Das reichte aber noch nicht, der große Lauschangriff musste her, dem glücklicherweise das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben hat. Ich fordere Sie auf, die Planungen für eine Telekommunikationsüberwachung im Mülleimer verschwinden zu lassen und sowohl das Polizeiaufgabengesetz – ich denke hier insbesondere an den Artikel 34 – und das Verfassungsschutzgesetz zu ändern. Anders als Sie glaube ich schon, dass das Verfassungsgericht eine Ahnung davon hat, worüber es entscheidet, weshalb die Änderungen dringend geboten sind.
Ich fordere Sie weiter auf, sich mit den weit reichenden gesetzlichen Möglichkeiten aus den Sicherheitspaketen I, II, III anzufreunden und weitergehende sinnlose – ich betone sinnlose – Grundrechtseinschränkungen zu unterlassen.
Mann muss Sie ja leider zum Anfreunden auffordern, wenn man sieht, wie Sie wichtige Gesetze wie zum Bei
spiel das Luftsicherheitsgesetz – meine Kollegin, Frau Kamm, hat es schon erwähnt – im Bundesrat blockieren, um den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu erzwingen. So tragen Sie nicht zu mehr Sicherheit bei, sondern sie nehmen die Gefährdung der Bevölkerung in Kauf. Ich fordere Sie auf, für Waffengleichheit zu sorgen. Sie schulden den Bürgerinnen und Bürgern angesichts der massiven Grundrechtseingriffe auch Abwehr- und Informationsrechte, so zum Beispiel das von uns vorgeschlagene Informationszugangsgesetz, das Sie bisher immer abgelehnt haben.
Meine Herren und Damen, ich schließe mit einer Studie des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, welche zeigt, dass die Angst vieler Menschen vor einer vermeintlich ständig steigenden Kriminalität unbegründet ist. Ich zitiere:
Die Bürger nehmen nicht zur Kenntnis, dass die Risiken in ganz zentralen Bereichen deutlich abgenommen haben.
Die Menschen verschätzen sich so krass, wie noch nie zuvor, in ihrer Beurteilung der Kriminalitätslage. Sie glauben, dass Kriminalität insgesamt, aber vor allem bei schlimmen und bedrohlichen Delikten wie Bankraub, Mord, Sexualmord drastisch zugenommen hat, obwohl die Statistik das Gegenteil aussagt.
Und dann wird versucht herauszufinden, woran diese Entwicklung liegen könnte. Eine Erklärung ist der Sendeanteil in den Medien, der dem Thema Kriminalität gewidmet ist und der sehr drastisch zugenommen hat. Das haben wir auch in den Vereinigten Staaten erlebt. Deshalb kommen sich die Menschen stärker bedroht vor. Kritisiert wurde in dieser Studie aber auch – und das möchte ich Ihnen zum Schluss auf den Weg mitgeben -, dass die Politik sich immer stärker der wachsenden Straflust der Bevölkerung beugt. Die Politik kommt immer mehr unter Druck, ganz schnell das Volk zu beruhigen mit der Botschaft, wir verschärfen die Strafen, wir halten alles unter Kontrolle, wir lassen keinen mehr raus, wir erzeugen Sicherheit mit mehr Strafhärte. Das Ergebnis der Studie lautet: „Das ist eine Illusion, nur niemand sagt das mehr.“
Ich verweise jetzt auch noch einmal auf die schöne Überschrift, die meine Kollegin Christine Kamm das letzte Mal auf unseren Dringlichkeitsantrag gesetzt hat: „Sachlichkeit vor Ideologie“.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kenne Ihre bzw. unsere Interessen und ich weiß auch, was die Uhr geschlagen hat. Ich werde mich deshalb kurz fassen. Im Übrigen werde ich meinen Redebeitrag zu Protokoll geben (siehe Anlage).
Herr Staatsminister des Innern, zunächst möchte ich Sie auffordern, alles das nicht zu tun, wozu Sie von meiner Vorrednerin soeben aufgefordert worden sind. Ich möchte Sie auffordern, genau das Gegenteil zu tun.
