Jetzt komme ich zur Scheinheiligkeit in der aktuellen Debatte. Kollege Kaiser hat dazu schon einiges gesagt. Wir erinnern uns daran, was im Vermittlungssausschuss gelaufen ist. Sie haben angeboten, bei der Eigenheimzulage gerade einmal um 10 bis 12 % herunterzugehen. Ich erinnere an die Diskussion um die Pendlerpauschale und um das Strecken der Abschreibungszeiträume. All diese Dinge sind verhindert worden. Ich erinnere auch daran, dass
Sie sich immer spreizen, wenn es im Bundestag darum geht, eine Kerosinsteuer einzuführen. Alles, womit man mehr Gelder für den Bundeshaushalt vereinnahmen könnte oder weniger ausgeben müsste, wird von Ihnen auf anderer Ebene blockiert.
Nun komme ich zu Bayern. Selbstverständlich ringen auch wir um Konsolidierung. Sie ist auch uns wichtig. Wir wollen dies aber mit Sinn und Verstand tun, nicht mit Schnellschüssen und vor allem nicht nach dem Motto: Sparen bei den Kleinen und Klotzen im Großen,
das heißt, Milliarden für den Transrapid und für weitere Straßen auszugeben, aber beispielsweise bei der Jugendarbeit und beim Schulsport zu kürzen.
Eine solche Politik halten wir für nicht tragfähig und für nicht zukunftsfähig. Herr Kollege Ach, deswegen kann ich Ihnen nur empfehlen: Stellen Sie lieber sinnvolle Anträge. Versuchen Sie, den Amoklauf Ihrer Staatskanzlei zu verhindern, anstatt über solche Themen Aktuelle Stunden zu bestreiten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen: Der Wachstums- und Stabilitätspakt ist unverzichtbar für das Vertrauen der Bürger in einen stabilen Euro. Dieser Pakt war deshalb für uns die Bedingung zur Einführung des Euro in Deutschland. Jede Schwächung des Vertrauens verschlechtert das Investitionsklima in der gesamten Eurozone. Kollege Ach hat sehr deutlich gemacht: Bayern leistet seinen Beitrag, um den Wachstums- und Stabilitätspakt zu erfüllen. Dies kann man von der Bundesregierung nicht behaupten – im Gegenteil: Sie unterhöhlt den Wachstums- und Stabilitätspakt durch ihre Schuldenpolitik und versucht, ihn auf europäischer Ebene aufzuweichen.
Herr Kollege Kaiser, der Europäische Gerichtshof hat dem tatsächlich einen Riegel vorgeschoben. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes klärt eindeutig die Zuständigkeiten. Das Urteil ist sicherlich sehr, sehr differenziert. Man kann es nicht einfach mit einem Schlenker beiseite schieben, wie Sie es getan haben.
Fast könnte man es als Treppenwitz der Geschichte oder als fatal bezeichnen, dass ausgerechnet Deutschland, das den Wachstums- und Stabilitätspakt als tragenden Pfeiler für die Stabilität des Euro konzipiert und auf europäischer
Lassen Sie mich einfach einmal rekapitulieren: Schon im Frühjahr 2002 wurde durch politischen Druck aus Berlin der so genannte Blaue Brief, der Deutschland vor einem übermäßigen Defizit warnen sollte, verhindert. Vor der Bundestagswahl wurden die vorgeschriebenen Meldungen an die Kommission verzögert. Im November 2003 stoppten Deutschland und Frankreich gemeinsam im Rat das Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich. Dies ist ein offener Bruch von EU-Recht, das zum Schutz der gerade für Deutschland so wichtigen Preisstabilität geschaffen wurde.
Das Urteil des EuGH hat den von Frankreich und Deutschland durchgesetzten Beschluss des Rates, das Defizitverfahren bei übermäßigem Defizit auszusetzen, für nichtig erklärt. Kern des Urteils ist: Der Rat hat zwar ein Ermessen bei der Beurteilung der Wirtschaftsdaten, der Maßnahmen und des Zeitplanes, aber er kann sich nicht über die Vorschriften des Vertrages hinwegsetzen und die Vorschriften des Vertrages lösen. Das muss man sehr, sehr deutlich aussprechen.
