Die Ganztagsschule – ich hoffe, ich werde heute nicht überziehen –, ist auf einem guten Weg, sie wird auch gut angenommen. Man sieht auch keine Benachteiligung einzelner Räume. Oberfranken wird des Öfteren genannt. Gerade dort, wo die Schulen entsprechende Anträge gestellt haben, können sie sie auch auf den Weg bringen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie jetzt sagen „alles Schall und Rauch“ und „es fehlen uns die Finanzierungskonzepte“, dann sage ich Ihnen eines: Das ist genau der Punkt, bei dem wir uns voneinander unterscheiden. Sie bewegen sich im Schweinsgalopp von einem Dringlichkeitsantrag zum anderen, und wir realisieren maßvoll unsere Konzepte und lassen uns dabei Zeit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann die Aufregung durchaus verstehen, die sich im Parlament vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion entzündet hat. Dass Sie dafür aber ausgerechnet den Sozialbericht zum Anlass nehmen, kann ich ehrlich gesagt nicht verstehen.
Frau Kollegin Ackermann, Sie haben mich zu Beginn zitiert: 500 000 Euro sind zu teuer. Sie haben aber vergessen, was ich davor gesagt hatte: In einer Zeit, in der sich Deutschland im Umbruch der größten Sozialreformen befi ndet, die es in den letzen 20 Jahren gab, nämlich SGB II, SGB XII, SGB III, bin ich nicht bereit, über diese Zeitspanne einen Sozialbericht zu machen, der mich ungefähr 500 000 Euro kostet
und der letztendlich dann, wenn er auf dem Tisch liegt, veraltet ist. Vor diesem Hintergrund habe ich immer gesagt, ich bin nicht bereit, diese 500 000 Euro, etwas salopp gesagt, zum Fenster rauszuschmeißen.
Das Zweite war – und dazu stehe ich nach wie vor –, dass ich immer gesagt habe: Wenn diese Sozialreformen umgesetzt sind, müssen wir nachschauen, was diese Sozialreformen für Auswirkungen in Deutschland und in Bayern gehabt haben. Darum verstehe ich Ihre Reaktion gar nicht. Ich kann mich noch sehr gut an Haushaltsausschusssitzungen erinnern, wo etliche von Ihnen, gerade auch von der SPD, mit dem Kopf genickt und hinterher gesagt haben: Da hat sie eigentlich recht.
Als Nächstes war für uns immer wichtig, dass wir eine Vergleichbarkeit unseres Sozialberichts mit dem Armuts-
und Reichtumsbericht des Bundes bekommen. Dazu gibt es auch einen Landtagsbeschluss, den ich Ihnen gerne vorlese, wenn Sie wollen. Der Entwurf des Armuts- und Reichtumsbericht des Bundes wird heute im Bundeskabinett behandelt. Minister Scholz hat ihn der Öffentlichkeit vorgestellt, ohne dass ihn das Bundeskabinett überhaupt beraten hat. Vor diesem Hintergrund ist es für uns schon wichtig, dass die Vergleichbarkeit gegeben ist.
Außerdem habe ich immer wieder gesagt: Für mich ist wichtig, Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. Ich möchte mir nicht den Vorwurf zuziehen, den sich der Bundesarbeitsminister eingehandelt hat, einen Armuts- und Reichtumsbericht mit veralteten Zahlen vorgelegt zu haben. Vor diesem Hintergrund denke ich, er kostet viel, er soll es auch wert sein. Das Ganze ist eine wertvolle Aufgabe, auch für uns in der Gestaltung der Sozialpolitik, aber der Bericht muss auch aktuell sein.
Dann möchte ich noch etwas zum Prozedere sagen. Das haben Sie etwas seltsam dargestellt, Herr Kollege Wahnschaffe. Sie haben zunächst sehr gut zitiert, was ich gesagt habe: Das Notwendige muss fi nanziert werden. Gleichzeitig habe ich immer gesagt, wir müssen den Schwerpunkt weniger auf die Verteilungsgerechtigkeit legen, sondern auf die Beteiligungsgerechtigkeit.
