Protokoll der Sitzung vom 17.07.2008

Zum Dritten bin ich der Ansicht, dass man wie in der wirtschaftlichen Jugendhilfe ein Stück weit über die Grenzen der Grundsicherung hinausgehen sollte. Aber es wird auch dann – täuschen Sie sich nicht darüber hinweg – eine Grenzproblematik geben. Überall dort, wo wir Grenzen setzen, werden wir über die Grenzziehung intensiv zu diskutieren haben.

Herr Kollege Wahnschaffe, ich sage in aller Freundschaft: Wenn Sie mir bis zum Schluss zugehört hätten, hätten Sie auch meinem letzten Satz zugehört. Ich habe nämlich gesagt, wenn der Bund sich überhaupt nicht rührt, dann werden wir in Bayern handeln müssen, das ist keine Frage. Aber ich sage Ihnen auch klar und deutlich – das ist meine feste Überzeugung –: Wichtig ist hier in erster Linie, dass die Kinderbedarfe endlich erhoben werden.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Mit liegen keine weiteren – –

(Zurufe von den GRÜNEN: Doch!)

Frau Kollegin Ackermann, bitte schön. Ist doch kein Problem. Bitte schön, Frau Kollegin Ackermann, kommen Sie ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Präsidentin, ich bin sicher, dass Antoine de Saint-Exupéry und der kleine Prinz gewollt hätten, dass die Kinder in der Schule satt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, ich finde es nicht fair, wenn Sie die Familien, die Hartz IV beziehen, ausspielen gegen die Familien, die an der Armutsgrenze entlang balancieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alle diese Kinder haben einen Bedarf. Die Kinder können für nichts etwas, aber wir sind dafür verantwortlich, dass die Kinder in der Schule etwas zum Essen bekommen. Da sind zunächst einmal die Töpfe und Zuständigkeiten egal. Wir sind hier in Bayern. Es nützt also überhaupt nichts, wenn Sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Bund deuten, an dessen Regierung Sie im Übrigen auch beteiligt sind. Stattdessen müssen Sie in Ihrem eigenen Wirkungskreis für die Kinder sorgen. Genau das tun Sie nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es nützt auch überhaupt nichts, wenn Sie uns erklären, dass es virtuelle Mittagessen durch Transferleistungen geben soll.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Johanna Werner-Muggendorfer, Joachim Wahnschaffe u. a. u. Frakt. (SPD) Besuch von Kindertagesstätten kostenfrei stellen – Jetzt! (Drs. 15/10692)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erstes Kindergartenjahr beitragsfrei stellen – frühest mögliche Förderung ist am effektivsten (Drs. 15/10680)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Georg Schmid, Renate Dodell, Barbara Stamm u. a. u. Frakt. (CSU) Für eine familien- und kindgerechte Politik (Drs. 15/10691)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Frau Kollegin Werner-Muggendorfer steht schon bereit. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Wir möchten in der letzten Sitzung dieses Parlaments in dieser Legislaturperiode die Gelegenheit nutzen, um dieses Thema noch einmal aufzugreifen. Wir wollen bei Ihnen um Unterstützung werben, den Besuch der Kindertagesstätten generell kostenfrei zu stellen. Damit sollte im letzten Jahr vor der Schule begonnen werden.

Nach unserer Überzeugung muss Bildung für alle frei zugänglich und kostenfrei sein. Die Bildung ist eine Landesaufgabe. Deshalb ist der Freistaat zuständig. Wir wollen alle Kinder erreichen. Leider besuchen noch nicht alle Kinder eine Kindertagesstätte, auch wenn die Besuchsquote in ganz Bayern bei etwa 98 % liegt. In Bayern gibt es Landesteile, bei denen diese Quote noch bei 87 oder 92 % liegt. Wir erreichen nicht alle Kinder vor der Schule. Deshalb ist unser Ansatz ein kostenfreier Kindertagesstättenbesuch. Der Einstieg sollte im letzten Kindergartenjahr sein.

