Drittes Beispiel – Ganztagsschulen. Für den Ausbau der Ganztagsschulen stellen Sie 100 Millionen Euro in vier Jahren bereit. Aus dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ – IZBB – wissen wir, dass die Investitionskosten pro Schule zwischen 650 000 Euro und 1,2 Millionen Euro liegen. Mit 25 Millionen Euro im Jahr lassen sich bei hälftiger Finanzierung circa 50 bis 60 Schulen pro Jahr ausbauen. Aber es gibt heute schon einen Antragsstau. Letztes Jahr wurden für 177 Hauptschulen Investitionen beantragt, aber nur für 100 genehmigt. Das heißt, mit den 25 Millionen Euro können Sie noch nicht einmal den Überhang bei den Hauptschulen fi nanzieren.
Die Kommunen wissen inzwischen, dass sie sich dabei nicht auf die Staatsregierung verlassen können. So beschreibt etwa der Bürgermeister von Puchheim in einem Brandbrief an den Kultusminister, wie sehr die Kommunen
Beispielhaft seien genannt: Mittlere-Reife-Züge, Pilotprojekte zur Leseförderung, Streitschlichtersysteme, eine Jobbörse für Schulabgänger, Schulsozialarbeit an der Hauptschule, ausgeweitete Deutschförderkurse für Migranten, Sprach- und Mathematikprojekte an den Grundschulen.
Wegen des geltenden Konnexitätsprinzips kann sich der Freistaat Bayern auch nicht aus der Verantwortung stehlen. Ganztagsklassen sind an Haupt- und Grundschulen notwendig und werden deshalb mit Zustimmung des Ministeriums auch eingerichtet. Im zweiten Schritt die baulichen Notwendigkeiten aus der Förderung zu nehmen, ist ein Schildbürgerstreich.
Dass Sie die Kommunen mit dem von allen für notwendig erachtenden Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztagsschulen alleine lassen, schadet nicht nur den Städten und Gemeinden, das schadet uns allen.
Ebenso schädlich wie die Mangelwirtschaft, mit der Sie die Kommunen kurz halten, ist für die Zukunft unseres Landes, dass Sie die Städte und Gemeinden nicht endlich in die Freiheit entlassen, sondern sie nach wie vor an der kurzen Leine halten. Deshalb fordern wir nicht lediglich mehr Geld, sondern wir fordern Strukturveränderungen und neue Konzepte, die den Kommunen das selbstständige Handeln ermöglichen und mehr Freiheiten einräumen.
Auch in der CSU wächst inzwischen die Erkenntnis, dass es grundsätzliche Änderungen braucht. So hat sich neulich der Städtetag für den verbindlichen Mindestlohn ausgesprochen, und ein anonymes Mitglied der CSU-Fraktion hat wiederum kürzlich erklärt, in den Schulen bräuchte es fl exiblere Strukturen. In einem Dringlichkeitsantrag hat die Mehrheitsfraktion darauf gedrungen, dass gleichwertige Basisstrukturen wie zum Beispiel Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und die Gesundheitsversorgung in allen Landesteilen entsprechend dem Vorhalteprinzip für wohnortnahe Einrichtungen der Daseinsvorsorge aufrechterhalten bzw. geschaffen werden müssten. Nur, Kolleginnen und Kollegen der CSU, es ist höchste Zeit, dass Sie nicht nur reden und Anträge schreiben, sondern dass Sie endlich in die Gänge kommen und handeln.
Die neuen Konzepte der GRÜNEN orientieren sich an drei Leitlinien. Erstens. Es geht uns um Maßnahmen, die an den Ursachen der Probleme und Kosten ansetzen, also die bisher geübte „End of pipe“-Politik beenden. „End of pipe“ heißt auf Deutsch: Den Letzten beißen die Hunde.
Die Letzten, die Sie auf den Kosten sitzen lassen und die zusehen müssen, wie Sie mit den Problemen fertig werden, sind die Kommunen. Zwei Beispiele: Wir wollen Kinderbetreuung statt Kinderarmut, und wir fordern Mindestlohn statt Aufstockung durch Hartz IV.
Der zweite Punkt ist die Regionalisierung und die Dezentralisierung. Die alten Rezepte aus dem letzten Jahrhundert wie Zentralisierung und Großprojekte sind nicht mehr erfolgreich. Deswegen setzen wir auf regionale Arbeitsplätze und auf Nahversorgung.
Auch hier zwei Beispiele: Flächenbahn statt Transrapid und Regionalentwicklung nach oberösterreichischem Vorbild.
Drittens. Die Verlagerung von Verantwortung auf die Kommunen ist für uns der wichtigste Punkt. Niemand glaubt mehr, dass die Zentrale in München – und schon gar nicht Sie – alles besser weiß und die Existenzangelegenheiten der Kommunen für diese regeln kann. Deshalb fordern die GRÜNEN mehr Freiheit und Vielfalt in den Städten und Gemeinden.
Ich fange mit dem Beispiel Kinderbetreuung an. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat jüngst auf eine aktuelle OECD-Studie zur Kinderarmut verwiesen. Obwohl unser Staat überdurchschnittlich viel für Familien ausgibt, ist bei uns die Kinderarmut im OECD-Vergleich überdurchschnittlich hoch. Anders ist das in Dänemark oder Schweden. Ich zitiere:
In den skandinavischen Ländern erhalten Familien weniger direktes Geld vom Staat. Sie profi tieren aber von den kostengünstigen öffentlichen Einrichtungen für Kinder. Gerade für arme Familien ist es besonders wichtig, dass die Kinder wichtige soziale Einrichtungen nutzen können, wie etwa Kinderbetreuung, Spielplätze oder Sportvereine.
