Protokoll der Sitzung vom 20.10.2004

(Franz Schindler (SPD): Ab 2019!)

Herr Kollege Schindler, ab dem nächsten Jahr. Das wissen Sie genau. Sie haben sich unsere Zahlen angesehen. Bereits ab dem nächsten Jahr ist mit Einsparungen in Höhe von 800 000 Euro zu rechnen, nicht erst in zehn Jahren. Wir werden relativ rasch bei den genannten 1,5 Millionen Euro sein. Was Sie sagen, stimmt nicht.

(Franz Schindler (SPD): Nach Ihrem Gesetzentwurf wird das 2019 der Fall sein!)

Wir werden sehr schnell, bereits ab dem nächsten Jahr, deutliche Einsparungen haben. Zu den genannten 1,5 Millionen Euro möchte ich noch Folgendes sagen: Wenn wir uns die Gesamtsituation in Deutschland anschauen, ist das eine ganze Menge.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Es hätte noch andere Einsparmöglichkeiten gegeben! Es gab doch Alternativen, oder nicht?)

Wir haben Alternativen. Wir haben diese Alternativen durchgerechnet. Die entsprechenden Zahlen wurden Ihnen vorgelegt. Dazu haben wir Rede und Antwort gestanden. Es gab keine Alternative, die nur im Geringsten an diese Einsparmöglichkeit herangekommen wäre. Ich möchte das noch einmal deutlich sagen. Es gab auch keine Alternative, die den weiteren Zielen, die wir mit diesem Gesetz verfolgen, nahe gekommen wäre.

Frau Kollegin Stahl, wenn wir uns in einer Zeit, in der es der Wirtschaft schlecht geht, nicht fortentwickeln würden, würde das einen Rückschritt bedeuten. Wie sollen wir uns in einer sich globalisierenden Welt durchsetzen, wenn wir bei solchen Entscheidungen bereits einknicken und nicht bereit sind, sie zu treffen? Alle verantwortungsvollen Menschen in Wirtschaft und Politik wissen längst, dass zur Zukunftssicherung unseres Landes auf ganz breiter Front gespart werden muss.

(Allgemeine Unruhe)

Frau Ministerin, ich muss Sie für einen Moment unterbrechen. Ich richte an alle Seiten des Hauses die Bitte, ruhiger zu sein und zuzuhören.

Sehen Sie sich doch nur die Situation an. Lesen Sie die Zei

tung. Wenn Sie sich die Vorgänge um Karstadt betrachten oder das Drama bei Opel, erkennen Sie, dass hier gearbeitet werden muss. Meine Damen und Herren, Ihre Reaktionen zeigen mir, dass ich gerade wunde Punkte anspreche.

(Widerspruch bei der SPD – Joachim Wahnschaf- fe (SPD): Was hat das mit dem Bayerischen Obersten zu tun?)

Wie hoch müssen die Rauchsäulen eigentlich noch werden, bis die SPD und die GRÜNEN merken, dass es brennt?

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Bei Ihnen brennt es doch!)

Sagen Sie Ihren Parteifreunden in Berlin einmal, dass sie eingreifen müssen. Überlassen Sie nicht alles der Bayerischen Staatsregierung.

(Beifall bei der CSU)

Für die Justiz sind 1,5 Millionen Euro eine Menge Geld, für das wir lange kämpfen müssen. Insofern kann ich Ihr Verhalten überhaupt nicht verstehen. Sie haben unsere Zahlen immer in Zweifel gezogen. Sie haben ständig bezweifelt, dass wir richtig gerechnet hätten. Seit vier Monaten liegen die Zahlen vor. Herr Kollege Schindler, ich weiß nicht, ob Sie immer noch rechnen oder ob Sie inzwischen gemerkt haben, dass diese Rechnung ordentlich gemacht wurde.

Meine Damen und Herren, ich möchte deutlich sagen: Wir wollen eine bürgernahe Justiz. Heute wurde vieles zur Bürgernähe gesagt. Ich möchte noch einmal betonen: Wir wollen in Bayern drei starke Oberlandesgerichte haben. Wir wollen Oberlandesgerichte in München genauso wie in Bamberg und in Nürnberg. Mit unserem Gesetzentwurf stärken wir diese Oberlandesgerichte. Wir stärken damit auch die Bürgernähe unserer Justiz.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist doch Quatsch!)

Herr Kollege Schindler, da Sie nicht verstehen, warum Zweigstellen in die Amtsgerichte eingegliedert werden, muss ich Ihnen sagen: Das ist auch ein Thema, das mit Bürgernähe viel zu tun hat. In Zukunft haben 172 000 Einwohner jeweils ein Amtsgericht. Das ist eine gute Zahl. Wenn wir erreichen wollen, dass unsere Gerichte auf Dauer funktionieren und wir es schaffen wollen, dass unsere Gerichte auch dann wirtschaftlich arbeiten, wenn an einer Zweigstelle Mitarbeiter in Urlaub oder krank sind, müssen wir entsprechend handeln.