Wir sollten uns auf die bewährte Maxime des Ausländerrechts zurückbesinnen, welche kurz gefasst lautet: Willkommen ist, wessen Hiersein Deutschland nützt, sonst niemand! Dieser Grundsatz gilt nicht uneingeschränkt. Es gibt auch Ausnahmen. Die wirklich Asylberechtigten und auch die Bürgerkriegsflüchtlinge nenne ich hier. Da haben wir mehr getan als unsere Pflicht.
Ein Weiteres. Es darf keine Vermengung von strafrechtlichen und sicherheitsrechtlichen Prinzipien geben. Genau das geschieht aber laufend. Im Strafrecht – und nur dort – gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Das heißt, ohne strengen Beweis gibt es keine Verurteilung. Im Sicherheitsrecht gilt etwas ganz anderes, meine Damen und Herren. Im Zweifel gilt es dort, für den Schutz der Menschen vor potentiellen Verbrechern zu sorgen. Deswegen müssen wir bereits dann, wenn tatsachengestützte konkrete Verdachtsmomente vorliegen, solche Leute ausweisen, und zwar ohne Nachsicht.
Ein tatsachengestützter – keine bloße Vermutung - konkreter Verdacht muss dazu führen, solche Leute notfalls auch zwangsweise zu verabschieden.
Die einzelnen Punkte, die der Innenminister gefordert hat, möchte ich nicht wiederholen. Wir stehen voll und ganz hinter dem Sicherheitspaket III. Wir von der CSU halten es für unerlässlich. Wenn Deutschland – wie der Bundesinnenminister sagt – einer epochalen Bedrohung ausgesetzt ist, dann allerdings ist jede weitere Verzögerung dieser Maßnahmen eine bodenlose Leichtfertigkeit und unglaublich verantwortungslos gegenüber dem eigenen Volk.
Man sollte in Berlin endlich handeln – aber richtig. Schließlich können jeden Tag in Deutschland Menschen zu Tode kommen,
wie das in Spanien geschehen ist. Der Terrorismus ist vor unserer Haustüre angekommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich hoffe, dass er nicht erst hereinspazieren muss, bevor man sich in Berlin zum effektiven Handeln entschließt.
Das Schlusswort hat nun der Staatsminister des Innern, Herr Kollege Dr. Beckstein. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei allen Rednern herzlich für ihre
Beiträge bedanken. Das gilt zunächst für die Kollegen Jakob Kreidl, Thomas Kreuzer und Peter Welnhofer. An deren Reden zeigte sich wieder die enge Zusammenarbeit zwischen Staatsregierung und CSU-Landtagsfraktion. Das gilt aber auch für die Kollegen Dr. Gantzer und Schuster und – ich sage das ganz bewusst – für die Beiträge der Kolleginnen Kamm und Stahl. Bezüglich der Rede von Frau Stahl sage ich aber auch – durchaus provozierend – dass sie die Problematik der Sicherheitspolitik in Deutschland erkennen ließ. In Berlin wird kein Gesetz gemacht, in dem nicht die Überzeugung von Frau Stahl, Herrn Ströbele und Herrn Trittin eingeschlossen ist.
Daraus entsteht die Schwierigkeit, dass der Bundesinnenminister, der die Gefährdungslage ebenso analysiert wie ich, in vielen Fällen sagen muss, dass das nicht gemacht werden kann. In dem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ forderte Innenminister Schily eine tatsachengestützte Verdachtsprognose. Die Rede von Frau Stahl widerspricht dem. Deshalb kann kein Gesetz vorgelegt werden, obwohl die Innenminister der Länder in Deutschland – einschließlich der SPD-geführten Länder – sich darauf geeinigt hatten, dass die Ausweisung notwendig ist, wenn Tatsachen die Annahmen rechtfertigen. Herausgekommen ist der Beweis. Deshalb gibt es die tatsachengestützte Verdachtsausweisung nicht, die der Bundesinnenminister für zwingend notwendig hält.