Alle Fachleute, die sich mit diesem Thema befassen, beteuern die Bedeutung der frühkindlichen Bildung. Gerade die Hirnforscher und Entwicklungspsychologen sagen uns, wie wichtig diese Zeit ist. In der frühen Kindheit macht der Mensch die größten Schritte in der Entwicklung. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Zeit für die Kinder gut gestalten. Für mich ist Bildung wie ein Haus. Was vor dem Schuleintritt passiert, ist das Fundament von Bildung. Hierauf müssen wir unser Augenmerk legen. Für die SPD-Fraktion gilt, dass wir alle Kinder stark machen und mitnehmen wollen. Die Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Wir müssen deshalb die Eltern von Gebühren, die für die Kindertagesstätten anfallen, entlasten.

In Bayern gibt es eine große Gerechtigkeitslücke. In einigen Landesteilen ist dieser Beitrag für die Eltern erschwinglich, in anderen Landesteilen jedoch sehr teuer. Dort haben die Eltern Schwierigkeiten, diesen Beitrag

Wir kommen nun zu den namentlichen Abstimmungen. Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Dr. Dürr, Scharfenberg und anderer und Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, betreffend „Mittagessen für alle Kinder“, Drucksache 15/9528, abstimmen. Die Urnen stehen bereit. Ich bitte, die Stimmzettel abzugeben. Sie haben vier Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 11.06 bis 11.10 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Die Stimmkarten werden außerhalb des Plenarsaals ausgezählt und das Ergebnis zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.

Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Joachim Wahnschaffe, Dr. Simone Strohmayr, Christa Steiger u. a. (SPD) „Bayern, aber gerechter – gleiche Chancen für alle Kinder und Jugendlichen (3) – Jedem Kind in Bayern eine warme Mahlzeit am Tag“, Drucksache 15/9680. Ich bitte, die Stimmkarten in die Urnen zu geben. Dafür ist drei Minuten Zeit.

(Namentliche Abstimmung von 11.11 bis 11.14 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen! Die Stimmabgabe ist geschlossen. Die Stimmkarten werden wiederum außerhalb des Plenarsaals ausgezählt und das Ergebnis zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.

Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Joachim Unterländer, Prof. Dr. Gerhard Waschler, Renate Dodell u. a. (CSU) „Mittagessen für alle Kinder mit erhöhtem Hilfebedarf sicherstellen“, Drucksache 15/9689.

Ich mache darauf aufmerksam, dass wir über die Neufassung des Antrags, die der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik auf Drucksache 15/11114 empfiehlt, abstimmen werden. – Es ist alles klar. Ich bitte, die Stimmkarten auszugeben. Es stehen wieder drei Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 11.15 bis 11.18 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist geschlossen. Die Stimmkarten werden außerhalb des Plenarsaals ausgezählt und das Ergebnis zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Damit sind die Tagesordnungspunkte 41 bis 44 erledigt.

Ich bitte Sie, die Plätze wieder einzunehmen, damit wir mit der Sitzung fortfahren können. Bevor ich die Beratung des Schlussberichts der Enquete-Kommission „Jungsein in Bayern – Zukunftsperspektiven für die kommenden Generationen“ aufrufe,

rufe ich zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 45 mit 47 auf:

dermittel für die Kinderkrippen. Der Freistaat sollte deshalb auch Geld für Aufgaben in die Hand nehmen, für die er zuständig ist, nämlich für die eigenen Kinder.

(Beifall bei der SPD)

Der Freistaat hat einige Mittel eingespart. Deshalb könnte er jetzt Geld ausgeben und das letzte Kindergartenjahr kostenfrei stellen. Damit erhielten alle Kinder dieselben guten Chancen.

Ich möchte jetzt etwas zum Antrag der GRÜNEN sagen: Diesem Antrag kann ich etwas abgewinnen. Er entspricht aber nicht unserer Intention. Wir denken, dass wir mit dem letzten Kindergartenjahr beginnen sollten. Am besten wäre es natürlich, wenn es gar nichts kosten würde. Wir können diesem Antrag etwas abgewinnen, haben aber einen anderen Ansatz.

