Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 127. Vollsitzung des Bayerischen Landtags.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers für Unterricht und Kultus zum Thema „Bildungsland Bayern – leistungsstark und gerecht“

Hierzu erteile ich Herrn Staatsminister Schneider das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Lernen ist Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück.“ – Dieses Wort von Benjamin Britten gilt für jeden Einzelnen. Es gilt auch für die Bildungspolitik insgesamt. Deshalb entwickeln wir die bayerische Bildungspolitik mit Augenmaß, aber mit Entschiedenheit ständig weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die bayerische Bilanz kann sich wahrlich sehen lassen. Wem es in der Schulpolitik um Fakten geht und nicht um Ideologie, der muss zur Kenntnis nehmen: Bayern ist gut. Bayern ist besser als jedes andere deutsche Land. Aber wir können und werden uns nicht ausruhen; denn wir wollen noch besser werden.

(Beifall bei der CSU)

Das bayerische Schulwesen ist leistungsstark. Das beweisen alle Untersuchungen. Das beweisen vor allem die Pisa-Ergebnisse. Die bayerischen Schülerinnen und Schüler sind die Leistungselite in Deutschland. Sie liegen auf Platz 1 in allen Kompetenzbereichen. Und sie sind als Einzige in ganz Deutschland international bei den Besten.

Bayern weist von allen deutschen Ländern in allen Testbereichen die kleinste Risikogruppe auf. Das sind Schüler, die die grundlegenden Kompetenzen gar nicht bzw. nur schwach erworben haben. In drei Testbereichen sind sie die größte Spitzengruppe. Bayerns Hauptschüler erreichen oder übertreffen in einigen Kompetenzbereichen, vor allem in Mathematik, die Pisa-Leistungen der Schüler von integrierten Gesamtschulen in Berlin, Brandenburg und Hamburg.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Was nützt ihnen das?)

Die Schüler der bayerischen Realschulen können sich mit den Schülern der Gymnasien Berlins und Bremens messen – ob bei der Lesekompetenz oder in Mathematik.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aber sie haben nichts davon!)

Das bayerische Schulwesen ist nicht nur leistungsstark, sondern das bayerische Schulwesen ist auch gerecht.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE) – Dr. Thomas Beyer (SPD): Mutig!)

Ich nenne nur wenige Belege, die Sie alle hätten nachlesen können, wenn Sie die Pisa-Studie zur Hand genommen hätten.

Erstens. In Bayern besteht die geringste Koppelung von sozialer Herkunft und Leistungsniveau in allen Ländern Deutschlands. Bayern gehört damit zu den wenigen Ländern, die – ich zitiere aus der Pisa-Studie 2003 –

eine relativ schwache Koppelung von sozialer Herkunft und erreichter Kompetenz bei hohem Kompetenzniveau

aufweisen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE) – Lachen bei der Opposition)

Noch einmal, Herr Dürr, damit auch Sie das verstehen:

eine relativ schwache Kopplung von sozialer Herkunft und erreichter Kompetenz bei hohem Kompetenzniveau

(Georg Schmid (CSU): Er wird es nie verstehen!)

Das ist die Aussage der Pisa-Studie 2003.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Was haben die davon? – Georg Schmid (CSU): Er versteht es nie!)

Zweitens. Schüler mit Migrationshintergrund erzielen in Bayern bessere Leistungen als Migrantenkinder in allen anderen deutschen Ländern.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, entscheidend ist, was die Schüler am Ende wirklich können. Jeder muss so gut sein, dass er den Einstieg in das Berufsleben oder in ein Studium findet. Er muss so gut sein, dass er gebraucht wird. Das gelingt in Bayern am besten. Das belegen auch die Fakten aus dem nationalen Bildungsbericht 2008.

Ich darf bemerken: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt im EUDurchschnitt weit über 10 %, in Finnland zum Beispiel bei rund 15 %. So viel sage ich zu den Zukunftschancen.

