Protokoll der Sitzung vom 16.07.2008

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall bei Abgeord- neten der GRÜNEN und der SPD)

Dennoch weiß ich und möchte Sie, geschätzter Herr Präsident, auch darauf hinweisen, dass es hier keine Kleiderordnung gibt.

(Zuruf des Abg. Dr. Ludwig Spaenle)

Wenn ich mir hier manche ansehe, meine ich, dass sie sich einmal im Spiegel anschauen sollten, wenn hier über dieses Thema debattiert wird.

Meine Damen und Herren, vor drei Wochen war der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber bei uns im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten zu Besuch. Er hat bei uns in seiner Funktion als Leiter der „High Level Group of Independent Stakeholders on

Ich rede hier wirklich als Praktiker und nicht als Theoretiker. Bei Demonstrationen sind Sie im Wesentlichen die Theoretiker. Das muss man auch einmal festhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN – Ernst Weidenbusch (CSU): Wir haben aber die größte Bürgerbewegung in Bayern hinter uns, nämlich das Volk! Das ist bei uns!)

Das Volk ist die größte Bürgerbewegung, aber das ist nicht identisch mit der CSU. Die wahlberechtigte Bevölkerung Bayerns hat bei der letzten Landtagswahl doch nur zu 35 % CSU gewählt.

(Thomas Kreuzer (CSU): Und wie viele die GRÜNEN? Vier Prozent!)

Der Rest hat andere Parteien gewählt oder ist nicht zur Wahl gegangen. Sie haben nicht mehr die Mehrheit hinter sich. Da täuschen Sie sich ganz gewaltig, Herr Kollege. Mit solchen Gesetzen werden Sie bei der nächsten Wahl noch einmal ganz deutlich verlieren.

(Beifall bei den GRÜNEN – Ernst Weidenbusch (CSU): Das beweisen die acht Leute, die im Konferenzsaal sitzen! Acht Leute!)

Jetzt werden Sie wieder wach!

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Weil es jetzt lustig wird!)

Und lauter auf Seiten der CSU.

Ich möchte nur einige Punkte aus der Petition des VCD, des Verkehrsclubs Deutschland, herausgreifen. Er fordert, dieses Gesetz nicht zu verabschieden. Deshalb haben wir diese Petition, die völlig richtig ist, auch hochgezogen. Der VCD kritisiert dieses Gesetz und sagt, es sei dadurch gekennzeichnet, dass es der Polizei und der Versammlungsbehörde erleichtert werde, Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen zu beschränken, zu verbieten oder aufzulösen. Die Pflichten des Veranstalters bei der Anzeige im Vorfeld der Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen und die Pflichten des Leiters von Versammlungen vor und während einer Versammlung würden deutlich ausgeweitet. Die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Versammlung würde durch Vorschriften über die Bekanntgabe von und die Einladung zu Versammlungen sowie durch Vorschriften über die Bekleidung, die Aufmachung, das Verhalten und das Mitführen von Gegenständen erschwert. Die Bürgerinnen und Bürger würden durch die Ausweitung der Befugnisse der Polizei zur Datenerhebung abgeschreckt. Bereits geringfügige Verstöße würden zu teilweise unverhältnismäßig hohen Geldstrafen oder Geldbußen führen. Deshalb sei das Gesetz nach den Worten des VCD abzulehnen.

Gerade in der Verkehrspolitik werden die Leute durch Ihre Politik gezwungen, sich durch Versammlungen und durch Demonstrationen zu wehren. Das betrifft nicht nur die großen Verbände, die noch eine gewisse Erfahrung

war. Ich spreche die Entlassungsaktion von Siemens in der Hofmannstraße vor wenigen Jahren an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Entlassungsaktion sollte am geltenden Recht vorbei und ohne Einbindung des Betriebsrats erfolgen. Der Betriebsrat und die Belegschaft haben dagegengehalten. Sie haben sich gewehrt und für ihre Rechte gekämpft. Sie haben sich damals – und das war die Voraussetzung dafür, dass sie kämpfen konnten – im Glauben bzw. im Wissen, dass sie dabei nicht bespitzelt werden, besprechen müssen.

Sie haben spontan für ihre Rechte auf die Straße gehen müssen, um zu kämpfen, um sich für ihre Rechte einzusetzen. All diese Bürgerrechte, diese Freiheitsrechte, die wollen Sie jetzt wegnehmen. Meine Damen und Herren, das ist in unseren Augen nicht hinnehmbar.

(Zurufe von der CSU)

Lesen Sie doch Ihren Gesetzentwurf durch! Wie ist das denn mit den spontanen Demonstrationen? Wie ist das?

(Beifall bei den GRÜNEN – Ernst Weidenbusch (CSU): Wie ist denn das, wie ist denn das?)

Das ist doch genau Ihre Absicht.

(Ernst Weidenbusch (CSU): So ein Schmarrn!)

