Protokoll der Sitzung vom 12.11.2004

Er ist zudem auf Dauer in alleiniger öffentlichrechtlicher Verantwortung zu bewirtschaften.

Der Begriff „Verantwortung“ ist außerordentlich dehnbar. Es heißt nicht, er bleibt „im Eigentum“, sondern es heißt nur „in öffentlich-rechtlicher Verantwortung“. Eine ähnliche Formulierung gibt es zum Privatfunk auch. Dort haben wir Privatfunk und privates Fernsehen. Es wird also Tür und Tor für die Privatisierung unserer Wälder geöffnet. Sie haben das bisher nicht gemacht, weil die Gründung einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft und die Ausleihe des Personals dafür umsatzsteuerpflichtig gewesen wäre und Sie die Umsatzsteuer zumindest teilweise nach Berlin hätten abführen müssen. Das ist der einzige Grund. Es wird aber klar, dass Sie damit die Privatisierung einleiten.

Gewinnmaximierung und Gemeinwohlorientierung sind ein Widerspruch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Beantwortung der Interpellation zeigt deutlich, welch wichtige Funktion speziell die Wälder im Staatsbesitz für die Allgemeinheit und den Schutz unserer Lebensgrundlagen haben. Wir teilen die Beurteilung, die das Ministerium gegeben hat. Ich möchte einiges aus der Interpellation zitieren, um herauszustreichen, welch wichtige Funktion die Wälder haben. Wir haben nachgefragt:

Welche volkswirtschaftliche Bedeutung misst die Staatsregierung dem Lawinenschutz durch die Gebirgswälder zu?

Das Ministerium antwortet dazu:

Nach den Ergebnissen der Waldfunktionsplanung dienen rund 40 % der Gebirgswälder dem Lawinenschutz. … Sie haben damit eine herausragende volkswirtschaftliche Bedeutung, die allerdings nicht quantifiziert werden kann. Einen Hinweis auf den „Wert“ von Wäldern mit direktem Objektschutz gibt folgende Betrachtungsweise:

Die Erhaltung und Pflege eines intakten Schutzwaldes erfordert alle 10 bis 20 Jahre einen Aufwand von circa 1000 bis 3000 Euro pro Hektar, die Sanierung eines in seiner Schutzwirkung beeinträchtigten Schutzwaldes kostet rund

50 000 Euro/ha, für eine technische Lawinenverbauung ist ein Aufwand von bis zu 500 000 Euro/ ha anzusetzen. …

Wenn Sie nun durch das Zurückschrauben der Gemeinwohlfunktionen und durch das Bestreben zur Gewinnmaximierung die Schutzwälder gefährden, werden à la longue in wesentlich größerem Umfang Kosten anfallen, als das bislang der Fall ist, um insbesondere die Siedlungen im Alpenraum zu schützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben nach dem Hochwasser gefragt. Der Wald hat eine enorme Bedeutung für den Hochwasserschutz und zur Abwendung von Gefahren. Die Hochwässer der letzten Jahre haben in Bayern Milliardenschäden angerichtet. Intakte Wälder sind hervorragend geeignet, die Schäden zu minimieren. Eine intensivere Nutzung wird den vorbeugenden Hochwasserschutz infrage stellen.

Wir haben eine Frage zur Gemeinwohlfunktion der Erholung gestellt. Auch hier haben wir eine klare und deutliche Antwort von der Staatsregierung erhalten, die wir in der Form teilen:

Die Erholungsfunktion der Wälder erbringt einen hohen volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen. Ihr wird deshalb in all ihren Ausprägungen (Feiera- bend-, Wochenenderholung, Urlaub/Tourismus) auch weiterhin die gleiche hohe Bedeutung beigemessen.

Die Bedeutung sehen wir genauso ein wie das Ministerium. Bei dem, was Sie vorhaben, wird aber der Bereich Erholung ganz gewaltig leiden.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das ist reine Spekulation!)

Nein, Herr Kollege Kreuzer, das ist keine Spekulation. Sie sollten sich den Gesetzentwurf anschauen.

In Artikel 18 des vorgelegten Gesetzentwurfs ist der Konfliktfall per se eingebaut im Bereich Erholung. Sie erheben ganz neu – das ist eine materiell-rechtliche Änderung des Waldgesetzes – die Jagd zur Gemeinwohlfunktion. Die Jagd hat zwar ihre Berechtigung, aber sie ist Naturnutzung und keine Gemeinwohlfunktion.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Belange der Jagd sind zukünftig wesentlich stärker im Staatsforst zu berücksichtigen als bisher. Gerade in den letzten Tagen gingen mir Hubertusreden in einem erheblichen Umfang zu, in denen vonseiten der Jagd gewaltig gegen die Erholungssuchenden in unseren Wäldern polemisiert wird. Jogger, Walker und Reiter sind offensichtlich das Feindbild. Ich könnte Ihnen Dutzende von Reden zeigen, in denen dies vorkam.

(Thomas Kreuzer (CSU): Sie fordern doch hohe Abschüsse! – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aber nicht von Joggern!)

Darauf komme ich später zu sprechen, Herr Kollege Kreuzer.

Mit der Jagd als Gemeinwohlfunktion haben Sie einen deutlichen Widerspruch zur Gemeinwohlfunktion Erholung konstruiert. Es wird wesentlich mehr Probleme geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Wald ist auch für den Natur- und Artenschutz ein wesentlicher und wichtiger Faktor. Das zeigt auch die Antwort der Staatsregierung:

Wälder haben generell eine hohe Bedeutung für die natürliche Artenvielfalt, da sie einerseits für fast ganz Bayern die natürliche Klimaxvegetation darstellen, andererseits aufgrund ihrer extensiven Bewirtschaftung und der vergleichsweise wenig vom Menschen beeinflussten Stoffein- und -austräge sich vielerorts in einem relativ naturnahen Zustand befinden.

