und nun noch ein Wort zu dem Beispiel, dass es in den Werkstätten kein Mittagessen mehr gibt. Das mag jetzt etwas lapidar klingen, denn es gibt schon noch ein Mit
tagessen, aber es muss bezahlt werden. Die Begründung, das Mittagessen gehöre nicht zur Eingliederungshilfe, ist eine juristische Begründung, die uns mit auf den Weg gegeben wird. Ich dachte eigentlich immer, dass ich etwas von Eingliederungshilfe verstehe. Wenn ein Mittagessen bedeutet, an einem schön gedeckten Tisch zu sitzen, sich am Essen zu freuen, mit anderen zu kommunizieren und sich dabei wohlzufühlen, und wenn dann dieses Mittagessen nicht zur Eingliederungshilfe gehört, dann möge man mir das doch bitte erläutern. Juristisch hat man mir das rauf und runter begründet, aber ich möchte doch sehr dafür werben, aus der Eingliederungshilfe das zu machen, was sie letztlich ist und vom Gesetzgeber auch gewollt ist.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit dem letzten Gedanken anfangen, den die Kollegin Stamm vorgetragen hat, dem Mittagessen für sogenannte Werkstattgänger. Wir wissen alle, dass hier zurzeit eine ausgesprochen unbefriedigende Situation besteht, die trotzdem „rechtssicher“ ist, liebe Barbara Stamm. Auch das wissen wir. Die sauberste Lösung wäre, das Bundesgesetz zu ändern.
Ich möchte hier klar und deutlich an das verantwortliche Bundesarbeits- und Sozialministerium Folgendes sagen. Damals bei den Sozialreformen ist klar und deutlich von der Bundesarbeitsgemeinschaft gesagt worden, dass die Werkstattgänger dann, wenn es entsprechend formuliert wird, keinen Anspruch mehr auf das Essensgeld haben. Trotzdem hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Gesetz so formuliert, dass es solche Fälle wie den zitierten gibt und wir als bayerisches Sozialministerium nur sagen können, die Leistung ist, wenn sie gegeben wird, eine freiwillige Leistung der Bezirke. Die sauberste Lösung wäre, wie gesagt, eine bundesgesetzliche Änderung auf den Weg zu bringen.
Das alles spielt zusammen, da man auch immer vernetzt denken muss. Und wir wissen, dass all diese Probleme gerade bezüglich des selbstbestimmten Lebens für Menschen mit Behinderung eine wichtige und intensive Rolle spielen, wenn wir jetzt über diesen Gesetzentwurf reden, und es ist sehr wichtig, dass wir uns dieser Problematik sehr verantwortungsbewusst und vertieft annehmen.
Heute reden wir über einen Gesetzentwurf, der zwei Teile hat. Zum einen ist es die Zusammenführung der ambulanten und stationären Eingliederungshilfe bei den Bezirken, und zum anderen geht es um die Vereinfachung und Verlängerung des Belastungsausgleichs von Hartz IV bei den Kommunen. Das sind die beiden Teile, die in dem Änderungsgesetz zum AGSG gemeinsam geregelt werden sollen.
Ich denke, bei der Thematik Eingliederungshilfe der Bezirke sind wir uns in den Zielen des Gesetzes einig. Es
Wichtig für uns ist, dass wir alle Bereiche der Eingliederungshilfe für die Menschen in eine Hand bekommen. Wir erreichen damit eine raschere und zielgenauere Leistungserbringung und vermeiden Zuständigkeitskonflikte. Wir verhindern darüber hinaus diese leidigen Verschiebebahnhöfe, wenn ambulante Eingliederungshilfen in den Händen der Landkreise kostenintensiv für den einzelnen Landkreis sind und man vor diesem Hintergrund bemüht ist, die Betroffenen in den stationären Bereich abzuschieben, um damit die Verteilung der Kosten über die Bezirksumlage zu erreichen.
Wir wissen bereits seit Langem, dass das nicht sehr effizient ist und auch nicht sehr menschenfreundlich.
Auch das möchte ich ganz klar sagen. Denn wir wollen – das ist das weitere Ziel unseres Gesetzes – einen verstärkten Ausbau des ambulanten Sektors, weil es schlicht und einfach für uns unabdingbar notwendig ist, dass Menschen mit Behinderung stärker in modernen Wohnformen wie Betreutes Wohnen, Wohngemeinschaften usw. ganz selbstbestimmt eigenverantwortlich leben können. Ich denke, da sind wir uns auch einig, da haben wir noch einiges nachzuholen. Wir wollen, dass die Wünsche der Leistungsberechtigten, die sehr häufig ambulante Hilfestellungen bevorzugen, weil sie im vertrauten Wohnumfeld verbleiben wollen, besser berücksichtigt werden. Ich denke auch, dass es gut ist, dass alle Beteiligten, die Wohlfahrtsverbände, die kommunalen Spitzenverbände und alle Parteien im Bayerischen Landtag der Ansicht sind, dass diese Verlagerung sinnvoll und richtig ist.
Es sind von der SPD unterschiedliche Befürchtungen laut geworden und heute auch von der CSU geäußert worden, dass sich die Leistungen bei der Verlagerung auf die Bezirke verschlechtern würden. Frau Kollegin Steiger,
bei den Vereinbarungen, die Kosten- und Leistungsträger schließen, ist der Staat außen vor. Was ich mache – da können Sie sicher sein, dass ich das mache; das habe ich im Rahmen der Frühförderung gemacht, und das habe ich jetzt auch im Bereich der Rahmenvereinbarungen gemacht –, ist, dass ich mit den Bezirken verhandle. Ich habe es auch erreicht, dass die Bezirke gesagt haben, sie steigen in alle bestehenden Verträge ein. Damit haben wir zumindest für das erste Jahr Rechtssicherheit erreicht. Sie können ganz sicher sein – Kollege Dr. Beyer war selber mit dabei –, dass ich die Bezirke gewaltig ermahnt und ihnen gesagt habe: Ich möchte, dass diese Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden.