Protokoll der Sitzung vom 16.07.2008

Können Sie denn nicht einmal für zwei Minuten ruhig sein?

Die Traumatisierung von Flüchtlingen ist ein äußerst schwieriges, sensibles Thema. Da könnte ich sofort auf Ihrer Seite sein, Frau Ackermann. Einen Haushaltsantrag können Sie heute nicht stellen, aber Sie könnten ihn zu gegebener Zeit stellen. Da könnte man sagen: Die Sozialorganisationen wie Diakonie, AWO oder wer auch immer die Betreuung in Gemeinschaftsunterkünften wahrnimmt, brauchen eine bessere finanzielle Ausstattung. Wir brauchen mehr Psychologen, damit Traumatisierungen erkannt werden. Wenn Traumatisierungen erkannt sind und die Wohlfahrtsorganisationen diese Fälle nachhaltig verfolgen, Frau Ackermann, dann werden die in Gemeinschaftsunterkünften davon Betroffenen daraus entlassen. Das ist übrigens auch in der Antwort des Sozialministeri

irgendwann für diese Menschen überhaupt keine Unterkünfte mehr in dieser Form gibt.

Frau Weikert, Sie sagen, ein Container sei für Menschen, die über zehn Jahre darin leben, eine menschenwürdige Unterbringung. Sozial nennt sich die SPD. Wenn Sie das wirklich meinen, kann ich nur sagen: Gute Nacht!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat noch einmal Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Im Grunde ist es überflüssig, hierauf noch etwas zu sagen.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Frau Ackermann, ich verwahre mich gegen die Vorwürfe, die Sie vielleicht auch an mich persönlich gerichtet haben. Sie prallen aber an mir ab, weil ich in diesem Feld so viel arbeite und mich so intensiv kümmere, dass ich es nicht nötig habe – –

(Rufe und Gegenrufe zwischen SPD und GRÜNE)

Ich warte einfach ab.

Einen Moment, bitte! – Ich darf auch Sie, Frau Kollegin Scharfenberg, um Ruhe bitten. Das Wort hat Frau Kollegin Weikert.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Vielleicht ist an der Regierungsbank auch ein bisschen Ruhe!)

Ich darf bitten, auch die Gespräche an der Regierungsbank einzustellen, damit wieder Ruhe einkehrt. In dieser Woche müssen wir exakt auf die Disziplin achten. – Bitte sehr, Frau Weikert.

Ich verwahre mich gegen diese Vorwürfe. Ich habe es nicht nötig, mich von Ihnen in dieser Weise angreifen zu lassen. Das prallt an mir ab.

Ich sage noch einmal: Sie haben das Problem nicht erkannt. Wir haben beispielsweise das Problem der 32 %-igen Anerkennung und des absoluten Abschiebestopps angesprochen. In diesen Fällen drängen wir auf eine Lösung. Insoweit haben wir die Staatsregierung konkret gefragt. Ansonsten ist alles gesagt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Nun hat Frau Staatsministerin Stewens das Wort.

Frau Ministerin, inzwischen besteht aber für fast 32 % derjenigen, die einen Asylantrag stellen, innerhalb kurzer Zeit ein absoluter Abschiebestopp. Das sind zum Beispiel die Jesiden aus dem Irak. Zwei minderjährige jesidische Flüchtlingskinder haben wir nach zwei Tagen Aufnahmestation in Zirndorf gleich bei uns in der Wohngemeinschaft untergebracht. Diese Menschen sind eine sehr große Gruppe. Im Jahr 1990 hatten sie noch einen Faktor von 2 %; inzwischen sind es über 30 %. Diese Menschen genießen einen so großen Schutz, dass sie wahrscheinlich hier bleiben werden. Ich meine, sie müssten sofort oder relativ schnell aus der Gemeinschaftsunterkunft heraus. Sie brauchen eine Arbeitserlaubnis. Es muss ihnen ermöglicht werden in Deutschland Fuß zu fassen, zu leben, zu arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbstständig zu verdienen. Das wäre auch eine große Entlastung. Zum Thema Gemeinschaftsunterkünfte steht aber in der Problembeschreibung nicht ein einziger Satz.

