Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

Neuere Prognosen gehen sogar von einer Steigerung des Bedarfs aus.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wie sieht es denn in Bremen aus, wo Sie mitregieren?)

Herr Dr. Dürr, Sie sollten zuerst einmal nachdenken und dann vielleicht das Reden anfangen.

Neuere Prognosen gehen also sogar von einer Steigerung des Bedarfs für vollzeitschulische Angebote von über 25 % aus. Die Versorgung dieser zusätzlichen Schülerinnen und Schüler erfordert einen enormen Personal- und Geldeinsatz. Statt also über angeblich fehlende Lehrer in Bayern zu klagen, meine Damen und Herrn von der Opposition, sollten Sie lieber eine vernünftige Politik in Berlin mit voranzutreiben versuchen; aber da ist meine Hoffung aufgrund Ihrer Äußerungen relativ gering.

(Beifall bei der CSU)

Bayern hat in den letzten Jahren wie kein anderes deutsches Land in neue Lehrerstellen investiert und von 1998 bis 2006 über 6000 zusätzliche Lehrerkapazitäten geschaffen. – Wir haben es gestern zwar schon einzeln vorgerechnet, aber wir können es Ihnen gerne noch einmal einzeln vorrechnen.

Vor dem Hintergrund der geschilderten Entwicklungen haben wir in Wildbad Kreuth noch einmal finanzielle Mittel für 500 zusätzliche Stellen beschlossen. Dadurch gewährleisten wir eine gute Unterrichtsversorgung trotz der gegenwärtig auch schwierigen Haushaltslage.

Wir haben bereits für das zweite Schulhalbjahr finanzielle Mittel im Umfang von 100 Lehrerstellen zur weiteren Minderung von Unterrichtsausfällen einsetzen können. Die Verträge sind schon fast gänzlich vergeben. Ab dem Schuljahr 2005/2006 gibt es zu den 241 zusätzlichen Stellen, die im Haushalt stehen, und zu den 646 Stellen, die aus der Arbeitszeiterhöhung der Lehrkräfte für das Schulwesen verbleiben, dann sowohl zusätzliche 200 Zeitverträge als auch 300 Einjahresverträge. Darüber hinaus werden weitere 318 Stellenäquivalente durch die Erhöhung des eigenverantwortlichen Unterrichts bei Referendaren, den Abbau von Minderklassen, die Streichung von Anrechnungsstunden sowie auch durch organisatorische Leistungen, die nicht zulasten der Unterrichtsversorgung gehen, gewährleistet.

Dieser gemeinsame und von allen Ressorts und auch der CSU-Landtagsfraktion geschulterte Kraftakt zeigt deutlich, wie wichtig uns die Bildung der bayerischen Kinder ist. Natürlich ist es uns in dieser schwierigen Zeit nicht möglich, alle Wünsche zu erfüllen und jede Sorge zu nehmen. Dies wäre auch nicht redlich; denn die Schüler von heute müssten die ihnen aufgebürdeten Schulden als Erwachsene von morgen mit Zins und Zinseszins selbst bezahlen.

Zudem – ich darf das einmal hinzufügen – erstaunt es mich immer wieder, dass Sie bei uns Unterrichtsausfälle heftig kritisieren, während Sie die von Nordrhein-Westfalen, wo 10 % regelrecht an der Tagesordnung sind, ei

gentlich gar nicht dramatisch und gar nicht schlimm finden. Der Durchschnitt bei uns liegt zwischen einem und drei Prozent. Es gibt einzelne regionale Ausnahmefälle, in denen besonders schwierige Situationen sind, denen wir aber durch die 100 zusätzlichen Stellen haben Unterstützung geben können.

Die Schule in Bayern, liebe Kolleginnen und Kollegen ist gut aufgestellt. Für die Weiterentwicklung unseres Schulsystems haben wir schlüssige und auch durchdachte Konzepte. Wir verheddern uns nicht andauernd in Widersprüchen, und wir schreien nicht einmal hü und einmal hott wie die Sozialdemokraten oder auch die GRÜNEN, die heute größere Freiheit und Selbstständigkeit für Schulen fordern und morgen kultusministerielle Richtlinien verlangen, in denen die Zahl der Tische und Stühle für Mittagsbetreuung im G 8 festgelegt werden soll und das Menü gleich obendrein.

