Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

Die nächste Generation erbt nicht nur die Schulden, sondern spiegelbildlich dazu auch die Geldvermögen. Das führt mich, meine Damen und Herren, zum nächsten Thema.

(Engelbert Kupka (CSU): Wir beraten den Nachtragshaushalt!)

Das weiß ich wohl.

Es hilft nichts, wie es der Herr Finanzminister tut, zu sagen: mehr Netto vom Brutto. Wer Sozialabgaben senkt, senkt die Einnahmen der Rentner oder lässt die Leute noch mehr von ihrem Netto für die Vorsorge bezahlen. Wer Sozialabgaben senkt, bringt die Krankenkassen um die Einnahmen, die sie brauchen, am Ende auch die Krankenhäuser und andere.

Meine Damen und Herren, Bundestagspräsident Lammert hat hier kürzlich die Gerechtigkeitslücke in Deutschland angesprochen. Franz Maget hat vor einiger Zeit die Vermögensteuer ins Spiel gebracht. Wer also Steuersenkungen verspricht ohne Gegenfinanzierung, der streut den Menschen Sand in die Augen.

(Beifall bei der SPD)

Sie reden trügerisch, Herr Finanzminister. Nur wenn das Brutto steigt, werden alle etwas davon haben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, Sie versprechen in Ihrer politischen Not momentan allen alles: weniger Steuern, Pendlerpauschale, ausgeglichener Haushalt, Zukunftsprogramme für Bayern, die vorderhand nur auf dem Papier stehen. Wie wollen Sie das alles finanzieren, wenn die Steuereinnahmen zurückgehen, wenn durch die aktuelle Bundesverfassungsgerichtsentscheidung auf die öffentlichen Haushalte Milliarden Euro von Mindereinnahmen zukommen, wenn der Haushalt durch die Landesbank in Anspruch genommen wird? Wie wollen Sie das finanzieren? Sie haben bald nichts mehr in den Taschen und verteilen ungedeckte Schecks in Angst und Panik vor der Landtagswahl.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein Wort zur Gerechtigkeitslücke. Sie, Herr Huber, wollen die Leistungsträger entlasten. Wir wissen, wen Sie damit eigentlich meinen: Es ist die deutsche Geldelite, es sind die selbsternannten Eliten, die sich selbst für Leistungsträger halten; die wollen Sie entlasten. Nach der Vermögensteuer wollen Sie auch noch die Erbschaftsteuer abschaffen, so haben Sie sich jedenfalls kürzlich geäußert. Sie wollen also die Gerechtigkeitslücke noch vergrößern. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Für das Volk Brosamen und für die Herrschaften große Geschenke.

Nur, meine Damen und Herren, bei keiner Steuer kann die Last klein genug sein, um das Gejammer zu beenden. Nirgends aber ist der Phantomschmerz so groß wie bei der Erbschaftsteuer. Zwischen 2006 und 2015 werden in deutschen Familien ungefähr 2,5 Billionen Euro vererbt. Nach jetzigem Recht werden ungefähr 2 % vom Fiskus vereinnahmt; 98 % bleiben also den Bürgern.

dazu geführt, dass viele glauben und viele versprechen, man könne aus Trash-Papieren Goldstücke machen. Bekanntlich gibt es dabei viele Betrogene; darauf komme ich noch zu sprechen. Mir geht es aber zunächst um das Verständnis der Deregulierung.

Wenn man zum Beispiel die Lebensmittel- und Fleischkontrolle einschränkt, weil man deregulieren will – da sind wir doch bei einem richtig bayerischen Thema –, dann erhalten viele Menschen am Ende Gammelfleisch. Dann hat man erst recht einen großen bürokratischen Aufwand, um alles wieder ins Lot zu bringen. So, meine Damen und Herren, ist es auch bei den Finanzmärkten.