Der Antrag der CSU ist dagegen Lyrik. Dort steht, dass dies irgendwann einmal eingeführt würde. Ich muss sagen: Man kann schon froh sein, wenn das Problem von der CSU erkannt wird. Dafür sind wir schon dankbar. Die Halbwertszeit für Erkenntnisse ist in der CSU-Fraktion allerdings verdammt lang. Meine Kollegin Radermacher hat dies gestern an einigen Beispielen deutlich gemacht. Man muss kaum zehn Jahre warten, schon ist die CSU auch soweit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht dauert es in diesem Fall keine zehn Jahre, bis der Kindergartenbesuch für die Eltern kostenfrei wird. Wir müssen allen Kindern die gleichen Chancen ermöglichen. Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf dem Hohen Haus bekannt geben, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN für ihren Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/10680 namentliche Abstimmung beantragt hat. Die CSU-Fraktion hat für ihren Antrag auf Drucksache 15/10691 ebenfalls namentliche Abstimmung beantragt.

Ich fahre mit den Wortmeldungen fort und darf jetzt Frau Kollegin Ackermann das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bildung und Chancengleichheit beginnt nach der Geburt. Man kann auch sagen, dass sie bereits vor der Geburt beginnt, aber da haben die Kinder noch ein gutes Zuhause. Nach der Geburt sind wir dafür verantwortlich, dass es den Kindern weiterhin gut geht und dass eine entsprechende Förderung einsetzt. Hirnphysiologische Erkenntnisse besagen, dass die Entwicklung bis zum sechsten Lebensjahr weitestgehend abgeschlossen ist und die Fördermöglichkeiten vorher bestehen. Das sollten wir uns hinter die Ohren schreiben und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

aufzubringen oder ersetzt zu bekommen. Gerade Kinder, die am dringendsten sprachlich, sozial oder integrativ gefördert werden müssten, erreichen wir nicht. Diese Kinder sollten wir jedoch vor dem Eintritt in die Schule erreichen. Ich nenne nur den Bereich Sprache. Das Problem wurde von der Staatsregierung erkannt. Die Reaktion darauf ist jedoch in meinen Augen falsch.

Eigentlich müssten die Erzieherinnen und andere Beschäftigte in den Kindertagesstätten die Zeit haben, diese Sprachförderung zu betreiben. Die Kindertagesstätten sollten nicht gezwungen sein, Personal von außen hereinzuholen. Wenn die Gruppen klein genug sind, kann diese Förderung dort von Erzieherinnen geleistet werden. Dazu bedarf es keiner Sprachberater von außen, die zunächst ausgebildet werden müssten. In kleineren Gruppen könnte ein weitaus entwicklungsfördernderes Klima erreicht werden. Damit würden die Chancen von benachteiligten Kindern verbessert.

Wir verfolgen mit diesem Einstieg in ein kostenfreies Kindergartenjahr also mehrere Ziele. Wir wollen alle Kinder erreichen und die Bildung kostenfrei stellen. Wir wollen aber auch die Qualität verbessern. Andere Bundesländer wie zum Beispiel das Saarland, Rheinland-Pfalz und Berlin machen uns das vor. Wir hören immer, dass Bayern Spitze sei, gerade im Hinblick auf die finanziellen Umstände. Deshalb müssten wir es uns leisten können, unsere Kinder von diesen Gebühren freizustellen und damit den Eltern entgegenzukommen.

(Beifall bei der SPD)

Für ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr haben wir prominente Mitstreiter. Ich nenne nur Herrn Bundespräsident Köhler, Frau Familienministerin von der Leyen, die JU Bayern und den ehemaligen Generalsekretär der CSU und jetzigen Minister, Herrn Dr. Söder. Auch die CSU München ist bei Kommunalwahlen dafür zu haben. Das gilt auch für die CSU Deggendorf.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Die Staatsministerin ist auch dafür, wenn es die Kommunen zahlen!)

Darauf komme ich noch zu sprechen. Das ist die leichteste Übung. Man kann leicht dafür sein, wenn es andere zahlen. In vielen Landesteilen übernehmen die Kommunen diese Aufgabe, obwohl es nicht ihre Aufgabe wäre, auf den Kindergartenbeitrag zu verzichten. Das können sich aber nur Kommunen erlauben, die über eine sehr gute finanzielle Ausstattung verfügen.