Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

Wer dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmt, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist das Gesetz so beschlossen. Das Gesetz hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes“.

Ich habe deshalb keinen Zweifel, dass das so in Ordnung und sinnvoll ist. Das ist so notwendig, und das werden wir zum Schutze der Menschen im Freistaat Bayern so praktizieren.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner: Herr Kollege Ritter.

Herr Minister, ich möchte zum einen auf Ihr Beispiel, auf den Vorsitzenden der GdP, eingehen. Selbstverständlich gibt es in der SPD zu denselben Fragen immer wieder unterschiedliche Positionen. Das will ich überhaupt nicht bestreiten. Was uns aber tatsächlich von der CSU unterscheidet, ist, dass wir in der SPD unterschiedliche Positionen, wenn wir solche haben, immer gemeinsam verfassungsgemäß ausgestalten wollen. Darauf möchte ich nochmals hinweisen.

(Beifall bei der SPD)

Ansonsten muss man es sicherlich ertragen können, dass sich in einem Parlament auch Nichtjuristen zu Gesetzen äußern. In dem Fall tue ich es tatsächlich auch. Sie können sich vorstellen, dass ich mich vor der Bewertung, was ich jetzt für verfassungsgemäß halte oder nicht, mit der Materie intensiv beschäftigt habe. Ich bin kein Jurist, aber Fachmann bei technischen Aspekten; ich spreche von der Online-Durchsuchung. Man muss schlicht und ergreifend feststellen, dass sämtliche technischen Fachleute die Online-Durchsuchung als äußerst riskant bis zu technisch wertlos bewerten. Ich habe auch dargestellt, warum. Es gibt diverse Möglichkeiten, sich gegen diese Zugriffe zu schützen. Ich habe darauf hingewiesen, dass es auch in Bayern Firmen gibt – und ich hoffe, dass es mehr werden –, die sich mit der Absicherung von Computern beschäftigen. Diese Produkte kann auch ein Privatmann kaufen, auf seinem Rechner installieren und sich damit gegen einen Zugriff von Polizei und Ordnungsbehörden schützen. Wie Sie hier die Online-Durchsuchung als Allheilmittel gegen die organisierte Kriminalität usw. darstellen, ist mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall bei der SPD)

Es liegt mir keine weitere Wortmeldung mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wiederum getrennt.

Ich lasse zunächst über Tagesordnungspunkt 5 abstimmen. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf der berichtigten Drucksache 15/5812 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfiehlt auf Drucksache 15/10945 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Letztere ist eindeutig die Mehrheit.

sich könnten wir die Debatte von vorhin wiederholen und anstatt von „Polizei“ von „Verfassungsschutzbehörden“ sprechen. Ich möchte das mir und Ihnen aber ersparen.

Im Vorgriff möchte ich darauf hinweisen – weil ich nicht weiß, was Kollege Ritter sagen wird –, dass das Argument hochkommen könnte, dass gewisse Maßnahmen erst dann möglich sind, wenn tatsächlich Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr vorliegen. Da wurde schon die Überlegung angesprochen, ob die Verfassungsschutzbehörde das denn nicht an die Polizei abgeben muss, wenn man schon entsprechend weit ist, damit die weitermacht. Bei der Anhörung haben uns Fachleute gesagt, dass es doch etliche Fälle geben könnte, die trotzdem bei den Verfassungsschutzbehörden bleiben sollten, zum einen dann, wenn es um den Schutz eines Informanten geht. In dem Moment, in dem der Fall an die Polizei übergeben wird, wird der Mann bloßgestellt. Es gibt auch Fälle mit mehreren Beschuldigten und unterschiedlichen Erkenntnissen. Bei dem einen reicht es zur Abgabe an die Polizei, bei dem anderen nicht. Es gibt also durchaus Situationen, in denen es sinnvoll ist, die Sache bei den Verfassungsschutzbehörden zu belassen.