(Beifall bei der CSU)

Oder, meine Damen und Herren, ein anderer Vergleich gerade für die SPD: Sie geißeln einerseits – zu Recht übrigens – Frau Bulmahns haltlose Attacken gegen die Hauptschule als Einmischung in Länderangelegenheiten und fordern andererseits selbst die Abschaffung der Hauptschule - eine Maßnahme, die Ihre Parteikollegen Böger in Berlin und Ahnen in Mainz übrigens überhaupt nicht schätzen und von der sie gar nichts halten. Immerhin haben Sie aber – Herr Maget ist heute nicht da – zugegeben – vielleicht können Sie es ihm kurz ausrichten, Frau Radermacher- , dass Sie selbst nicht wissen, ob der Vorschlag „das Gelbe vom Ei“ ist; so hat er das laut dpa-Meldung vom 08.12.2004 gesagt. Ich kann es Ihnen aber sagen. Unsere Hauptschulen leisten eine sehr gute Arbeit,

(Beifall bei der CSU)

was uns immer wieder auch von Vertretern der Wirtschaft bestätigt wird, wie zum Beispiel von Dieter Hundt vom BDA, der die bayerischen Hauptschulen im Besonderen immer hervorhebt. Ihre Abschaffung wäre eine Katastrophe für die Ausbildungschancen der Kinder und Jugendlichen in Bayern. Ich darf Ihnen das versichern: Die Staatsregierung, ich glaube, ich darf das für die CSU-Landtagsfraktion mit behaupten, steht zur bayerischen Hauptschule! Wir lassen fast 40 % unserer Kinder nicht zum „Rest“ degradieren.

(Beifall bei der CSU)

Kümmern Sie sich, meine Damen und Herren der Opposition, doch lieber darum, dass die Hauptschüler, die ihre Gesamtschulen verlassen, erst einmal auf den Stand der bayerischen Hauptschulen kommen.

Für eine Schulstrukturdebatte gibt es überhaupt keinen Grund. Das sind Kunstdebatten, die darüber hinweg täuschen sollen, dass Qualität von Unterricht und Verbesserung der Qualität von Unterricht im Vordergrund stehen sollen, wie auch die Einsetzung klarer Standards.

Mein Weg ist, die Qualität des Unterrichts und die Vielfalt der Bildungswege weiterzuentwickeln. Das fängt an bei einer möglichst frühen und individuellen Förderung.

Die bei den internationalen Pisa-Studien erfolgreichen Länder haben gemeinsam, dass sie einen besonderen Schwerpunkt auf die möglichst frühe individuelle Förderung setzen. Dadurch wird der Bildungserfolg langfristig erhöht und gleichzeitig die Wiederholerquote gesenkt. Deshalb haben wir in Bayern ein auch bundesweit einmaliges Angebot aufgestellt, das wir weiter Zug um Zug ausbauen wollen, um so unseren Platz in der internationalen Leistungsspitze auszubauen. Das bayerische Angebot der frühen individuellen Förderung umfasst mittlerweile fünf Förderstunden in der Grundschule in den Jahrgangsstufen 1, 2, 3 und 4; davon zwei in der Jahrgangsstufe 1, eine Förderstunde in der Jahrgangsstufe 5 der Hauptschule. Es umfasst weiter den Einsatz von mehr als 1500 Förderlehrern an unseren Grund- und Hauptschulen, die Intensivierungsstunden im G 8 sowie eine am Kind orientierte sonderpädagogische Förderung, die sowohl an den Förderschulen als eigenständige Einrichtungen oder in Form von mobilen sonderpädagogischen Diensten Außen- und Kooperationsklassen geleistet wird.

Derzeit werden mehr als 15 000 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemein bildenden Schulen speziell gefördert.

Wir haben mittlerweile 439 Sonderschullehrkräfte in den mobilen sonderpädagogischen Diensten.

