Protokoll der Sitzung vom 01.12.2004

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gerade mit dem Kennzeichen-Scanning schaffen Sie eine kritikwürdige Überwachungsinfrastruktur. Davon einmal abgesehen, ist es auch fragwürdig, wie viele Erfolge das bringen wird.

Bei der präventiven Wohnraumüberwachung ziehen Sie, was Sie ursprünglich so gerne vermieden hätten – tatsächlich und immerhin – Konsequenzen aus dem Verfassungsgerichtsurteil. Sie ziehen Konsequenzen aus dem Lauschangriffurteil. Dabei haben Sie sich anfangs noch dagegen gesträubt. Weshalb Sie aber dann bei einzelnen Teilen inkonsequent bleiben, erschließt sich mir nicht. Warum differenzieren Sie zwischen den Berufsgeheimnisträgern und den Berufsgeheimnisträgerinnen? Wir werden das sicher im Ausschuss noch im Detail diskutieren. Ich werde jetzt nicht darauf eingehen, wie die Bundesgesetzgebung das handhabt, nämlich anders. Ich gehe auch nicht darauf ein, was das Bundesverfassungsgericht für einen Spielraum gelassen hat. Das alles werden wir noch

tun. Ich verstehe jedenfalls nicht, warum diese Abstufungen sein müssen. Ich kann es mir denken, ich habe dafür auch schon eine Erklärung parat, aber das machen wir dann im Ausschuss.

Die unbeteiligten Dritten sind nicht ausreichend geschützt. Der Straftatenkatalog geht über das zulässige Maß hinaus. Auch hier ist zu fragen, ob mit Daten, die nicht erhoben werden dürfen, tatsächlich so verfahren wird, wie verfahren werden sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die präventive Telekommunikationsüberwachung – TKÜ – wird neu eingeführt. Wenn ich mich zu Ihrem Teil geäußert habe, komme ich zu unserem. Dabei muss der Eingriff in die Telekommunikationsfreiheit als weniger gravierend gewertet werden als die Unverletzlichkeit der Wohnung. In dieser Frage sind wir mit Ihnen einig. Trotzdem sind für die TKÜ ähnlich hohe gesetzliche Schranken einzuführen, weil es sich um eine präventiv-polizeiliche Maßnahme handelt, die zu einem Zeitpunkt eingesetzt wird, zu dem es noch keine Tat gibt. Es handelt sich also um vorsorgliche Überwachung.

Zuletzt haben wir noch die Einführung einer neuen Waffe, des Tasers. Man kann über das Für und Wider debattieren. Man kann über den Taser-Einsatz, bevor man die Schusswaffe nimmt, sprechen. Leider haben Sie aber nicht gesagt, dass das Institut, bei dem Sie eine Überprüfung der Gefährlichkeit dieser Waffe haben vornehmen lassen, die Einführung dieser Waffe nicht gutheißt. Darüber müssen wir noch diskutieren.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Hört, hört!)

In diesem Teil des Gesetzes versteckt sich aber etwas, worauf man gar nicht so leicht kommt, es sei denn, man liest den Gesetzentwurf bis zum Ende; denn vorne bei den Kosten ist der Hinweis auf den Taser im zweiten Gesetzentwurf plötzlich verschwunden. Im ersten Gesetzentwurf hatten Sie ihn unter Punkt 5 noch genannt. Wer den Gesetzentwurf also bis zum Ende liest, findet – und das halte ich für wirklich bedenklich –, einen Hinweis darauf, dass vergleichbare Waffen, was immer das auch sein mag – Sie beschreiben das in der Antwort auf eine unserer Anfragen –, künftig am Parlament vorbei eingeführt werden können. In diesem Punkt kommen wir wieder zu der Schwäche der hier sitzenden Mehrheitsfraktion, die angeblich alles mit entscheidet. Dabei hat sie wahrscheinlich noch nicht einmal mitbekommen, worüber sie in Zukunft nicht mehr entscheiden darf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Am Parlament vorbei sollen, per Anordnung des Innenministeriums, vergleichbare Waffen zu Erprobungszwecken eingesetzt werden dürfen.

Meines Erachtens verletzt das ganz klar das Legalitätsprinzip. Überlegen Sie sich einmal, was Sie hier für einen massiven Verstoß begehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

An vielen Stellen lässt Ihr Gesetzentwurf Ratlosigkeit zurück. In Ihrem Bemühen, das Bundesverfassungsgerichtsurteil teilweise über die zulässigen Grenzen hinaus auszupressen, haben Sie absolut unklare Formulierungen in den Gesetzentwurf hineingeschrieben. Den Artikel 34 und 34 a PAG mit seinen verbalen Verrenkungen zu lesen, ist ein Graus. Diese Vorschrift soll dann vom Polizeipräsidium umgesetzt werden. Ich bin wirklich gespannt, was dann aus dieser Vorschrift wird.

Auch wenn Sie viel Zeit und Mühe investiert haben: Schmeißen Sie das ganze Teil trotzdem in den Papierkorb!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun zu unserem Gesetzentwurf. Wir haben ja sehr frühzeitig Konsequenzen aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil gezogen.