Es geht darum, mehr Qualität für die Bürger sowie sichere Öffnungszeiten anzubieten, die die Zweigstellen leider Gottes nicht anbieten können. Diesem Thema werden wir uns widmen.

Ich möchte die veränderten Rahmenbedingungen ansprechen. Frau Stahl hat von einer „Zersplitterung“ gesprochen. Wir machen jedoch eine Strukturreform und konzentrieren uns auf einfachere Instanzenzüge, was einen geringeren Verwaltungsaufwand zur Folge hat und die Ressourcen

unserer Justiz optimal nützt. Warum brauchen wir neben unseren drei Oberlandesgerichten noch ein viertes Gericht, nur um dort Aufgaben der drei anderen zu zentralisieren? Ich möchte an Herrn Schindler und Frau Stahl gerichtet sagen: Sie irren. Nicht das Bayerische Oberste Landesgericht ist das höchste bayerische Gericht, organisatorisch ist die Spitze der Judikative der Verfassungsgerichtshof. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist eine Sonderform eines Oberlandesgerichts bzw. eines Teils des Bundesgerichtshofs.

Unser Entwurf hebt die Zentralisierung beim „Obersten“ auf und nutzt die dazu vorhandenen Strukturen. Wir haben zugleich mit unserem Gesetz sichergestellt, dass es keinen Qualitätsverlust gibt. Die Aufgaben des Bayerischen Obersten werden durch unsere Oberlandesgerichte übernommen. Wo es Sinn macht, nämlich bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit und den Bußgeldsachen, werden sie an einem Gericht gebündelt.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre Behauptung, die Oberlandesgerichte könnten der neuen Aufgabe nicht in gleicher Weise wie das Bayerische Oberste gerecht werden, weil die dortigen Richter das nicht könnten, verstehe ich nicht. Die Richter des Bayerischen Obersten kommen in aller Regel von den Oberlandesgerichten, und sie werden in Zukunft auf der Ebene der Oberlandesgerichte Recht sprechen. Ich muss fragen: Warum zweifeln Sie eigentlich das Können der Richter unserer Oberlandesgerichte an?

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ihr persönliches Können bezweifeln wir!)

Warum, Frau Stahl, sprechen Sie in Bezug auf die übrigen Gerichte vom „Rest“? Ist das Ihre Einstellung zur bayerischen Justiz? Darin, meine Damen und Herren von der Opposition, unterscheiden wir uns nämlich. Ich baue auf unsere Richter, und zwar in toto, und Sie misstrauen Ihnen. Ich setze auf die Qualität der bayerischen Justiz, und Sie reden grundlos Qualitätsverluste herbei.

Lassen Sie mich noch einen Punkt zur Traditionssymbolik des Bayerischen Obersten ganz offen ansprechen: Herr Schindler hat vorhin unseren Ministerpräsidenten zitiert, als er im Jahre 2000 Herrn Präsident Gummer in sein Amt eingeführt hat. Es waren damals – ich möchte das betonen – andere Zeiten, und veränderte Situationen verlangen von verantwortungsvollen Politikern, ihr Handeln zu ändern. Wenn Sie nicht glauben, dass man das Handeln ändern muss, dann schaue ich mir nachher das Abstimmungsverhalten von Herrn Maget an. Herr Maget hat noch letztes Jahr davon gesprochen, dass das Bayerische Oberste doch eigentlich abgeschafft werden sollte; das sei „vernünftig und logisch“, und das Gericht sei „so überflüssig wie ein Kropf“. Das habe ich noch nie gesagt, aber wenn es so war, dann schauen wir einmal, Herr Maget, was Sie heute machen.

Die Ausführungen zur Geschichte, die uns heute um die Ohren geflattert sind, sind überhaupt erstaunlich. Herr Volkmann, Sie werfen uns Geschichtslosigkeit vor. Ich hoffe, Sie wissen, worauf Sie sich beziehen, wenn Sie von den Wurzeln des Bayerischen Obersten sprechen. Es handelt sich

um das kurfürstlich-bayerische Revisorium als Vorläuferinstitution des Bayerischen Obersten, das zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges entstanden ist, aber nicht auf bayerische Initiative, sondern durch Edikt aufgrund eines kaiserlichen Privilegs. Damit sollte die Waffenbrüderschaft zwischen den Wittelsbachern und den Habsburgern unterfüttert werden. Es war ein Agieren im Kampf gegen den Protestantismus. Es handelt sich also um ein Kind katholischer Machtpolitik, um eine Errungenschaft der Gegenreformation, ein Bollwerk gegen protestantische Einflüsse. Das war einmal das Revisorium. Man kann nur staunen, für welche Ideen sich die bayerische SPD plötzlich begeistert.

