Das ist die Grundlage eines Gesetzes, das wir, von Ihnen aufgedrückt, zu verabschieden haben. Was wir GRÜNE heute nicht verabschieden wollen, ist ein Gesetz, das genau diese Versammlungsfreiheit künftig enorm behindern wird.
Ich darf Ihnen einige Argumente und Zitate aus der Petition bringen, die der Bund Naturschutz e. V. im März 2008 im Landtag eingereicht hat. Das ist eine Organisation, der auch, meine ich, vielleicht einige Kollegen der CSU angehören,
mit 171 000 Mitgliedern, die sich für den Erhalt der Biodiversität, der Naturschönheiten in Bayern einsetzen, für Klimaschutz und eine andere Energie- und Verkehrspolitik. Unterschrieben ist die Petition von Professor Dr. Hubert Weiger, und heute war der Landesbeauftragte Richard Mergner hier, der die Debatte aufmerksam verfolgt hat. Hier steht also:
Bei allem Verständnis für das Ziel, den Rechtsradikalismus zu bekämpfen, darf dies nicht dahin führen, dass die Bürgergesellschaft und die für das Gemeinwohl tätigen Organisationen, wie der Bund Naturschutz in Bayern mit seinen 171 000 Mitgliedern, durch ein derartiges Gesetz in ihren politischen Handlungsmöglichkeiten stark beeinträchtigt und behindert werden.
Man kann nicht, Kolleginnen und Kollegen, bei einem Empfang des Landtags das Ehrenamt loben und gleichzeitig enorme Schranken und Beschränkungen für die Bürger- und Bürgerinnengesellschaft aufbauen. Es geht um Partizipation aller Bürgergruppen, es geht um Stärkung des ehrenamtlichen Engagements. Dieses ehrenamtliche Engagement ist eben häufig ein politisches Engagement, und hier sind wir genau am Punkt. Dieses öffentliche Engagement will dazu beitragen, eine öffentliche Meinungsbildung voranzubringen. An diesem Ansatz
Zur Förderung und Entlastung beim Ehrenamt: Mit Lippenbekenntnissen wird da nichts erreicht. Wir bürden den Organisationen auch noch zusätzliche Verantwortung auf. Die Gefahr einer Ordnungswidrigkeit oder eines Strafverfahrens für die Organisatoren steigt. Wir tragen weiter dazu bei, dass sich ehrenamtliche Funktionsträger in Vorstandschaften und Jugendleitungen noch schwerer finden lassen. Der Grad an Idealismus muss also noch weiter steigen, um dann die Bereitschaft zu haben, diese Risiken zu tragen.
Weil ich gerade von den Risiken des Strafverfahrens spreche: Gestern sind die Pfadfinder der PSG und der DPSG in Schleißheim in ihrer Pfadfinderkluft aufmarschiert. Die Pfadfinder müssen zukünftig natürlich auch darauf achten, dass nicht zu viele an einer Stelle stehen, sonst ist es schon eine unangekündigte Demonstration. Als juristischer Laie denke ich in diesem Zusammenhang auch an die Feuerwehrjugend, an das THW und an die Pfadfinder, wenn ich es recht betrachte, auch an Musikkappellen und Trachtengruppen; sie alle fallen dann unter das Uniformierungsverbot.
Für viele Jugendliche und Jugendverbände sind einheitliche und ähnliche Kleidungsstücke ein wichtiges Identifikationsmerkmal und Ausdruck der Zusammengehörigkeit, auch im Zusammenhang mit politischen Meinungsäußerungen, wie das zum Beispiel die Katholische Jugend in Bayern in Verbindung mit den Petitionen formuliert hat.
Die Begründung des Gesetzes formuliert das Ziel, durch Verschärfung des Versammlungsrechts die Demokratie vor rechtsextremistischen Kundgebungen verteidigen zu wollen. Aber hieraus ergibt sich das Paradoxon, dass die Demokratie gerade durch eine Verhinderung bzw. Beschränkung der Möglichkeiten, am demokratischen Willensprozess teilzuhaben, geschützt werden soll.
Ein wichtiges Ziel der Jugendarbeit besteht doch gerade in der Befähigung der Jugendlichen zur gesellschaftlichen Teilhabe, insbesondere durch das Erleben von Demokratie. Einschränkungen der Versammlungsfreiheit können daher die Verwirklichung des Zieles in hohem Maße beeinträchtigen, und das wollen wir nicht.