Ich möchte darauf hinweisen: Die Trennung von Verfassungsschutz und Polizei beinhaltet nicht, dass beide ermitteln dürfen, sondern das bedeutet nur, dass die Verfassungsschutzbehörden keine Vollstreckungsmaßnahmen durchführen dürfen. Wenn es einmal so weit ist, muss ein Fall selbstverständlich an die Polizei abgegeben werden. Solange man sich aber im Stadium der Ermittlungen befindet, gibt es keine verfassungsrechtlichen Bedenken, ihn bei den Verfassungsschutzbehörden zu belassen, wenn das sachgerecht ist.

Es geht also um die gleiche Problematik wie vorher. Ich will nicht die gesamte Diskussion wiederholen. Ich darf Sie bitten, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner: Herr Kollege Ritter.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mein Zettel ist in dem Punkt ähnlich schmal wie der Ihre. Sie haben recht, das ist eine Anpassung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Wohnraumüberwachung. Man muss aber ehrlich sagen: Da gehört ein dickes „Endlich“ dahinter, weil dieses Urteil schon verhältnismäßig alt ist. Kaum gehen ein paar Jahre ins Land, schon macht sich die Staatsregierung daran, das Verfassungsschutzgesetz wieder auf den Boden der Verfassung zu bringen. Das hat eindeutig viel zu lange gedauert. Das muss man in der Diskussion schon herausstellen.

Nach unserer Meinung enthält der Gesetzentwurf wieder verfassungsrechtlich bedenkliche Punkte. Zum einen ist das der hier genannte Straftatenkatalog, und zum anderen ist das der Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre. Der Schutz dieses Kernbereichs ist durch die automatischen Aufzeichnungsmöglichkeiten, die durch

Mit der Annahme des Gesetzentwurfes in der soeben beschlossenen Fassung haben die Änderungsanträge auf den Drucksachen 15/10345 und 15/10522 ihre Erledigung gefunden.

Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag 15/10981 der Abgeordneten Bause, Dr. Dürr, Scharfenberg u. a. u. Frakt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, betreffend „Lehrerzuteilung für ein- und zweizügige Grund- und Hauptschulen“, bekannt: Mit Ja haben 42, mit Nein 73 Abgeordnete gestimmt; Stimmenthaltungen: 4. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes (Drs. 15/10313) – Zweite Lesung –

Änderungsantrag der Abg. Herbert Ettengruber u. a. (CSU) (Drs. 15/10733)

Änderungsantrag der Abg. Franz Schindler, Helga Schmitt-Bussinger, Bärbel Narnhammer u. a. (SPD) (Drs. 15/10873)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurden zehn Minuten vereinbart. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Weiß.

Herr Präsident, Hohes Haus! Bei der Materie geht es im Wesentlichen darum, im Rahmen der Gefahrenabwehr den Verfassungsschutzbehörden – sprich dem Landesamt für Verfassungsschutz – einen Teil der Möglichkeiten zu geben, welche die Polizei bereits hat oder aufgrund der vorherigen Beschlusslage jetzt übertragen bekommen hat. Es geht im Prinzip um die gleiche Rechtssprechung. Wir stützen uns bei beiden Bereichen auf die Entscheidungen, die wir vorhin schon eingehend diskutiert haben, und werden vermutlich auch wieder unterschiedliche Schlüsse daraus ziehen.

Dem Landesamt für Verfassungsschutz soll die akustische Wohnraumüberwachung ermöglicht werden; ich verweise wieder auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004. Es geht um den Einsatz des IMSI-Catchers, der der Polizei bereits möglich ist. Es geht nicht darum, Gesprächsinhalte oder Verbindungsdaten zu bekommen, sondern nur um die Ortung von Mobiltelefonen. Es geht um das Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb der Wohnungen, was die Polizei bereits darf, und es geht um die Online-Datenerhebung, über die wir bereits vorhin bei der Ergänzung des PAG, des Polizeiaufgabengesetzes, diskutiert haben. An

stoßen werden, ändern Sie die einschlägigen Paragrafen und Artikel. Das ist genau der Knackpunkt. Bei jedem neuen Gesetzentwurf, wie etwa beim Versammlungsrecht, fangen wir immer wieder von vorne an. Wir fordern Sie auf, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich der Staat aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung einfach herauszuhalten hat und dass Sie nicht die Gesinnung von Menschen zu prüfen haben, genauso wenig, wie Sie uns vorzuschreiben haben, mit wem wir uns wann und wo versammeln.