Ich habe dem Bundesinnenminister 21 Fälle aus Bayern vorgelegt, die als abstrakter Bericht in der „Frankfurter Rundschau“ nachzulesen sind. Nicht ich habe die Zeitung informiert, sondern andere. Es waren 21 Namen mit den wesentlichen Erkenntnissen, zu denen wir sagen, dass die Personen hinaus müssen. Der Bundesinnenminister ist der Meinung, dass jemand, der im Sudan im Ausbildungslager war, ausgewiesen werden muss. Ich meine, dass dies nach heutigem Recht nicht geht, zumal die Teilnahme an einem Ausbildungskurs nicht strafbar und der Nachweis kaum möglich ist. Wie schwierig dies alles ist, ist einer Entscheidung zu entnehmen, die wir an einem Sonntag vor wenigen Wochen zu treffen hatten, als es um die Ausreise eines potenziellen Selbstmordattentäters in den Irak ging. Auch die Tatsache, dass sich jemand damit gebrüstet hat, er wolle einen Selbstmordanschlag machen, reicht nicht aus. Strafrechtlich ist das nicht der Beginn der Vorbereitung einer konkreten Straftat. Eine solche Person hat in unserem Land nichts zu suchen.
Ich halte es für die Sicherheitspolitik des Bundes eine schlimme Sache, dass sich Bundesinnenminister Schily mit Ihnen, Frau Stahl, Herrn Trittin und Herrn Ströbele einigen muss oder sonst nicht handeln kann.
Die Sicherheitspakete I und II waren richtig, sie wurden gemeinsam mit uns erarbeitet. Ich war an der Arbeit der Innenministerkonferenz beteiligt. Wir haben viele Schaltkonferenzen und Besprechungen gemacht. Das Sicher
heitspaket III wird von der Mehrheit der SPD-Innenminister in den wesentlichen Teilbereichen unterstützt – wurde aber leider nicht beschlossen. Ich halte es für nötig.
Ich bin davon überzeugt, dass wir einiges auf den Weg bringen werden. Mit Herrn Beck von den GRÜNEN kann man intensiv reden. Andernfalls müsste Herr Schily seine Bemühungen um ein Zuwanderungsgesetz sofort beenden, weil es mehr Zuwanderung ohne mehr Sicherheit mit uns nicht geben wird. Ohne mehr Sicherheit wird es kein Zuwanderungsgesetz geben.
Herr Kollege Dr. Gantzer, es ist falsch, dass sich Bayern gegen das nationale Analysezentrum gewehrt hat. Im Gegenteil, wir fordern den Bund auf, seiner Verantwortung nachzukommen, ein Analysezentrum einzurichten. Das geht aber nicht in der Weise, unsere Kräfte abzuziehen, in dem die zuständigen Kräfte monatelang aus den Landesämtern abgeordnet werden. Auch wir müssen unserer Verantwortung nachkommen. Wir kommen ihr im Übrigen besser nach als andere Länder. Der Bund muss seine eigenen Kräfte zur Verfügung stellen. Wir sind zur Zusammenarbeit bereit. Wir brauchen eine gesetzliche Verpflichtung zum Informationsaustausch, die von den GRÜNEN abgelehnt wird. Ohne diese Verpflichtung fehlt ein wichtiger Sicherheitsbaustein. Es kann nicht sein, dass das Landeskriminalamt Bayern nicht erfährt, welche Erkenntnisse das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg über einen Extremisten hat. Eine formularmäßige Umfrage oder der informelle Kontakt genügen nicht. Der Informationsaustausch muss erfolgen.
Nun zur Bundeswehr: Die Aussage ist polemisch, und ich glaube, Sie haben das auch nicht ganz ernst gemeint, dass wir die Stadien von Bundeswehr-Soldaten sichern lassen wollen. Ich meine, dass wir zum Beispiel anlässlich der Fußballweltmeisterschaft die Flughäfen stärker schützen müssen, weil viele ausländische Staatsoberhäupter oder ausländische Fußballmannschaften mit dem Flugzeug anreisen werden. Ich frage: Warum darf der Frankfurter Flughafen von der Bundeswehr geschützt werden, der Flughafen München nicht, obwohl in München das Eröffnungsspiel stattfindet und es viele Interessenten gibt. In München braucht man die Polizisten. Das wäre in Ordnung, wenn Geld keine Rolle spielen würde und wir genügend Polizisten hätten.