Kurzum: Frau Stewens, ich würde mich freuen, wenn Sie dazu ein paar Sätze sagen könnten.

Ansonsten habe ich wohl deutlich gemacht, dass dieser Gesetzentwurf von uns abgelehnt wird.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat noch einmal Frau Kollegin Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass die CSU schwer zu erweichen ist, für Menschen, die zu uns kommen, menschenwürdige Verhältnisse zu schaffen, habe ich mir von vornherein gedacht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Frau Matschl hat den Text, den Sie ihr aufgeschrieben haben, brav abgelesen. Ansonsten ist von der CSU nicht mehr zu erwarten. Dass aber die SPD einen solchen Unsinn erzählt, hätte ich nicht gedacht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CSU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es geht nicht darum, den Gesetzentwurf zu ersetzen. Das können wir gar nicht. Es handelt sich nämlich um ein Bundesgesetz. Vielmehr geht es darum, eine Interpretationslücke auszufüllen, um für Menschen bessere Lebensverhältnisse zu schaffen. Das haben wir gemacht, Frau Weikert. Wir können nicht sagen, wir wollten die Gemeinschaftsunterkünfte schließen, weil wir dieses Bundesgesetz im Landtag nicht ändern können. Das müssten Sie eigentlich wissen. Sie sitzen schon lange genug hier.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir können vom Landtag aus nur das regeln, was das Gesetz zulässt. Wir wollen bessere Lebensverhältnisse zunächst einmal innerhalb dieser Unterkünfte. Wenn das geschafft ist, kann man auch darauf hinarbeiten, dass es

Das Bundesrecht schreibt grundsätzlich die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor, um hier auch die Durchführung des Sachleistungsprinzips zu ermöglichen. Da übrigens fast alle Asylanträge abgelehnt werden, sind Sachleistungen durchaus besser als Geldleistungen, weil man hier keine finanziellen Anreize für die Einreise nach Deutschland bietet.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Containern sagen: Es gibt natürlich solche und solche Container, Frau Kollegin Weikert. Aber man kann natürlich auch sagen, dass wir gerade in den letzten Jahren die Unterbringung in den Containerunterkünften massiv abgebaut haben, weil die Zahl der Asylbewerber nach unten gegangen ist. Ich möchte aber darauf verweisen, dass wir, als wir die Containerunterkunft in der Rosenheimer Straße geschlossen haben, einen Antrag der GRÜNEN vorliegen hatten. Dabei wurden wir um Auskunft gebeten, warum wir das denn tun. Der Grund war: Die Asylbewerber wollten aus der Containerunterkunft in der Rosenheimer Straße nicht ausziehen.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Die Unterkunft in der Rosenheimer Straße ist gar nicht geschlossen!)

Übrigens ist auch die Unterkunft in der Waldmeisterstraße einer der beliebtesten Unterkünfte, weil sie a) gut liegt und b) eine große grüne Freifläche, eine Spielfläche für die Bewohner bietet. Man muss generell sagen, dass die Unterbringung in Containern nicht notwendigerweise schlechter ist als die Unterbringung in Festbauweise. Seit 01.07.2002 wurden in Bayern sieben Gemeinschaftsunterkünfte in ContainerBauweise geschlossen, sodass von insgesamt 139 Unterkünften nur noch 9 Unterkünfte Container-Bauweise sind. Sie sehen, wir bemühen uns, auch da das Notwendige auf den Weg zu bringen.

Die derzeitige Unterbringung von Asylbewerbern entspricht den Mindeststandards der EU-Aufnahmerichtlinie. Ich möchte die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN bitten, diese Behauptungen nicht immer leichtfertig in die Welt zu setzen.

Frau Kollegin Weikert, zu den von Ihnen angesprochen Zahlen: 30 % der Bewohner sind in einem laufenden Verfahren. Fast 65 % der Bewohner sind abgelehnt und damit ausreisepflichtig. Von diesen 65 % haben circa 90 Asylbewerber die Duldung, also nur einen vorübergehenden Abschiebeschutz. Die 3000 Asylbewerber – also die 32 %, die Sie angesprochen haben und die sozusagen das „kleine“ Asyl haben – können aus den Unterkünften sofort ausziehen und eine Arbeit aufnehmen. Da bestehen überhaupt keine Probleme.