Deswegen habe ich das „Forum Soziales Bayern“ ins Leben gerufen, weil ich alle Verantwortlichen in Bayern hereinnehmen wollte, um gemeinsam zu defi nieren: Was benötigen wir in unserer Sozialpolitik? Da ist es mir wichtig gewesen, die Kirchen, die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände und die Wohlfahrtspfl ege hereinzunehmen, alle diejenigen, die Verantwortung in Bayern tragen, um letztendlich Sozialpolitik, etwas salopp ausgedrückt, gemeinsam zu defi nieren.
Das war der Hintergrund des „Forum Soziales Bayern“, Herr Kollege Wahnschaffe. Ich denke, dass wir hier auf einem ganz guten Weg sind.
Ich möchte zum Sozialbericht sagen, dass wir die europaweite Ausschreibung in vier Monaten durchgezogen haben; das war nicht so ganz einfach. Wir haben mehrere wissenschaftliche Institute mit der Erstellung detaillierter Ist-Analysen der sozialen Lage in Bayern beauftragt. Aufbauend auf diesen Ist-Analysen wird dann die Staatsregierung die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen, ihre Maßnahmen und Konzepte darstellen. Bitte tun Sie nicht so, als ob in den Jahren, in denen wir keinen Sozialbericht haben, in Bayern keine Sozialpolitik stattfi nden würde, ganz im Gegenteil. In manchen Bereichen, zum Beispiel bei Menschen mit Behinderung und in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, zeigen sich deutlich die Erfolge bayerischer Sozialpolitik.
Wichtig war für uns, dass wir als Untersuchungsgegenstand die Lebenslagen von Familien, von Menschen mit Behinderung, von Kindern, Senioren und von Menschen mit Migrationshintergrund gewählt haben. Herr Kollege
Wahnschaffe, es war eine Forderung aus dem „Forum Soziales Bayern“, keine Bedingung – da haben Sie etwas verwechselt –,
das Thema Armut und Reichtum in Bayern in den Bericht aufzunehmen. Daneben beschäftigen wir uns übrigens mit Wohnen, mit dem Arbeitsmarkt, mit der Bildung, mit der gesundheitlichen Situation, der Pfl ege und mit dem Ehrenamt. Wir wollen eine umfassende, qualitativ hochwertige Analyse und keine Schnellschüsse. Übrigens, Herr Kollege Wahnschaffe, wir haben der Kinder- und Jugendhilfe die Mittel nicht um 21 % gekürzt; ich weiß gar nicht, was Sie da erzählen.
Wir haben einen Beirat gegründet, der den Landessozialbericht begleitet. In diesem Beirat, den ich leite, sind die wichtigsten gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten. Auch hier fi ndet sich wieder das Spektrum Wohlfahrtsverbände, kommunale Spitzenverbände, Arbeitnehmervertretungen, Handwerkskammer, vbw, IHK, Mieterschutzbund, Gewerkschaften usw. Mir ist es ganz wichtig, dass wir hier alle hereingenommen haben. Wir haben in vier Sitzungen die Gliederung und den Inhalt intensiv diskutiert, und wir haben uns wirklich darum bemüht, alle Anregungen aus dem Beirat aufzugreifen. Einige Wünsche sind Überlegungen der Machbarkeit zum Opfer gefallen. In der Zwischenzeit gab es einige Gespräche zwischen verschiedenen Verbänden und uns, damit die Fachleute den Anregungen genau auf den Grund gehen können und genau wissen, wo es brennen könnte.
In der letzten Beiratssitzung am 21. Mai haben wir uns noch einmal mit dem weiteren Vorgehen befasst. Auch da war es wieder der Wunsch des Beirats, dass der Sozialbericht eine hohe Qualität haben möge. Im Beirat wurde ganz klar gesagt, dass Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen muss.
Wir mussten uns mit der Frage beschäftigen, ob wir die Chance nutzen, die Zahlen in den Bericht einzubeziehen, die durch den Mikrozensus 2006 seit Ende April oder Anfang Mai auf dem Tisch liegen. Ich halte es für besonders wichtig, die Zahlen des Mikrozensus 2006 im Bereich der Familie in den Sozialbericht aufzunehmen, um dem Vorwurf zu begegnen, er wäre veraltet. Zur Vergleichbarkeit mit dem Bericht der Bundesregierung stelle ich fest, dass die Bundesregierung eine andere Statistik verwendet hat. Sie hat die EU-Statistik verwendet. Vor diesem
Hintergrund halte ich es für wichtig, zu überlegen, wie wir eine bessere Vergleichbarkeit herstellen können.