Wie geht es weiter? Erstens. Wir, die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, bekennen uns nach wie vor eindeutig und vorbehaltlos zum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt und stärken durch unsere Politik der nachhaltigen Haushaltsdisziplin und der Preisstabilität das Vertrauen der Bevölkerung. Es ist letztlich Grundlage und Symbol für die Stabilität des Euro. Es ist wirklich ein fatales Signal, auch für die Beitrittsländer, dass die beiden Großen ein schlechtes Beispiel geben und quasi zum Vertragsbruch ermuntern.
Zweitens. Wir geben den europäischen Partnern ein Signal, dass CDU und CSU dem europäischen Stabilitätspakt in Deutschland volle Geltung und Anerkennung verschaffen wollen. Es darf nicht sein – ich wiederhole es –, dass ausgerechnet Deutschland der größte Sünder gegen den Stabilitätspakt ist.
Drittens. Wir verfolgen die Diskussionen um den Verfassungsvertrag recht aufmerksam. Wir müssen deutlich machen, dass eine Aufweichung für uns nicht in Frage kommt. Das Ziel Preisstabilität steht eindeutig im Verfassungsvertrag, aber die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist in Gefahr. Sie wird als ein EU-Organ bezeichnet und damit in die allgemeinen Politikziele der EU, insbesondere in das Wachstumsziel, eingebunden. Von daher müssen wir wachsam sein, damit nicht eine schleichende Tendenz zur Aufweichung des Paktes einsetzt.
Ich mache deutlich: Die letzte Regierungskonferenz vom 17. und 18. Juni dieses Jahres hat sich zwar erneut zu den Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes als Rahmen für die Koordinierung der Haushaltspolitik bekannt, aber die Kommission wird aufgefordert, Vorschläge zur Änderung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes vorzulegen. Ich frage Sie: Auf welche Initiative hin ist dies gefordert worden, und in welche Richtung soll die Änderung erfolgen? Wachsamkeit von uns ist also angesagt. Es hilft nichts, wenn Bayern allein den Zielen nachkommt,
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber und geschätzter Kollege Ausschussvorsitzender, ich gebe meinen Vorrednern Dr. Kaiser und Dr. Runge völlig Recht: Es ist wirklich schade, mit dieser Ersatzdebatte über Bundespolitik wertvolle Zeit zu vergeuden, die wir in die Lösung bayerischer Probleme investieren könnten.
Sie wissen doch auch und Sie haben ja gerade gehört, wenn Sie zugehört haben, wo denn die aktuellen Probleme der deutschen Wirtschaftspolitik rühren.
Vielleicht haben sie etwas damit zu tun, dass die finanzielle Seite der deutschen Wiedervereinigung gründlich in den Sand gesetzt wurde. Ich glaube, dass das Bayerische Staatsministerium der Finanzen dies auch so sieht. In der wunderschönen Broschüre „Finanzplanung des Freistaats Bayern – Grundlagen der bayerischen Haushaltswirtschaft 2003 bis 2007“ gibt es seitenweise Vergleiche der ökonomischen Kenndaten aus der Jetztzeit mit den ökonomischen Kennzahlen Ende der Neunzigerjahre. Ich schließe daraus, dass es nicht einmal das Bayerische Staatsministerium der Finanzen wagt, die ökonomischen Daten der Jetztzeit mit denen Anfang der Neunzigerjahre zu vergleichen, weil die damaligen Zahlen der schwarzgelben Bundesregierung derart grottenschlecht waren, dass sie jedem Vergleich spotten würden.
Zurück zu Bayern. Lieber Herr Kollege Ach, wir sollten den bayerischen Kurs etwas differenzierter betrachten; denn spätestens auf den zweiten Blick wird die ganze banale Realität deutlich. Um mit Josef Deimer, einem gestandenen CSUler und einem gestandenen Anwalt der kommunalen Selbstverwaltung zu sprechen: „Zuerst ziehen sie dir die Hosen aus und dann verlangen sie, den Gürtel enger zu schnallen.“
Lieber Herr Ach, das ist die banale Realität hinter der sonst scheinbar so glänzenden Fassade. Der Freistaat versucht, sich auf Kosten seiner Kommunen zu sanieren.
(Beifall bei der SPD – Manfred Ach (CSU): Warum haben Sie dann der Senkung der Gewerbesteuerumlage jahrelang nicht zugestimmt?)