Meine Damen und Herren, die Lehre daraus ist: Eine Wirtschaft ohne Regeln kannibalisiert sich selbst. Ein Wettbewerb, der Innovation und Wohlstand fördern soll, muss an Regeln gebunden sein, sonst wird der Wettbewerb ruinös. Das ist es, was die CSU nicht versteht.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Regeln gehört auch, dass die Löhne für Wettbewerber einer Branche ungefähr gleich hoch sind. Sie werden gleich sehen, warum das ein finanzpolitisches Thema ist. Wenn Herr Kollege Traublinger in seiner Bäckerei anständige Löhne zahlt und sein Wettbewerber Hungerlöhne, dann ist der Kollege Traublinger der Betrogene, und das kann nicht richtig sein. Zu einem geordneten Lohnregime gehören auch Mindestlöhne.

(Engelbert Kupka (CSU): Freilich!)

Das mögen Sie vielleicht nicht gerne hören, aber Sie werden gleich sehen.

Zu einem geordneten Lohnregime gehören auch Mindestlöhne. Menschen, die die ganze Woche hart arbeiten, müssen von ihrer Hände Arbeit leben können. Das gehört zur Würde des Menschen und ist eigentlich etwas ganz Selbstverständliches. Jedenfalls ist es von jeher Bestandteil der katholischen Soziallehre. Lesen Sie es nach. Aber zur kirchlichen Soziallehre hat die CSU den Bezug längst verloren. Sie denken ökonomisch – meinen Sie wenigstens. Deshalb will ich zur Ökonomie übergehen.

Adam Smith, der die Grundlagen für alle Ökonomie gelegt hat, schreibt in seinem Hauptwerk, es gebe eine bestimmte Rate, unter die ein Herabdrücken der üblichen Löhne sogar für die niedrigsten Arbeitsarten nicht möglich sei. Wörtliches Zitat: „Ein Mensch muss immer von seiner Arbeit leben, und sein Lohn muss mindestens zu seiner Erhaltung ausreichen.“

Meine Damen und Herren, ich will diesen Punkt wie folgt zusammenfassen: Der Papst ist für Mindestlöhne, Adam Smith ist für Mindestlöhne, die europäischen Nachbarn haben Mindestlöhne, die deutsche Sozialdemokratie ist für Mindestlöhne, die große Mehrheit der Bevölkerung ist für Mindestlöhne – nur die Union ist dagegen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir reden gegenwärtig viel über Finanzmärkte, und jeder wird zugeben, das hat auch Aktualität für Bayern. Finanzmarktkrisen werden häufiger und immer brutaler, und was wir da Dramatisches erleben, das sind keine Naturgewalten. Es ist auch nicht einfach die Folge von dem, was wir etwas unscharf „Globalisierung“ nennen, wenn man damit die Vertiefung der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen meint.

Herr Kollege Kupka, Sie werden einräumen, dass es zwischen den Dreißiger- und den Siebzigerjahren solche Phänomene nicht gab. Da musste schon erst – und nicht einmal in Deutschland beginnend – die geistig-moralische Wende der Neoliberalen kommen, um die Finanzmärkte so richtig zu entfesseln.

(Sebastian Freiherr von Rotenhan (CSU): Wie der Lafontaine!)

Das, was wir erleben, ist einfach eine Folge davon, dass man die bewährten Regeln für die Finanzmärkte immer mehr gelockert hat.

(Engelbert Kupka (CSU): Wer?)

Die Folgen sind langsam verheerend. Kenneth Rogoff, der Harvard-Ökonom – hören Sie gut zu –, schrieb kürzlich in einem Aufsatz, es gebe einen auffälligen Zusammenhang zwischen Liberalisierungsschüben im Kapitalverkehr und anschließenden Bankenkrisen. George Soros, einer der erfolgreichsten Männer an der Börse und trotzdem, Herr Kollege Kupka, kein Neoliberaler – –

(Engelbert Kupka (CSU): Der hat doch über Amerika gesprochen und nicht über Deutschland und schon gar nicht über Bayern!)