Jetzt klar und deutlich:

Dies gilt besonders im Staatswald, in dem seit mehr als 25 Jahren ein naturnaher Waldbau betrieben wird. Darüber hinaus enthält der Staatswald weit überdurchschnittlich viel Wald auf ökologisch besonders bedeutsamen Sonderstandorten wie Gebirgswald, Auwald oder Moorwälder. Ein weit überproportionaler Anteil an Staatswald in Schutzgebieten nach Naturschutzrecht belegt auch das Bestreben der Staatsregierung nach Erhalt der biologischen Vielfalt in diesen Wäldern.

In der Vergangenheit hat die Staatsforstverwaltung durchaus gute Leistungen erbracht. Ein Drittel des Staatsforstes ist als Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiet, FFH, gemel

det. In den beiden Gesetzentwürfen, die Sie vorgelegt haben, wird FFH überhaupt nicht erwähnt.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das hat im Waldgesetz nichts zu suchen!)

Natürlich, das hat dort schon etwas zu suchen, Herr Kollege Kreuzer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist klar, wohin Sie wollen. Sie schreiben das gar nicht ins Gesetz und versuchen es totzuschweigen, weil Sie Gewinnmaximierung betreiben und nicht die Gemeinwohlfunktionen nach vorne bringen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zu anderen Punkten: Der Grundwasserschutz zur Sicherung der Lebensgrundlage Wasser besitzt eine außerordentlich hohe Bedeutung für die Daseinsvorsorge. Dies gilt für Wälder mit Wasserschutzfunktionen in besonderer Weise. Wir müssen an dieser Stelle – und das möchte ich auch hiermit tun – der Staatsforstverwaltung für die geleistete Arbeit danken, auch für die Beantwortung der vorliegenden Interpellation.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund dieser Leistungen ist die Presseerklärung, die die Fraktionsleitung den CSU-Abgeordneten unterzujubeln versucht hat und die an die „Abendzeitung“ gelangt und dann auch in andere Zeitungen gekommen ist, in meinen Augen eine einzige und absolute Frechheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das muss man einmal in aller Deutlichkeit hier feststellen. Die Fraktionsspitze der CSU wollte ihren Abgeordneten in den Mund legen – Zitat –: Was ist das für eine Liebe, weiterhin eine teure Bürokratie zu pflegen, anstatt sich wirklich vernünftig um den Wald zu kümmern? Am Schreibtisch produziert man keine bessere Waldluft, sondern höchstens Büromief. Wir wollen keine Bürohengste, sondern wir wollen den Amtsschimmel mit unserer Reform aus den Verwaltungsstuben treiben! – Das ist eine grobe Beschimpfung und Beleidigung der verdienten Beamten in der Staatsforstverwaltung. Sie von der CSU sollten sich schämen!

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE): Pfui!)

Jetzt kommen keine Zwischenrufe mehr, Herr Kreuzer? Oder?

(Thomas Kreuzer (CSU): Ich habe gedacht, Sie seien schon fertig und war schon froh, aber derweil blättern Sie bloß um!)

Nein, ich habe noch eine Viertelstunde Redezeit, Herr Kollege.

(Margarete Bause (GRÜNE): Weiter so!)

Sie wollen mit Ihren Gesetzentwürfen die Privatwaldberatung in der bestehenden Form abschaffen, obwohl die Privatwaldberatung – auch das zeigt die Beantwortung der Interpellation – durchaus deutliche Erfolge gezeitigt hat. Wir haben gefragt: „Welche Effekte hatte die kostenlose Privatwaldberatung im Bereich Waldbau?“ Die Staatsregierung antwortete darauf: „Insgesamt hat die Beratung durch die Staatsforstverwaltung wesentlich zu einer Steigerung des Laubholzanteils und zu einer Erhöhung der Strukturvielfalt im Privatwald beigetragen.“ Sie war damit aus unserer Sicht eindeutig erfolgreich. Ich frage mich, warum Sie sie in der bestehenden Form abschaffen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben vor, das über die so genannte Stärkung der Selbsthilfegemeinschaften auszugleichen. Dazu muss ich sagen: Ich zweifle etwas daran – gelinde gesagt –, ob das so wirksam werden wird. Denn erstens stehen die Geldmittel, die Sie in den Haushalt einstellen, unter dem Vorbehalt der Haushaltsgesetzgebung und damit der Frage, wie viele Mittel überhaupt zur Verfügung stehen. Das sagt auch Herr Miller in seiner Beantwortung der Interpellation ganz klar.

Lassen Sie uns dazu einen Blick in den Haushalt und darauf werfen, was in der Vergangenheit an Verwaltungskosten an die forstlichen Zusammenschlüsse geflossen ist und welche Zuschüsse für Maßnahmen im Privatwald gegeben wurden: Im Jahr 2001 standen für den Privatwald 10,6 Millionen Euro zur Verfügung, im Jahr 2002 waren es 9,3 Millionen Euro, im Jahr 2005 werden es noch 2,7 Millionen sein und im Jahr 2006 4,3 Millionen. Sie fahren also im Prinzip die Geldmittel nach unten, nicht nach oben. Das Einzige, was erhöht wird, sind die Zuschüsse zu den Verwaltungskosten. Die Forstbetriebsgemeinschaften werden nicht viel besser gestellt, als sie es momentan schon sind. Sie sollen aber die gute Privatwaldberatung übernehmen, die der Staatsforst derzeit macht. Das kann so nicht funktionieren, meine Damen und Herren von der CSU!

(Beifall bei den GRÜNEN)