Vor dem Hintergrund all dessen, was ich Ihnen soeben geschildert habe, möchte ich Ihnen klar und deutlich sagen: Ich halte die Vorlage eines Landesozialberichts in Bayern in dieser Legislaturperiode durchaus für notwendig. Wir arbeiten in meinem Haus gemeinsam mit den Wissenschaftlern mit Hochdruck daran.
Wir sind alle bemüht, den Sozialbericht noch in dieser Legislaturperiode zu veröffentlichen, aber bitte schön mit der notwendigen Sorgfalt! Ich bin nicht bereit, mir von Ihnen hier im Landtag den Vorwurf machen zu lassen, wir hätten das nicht mit der nötigen Sorgfalt gemacht.
Ich möchte noch auf einige Daten aus Bayern hinweisen, die Sie immer gerne unter den Tisch fallen lassen. Die Arbeitslosenquote liegt in Bayern mittlerweile bei vier Prozent, und wir haben deutschlandweit die niedrigste Arbeitslosenquote. Die SGB-II-Quote liegt ebenfalls wesentlich unter der deutschlandweiten Quote. Wir sind bei 2,2 % unter dem westdeutschen Durchschnitt. Darin drückt sich die positive Entwicklung auf dem Arbeitslosenmarkt insgesamt aus. Das reale Wirtschaftswachstum in Bayern liegt bei 2,8 %, damit um 0,3 % über dem Durchschnitt aller Bundesländer. Wir haben mit Abstand die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Ich habe gerade einen Pakt mit der Regionalstelle der BA, der Bundesagentur für Arbeit, in Bayern geschlossen, um die Jugendarbeitslosigkeit noch einmal um 50 % zu senken. Die Sozialhilfequote – also die SGB-II-Quote – liegt in Bayern bei den unter 15-Jährigen bei 7,95 %, während sie in Deutschland bei 16,36 % lag.
Wenn Sie über Armut diskutieren, dann sollten Sie daran denken, dass Sie kein Erziehungsgeld haben wollten und das Landeserziehungsgeld abschaffen wollten.
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Auf Bundesebene wollen wir das sehr wohl haben, das war unser Vorschlag!)
Das tut Ihnen weh, weil es die fi nanzielle Situation unserer jungen Eltern nachhaltig verschlechtert hätte, wenn Sie sich mit Ihrer Haltung durchgesetzt hätten. Das möchte ich klar und deutlich sagen.
Vor diesem Hintergrund haben Sie Ihre Politik zu verantworten. Wir sind in Bayern mit unserer nachhaltigen, aktivierenden Sozialpolitik auf einem hervorragenden Weg. Die Daten, die ich gerade aufgezählt habe, belegen klar und deutlich, dass es den Menschen in Bayern überall wesentlich besser geht als in allen anderen Ländern Deutschlands.
Da der Beitrag der Staatsministerin länger als zehn Minuten gedauert hat, haben wir eine neue Redezeit. Das Wort hat Frau Ackermann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ein Kind krank zum Arzt kommt, stellt er erst einmal eine Diagnose, damit er weiß, wie er das Kind behandeln kann. Wenn ein Kind in die Schule kommt, wird es oft erst getestet, damit man einen Förderplan entwickeln kann. In Bayern ist es anders. Da wird der Förderplan entwickelt, wenn die Legislaturperiode zu Ende ist, damit man am Schluss weiß, was man eigentlich alles hätte machen müssen, aber leider nicht gemacht hat, weil man es nicht wusste. Wir in Bayern handeln nach dem Prinzip des Erlkönigs: „Erreicht den Hof mit Mühe und Not; in seinen Armen das Kind war tot.“
Antrag der Staatsregierung Entlastung der Staatsregierung aufgrund der Haushaltsrechnung des Freistaates Bayern für das Haushaltsjahr 2005 (Drs. 15/6641)
Antrag des Bayerischen Obersten Rechnungshofes auf Entlastung aufgrund des Beitrags zur Haushaltsrechung 2005 für den Einzelplan 11 (Drs. 15/7039)
Bevor ich als erstem Redner Herrn Kollegen Kiesel das Wort erteile, begrüße ich im Saal Herrn Vizepräsidenten Fischer vom Obersten Rechnungshof, Herrn Klemm und Herrn Folger. Herr Kollege Kiesel, Sie haben das Wort.