Frau Kollegin Ackermann, ich möchte Sie noch auf eines hinweisen: Im Bayerischen Aufnahmegesetz bestehen bereits Härtefallregelungen für besonders schutzbedürftige Menschen, vor allem für traumatisierte Personen, für kranke Kinder sowie für Frauen und Männer mit Behinderung. Personen, denen ein Verbleib in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht zugemutet werden kann und die ein entsprechendes amtsärztliches Attest vorlegen, dürfen nach geltendem Recht schon jetzt ausziehen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom Grundsatz her möchte ich noch einmal ganz klar sagen: Ich war in der Waldmeisterstraße. Frau Kollegin Ackermann, ich bin auch ganz bewusst mitgefahren, weil ich natürlich wusste, dass wir die Diskussion hier im Plenum führen werden, aber auch, weil es für mich wichtig ist, dass ich mich persönlich von den Lebensverhältnissen in den Containern überzeugen kann.

Deswegen sage ich aus innerer Überzeugung, dass Ihr Gesetzentwurf, den Sie heute vorgelegt haben, nicht überzeugen kann. Er geht schlicht und einfach von falschen Voraussetzungen aus und arbeitet auch durchaus mit unzutreffenden Unterstellungen. Im Übrigen fehlt ihm jegliche Kostenabschätzung. Wenn Sie sich wenigstens der Mühe unterzogen hätten, die Kosten Ihres Gesetzentwurfs auf den Tisch zu legen, abgesehen von den Folgen, die die Kollegin Weikert für den Fall beschrieben hat, dass wir wieder einen Flüchtlingsstrom haben.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Uns würde es gar nicht möglich sein, diese Flüchtlinge, die bekanntlich nach Kontingenten aufgeteilt werden, in Bayern unterzubringen.

Zu Ihrer Behauptung, Frau Kollegin Ackermann, direkt vor dem Besuch der Landtagskollegen sei renoviert worden, möchte ich auch etwas sagen. Ich denke, die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Die Vertreterin der Regierung von Oberbayern hat uns bei unserem Besuch gesagt, dass im Jahr 2007 insgesamt 40 000 Euro für Renovierungsarbeiten in die Waldmeisterstraße investiert worden sind und bis Mitte des Jahres 2008 sind insgesamt 7000 Euro Renovierungskosten angefallen. Ich glaube, die Zahlen sprechen eine klare Sprache und machen deutlich, dass man nicht sagen kann, es sei explizit für unseren Besuch renoviert worden.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Wir wissen doch, wie das immer aussieht!)

Vielmehr wird fortlaufend das Notwendige renoviert.

Für die hygienischen Verhältnisse, für das Säubern des Sanitärbereichs, für das Putzen, das Saubermachen, um es einfach zu sagen, sind die Bewohner in den Flüchtlingsunterkünften selbst verantwortlich.

Auch das möchte ich hier noch einmal ganz klar sagen.

Frau Kollegin Ackermann, Sie erheben meiner Ansicht nach mit Ihrem Gesetzentwurf durchaus leichtfertig den Vorwurf eines Verstoßes gegen die Menschenwürde. Das sagt sich in der Diskussion so leicht dahin, wird aber dadurch natürlich keineswegs richtig. Ich sehe überhaupt keinen Verstoß gegen die Menschwürde von Asylbewerbern, wenn ihnen der Staat alles zum Lebensunterhalt Notwendige bereitstellt. Notwendig sind Unterkunft, Ernährung sowie medizinische und soziale Versorgung. Hier wird niemand zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht.

Gehen Sie davon aus, dass ich weiß, wovon ich spreche. Ich weiß, was es heißt, würdevoll behandelt zu werden oder nicht.

Frau Ministerin Stewens hat eingehend darüber gesprochen, dass wir natürlich auch in Zukunft allen Beschwerden nachgehen werden. In diesem Sinne ist es wichtig zu wissen, dass Sie mit jemandem sprechen, der weiß, was Flüchtlingsnot heißt.

Es liegt mir keine weitere Wortmeldung vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/10436 zugrunde.

Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt auf Drucksache 15/11098 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen – Das ist überwiegend die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.