(Einige Abgeordnete verlassen den Saal)

Auf Wiedersehen, meine Herren Kollegen, gute Heimfahrt.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben wir Konsequenzen gezogen und bereits vor einigen Wochen einen eigenen Gesetzentwurf zur Wohnraumüberwachung eingebracht, Konsequenzen zur Wohnraumüberwachung. Wir haben ganz klar Beschränkungen vorgenommen, weil wir gesehen haben, dass der bisherigen Wohnraumüberwachung, vor allem wieder im präventiven Bereich – wenn also noch nichts passiert ist, wenn ein Verdacht vorliegt, aber noch keine Straftat – dringend Grenzen gesetzt werden müssen. Sie haben es versucht, aber leider nur mit halbem Herzen.

Wir haben auch gesehen, dass Sie von Ihrem Vorhaben zur Telekommunikationsüberwachung nicht Abstand nehmen, sondern ganz klar die Telekommunikationsüberwachung doch in den präventiven Teil des PAG mit einführen wollen.

Daraufhin – deswegen gilt Ihre Kritik auch nicht, mit der Sie versuchen, uns in Ihr Boot zu holen, aber ich sage Ihnen, wir rudern lieber selber –

(Beifall bei den GRÜNEN)

haben wir einen eigenen Gesetzentwurf zur Telekommunikationsüberwachung eingebracht, der ganz klare Grenzen setzt, und zwar die, dass wirklich nur in ganz wenigen problematischen Einzelfällen, eben bei den von Ihnen genannten beispielsweise – das haben wir aus der Anhörung mitgenommen – unter Umständen – das werden nur ein, zwei Fälle im Jahr sein – eine Telekommunikationsüberwachung, beispielsweise Handyüberwachung zugelassen würde.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Ich richte mich nach der Anhörung, in der die Fachleute gehört wurden. Ich glaube nicht, Herr Kreuzer, dass Sie dazugehören.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CSU)

Ich nehme heute um diese Zeit dasselbe Recht in Anspruch, das Herr Wiesheu heute in Anspruch genommen hat, Herr Schnappauf und wie sie alle heißen, die unter der Gürtellinie argumentiert und agiert haben, dass es zwei Tage lang zum Grausen war. Genau das tue ich jetzt auch, und das macht mir Spaß.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben den eigenen Gesetzentwurf eingebracht, weil wir das aus der Anhörung für diese Fälle mitgenommen haben und – jetzt kommt ein ganz wichtiger Punkt – weil wir nicht wollen, dass die Polizei unter Umständen, weil sie diese spezialgesetzliche Regelung nicht hat, auf die Allgemeinbefugnis des Artikels 11 PAG zurückgreift. Genau dieses wurde in der Anhörung auch gesagt. Ehe zugelassen wird, dass auf eine allgemeingesetzliche Befugnis zurückgegriffen wird für eine präventive Überwachung, die auch noch so formuliert ist, dass relativ willkürliche Eingriffe möglich sind, will ich eine spezialgesetzliche Regelung, die Ihnen keinen Spielraum lässt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Herren und Damen, den Verlust von Rechtsstaatlichkeit kann man nicht oder nur sehr schwer messen. Die durchaus vorhandene Angst der Menschen ist jedoch messbar, da diese für die Menschen selbst spürbar ist. Es ist viel leichter, diese Angst und Verunsicherung zu bedienen und zu schüren, als eine schwierige rationale Debatte zu führen. Mit Ihrer so genannten Präventionspolitik kehren Sie unser rechtsstaatliches System um. In Ihrer Vorstellung von Prävention wird nicht mehr zwischen Verdächtigen und Unverdächtigen unterschieden, sondern alle Bürgerinnen und Bürger sind qua Existenz Risiko und müssen beweisen, dass sie keines sind. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es liegen noch zwei weitere Wortmeldungen vor. Als Nächster hat das Wort der Vorsitzende des Innenausschusses, Kollege Kreidl. Fünf Minuten.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Terroranschlag in Madrid am 11. März dieses Jahres hat die CSU-Fraktion im Landtag einen Dringlichkeitsantrag eingebracht mit dem Ziel, den Schutz der Bevölkerung vor terroristischer Bedrohung zu verbessern. Wir zielten mit diesem Dringlichkeitsantrag darauf ab, dass das Bayerische Polizeiaufgabengesetz, kurz PAG, entsprechend geändert wird.

Die Staatsregierung hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der vom Herrn Staatsminister entsprechend erläutert worden ist. Wir unterstützen diesen Gesetzentwurf der

Staatsregierung zur Änderung des PAG in allen Punkten, weil dadurch die Sicherheitsbehörden die Möglichkeit eröffnet bekommen, durch den Einsatz modernster Technologien ihre Aufgabenerfüllung zu optimieren.