Für die Online-Durchsuchung durch den Verfassungsschutz gilt weitgehend die Kritik zur Online-Durchsuchung durch die Polizei. Ich möchte noch eines klarstellen: Die Polizei unterliegt einer öffentlichen Kontrolle sehr, sehr viel stärker als der Verfassungsschutz. Das Parlamentarische Kontrollgremium halte ich hier teilweise für eine reine Farce.

Deswegen muss man bei der Online-Durchsuchung durch den Verfassungsschutz ganz besonders sorgfältig hinsehen.

Wir haben anlässlich der Beantwortung unserer Anfragen, gerade wenn es um Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen geht, erlebt, dass Sie sehr zugeknöpft sind. Zur Erinnerung möchte ich kurz auf die Geschichte dieser Online-Durchsuchung in Ihrem Gesetzentwurf eingehen. Die CSU hat den Gesetzentwurf noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum nordrheinwestfälischen Gesetz auf den Weg gebracht. Wir wollten, dass Sie ihn auf Eis legen und abwarten, was das Bundesverfassungsgericht zum NRW-Gesetz sagt. Wir haben auch versucht, mit Ihnen darüber im Innenausschuss zu diskutieren. Was uns dort an Arroganz und Ignoranz – ich gebe das Kompliment gerne zurück – entgegengeschlagen ist, war mit einer ganzen Reihe von Emotionen garniert. Damals wie heute sage ich Ihnen aber, dass eine emotionale Empörung keine Fachdebatte ersetzt. Was musste ich mir alles anhören! Ich habe mir das Protokoll nochmals durchgelesen. Alles das, was wir gesagt haben und was Sie in Bausch und Bogen verurteilt haben, was nämlich Mindeststandard einer Online-Durchsuchung sein muss, hat Ihnen jetzt das Verfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben. Es ist mir eine Freude, das heute wiederholen zu dürfen.

Dann kam es natürlich auch, wie es kommen musste: Das nordrhein-westfälische Gesetz wurde vom Verfassungsgericht gestrichen, und Sie sind infolgedessen im Vorausgalopp gestolpert, weil Schnelligkeit eben nicht immer ein Kriterium für Qualität ist. Sie als Staatsregierung mussten dann Ihre Fraktion bitten, Änderungsanträge einzubringen. Ich habe schon den Eindruck gehabt, dass Sie bei all diesen Änderungsanträgen erstaunlich still geworden sind. Wir lassen uns davon aber nicht täuschen. Wir wissen, dass dieses Stillhalten – nur heute sind Sie etwas lebendiger geworden – auf keinen Fall etwas mit Einsicht zu tun hat.

Die Online-Durchsuchung mit heimlicher Wohnungsdurchsuchung greift tief in die Grundrechte ein. Nicht umsonst gab es deshalb eine Anhörung, in der die unterschiedlichen Interessenlagen deutlich hervorgetreten

das Gesetz gegeben sind, nicht mehr gewährleistet. Das ist eine Umgehungsmöglichkeit. Die CSU setzt unseres Erachtens mit einem Änderungsantrag noch einen drauf. Wir halten diese Punkte tatsächlich – das traue ich mich selbst als Nichtjurist zu sagen – für verfassungsrechtlich bedenklich.

Darüber hinaus wissen wir alle, dass es ein ernsthaftes Problem bei der Mitteilung an die Betroffenen in der Praxis gibt. In der Regel werden Betroffene nur dann informiert, wenn das Ganze irgendwann in der Strafverfolgung und bei einem Prozess landet. In der Regel werden Personen, bei denen es nicht bis zu dem Punkt kommt, gar nicht benachrichtigt. Das Mittel der Zurückstellung der Mitteilung wird über Gebühr ausgenutzt.