Herr Kollege, es muss uns im Gegenteil ein Anliegen sein, dass die Jugendlichen über Jugendverbände und -organisationen von diesem Recht einen möglichst großen Gebrauch machen, auch wenn sich die Inhalte der Kundgebungen und Demonstrationen auch einmal gegen Sie oder, wenn wir dann an der Regierung sind, vielleicht auch gegen uns richten.
Wir sollten die Verantwortlichen – Haupt- wie Ehrenamtliche – ermutigen, von den Rechten aus der Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen, ohne sie dafür zu bestrafen oder durch eine Verschärfung abzuschrecken.
Versammlungsgesetz Kundgebungen, politische Meinungsäußerungen behindert und mit enormen Auflagen versehen werden. All das wollen Sie weiter beschränken. Es geht um unmittelbare Demokratie, es geht um Einbringen, um Gestaltung dieser Gesellschaft, um Ausgestaltung der weiteren Entwicklung dieser Gesellschaft mit hohem ehrenamtlichem Engagement. Genau hier setzen Sie enorme Schranken.
Lassen Sie mich noch ein paar inhaltliche Punkte ansprechen. Die Fraktion hat in einer angemeldeten Kundgebung am 9. Juni in Straubing anlässlich des Besuchs von Merkel und Sarkozy ein Transparent gehalten: „Atomkraft – Nicht schon wieder!“ Zwei Abgeordnete waren dabei, Mitarbeiter der Fraktion und GRÜNE vor Ort.
Was ist passiert? Wir stehen genau an dem Ort, der uns vom Landratsamt zugewiesen ist, halten dieses Transparent und werden einzeln mit einer Videokamera Kopf für Kopf richtig schön abgefilmt. Das ist eigentlich nur erlaubt bei tatsächlichem Verdacht auf erhebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung. Da muss ich Sie schon fragen: Wenn jetzt schon mit derartigen Methoden gearbeitet wird, wie wird es dann erst sein, wenn dieses Versammlungsgesetz verschärft wird?
(Beifall bei den GRÜNEN – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Richtig! – Engelbert Kupka (CSU): Furchtbar wird es sein! Katastrophen werden ausbrechen!)
Dies ist rechtlich nicht zulässig. Meine Frage ist an den Innenminister, wie er uns das heute rechtlich erklären kann, dass eine absolut friedliche Demonstration von 10, 12 Teilnehmern, ordnungsgemäß angemeldet, am ordnungsgemäßen Ort, abgefilmt werden darf.
Gehen wir weiter zu den Überblicksaufzeichnungen. Sie kennen die modernen Technologien. Nehmen wir an, es findet eine Kundgebung auf dem Marienplatz in München statt. Vom Rathaus aus, vom Hubschrauber aus kann ich filmen. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten kann ich jede einzelne Person herausfiltern und erkennen.
Dann sollen diese Überblicksaufzeichnungen für Schulungszwecke der Polizei sein. Es steht nichts darüber drin, wann das gelöscht werden muss. Es bleibt also eine Datenspeicherung, die langfristig auf einzelne Personen bezogen werden kann. Das wird zu enormen Einschüchterungen in unserer Gesellschaft führen bei Menschen, die sich mit Kritik, mit Protest, mit Gestaltungswillen öffentlich einbringen wollen. Nehmen Sie einfach einmal Studenten, die gegen Hochschulgebühren protestieren, nehmen Sie Schülerinnen und Schüler, die für Zensurfreiheit bei Schülerzeitungen demonstrieren und dann in den öffentlichen Dienst wollen. Wer weiß, ob es hier nicht entsprechende Aufzeichnungen gibt? Ich möchte nicht, dass die Zeiten von Gesinnungsprüfungen mit Regelanfragen und Radikalenerlass – all das hatten wir schon – in dieser Form in Bayern wieder aufleben.
Schauen wir uns die Kann-Bestimmung an – noch ist es eine Kann-Bestimmung –; dass die Namen und Daten der Ordner bei der Anmeldung der Demonstration be
punkt befürchtet der Bund Naturschutz ganz klar – und das wird sicher auch von vielen anderen Organisationen, wie vom Landesbund für Vogelschutz und weiteren, geteilt –, dass beispielsweise Pressekonferenzen dieser Organisationen vor Ort, die häufig draußen stattfinden, die mit Begehungen, mit Exkursionen verknüpft sind, einer vorherigen Anmeldung bedürfen nach dem Versammlung s“behinderungs“gesetz.