Der Blick zurück – ganz ohne Zorn – auf die Nachtragshaushaltsberatungen 2004 macht deutlich: Das FAG-Volumen wurde um 309 Millionen Euro gekürzt. Das sind 5,4 %. Bei den Investitionsmitteln im FAG wurden 550 Millionen Euro gestrichen.
Lieber Kollege Ach, das ist ein Drittel. Noch ein Schmankerl am Rande: Die Mehreinnahmen aus dem Vermittlungsausschuss hat sich der Freistaat fast komplett in die eigene Tasche gesteckt. Diese Liste ist noch beliebig verlängerbar. Ich nenne hier nur die Klassiker, die Sie in diesem Frühjahr abgeliefert haben: Sie stellen 40 Millionen Euro weniger für die Wohnbauförderung, 80 Millionen Euro weniger für den kommunalen Straßenbau, 140 Millionen Euro weniger für die Abwasserförderung, 140 Millionen Euro weniger für den kommunalen Investitionsbedarf, 10 Millionen Euro weniger für die Investitionspauschale, 160 Millionen Euro weniger für die Krankenhausförderung und 45 Millionen Euro weniger für die ÖPNV-Förderung zur Verfügung. Sogar die bayerischen Feuerwehren mussten mit 3,5 Millionen Euro bluten. Kurzum: Das ist keine Liste, mit der Sie reüssieren sollten.
Hinzu kommen Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich, die mittelbare Auswirkungen auf die Kommunalfinanzen haben werden. Das sind wahrlich keine Punkte, für die man sich rühmen sollte. Für unser Fazit dieser Politik zitiere ich gerne und herzallerinnigst meinen Fraktionsvorsitzenden Franz Maget. Er sagte, dies sei seit langem der kommunalfeindlichste Haushalt, wenn nicht sogar der kommunalfeindlichste aller Zeiten.
Dieses Spiel der Entschuldung auf Kosten der bayerischen Kommunen wird auch im Vergleich mit den anderen Ländern deutlich. Schauen wir einmal auf unsere Nachbarn in Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung – gerechnet auf das Bundesland – fast doppelt soviel wie in Bayern. Aber die Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinden liegt bei der Hälfte jener der bayerischen Gemeinden.
Lieber Herr Kollege Kreuzer, das zeigt, dass Sie auf der falschen Spur sind. Die Antwort, die Sie auf diese Situation geben, indem Sie den bayerischen Kommunen die Verschuldung erleichtern, ist ebenso verkehrt wie die Abschaffung der Gewerbesteuer. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, Sie sollten keine Nebelkerzen werfen oder Nebenkriegsschauplätze eröffnen, sondern mit uns gemeinsam bayerische Probleme lösen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Kaiser, schon längst ist es nicht mehr zulässig, Argumente durch Lautstärke zu ersetzen, wenn wir über die Finanzpolitik in diesem Lande reden. Sie haben das heute wieder einmal getan. Wer gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die oft kopfschüttelnd im Parlament sitzen, eine verantwortungsvolle Diskussion über den Stabilitätspakt führen will, muss die Dinge vom Ende her sehen. Wir alle sind uns darüber klar, dass nicht nur jeder Privathaushalt und jeder Unternehmer, sondern auch der Staat nur so viel ausgeben kann, wie er einnimmt. Es gibt jedoch noch ein anderes Mittel: Man kann auch zu dem erst süßen und später bitteren Gift der Verschuldung greifen. Lieber Herr Kollege Dr. Kaiser, das haben wir im Übermaß getan. Die Folgen sind uns allen bekannt.
Herr Kollege Dr. Kaiser, ich werde Ihnen gleich ein paar Zahlen nennen. Diese Zahlen können Sie mitschreiben. Die Bundesfinanzen sind im freien Fall. Darüber gibt es keine Diskussion. Seit 1998 hat sich der Schuldenstand um über 62 % erhöht. Herr Kollege Dr. Kaiser, jetzt kommt der erste Stichpunkt zum Mitschreiben: Unter Hans Eichel hat sich der Schuldenstand seit 2003 um 147 Milliarden Euro erhöht. Das war der erste Punkt, den Sie mitschreiben sollten.
Der zweite Punkt. Bund, Länder und Gemeinden zahlen aufgrund der Fakten, die Herr Kollege Dr. Bernhard genannt hat, täglich 200 Millionen Euro an Zinsen.