(Beifall bei der CSU)

Leider haben die Genossen und GRÜNEN nicht erkannt, dass die Gerichtsverfassung heute ein wenig anders ausschaut als zu Wallensteins Zeiten. Das Revisorium war oberste Instanz für Klagen bayerischer Bürger, und für Bayern stand es anstelle des Reichskammergerichts. Heute ist das Bayerische Oberste aber nahezu ohne bayerische Sonderkompetenzen, es stellt vielmehr eine besondere Organisationsform dar. Das bedeutet, dass in Bayern ein Spezialgericht in Fällen entscheidet, in denen sonst in Deutschland die Oberlandesgerichte entscheiden, von denen wir in Bayern drei haben und von denen wir eine gleiche Qualität der Rechtsprechung erwarten dürfen.

Ich frage Sie: Bedeutet es wirklich ein Ende der bayerischen Rechtskultur, wenn über weitere Beschwerden in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Zukunft nicht mehr die Richter des Bayerischen Obersten entscheiden, sondern die Richter des Oberlandesgerichts München? Bedeutet es wirklich ein Ende der bayerischen Eigenständigkeit, wenn Rechtsbeschwerden in Bußgeldsachen in Zukunft nicht mehr in München, sondern am Oberlandesgericht Bamberg behandelt werden? Bedeutet es wirklich das Ende einer vernünftigen Rechtsprechung, wenn in Zukunft Revisionen in Strafsachen auch in Nürnberg verhandelt werden? Verstehen Sie mich nicht falsch: Das Bayerische Oberste Landesgericht hat hervorragende und überall anerkannte Arbeit geleistet; daran zweifelt niemand, und niemand redet es schlecht.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ist das ein Grund, es abzuschaffen?)

Es steht aber nicht allein für die bayerische Justiz. Das Bayerische Oberste steht in der obersten Etage eines ganzen Verbundes, der von der Justizschule in Pegnitz bis zum Amtsgericht Lindau, vom Landgericht Aschaffenburg bis zur JVA Passau reicht. Ich habe vor diesem Hause die gesamte bayerische Justiz in ihrer Komplexität und nicht nur ihre Spitze zu verantworten. Weil es um die Zukunft unserer gesamten Justiz geht, bitte ich Sie darum, die bayerische Justiz für die Anforderungen der Zukunft fit zu machen. Wir sind auf einem guten Weg. Helfen Sie mir, einen Beitrag für die Konsolidierung unseres Haushalts zu leisten. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU)

Damit sind die Beratungen abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf auf der Drucksache 15/1061 zugrunde.

(Unruhe)

Ich bitte um Aufmerksamkeit. Es muss auch in diesem Raum möglich sein, eine entsprechende Konzentration aufzubringen.

Der Abstimmung liegt weiterhin die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf Drucksache 15/1780 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe von Änderungen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 15/1780.

Wer dem Gesetzentwurf mit den vom endberatenden Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen vorgeschlagenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES/90 DIE GRÜNEN und sieben Abgeordnete aus den Reihen der CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Ein Abgeordneter von der CSUFraktion. Dann ist so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Diese soll, wie in § 127 Absatz 2 der Geschäftsordnung vorgesehen, in namentlicher Abstimmung erfolgen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt – an beiden Enden des Sitzungssaals sowie auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Hierzu stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 10.19 bis 10.24 Uhr)

Meine Damen und Herren, die fünf Minuten sind vorbei. Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Ich unterbreche die Sitzung so lange, bis das Stimmergebnis ausgezählt ist. Das ist in diesem Falle angemessen.

(Unterbrechung von 10.25 bis 10.30 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Sitzung wieder auf. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Das Abstimmungsergebnis sieht folgendermaßen aus: Abgestimmt haben 156 Abgeordnete. Mit Ja haben 94 gestimmt, mit Nein 59, Stimmenthaltungen gab es drei. Damit ist das Gesetz so beschlossen. Es trägt den Titel: „Gesetz zur Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht (Gerichtsauflö- sungsgesetz – BayObLGAuflG)“

(Abstimmungsliste siehe Anlage)

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Tagesordnungspunkt 8 a Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften (Finanzausgleichsän- derungsgesetz 2005) (Drucksache 15/1736) – Erste Lesung –

Tagesordnungspunkt 8 b Gesetzentwurf der Staatsregierung über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2005 und 2006 (Haus- haltsgesetz – HG – 2005/2006) (Drucksache 15/1737) – Erste Lesung –

Das Wort hat der Staatsminister der Finanzen.