Sie, Herr Ministerpräsident, haben im November 2007 auf der Fachmesse „ConSozial“ in Nürnberg angekündigt, den Schwerpunkt auf den Ausbau der Kinderbetreuung zu setzen. Bis heute warten die Menschen in Bayern darauf, dass Sie endlich Taten folgen lassen. Sie haben damals erklärt, die knappe Zahl an außerfamiliären Betreuungsangeboten und die damit verbundenen langen
Damit haben Sie wirklich recht, Herr Ministerpräsident, und es ist heute ein Armutszeugnis für Sie und die Regierung Beckstein.
Sie haben angekündigt, bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz wollten Sie die Kommunen stärker in die Pfl icht nehmen. Herr Ministerpräsident, nehmen Sie endlich sich und Ihre Regierung stärker in die Pfl icht.
Bayern ist insbesondere bei der frühkindlichen Bildungsförderung nach wie vor ein Entwicklungsland. In den bayerischen Dörfern und Städten fehlen Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Krippen, ganztägig geöffnete Kindergärten und Ganztagsschulen. Legen Sie endlich ein angemessenes Ausbautempo vor, Frau Stewens.
Denn nur frauen- und familienfreundliche Kommunen haben Zukunft. Zählen Sie einmal nach, wie viele das in Bayern sind.
Beispiel Mindestlohn. Der Städtetag hat Anfang des Monats einen gesetzlichen Mindestlohn gefordert. Ein Mindestlohn, sagt der Städtetag, entlastet Staat und Kommunen und hilft den Arbeitenden, ihre Würde zu wahren. Alle sieben Bürgermeister der CSU haben im Vorstand diesen Beschluss unterstützt, gegen die eigene Parteilinie und mit guten Argumenten. Der Präsident des Städtetages sagte, man handle nur aus kommunalpolitischer Betroffenheit. Für den, der arbeite, müsse ein Auskommen ohne Sozialleistungen möglich sein. Die Kommunen seien die Betroffenen, wenn Menschen nicht von ihrer Arbeit leben könnten; denn sie müssten die Zuzahlungen aus Hartz IV aufbringen. Der Städtetag erwarte deshalb vom Staat eine Regelung, die den Kommunen diese Ausgabe erspare.
Das erwarten auch wir von Ihnen, Herr Ministerpräsident. Setzen Sie sich endlich für einen Mindestlohn ein!
Bayern ist laut Statistischem Jahrbuch ein Niedriglohnland. Unser Land belegt mit einem Durchschnittsstundenlohn von 15,69 Euro unter den alten Bundesländern den vorletzten Platz. Aber wenn es um die Höhe des Bruttoinlandsprodukts pro Einwohner geht, würden wir, vorausgesetzt wir wären ein eigener Staat, deutlich vor allen anderen Bundesländern liegen, nämlich in Europa
auf dem fünften Platz hinter Luxemburg, Irland, Dänemark und Schweden. Dies sind alles Länder, die alle Bevölkerungsschichten am gemeinsam geschaffenen Reichtum teilhaben lassen. Nehmen Sie sich an diesen Ländern endlich ein Beispiel!
Nun zum Thema „Flächenbahn statt Transrapid“. Herr Ministerpräsident, die Menschen sind überall im Land über Ihr borniertes Vorhaben empört. Zwei Drittel lehnen es ab. Auch von den selbsterklärten CSU-Anhängern ist die Hälfte dagegen, denn diese Menschen wissen, dass der Zustand der Flächenbahn in Bayern schon heute miserabel ist.
Das Bahnfahren wird immer teurer, aber die Leistungen werden immer noch schlechter. Überall sind Strecken gefährdet. In allen Regionen gibt es Kommunen, die gar nicht oder miserabel ans Netz des öffentlichen Nahverkehrs angeschlossen sind. In Neuötting beispielsweise fährt der letzte Zug nach München um 21.26 Uhr. Da muss man früh aufbrechen. In Weiden fährt er um 22.13 Uhr. Bis heute haben Sie es nicht geschafft, für eine vernünftige Zugverbindung zu unseren tschechischen und oberösterreichischen Nachbarn zu sorgen. Sie haben die Strecken noch nicht einmal für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet. So wenig tun Sie, so wenig setzen Sie sich für Bayern ein!
Aber für eine Fahrzeitverkürzung zum Flughafen München haben Sie zwei Milliarden übrig. Das nehmen Ihnen die Menschen übel. Dabei geht es der Mehrheit nicht nur um die sinnlose Verschwendung von zwei Milliarden Euro; für sie ist es auch ein symbolisches Thema. Am Beispiel Transrapid erkennen sie die regionale Spaltung Bayerns und die soziale Spaltung Bayerns. Sie sehen, dass Staatsregierung und CSU immer mehr Menschen von der Entwicklung in Bayern buchstäblich abkoppeln.
Für die Mehrheit ist Ihre Fixierung auf diese schöne Magnetschwebebahn der Bankrott der Wirtschaftspolitik aus dem letzten Jahrhundert.
Herr Kollege Schmid, kaum jemand – außer Ihnen vielleicht – glaubt noch, dass solche glänzenden Großprojekte, solche technologischen Wunder von vorgestern mehr Arbeitsplätze und mehr Lebensqualität schaffen und unser Land wirklich voranbringen können. Stoppen Sie endlich den Transrapid. Kommen Sie heraus aus Ihrer ideologischen Sackgasse, sonst werden Sie Ihr blaues Wunder erleben.