Im Rahmen der Integration durch Kooperation, die sich mittlerweile als sehr erfolgreich erwiesen hat, gibt es bereits 274 Kooperationsklassen und 132 Außenklassen. In Zukunft wollen wir die individuelle Förderung noch weiter ausbauen, indem wir die bestehenden Konzepte überprüfen und neue Wege erproben. Die Erhöhung des eigenverantwortlichen Unterrichts der Referendare wird zu einem Gutteil auch der individuellen Förderung an allen Schularten dienen.

Mit Beginn des Schuljahres 2005/2006 wird in der Realschule die individuelle Förderung zum festen Bestandteil des Angebotes in einem ersten Schritt werden.

Es ist zudem mein Ziel, in der sechsten Jahrgangsstufe die Förderstunde in der Hauptschule fest zu etablieren. Darüber hinaus ist beispielsweise das Projekt „Exercitium paedagogicum“ sehr viel versprechend. Es wird durch die „Stiftung Bildungspakt Bayern“ seit einem Jahr gefördert und in der Durchführung begleitet. Studierende aller Schularten werden während eines gesamten Schuljahres an einem Tag in der Woche als Unterrichtsassistenten für Maßnahmen zur individuellen Förderung eingesetzt. Dadurch erhält das Studium einerseits einen direkten Praxisbezug, weil die Studierenden unmittelbar Erfahrungen in den Schulen besser als bisher erwerben können, und andererseits kann die gezielte individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen verstärkt werden. Ich habe daher angeordnet, dass das „Exercitium paedagogicum“ ab dem Wintersemester 2005/2006 die bisher üblichen Blockpraktika ersetzen soll.

Ein weiterer Punkt ist – zweitens - die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund: Eine besondere Form der individuellen Förderung ist die Sprachförderung von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache.

Ich bin mittlerweile heilfroh, dass ich mich vor Ihnen nicht mehr dafür rechtfertigen muss. Früher haben Sie uns immer kritisiert, wenn man Deutschunterricht für ausländische Schülerinnen und Schüler, also für nicht deutsch sprechende Schülerinnen und Schüler eingefordert hat. Sie waren nicht dafür. Mittlerweile sind Sie wenigstens dafür. Das ist immerhin schon ein Fortschritt, wenn auch mit gewisser Verspätung.

(Beifall bei der CSU)

Wenn diese Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache in unserer Gesellschaft Erfolg haben und sich integrieren sollen,

(Simone Tolle (GRÜNE): Haben sie leider nicht!)

dann wollen wir ihnen dabei helfen, die wichtigste Integrationsbarriere zu überwinden, nämlich die Sprachbarriere.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Wenn Sie so schön sagen „haben sie nicht“, frage ich mich, was Sie in den von Ihnen regierten Ländern alles getan haben. Wenn bei uns türkische Schülerinnen und Schüler besser deutsch sprechen als in Bremen oder in anderen Ländern, die jahrelang von Rot und auch von den GRÜNEN mitgestaltet wurden, wie in den Ländern Nordrhein-Westfalen oder beispielsweise Brandenburg,

(Zurufe und Lachen bei den GRÜNEN)

ich könnte Ihnen noch mehr Länder nennen – die deutschen Schüler, zum Teil sogar aller Schularten, dann kann ich Ihnen nur nüchtern sagen, dass die Integration bei uns wohl besser gelungen ist als dort, wo Sie die Verantwortung tragen.

(Beifall bei der CSU)

Wir sehen aber auch die Probleme, die es gibt, und negieren diese Probleme nicht. Wir kümmern uns um diese Probleme und

(Zurufe von den GRÜNEN)

setzen dafür auch entsprechende Ressourcen ein. Dazu gehört auch, dass die Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund eine Integration unterstützen, sich auch selbst bemühen, die deutsche Sprache zu erlernen, und die Bildung ihrer Kinder fördern. Deshalb ist mir die Sprachförderung im Kindesalter ein besonderes Anliegen. Seit 2002 wird vor der Einschulung eine Sprachstandsdiagnose durchgeführt. Sind die Sprachkenntnisse für einen Schulbesuch nicht ausreichend, so erhalten diese Kinder eine spezielle Förderung in Vorkursen und Sprachlernklassen. Allein im letzten Jahr wurden im Vorkurs Deutsch 336 Gruppen mit 2761 Kindern gefördert. Hinzu kamen

noch 215 Sprachlernklassen mit 2580 Schülern. Sowohl die Vorkurse als auch die Sprachlernklassen wollen wir ausbauen.