Unser System ist leistungsstark und gerecht, weil wir auf jedes einzelne Kind achten. Jedes Kind ist unterschiedlich. Jedes Kind hat eigene Begabungen, eigene Talente. Aber jedes Kind muss sich auch selbst einbringen. Deshalb bieten wir nicht allen Kindern das Gleiche, sondern jedem Kind das ihm Gemäße.

(Beifall bei der CSU)

Unser Schulsystem ist die beste Grundlage dafür, Kinder individuell zu fördern. Wer das als ungerecht bezeichnet, beweist, dass er in einem völlig veralteten, ideologischen Denken stecken geblieben ist, bei dem es ein Oben und ein Unten gibt.

Ich möchte einen SPD-Politiker zitieren, der die Dinge in der „Süddeutschen Zeitung“ sehr deutlich gemacht hat. Es ist Professor Nida-Rümelin, der Staatsminister unter Schröder war. Wörtliches Zitat:

Wir müssen die Idee einer Hierarchie von Bildungsabschlüssen aufgeben. Es gibt kein Oben und Unten, sondern es gibt ein breites Spektrum von Wegen in den Beruf, die unterschiedliche Begabungen und Interessen spiegeln. Wir sollten den Begriff der sozialen Selektivität einmotten. Er ist einer überkommenen Bildungsideologie verhaftet. Die dünkelhafte Herabsetzung handwerklicher und technischer Begabungen und Interessen sollte endlich der Vergangenheit angehören.

Da hat er recht.

(Beifall bei der CSU – Georg Schmid (CSU): Wo er recht hat, hat er recht!)

Wir nehmen das ernst. Wir bauen gerade die berufliche Bildung aus, und zwar nach dem Motto: Es darf keinen Abschluss ohne Anschluss geben. Das heißt, jeder Abschluss bietet Chancen zur weiteren schulischen und beruflichen Qualifikation. Im bayerischen Bildungswesen gibt es keine Sackgassen.

(Zuruf von der SPD: Ammenmärchen!)

Der Weg zu höheren Bildungsabschlüssen steht jedem offen bis hin zur Hochschulreife. – Sie müssen zuhören. Dann verstehen Sie es vielleicht. Wenn Sie immer dazwischenreden, haben Sie diese Chance aber nicht.

(Georg Schmid (CSU): Die verstehen das auch so nicht!)

Ich mache es noch einmal deutlich. Die GRÜNEN haben den Bildungsjournalisten Herrn Kahl für die nächsten Tage eingeladen. Herr Kahl schreibt:

Bayern erreicht den deutschen Spitzenwert beim Übertritt ins duale System. Das heißt: In Bayern beginnen mit Abstand mehr Schulabgänger eine Ausbildung im dualen System als irgendwo sonst in Deutschland. In Bayern sind es 59,1 %. Der Bundesdurchschnitt liegt nur bei 43,5 %. Umgekehrt gilt: In Bayern sind nur 25,9 % der Schulabgänger zunächst auf Übergangssysteme angewiesen. Im Bundesdurchschnitt sind es fast 40 %. Das gilt auch für Schulabgänger mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Knapp jeder zweite schafft den direkten Übertritt in die berufliche Bildung. Es sind 48,1 %. Im Bundesdurchschnitt sind es nur gut ein Viertel – etwas über 25 %.

Das heißt: In Bayern haben Jugendliche mit Migrationshintergrund bessere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt als die Schüler mit und ohne Migrationshintergrund in ganz Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Ich berichte noch einmal die Zahlen. In Bayern schaffen über 48 % der Schüler mit Migrationshintergrund den direkten Einstieg in das berufliche System. In Deutschland schaffen es von allen mit und ohne Migrationshintergrund nur 43 %. Unsere Migrantenkinder haben also bessere Chancen als manche deutsche Kinder in anderen Bundesländern.

(Beifall bei der CSU)

Ich zitiere einen weiteren Satz aus dem Pisa-Bericht, der das deutlich macht:

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN – Gegenruf von der CSU: Freuen Sie sich doch mit!)

Für das lebenslange Lernen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist die erreichte Kompetenz ausschlaggebend, nicht die besuchte Schulart.

(Beifall bei der CSU)