Am Flughafen München gab es Schwierigkeiten mit dem BGS. Innenminister. Schily hat Sündenböcke ausgemacht und diese gefeuert, weil massive Fehler passiert sind. Wir haben überall mit Personalknappheit zu kämpfen. Es ist nicht fair, einen Chef als Sündenbock auszumachen und ihn abzulösen. Wenn nicht genügend Geld vorhanden ist, muss die Arbeit optimal gestaltet werden – dazu gehört die Arbeitszeiterhöhung -, um mit den Problemen fertig zu werden.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir gezwungen sein werden, über die Rolle der Bundeswehr nachzudenken. Der Satz von Herrn Struck, Deutschland werde am
Hindukusch verteidigt, ist nur zu einem kleinen Teil richtig. Es mag dort deutsche Interessen geben. Wie viele das sind – dazu habe ich meine eigene Meinung. Im Übrigen erledigt die Bundeswehr in Afghanistan Polizeiaufgaben, keine militärischen Aufgaben. Dort kann sie die Polizei ersetzen. Auch im Kosovo werden Polizeiaufgaben von der Bundeswehr erledigt, was sogar ohne UN-Auftrag geschieht, weil Russland gegen das UN-Mandat war. Trotzdem ist der Einsatz richtig, denn wir alle kennen Kosovoflüchtlinge. Allerdings ist es völkerrechtlich sehr problematisch.
Die Aufgaben der Wehrpflichtigen müssen festgelegt werden. Ein Wehrpflichtiger hat weder im Kosovo noch in Afghanistan, in Kuwait oder sonst irgendwo einen Einsatz. Vom Wehrdienst meiner Söhne weiß ich, dass es für die Wehrpflichtigen problematisch ist, nicht zu wissen, welche Aufgaben sie haben. Es herrscht Langeweile. Die Gebirgsjäger können wenigstens noch Bergsteigen und Skifahren. Es ist aber nicht unbedingt sinnvoll, dass junge Männer viele Monate ihres Lebens bei einer Bundeswehr ohne klar definierte Aufgaben eingesetzt werden.
Wir müssen eine ehrliche Diskussion über den Stand der Bundeswehr führen. Bundesverteidigungsminister Struck setzt auf eine falsche Reform, wenn er auf zivile Bedürfnisse keine Rücksicht nimmt. Alle Innenminister in Deutschland – auch die der SPD – haben Herrn Struck aufgefordert, im Gespräch mit der Bundeswehr über den Katastrophenschutz zu reden, wo sie hervorragende Arbeit macht.
Das Gespräch ist seit einem Dreivierteljahr nicht möglich, weil Herr Struck sagt: Ich mache meine Reform nur nach militärischen Gesichtspunkten. Ich sage, das ist falsch. Wir müssen bei einer von Wehrpflichtigen gestützten Armee dafür sorgen, dass diese zunächst ihre Aufgaben in Deutschland hat. Dazu gehört auch eine Vorbereitung für den Katastrophenschutz. Es ist falsch, ohne Rücksprache mit den Ländern die Hilfslazarette aufzugeben, ohne dass die Länder Ersatz haben. Was wäre denn gewesen, wenn die Anschläge von Madrid in München verübt worden wären und wir 1500 Verletzte auf einen Schlag zu behandeln gehabt hätten? Bisher können wir notfalls auch auf Hilfslazarette der Bundeswehr zurückgreifen. Dass der Bundesverteidigungsminister eine Reform macht, ohne mit den für die innere Sicherheit Verantwortlichen zu reden, ist falsch. Er vernachlässigt seine Pflichten.
Ich fordere – auch Bundesinnenminister Schily hat dies ausdrücklich unterstützt –, dass es zu einem Gespräch zwischen den Verantwortlichen für die innere Sicherheit und dem Bundesverteidigungsminister kommen muss, um diese Fragen zu erörtern. Wir sind heute für verschiedene Katastrophenszenarien schlechter gerüstet als vor zehn Jahren.