Es geht ja darum, dass die Medien – Fotografen, Fernsehen – Bilder erwarten. Zeitungen gehen mit auf diese Exkursionen.
Da werden Transparente getragen, da werden Sticker hingeklebt, und zwei Leute mit dem gleichen Protest-TShirt stellen bereits eine Versammlung dar, die eigentlich Tage vorher angemeldet werden muss und, wenn dies nicht erfolgt ist, mit hohen Strafen bis 3000 Euro und Freiheitsentzug verfolgt werden kann. Das ist doch der Punkt, dass eine massive Einschränkung für die Tätigkeit der Umweltverbände zu befürchten ist, und das wird auch ganz klar zum Ausdruck gebracht.
Aber es sind nicht nur die Umweltverbände. Denken Sie an die Milchbauern. Zwei Leute auf einem Traktor, die faire Milchpreise fordern, sind schon eine Versammlung, die angemeldet werden muss.
Es ist keine kriegerische Veranstaltung, aber es ist ein Teil der Meinungsbildung, und genau darum geht es. Man wendet sich an die Öffentlichkeit, man will politische Meinungsbildung voranbringen. Genau hierum geht es.
Des Weiteren ist in der Petition des Bundes Naturschutz im Detail aufgeführt, welche bürokratischen Hindernisse künftig dabei zu nehmen sind.
Nehmen wir die Petition der Mütter gegen Atomkraft, am 2. Juli 2008 eingereicht. Auch hier stehen viele Menschen dahinter, die sich im Kampf gegen Atomenergie, gegen Atomkraftwerke oder auch gegen den Forschungsreaktor in Garching engagieren.
Diese engagierten Menschen, wir können Ihnen ein Lied davon singen, wie derzeit schon nach dem Bayerischen
Wollen Sie so mit Ihrer Bauernschaft umgehen? Mir soll es recht sein; denn immerhin ist auch jeder Auftritt eines Bauernverbandspräsidenten Sonnleitner von Protesten begleitet. Sagen Sie Ihren Bauern, dass das künftig anmeldungspflichtig ist, sonst gibt es hohe Strafen. Wenn Sie das so wollen, na gut! Oder dieses Bild: Wir GRÜNE gehen mit unseren T-Shirts zum Protestzelt von Ver.di. Dabei gehen wir durch die Bannmeile. Das sind schon zwei Straftatbestände. Zum einen ist es die Verletzung der Bannmeile und zum anderen ist es Demonstrationsmissbrauch.
Oder ein anderes Beispiel. Wir werden am Sonntag noch einmal eine große Demonstration gegen den Ausbau des besagten Flughafens in Oberpfaffenhofen haben. Natürlich fahre ich da mit dem Fahrrad hin. Ich habe nicht so weit. Es werden zwei, drei Leute mit mir radeln. Wir haben selbstverständlich Protestfahnen hinten am Fahrrad, auf dem Flugzeuge abgebildet sind und eine weiße Hand mit Nein. Das heißt ganz klar: Kein Ausbau zum Sonderflughafen.
Das möchte ich hier schon einmal anmelden, Herr Herrmann, damit ich mich nicht des Demonstrationsmissbrauchs schuldig mache.
Was wir brauchen, ist eine Ermutigung der Bürgerinnen und Bürger, dieses Staatswesen und diese Gesellschaft mitzugestalten. Wir brauchen eine Ermutigung für die Menschen, die in den Verbänden organisiert sind, sich mit ihren Anliegen einzubringen. Es darf keine Repression, Unterdrückung und Strafandrohung geben. Wir brauchen die Ermutigung für die Menschen, die sich für den Erhalt eines demokratischen und – meinem Schwerpunkt – eines ökologischen Bayerns einsetzen. Hier müssen wir Unterstützung geben und dürfen nicht mit Strafe und Repression drohen. Die Menschen, die ihren Einsatz für die Naturschönheiten, die Artenvielfalt in Bayern erbringen, den Schutz der Alpen, der Berge und Flusslandschaften in ganz Bayern, und die sich gegen Straßenbau, gegen den Flughafenausbau wenden, brauchen unsere Unterstützung und dürfen nicht mit Repression und Strafandrohungen konfrontiert werden.