Dazu komme ich noch. George Soros sagt Folgendes: „Alle Märkte müssen reguliert werden; denn sie korrigieren sich nicht von selbst, auch wenn das alle glauben.“ Meine Damen und Herren, wir sollten nicht alles glauben, was alle glauben.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt schrieb schon vor einiger Zeit:

Genauso wie der globale See- oder Luftverkehr Sicherheits- und Verkehrsregeln unterliegt, bedarf der globale Kapitalverkehr der Regulierung, damit Katastrophen verhindert werden. Das ist ein Gebot der Vorsorge und der Vernunft, von Anstand und Moral ganz zu schweigen.

Das kann man nur unterstreichen.

(Beifall bei der SPD)

Ich rede von Regulierung, und damit bin ich gleich bei dem wichtigen Begriff der Deregulierung – eine Philosophie, welche die Staatsregierung mit besonderem Nachdruck vertritt. Die Deregulierung der Finanzmärkte hat

Jetzt, ein halbes Jahr vor der Wahl, sind Sie endlich bereit, auch in diesem Punkt von uns abzuschreiben.

(Beifall bei der SPD)

Das sind nur ein paar Beispiele. Die Reihe ließe sich fortsetzen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt ist der kommunale Finanzausgleich. Er war uns immer ein Anliegen. Auch hier gibt es deutlich mehr Geld. Wenngleich der größere Teil der Erhöhung einfach im Zusammenhang mit dem allgemeinen Steuerverbund und den höheren Steuereinnahmen zu sehen ist und nicht ein Verdienst des Finanzministers ist, anerkenne ich, dass auch einige Landesleistungen angehoben werden.

Gleichwohl gibt es hier immer noch wunde Punkte. Ich will einen nennen: die Kosten der Schülerbeförderung. Es ist ein Ärgernis, meine Damen und Herren, dass der Freistaat Bayern den Kommunen auch künftig nur 60 % der Kosten erstattet; denn der kostenfreie Schulweg ist eine landesgesetzliche Anordnung – Stichwort Konnexität. In den Neunzigerjahren waren wir bei über 90 %. Daran sehen Sie, welche Einschnitte vorgenommen wurden.

(Beifall bei der SPD)

Das zugrunde liegende Problem muss bei der Gelegenheit allerdings auch angesprochen werden. Wir haben in Bayern nicht nur ein dreigliedriges Schulwesen, sondern häufig ein vielgliedriges Schulsystem. Schulpolitische Entscheidungen wie R 6 und Hauptschulschließungen sind nur Stichworte. Die schulpolitischen Entscheidungen führen immer mehr weg von einer wohnortnahen Schulversorgung. Das führt immer mehr zu einem kostenträchtigen Schülertourismus. Fast 500 Millionen Euro geben Staat und Kommunen in Bayern dafür aus. Meine Damen und Herren, den Schülertourismus zu steigern, ist nicht Aufgabe der Schulpolitik. Unsere Schüler haben zu wenig Zeit zum Lernen, für Sport und Freizeit, und sie vergeuden zu viel Zeit in den Schulbussen auf den Straßen.

(Beifall bei der SPD – Susann Biedefeld (SPD): In vollgestopften Schulbussen!)

An dieser Stelle will ich noch ein Wort zur Bildungspolitik sagen. Mit dem Nachtrag gibt es 2000 Lehrkräfte mehr. Das war exakt unsere Forderung in den Haushaltsberatungen. Vor wenigen Wochen haben Sie das allerdings noch strikt abgelehnt. Daran sieht man, wie kopf- und konzeptionslos Sie sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht recht, ob ich Sie nun loben soll, dass Sie langsam zur Einsicht kommen. Ich will keinen Beitrag dazu leisten, das Bildungschaos in Bayern zu bagatellisieren. Ich erinnere daran, dass wir schon seit Jahren mehr Lehrer fordern. Ginge es nach uns, hätten wir die Lehrkräfte längst. Und deswegen müssen nicht wir, sondern Sie die Frage beantworten, woher Sie mit einem

Meine Damen und Herren, da sehen Sie einmal, wie Sie sich ins politische Abseits manövriert haben.

(Beifall bei der SPD – Alexander König (CSU): Sozialistischer Unfug!)