Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

(Margarete Bause (GRÜNE): Jetzt ist Herr Huber da! – Ulrike Gote (GRÜNE): Aber der ist nicht zuständig!)

Mehr Demokratie und Mitsprache für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Staatsbediensteten müssen nicht nur das Ziel einer erfolgreichen Verwaltungs- und Justizreform sein, sondern mehr Demokratie und Mitsprache müssten der Leitfaden der Reform selbst sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Davon habe ich aber bei den Reformbemühungen der Staatsregierung und Ihren Bemühungen, Herr Minister Huber, noch nichts gemerkt. Im Gegenteil: Die Staatsregierung und allen voran Ministerpräsident Stoiber und Sie, Herr Minister Huber, wollen die Verwaltung genau nach den Prinzipien reformieren, derentwegen sie reformiert werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Huber, Sie reformieren, wie schon Montgelas vor 200 Jahren, von oben herab – wie aufgeklärte Absolutisten, wenngleich ich manchmal meine, Montgelas war bestimmt aufgeklärter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Betroffene Beamtinnen und Beamte werden genauso vor vollendete Tatsachen gestellt wie die betroffenen Kommunen und wie wir, Kolleginnen und Kollegen. Auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dürfen immer nur dann mitreden, wenn schon alles entschieden ist. Wir sind damit nicht zufrieden. Wir nehmen dieses Parlament und seine Arbeit ernst.

Kolleginnen und Kollegen, an der Frage, wie das neue Landesumweltamt organisiert wird, entscheidet sich, ob die Verwaltungsreform Verbesserungen bringen wird, und zwar für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, oder ob weiter nach den alten falschen Prinzipien regiert und verwaltet wird. Die Verlagerung nach Hof ist ein Paradebeispiel für Pfusch beim Reformieren und droht zum Sündenfall zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn der Umzug wie von der Staatsregierung vorgeschlagen kommt, dann sind alle Prinzipien über den Haufen geworfen, die die Staatsregierung für die Reform selbst aufgestellt hat. Wie sehen diese Prinzipien aus? – Wir begrüßen ausdrücklich die Ziele, die Sie, Herr Minister Huber, hier in diesem Hause vorgestellt haben und die die Staatsregierung sich gesetzt hat. Sie sagen, Sie wollen die Aufgabenerfüllung optimieren, die Fachkompetenz erhöhen und mehr Effizienz und Dienstleistungsorientierung gewährleisten. Das wären im Vergleich zum jetzigen Zustand wirkliche Verbesserungen, aber leider klaffen erklärte Absicht und tatsächliche Umsetzung wieder einmal weit auseinander.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir begrüßen es auch, dass die Staatsregierung sich vorgenommen hat, die Strukturen, die über Jahre und Jahrzehnte gewachsen sind, zu überprüfen und auf heutige Anforderungen auszurichten. Wir halten es für richtig, die bisherigen selbstständigen Landesämter Geologisches Landesamt, Landesamt für Wasserwirtschaft und Landesamt für Umweltschutz sowie die umweltbezogenen Aufgaben des Landesamtes für Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik organisatorisch zusammenzufassen. Wir kritisieren allerdings, dass sich

die Staatsregierung dabei nicht an ihren eigenen Zielen und Leitvorstellungen orientiert.

Kolleginnen und Kollegen, gegen einen Umzug nach Hof sprechen fünf wichtige Gründe: Erstens. Wenn das neu zusammengelegte Landesumweltamt gleich wieder auseinander gerissen wird, werden auch nicht mehr alle von der Staatsregierung für die Reformen festgelegten Ziele erreicht. Zweitens. Eine Ämterverlagerung ist standortpolitisch nicht zu rechtfertigen. Sie bringt den Menschen im Raum Hof keine wirklichen Verbesserungen. Drittens. Ein Umzug nach Hof ist fachlich nicht zu rechtfertigen. Viertens. Ein Umzug ist auch unter finanziellen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Fünftens. Die Verwaltungsreform darf nicht zum Geschacher um Pfründe verkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zum ersten Punkt, den Zielen der Staatsregierung. Sie, Herr Minister Huber, haben erklärt, das Projekt „Verwaltung 21“ ziele auf – ich zähle auf – Optimierung der Aufgabenerfüllung, Effizienz und Dienstleistungsorientierung, Erhöhung der Fachkompetenz durch Verschmelzung fachlich zusammenhängender Aufgaben, Steigerung der Effizienz durch Zusammenfassung von Behörden und Aufgabenbereichen sowie Senkung der Kosten für die Leitung. Diese Leitvorstellungen lassen sich durch eine rein organisatorische Zusammenführung genauso gut umsetzen wie durch eine räumliche Zusammenlegung.