Zur Online-Durchsuchung wurde schon das eine oder andere gesagt. Wir halten die Online-Durchsuchung neben den ganzen rechtlichen Problemen, auf die schon eingegangen wurde, für praxisuntauglich. Ein ernsthaftes Instrument zur Verbrechensbekämpfung ist das tatsächlich nicht. Zudem ist die Verankerung der Online-Durchsuchung im Verfassungsschutzgesetz ebenfalls rechtlich fragwürdig. Entspricht man den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts, dann befindet man sich bei den Gründen, die für eine Online-Durchsuchung vorliegen müssen, bereits deutlich im Bereich der polizeilichen Prävention. Daher hat die Online-Durchsuchung im Verfassungsschutzgesetz nichts zu suchen. Ich fordere Sie auf, das abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Der hier zur Debatte stehende Gesetzentwurf beinhaltet drei Punkte: Änderungen zur Wohnraumüberwachung, zum IMSI-Catcher sowie die Online-Durchsuchung mit Rechten zur heimlichen Wohnraumbetretung und mit Durchsuchungsrechten.

Herr Herrmann, ich werfe hier gar nichts durcheinander. Ich liste lediglich Ihre jetzt noch zur Debatte stehenden Änderungen im PAG auf. Mir ist durchaus bewusst, dass alle Maßnahmen – Sie haben noch die Schleierfahndung und die Videoüberwachung vergessen – etwas gemeinsam haben: Sie finden im präventiven Bereich statt; sie finden im Vorfeld von Straftaten statt. Sie gehen dabei über das zulässige Maß hinaus. Sie sind teilweise unverhältnismäßig und teilweise einfach ungeeignet.

Bei Tagesordnungspunkt 7 habe ich bereits ausgeführt, dass die Änderungen zur Wohnraumüberwachung und zum IMSI-Catcher einem Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2004 geschuldet sind. Es wäre Ihnen schon seit 2004 möglich gewesen, hier Änderungen durchzuführen. Die Änderungen, die die CSU jetzt per Antrag einbringt, sind marginal und genügen uns nicht. Sie zeigen aber zumindest eines: dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch nach 20 Jahren bei Ihnen nicht angekommen ist. Erst wenn Sie mit der Nase darauf ge

einmal von vorne anfangen müssen. Ich will mich deshalb auf drei kurze Bemerkungen beschränken.

Frau Kollegin Stahl, Ihr letzter Beitrag hat wieder einmal deutlich gemacht, dass Sie im Verhältnis zu unserem Rechtsstaat insgesamt offensichtlich eine grundlegende Bewusstseinsstörung haben.

(Beifall bei der CSU – Christine Stahl (GRÜNE): Wie bitte? – Zurufe von den GRÜNEN)

Was Sie erzählen, ist einfach hanebüchen. Sie werfen zwar anderen immer alles Mögliche vor, bringen aber gleichzeitig selbst alles Mögliche durcheinander. Bei der Arbeit des Verfassungsschutzes stellt sich überhaupt nicht die Frage, ob irgendetwas später vor Gericht verwertbar ist, sondern es geht darum, rechtzeitig auf Gefahren für unsere Bundesrepublik Deutschland, für unseren Freistaat Bayern aufmerksam zu werden. Es geht darum, zum Beispiel im Vorfeld des Terrorismus tätig zu werden oder im Vorfeld – darum geht es zwar nicht bei diesem Gesetzentwurf, aber insgesamt bei der Arbeit des Verfassungsschutzes – dem Treiben verfassungsfeindlicher Organisationen entgegenzuwirken. Bei der Arbeit des Verfassungsschutzes geht es nicht darum, was man später in einem Strafgerichtsverfahren vorlegen kann.

(Christine Stahl (GRÜNE): Unter Umständen schon!)

Das ist eine völlig absurde Argumentation.

Eine zweite Anmerkung. Sie haben darauf hingewiesen, dass in irgendeiner Weise die Grundfreiheiten der Menschen bedroht werden würden. Niemand schützt die Freiheiten der Menschen in unserem Land so konsequent und energisch wie die Christlich-Soziale Union und die Bayerische Staatsregierung. Das muss ich mit Nachdruck sagen.

(Beifall bei der CSU – Florian Ritter (SPD): Das ist ein Witz!)