Der Siemens-Betriebsrat hat es damals geschafft, dass sämtliche Kündigungen vor dem Arbeitsgericht zerpflückt worden sind. Alle 500 Kündigungen haben vorm Gericht nicht standgehalten. Der Betriebsrat hat das geschafft, obwohl schon damals an Recht und Gesetz vorbei, unter Obhut der Staatsanwaltschaft, der Betriebsrat-Computer gefilzt worden ist und obwohl es eine unsägliche Hetzkampagne der AUB gegeben hat. Das war Zivilcourage.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau diese Zivilcourage passt Ihnen nicht in den Kram. Die wollen Sie nicht haben, die wollen Sie verhindern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gerade Ihre Reaktion zeigt doch, wie sehr Sie das schmerzt. Sie können gern ans Mikrofon gehen, aber bisher waren es nur erbärmliche drei oder vier CSU-Abgeordnete, die in diese Debatte eingestiegen sind.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Genau! – Engelbert Kupka (CSU): Wie geht denn die Geschichte von Frau Rütting aus?)

Wenn Sie wollen, dann können Sie gerne mitdiskutieren. Stellen Sie sich doch den Vorwürfen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Unruhe bei der CSU)

Administrative Burdens“ referiert. Edmund Stoiber hat in seinem Beitrag mehrfach das Spannungsfeld zwischen Freiheit auf der einen Seite und Sicherheit auf der anderen Seite bemüht. Er hat sich ein jedes Mal für ein Mehr an Freiheit ausgesprochen. Selbstverständlich wissen wir, dass es bei diesem Referat und der darauf folgenden Debatte um die Thematik Bürokratie und Bürokratieabbau ging. Hier geht es um den geplanten Abbau von Bürgerrechten und Freiheitsrechten.

Meine Damen und Herren, bei der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit handelt es sich um elementare Grundrechte, um wesentliche Bausteine unserer gesellschaftlichen Ordnung und unserer Rechtsordnung. Hier ist Freiheit ungleich wichtiger und ungleich bedeutender als in der vorher angesprochenen Bürokratiedebatte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eines möchte ich auch noch einmal klarstellen. Sie dürfen nicht meinen, etwas verwechseln zu können oder zu müssen. Bei dem hier vorliegenden Gesetzgebungsverfahren geht es gar nicht um die Frage um Freiheit oder Sicherheit. Es geht Ihnen nicht um Sicherheit, sondern es geht Ihnen um Verunsicherung und Einschüchterung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist der Kern Ihres Vorhabens. Dies passt in die lange Reihe Ihrer Initiativen zur Demokratieverkürzung und zum Abbau von Rechtsstaatlichkeit. Ich nenne den Lausch- und Spähangriff, das Kennzeichenscanning, die OnlineDurchsuchung und jetzt die geplante massive Beschränkung des Demonstrationsrechts, die geplante massive Beschränkung der Versammlungsfreiheit. Diesen Vorwurf müssen wir Ihnen an dieser Stelle machen. Sie wollen ein Volk von Duckmäusern und Denunzianten schaffen. Genau das wollen wir nicht. Wir halten dagegen. Wir halten es für wichtig, einen Rahmen für mehr politisches Engagement der Bürgerinnen und Bürger, für mehr Bürgerbeteiligung und für mehr Zivilcourage zu schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir erleben gerade, wie die Identifikation unserer Bürgerinnen und Bürger mit dem phantastischen Projekt Europäische Integration an fehlender Bürgerbeteiligung und an fehlender Einbindung scheitert. Gerade in dem Moment fällt Ihnen nichts Besseres ein, als die Bürgerrechte weiter einzuschränken und weiter auszuhöhlen. Ich spreche jetzt eine Causa an, bei der sich wunderbar dokumentieren lässt, wie verheerend sich die Beschränkung der Versammlungsfreiheit und generell die Verkürzung der Bürgerrechte auswirken würde.

Es ist noch gar nicht allzu lange her, dass das Unternehmen Siemens versucht hat, über systematisch durchexerzierten Rechtsbruch Unrecht zu Recht werden zu lassen. Ich meine jetzt nicht die bandenmäßig organisierten Korruptionsdelikte. Ich meine auch nicht die massenhaften Kartellrechtsverstöße. Ich meine nicht einmal den Aufbau und das Anfüttern der AUB, was ebenfalls hoch kriminell

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass so viele Zuhörerinnen und Zuhörer da sind. Ich fürchte nur, das gilt weniger der Debatte als vielmehr der Kamera, die hinten aufgebaut worden ist. Trotzdem: Schön, dass Sie da sind!)

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf eines Abgeord- neten der CSU: Wegen Ihnen nicht!)

Mir ist unterdessen klar geworden, warum dieses Gesetz von der Staatsregierung und von der CSU so dringend gewünscht wird. Wer 50 Jahre lang eine Politik gemacht hat, wie das die CSU getan hat, der hat allen Grund, Widerstand zu fürchten, zu ächten und zu behindern.

(Beifall bei den Grünen)

Dabei ist es so: Wer zehn Jahre lang den Landessozialbericht verschleppt und eine Bilanz verhindert hat, der braucht die Bürgerinnen und Bürger, die protestieren. Der braucht sie dringend.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie müssten den Menschen also eigentlich dankbar sein, dass sie Ihre Arbeit machen, dass sie Sie darauf aufmerksam machen, wo Missstände sind. Sie sollten dankbar sein, dass die Menschen Ihnen aufzeigen, was in diesem Land eigentlich angezeigt wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Ich kann einige Beispiele aus der Sozialpolitik nennen, wo Menschen sich aufgerufen fühlen, Ihnen zu zeigen und zu sagen, wie Politik in Bayern eigentlich aussehen müsste.