Das beste Beispiel dafür ist die neue Landesanstalt für Landwirtschaft. Bei dieser erfolgreichen Reform ist es gelungen, die früher zersplitterten Landesanstalten ohne große Baumaßnahmen und Umzüge rein organisatorisch zusammenzufassen. Sie wurden konzeptionell und inhaltlich modernisiert und neu ausgerichtet. Aber das war eine Reform unter fachlicher Leitung nach fachlichen Gesichtspunkten. Auch beim zusammengefassten Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit kam man mit Erfolg ohne große Baumaßnahmen und Umzüge aus. Beide Ämter – die LfL und das LGL – konnten ihre Aufgaben optimieren und Kosten senken ohne eine räumliche Zusammenlegung an einem Ort.

Diese fachlich begründete Neuorganisation muss Vorbild auch für das neue Landesumweltamt sein. Wenn nicht umgezogen werden muss, wird auch nicht gegen die übrigen Leitvorstellungen verstoßen.

Denn weitere Ziele der Staatsregierung lauten – ich rufe sie in Erinnerung: Schaffung von kundenorientierten Verwaltungsstrukturen durch ausgewogenes Verhältnis von Dezentralisierung einerseits und Vorhalten hoher Fachkompetenz andererseits; Straffung von Verfahren durch Abbau von Schnittstellen. Diese Ziele sind mit einer Verlagerung nicht mehr zu erreichen. Gegen diese Zielsetzungen wird dann verstoßen. Der fachliche Schwerpunkt des neuen Umweltamtes liegt großenteils im Umfeld der bisherigen Standorte. Durch Verlagerungen werden Aufgabennähe und die damit verbundene operative Effektivität beeinträchtigt. Durch organisatorische Zusammenführungen könnten erhebliche Synergieeffekte und Effizi

enzgewinne erzielt werden, und zwar auch und gerade im Umfang des von der Staatsregierung vorgegebenen Einsparungsziels. Das zeigen die erfolgreichen Beispiele der neuen Landesanstalt für Landwirtschaft und die des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Die von der Staatsregierung angestrebte langfristige Entlastung der öffentlichen Haushalte durch Personalreduzierung könnte also sachgerecht umgesetzt werden, ohne dass zusätzliche Kosten für Bau und Umzug entstehen.

Zweitens. Eine Ämterverlagerung ist kein Ersatz für eine gescheiterte Strukturpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für eine Teilverlagerung der neuen Umweltbehörde nach Hof gibt es keine sachgerechten Gründe. Es gibt nur das so genannte standortpolitische Argument. Die strukturpolitischen Effekte einer solchen Verlagerung sind aber höchst zweifelhaft. Sie sind bis jetzt nicht dargelegt worden. Die Staatsregierung behauptet zwar, es gäbe positive monetäre und nicht monetäre Faktoren für die Region Hof. Sie hat dies bisher aber nicht ausreichend begründet. Den Menschen in Oberfranken hilft keine Symbolpolitik. Ein Ämterumzug ist eben kein Ersatz für die falsche Strukturpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist richtig, Kolleginnen und Kollegen, den Menschen im Raum Hof zu helfen und sie zu unterstützen. Wenn Sie ihnen aber wirklich helfen wollen, Kolleginnen und Kollegen, dann unterstützen Sie sie in ihrer Fähigkeit, sich selber zu helfen. Investieren Sie zum Beispiel in die Ausbildung der Menschen in Hof. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf.