Organisierte Kriminalität und terroristische Vereinigungen sind wegen ihrer Strukturen nur schwer durch klassische Aufklärungsarbeit aufzuhellen. Es hat sich gezeigt, dass diese Erscheinungsformen von Kriminalität von einem hohen Maß an Konspirativität geprägt sind und sie auf einen technisch hoch entwickelten Unterstützungsapparat zurückgreifen können. Es ist deshalb zwingend notwendig, rechtlich abzusichern, dass die akustische Wohnraumüberwachung vorgenommen werden kann. Ein Einschleusen verdeckter Ermittler ist insbesondere bei islamistisch-terroristischen Vereinigungen kaum möglich. Die Befugnis zur akustischen Wohnraumüberwachung knüpft an schwerwiegende Straftaten an, vor allen Dingen an Delikte mit besonderem OK- oder Terrorismusbezug, zum Beispiel der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens. Die akustische Wohnraumüberwachung ist als ultima ratio, als letztes Mittel vorgesehen, wenn andere Aufklärungsmethoden keinen Erfolg haben.

Der Gesetzentwurf beachtet den vom Verfassungsgericht mit Urteil vom 04.03. dieses Jahres geforderten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei Gesprächen mit Familienangehörigen oder engen Vertrauten und Berufsgeheimnisträgern durch differenzierte Erhebungsverbote. Der Schutz hört jedoch da auf, wo Gespräche unmittelbar Bezug zu Straftaten haben oder besonders Geschützte selber der Tatbeteiligung verdächtigt werden. Durch richterliche Kontrolle, Erhebungs- und Verwertungsverbote werden Gespräche aus dem Kernbereich geschützt. Ausnahmen bestehen selbstverständlich bei schwerwiegenden Gefahren für Leib, Leben und Freiheit.

Durch die Gesetzesänderung wird eine neue Rechtsgrundlage zum Einsatz der TKÜ, der Telekommunikationsüberwachung, geschaffen, wie die Wohnraumüberwachung wird die TKÜ zum Schutz von hochwertigen Rechtsgütern eingesetzt. Zum Schutz von besonderen Vertrauensverhältnissen, insbesondere bei Berufsgeheimnisträgern, enthält die Novelle über die grundgesetzlichen Mindeststandards hinaus entsprechende Schutzvorkehrungen.

Im Gesetzentwurf ist zudem enthalten die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Übermittlung polizeilicher Daten an ausländische Sicherheitsbehörden sowie für die Erhebung, Verwendung und Speicherung von Daten, die aus dem Einsatz von Kennzeichenerkennungssystemen gewonnen werden. Dieses Kennzeichen-Scanning dient dazu, durchreisende Straftäter schnell und einfach aus dem Verkehr zu ziehen.

Fazit zu dem Gesetzentwurf der Staatsregierung: Der Gesetzentwurf hält die Balance zwischen dem notwendigen Schutz der Freiheitsrechte des Einzelnen und dem Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit unserer Bürger. Die darin vorgesehenen Maßnahmen sind zur effektiven Gefahrenabwehr zwingend erforderlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch ganz kurz auf den Gesetzentwurf der GRÜNEN zur präventiven Telekommunikationsüberwachung eingehen. Wir lehnen ihn aus drei Gründen ab. Zum einen sollen lediglich dringende Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit abgedeckt sein. Es fehlt der Katalog über schwerwiegende Straftaten. Es ist eine so starke Einschränkung vorgenommen, dass dieses Instrumentarium nicht wirkungsvoll eingesetzt werden kann.

Zum Zweiten: Das vorgesehene absolute Erhebungsverbot für Gespräche mit Familienangehörigen und Berufsgeheimnisträgern geht unseres Erachtens zu weit.

Wer Gespräche über Straftaten führt, ist unseres Erachtens nicht schutzwürdig.

Drittens fehlt im Gesetzentwurf die Befugnis für die Polizei, notfalls Telekommunikationsverbindungen zu unterbrechen.

Fazit: Insgesamt ist der Gesetzentwurf der GRÜNEN zu wenig durchdacht. Er geht an den Realitäten der polizeilichen Fahndungspraxis vorbei. Der Schutz des Einzelnen – auch des einer geplanten Straftat Verdächtigen – wird zulasten des Schutzes der Allgemeinheit vor schwerwiegenden Straftaten vernachlässigt.

Auf alle diese wichtigen Detailfragen zu diesem Gesetzentwurf, aber auch zum Gesetzentwurf der Staatsregierung, werden wir in den Ausschussberatungen ausführlich eingehen. Diese Fragen werden wir intensiv zu debattieren haben. Wir werden diese Beratungen zügig angehen, damit die Sicherheitsbehörden bald die notwendigen Befugnisse zur Verfügung haben, die wichtig sind, um Leben zu retten und Kriminalität wirksam und optimal bekämpfen zu können.

(Beifall bei der CSU)

Sehr geehrter Herr Kollege, so geht es natürlich nicht, sich erst über die Redezeit von Frau Kollegin Stahl zu mokieren, aber dann selber die Redezeit überziehen. Das können wir zukünftig nicht machen.