Die bei Pisa erfolgreichen Staaten legen allesamt großen Wert auf das Erlernen der Landessprache durch Kinder mit anderer Muttersprache. Pisa-E hat gezeigt, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Bayern am besten gefördert werden. Die von uns ergriffenen Maßnahmen werden noch weiter dazu beitragen, Kindern mit nicht deutscher Muttersprache in unserer Gesellschaft eine echte Chance zu bieten.

Als dritter Punkt steht die ganztätige Förderung und Betreuung im Vordergrund. Aufgrund veränderter Familienstrukturen sowie des berechtigten Wunsches zahlreicher Paare, Familie und Beruf zu verbinden, kommt der ganztägigen Förderung und Betreuung eine zunehmende Bedeutung zu. Es gibt jedoch auch Kinder, die in ihrer Familie zu wenig unterstützt werden oder auch zu wenig unterstützt werden können. Auch diesen Kindern wollen wir die Möglichkeit einer umfassenden Förderung bieten.

Dieser Tatsache hat sich die Bayerische Staatsregierung schon vor einigen Jahren offensiv gestellt und bereits 2001 ein Programm initiiert, das bis 2006 über 300 Millionen Euro für die ganztätige Förderung und Betreuung bereitstellt.

Das Konzept der Staatsregierung sieht den Ausbau der Ganztagesangebote an den Schulen ebenso vor wie den Ausbau der Ganztagesschulen. Die Ganztagesangebote finden mit ihren inhaltlichen Schwerpunkten pädagogische und unterrichtliche Förderung, Hausaufgabenbetreuung und sinnvolle Freizeitangebote bei Schülern, Eltern und Lehrern eine hohe Akzeptanz. In diesem Schuljahr werden knapp 26 000 Schülerinnen und Schüler ganztägig gefördert und betreut. Über den Unterricht hinausgehende Förderangebote werden an 538 weiterführenden Schulen angeboten, an 82 % aller Grundschulen ist eine Mittagsbetreuung eingerichtet.

Die Zahl der Ganztagesschulen wird in den kommenden Jahren auf 100 verdoppelt. Für einen Teil unserer Schülerinnen und Schüler ist der ganztägig rhythmisierte Unterricht mit einem Wechsel aus Unterricht, Vertiefung, sozialem Training, Neigungsgruppen und Hilfe bei der Alltagsbewältigung gerade im Bereich der Hauptschulen ein wichtiges Angebot zur Verbesserung des schulischen Erfolges und zur Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung.

Die These von Frau Bulmahn, die Ganztagesschule sei das Patentrezept nach den schlechten Pisa-Ergebnissen, ist schlichtweg falsch. Erstens sind unsere Pisa-Ergebnisse nicht schlecht; da muss man woanders hingehen; und zweitens hat die Pisa-Studie eindeutig gezeigt, dass zwischen der Schulstruktur – ganz egal ob es sich um die Gesamtschule oder das gegliederte Schulsystem, um ein integriertes oder gegliedertes oder ganztägiges System oder ein stärker halbtägiges handelt – und den Leistungen der Schülerinnen und Schüler kein Zusammenhang besteht. Man sollte vielleicht auch mal den Wissenschaftlern zuhören, auch wenn es einem nicht angenehm ist, und

lieber versuchen, an der Qualität des Unterrichts zu arbeiten.

(Beifall bei der CSU)

Wenn man allerdings die finanziellen Mittel so knapp bemisst, dass bereits anhand der Stundenzahl einer generell eher an der halbtägigen Struktur gemessenen Schulart zum Teil die Kinder in rot-grün regierten Ländern über zwei Jahre oder zum Teil zumindest ein Jahr weniger Unterricht haben, wenn sie in die Oberstufe beispielsweise eines Gymnasiums oder in die berufliche Bildung kommen, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Lehrer tatsächlich nicht genügend Zeit haben, diese Kinder zu fördern. Es braucht schon ordnungsgemäß ausgestattete Stundentafeln, um eine entsprechende Förderung geben zu können.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den GRÜNEN)