(Widerspruch bei der CSU)

Das laste ich nicht den Menschen in Hof an. Das laste ich Euch an. Die Staatsregierung hat hier versagt. Es ist Eure Schuld, dass es regionale Disparitäten in der Ausbildung gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Leute in Hof sind doch nicht blöder als die Leute in Oberbayern. Wenn Sie das behaupten, dann erzähle ich es weiter. Die Leute sind nicht blöder. Blöd ist die Staatsregierung, wenn sie diese Defizite nicht endlich beseitigt.

(Thomas Kreuzer (CSU): Herr Präsident Glück! Der hat die Staatsregierung als blöd bezeichnet!)

Ich habe „wenn“ gesagt. Aber ich nehme einmal an, dass die Staatsregierung nicht so blöd sein wird. Ich habe nicht gesagt, sie ist blöd, sondern sie wäre blöd, wenn -

Herr Kollege Dr. Dürr, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erwin Huber?

Das geht von meiner Redezeit ab.

(Zurufe von der CSU)

Jetzt bin ich dran. Kollege Huber, die Staatsregierung kann sich jederzeit zu Wort melden, aber nicht während meiner Redezeit.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

In Hof gibt es besonders viele Schulabgänger ohne Abschluss. Auch wenn Sie es nicht hören wollen, 16 % sind es in Hof-Stadt und 14 % in Hof-Land. Damit ist Hof negativer Spitzenreiter in Bayern. Das ist Ihre Politik, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Hof liegt die Übertrittsquote zum Gymnasium nur bei 29,4 %. Das ist weit unter dem Durchschnitt Oberfrankens. Das ist Ihre Politik. Da können Sie etwas tun. Mit zusätzlichen Investitionen in die Ausbildung dieser benachteiligten Menschen tun Sie etwas für die Region und für die Menschen, nicht aber mit ihrer komischen Ämterverlagerung. Nur dann bekommen sie echte Chancen.

Drittens. Ein Umzug nach Hof ist fachlich nicht zu rechtfertigen.

(Zurufe von der CSU)

Unsere Kultusministerin ist ungefähr auf dem Niveau -- Reden wir nicht weiter.

(Christian Meißner (CSU): Jetzt wird es aber gefährlich für Sie!)

Deshalb halte ich mich lieber zurück.

Ein Umzug ist fachlich nicht zu rechtfertigen. Nach einer Kosten-Nutzen-Analyse, welche die Leiter der Landesämter für Umweltschutz und für Wasserwirtschaft und des geologischen Landesamtes erstellt haben, ist die Teilverlagerung einzelner Abteilungen nach Hof die schlechteste aller Varianten. Diese Verlagerung bringt nicht nur die geringsten prozentualen Einsparungen, sondern sie hat auch die wenigsten Effekte beim Stellenabbau. Bei der Landtagsanhörung zur Reform der Wasserwirtschaftsverwaltung wurde doch deutlich, dass der Schwerpunkt der Aufgaben dieses Amtes in Südbayern liegt.

Bereits am 16. Mai 1991 lehnte der damalige Staatsminister Stoiber eine Verlagerung des Landesamtes für Wasserwirtschaft ab, und zwar mit den Worten:

Da überwiegt doch der Anteil der Spezialisten. Da überwiegt doch die Situation, dass die Zusammenarbeit mit den Universitäten, mit den Spezialinstituten notwendig ist … Deswegen ist diese Behörde Landesamt für Wasserwirtschaft auch nicht verlagerungsfähig.

Wenn er einmal Recht hat, dann hat er Recht, und da geben wir ihm auch Recht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Viertens: Ein Umzug nach Hof ist auch unter finanziellen Gesichtspunkten falsch. Der Finanzminister hat, wie bekannt geworden ist, den Umzug zunächst wegen der hohen Kosten und Folgekosten abgelehnt. Diese Bedenken wurden aber von Minister Huber nicht ausgeräumt. Sie sind nicht zu widerlegen. Es gibt hohe Kosten und Folgekosten. Diese Argumente wurden nur weggewischt mit dem Satz: Hof muss einfach etwas bekommen. Geld spielt bei dieser Entscheidung keine Rolle mehr. Kollege Herrmann, der jetzt nicht da ist, hat es Anfang der Woche auch in dankenswerter Offenheit eingeräumt. Auch fachliche Einwände spielen keine Rolle. Ich zitiere den Kollegen Herrmann: