Protokoll der Sitzung vom 04.03.2005

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 38. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Mündliche Anfragen

Dafür sind 45 Minuten vorgesehen. Ich bitte zunächst Herrn Staatssekretär des Innern um die Beantwortung der ersten Fragen. Guten Morgen, Herr Staatssekretär. Erster Fragesteller ist Kollege Schuster. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, Herr Staatssekretär, guten Morgen! Herr Staatssekretär, ich frage Sie:

Wurde in Bayern bereits eine Risikoanalyse erarbeitet und an den Bund abgeschickt, denn nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz ist die Auslieferung von Einsatzfahrzeugen für den erweiterten Katastrophenschutz momentan gestoppt, bis ein neues Ausstattungskonzept mit dem Namen „Strategische Neukonzeption der ergänzenden technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes im Zivilschutz“ umgesetzt ist, da die Ergänzung mit Fahrzeugen nicht mehr fl ächendeckend nach dem so genannten Gießkannenprinzip erfolgen soll, sondern nach einer detaillierten Risikobewertung mit der vollständigen Integration aller verfügbaren Ressourcen des Bundes, der Länder und der Kommunen?

Herr Staatssekretär.

Guten Morgen, Frau Präsidentin! Herr Kollege Schuster, die Gefährdungsabschätzung – also die Risikoanalyse – für Bayern ist in Bearbeitung. Die betroffenen Ressorts – das sind die Bayerischen Staatsministerien für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, für Landwirtschaft und Forsten und für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie – erstellen derzeit nach einer bundeseinheitlichen Vorlage Beiträge, die dann vom Bayerischen Staatsministerium des Innern zu einer bayerischen Gefährdungsabschätzung zusammengefasst werden.

Die Fortführung der fl ächendeckenden Grundausstattung ist aber von dieser Abschätzung nicht abhängig. Die Länder haben den Bund vielmehr ausdrücklich aufgefordert, unabhängig von der Risikoanalyse weiterhin für eine fl ächendeckende Ausstattung zu sorgen.

Dieser Aufforderung kommt der Bund aber unvollständig nach. Er hat die Auslieferung von Einsatzfahrzeugen zwar nicht generell gestoppt, allerdings die Auslieferung von Bundesfahrzeugen teilweise zurückgestellt, die gerade für die fl ächendeckende Ausstattung bedeutsam sind. So stellt er zwar Fahrzeuge im Aufgabenbereich Betreuung

zur Verfügung, nicht jedoch die dringend notwendigen Fahrzeuge im Sanitätsdienst.

Erste Zusatzfrage: Herr Kollege Schuster.

Herr Staatssekretär, warum dauert die Erstellung der Risikoanalyse in Bayern so lange? Die Innenministerkonferenz war im Juni 2002. Wie mir bekannt ist, liegen bereits im Bundesinnenministerium von elf Ländern die Risikoanalysen vor, von Bayern noch nicht.

Herr Staatssekretär.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Erstellung der Analyse in einem Flächenstaat wie Bayern vielleicht ein bisschen länger dauert als in einem Stadtstaat. Wir befi nden uns auf einem guten Weg. Die Analyse muss sehr sorgfältig erarbeitet und insbesondere mit den anderen Ressorts abgestimmt werden. Nach den jetzigen Planungen ist bis Mitte des Jahres mit dem Abschluss und der Vorlage der Analyse zu rechnen. Ich bin der Meinung, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht.

Weitere Zusatzfrage: der Fragesteller.

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass das Bundesinnenministerium auf diese Risikoanalyse wartet und Bayern als Abgabezeitpunkt das erste Quartal avisiert hat?

Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Schuster, ich darf Ihnen noch einmal sagen, dass die Analyse sehr sorgfältig erarbeitet werden muss. Wir sind gerade dabei und werden das auch vorlegen. Wenn der Bund seine Verpfl ichtung, die notwendigen Fahrzeuge zu liefern, auch so schnell erfüllen würde, wären wir in dieser Arbeit ein ganz schönes Stück weiter. Wir sind im Teilbereich Sanitätsdienst mit, wie ich glaube, über 70 Fahrzeugen im Rückstand. Wenn der Bund diese Lücke möglichst schnell auffüllen würde, würde er damit einen großen Beitrag leisten.

Damit ist die Beantwortung dieser Frage beendet. Ich bitte nun Herrn Kollegen Dr. Runge, seine Frage zu stellen. Bitte, Herr Kollege.

Auch ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Herr Staatssekretär, ich darf Sie fragen:

Aus welchen Gründen ist das Betreiben von DVD-Verleihautomaten an Sonn- und Feiertagen nach Ansicht der Staatsregierung zu untersagen, gegen welche Bestim

mungen des Bayerischen Feiertagsgesetzes verstößt gegebenenfalls ein solcher Betrieb?

Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Runge, seit langem ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, dass in Bayern der Betrieb von Videotheken an Sonn- und Feiertagen gegen das Sonntagsarbeitsverbot nach Artikel 2 Absatz 1 Feiertagsgesetz verstößt und damit verboten ist. Der Videoverleih in Automaten ist gesetzlich erst seit dem 1. April 2003 möglich. Bis dahin galt im Übrigen ein absolutes Verbot der Abgabe von Videos in Automaten nach dem bis dahin gültigen § 7 Absatz 4 des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit. Herr Kollege Runge, dieses Thema haben Sie jetzt nicht unmittelbar angesprochen. Die Antwort darauf ist eigentlich dadurch erfolgt, dass ich gesagt habe, in Artikel 2 Absatz 1 des Feiertagsgesetzes ist das klar geregelt.

Ich will nur noch ergänzen: Entsprechend den Vorgaben des neuen Jugendschutzgesetzes dürfen auch heute Videos und DVDs, die nicht für alle Altersstufen freigegeben sind, nicht in Form von herkömmlichen Warenautomaten, wie Getränke-, Süßwaren- oder Zigarettenautomaten, angeboten werden. Vielmehr dürfen solche Videos und DVDs nur in Automatenvideotheken angeboten werden, die wie Ladengeschäfte zwar ohne Personal, dafür aber nur mit zuverlässigen technischen Zugangssicherungs- und Überwachungseinrichtungen, beispielsweise durch Abgleich biometrischer Daten, mittels Chipkarten oder PINs, betrieben werden dürfen.

Automatenvideotheken müssen außerdem bestimmte räumliche Anforderungen einhalten, zum Beispiel separater Zugang, fehlende Einsehbarkeit und Videoüberwachung. Minderjährige müssen bereits am Betreten des Automatenraums gehindert werden. Für den Betrieb derartiger Automatenvideotheken in Form von Ladengeschäften kann unter dem Gesichtspunkt des Sonn- und Feiertagsschutzes nichts anderes gelten als für herkömmliche Videotheken.

Ich ergänze das noch um eine aktuelle Rechtsprechung: Diese Auffassung hat das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg in seiner jüngsten Entscheidung vom 9. Februar 2005 bestätigt. Darin hat es festgestellt, dass der Betrieb einer Automatenvideothek an Sonn- und Feiertagen gegen das Sonntagsarbeitsverbot des Artikels 2 Absatz 1 des Feiertagsgesetzes verstößt.

Erste Zusatzfrage: Kollege Runge.

Nach der umfangreichen Beantwortung mache ich nun aus drei vorgesehenen Zusatzfragen nur noch eine. Herr Staatssekretär, handelt es sich bei der restriktiven Handhabung der Betriebsmöglichkeiten von DVD-Vertriebsautomaten wieder um eine Aktion der Staatsregierung, die gesetzlich hinterfüttert ist, bei der man zuerst bürokratische Hemmnisse einzieht, um sich dann für den Abbau selbiger feiern zu lassen, wie wir

das unlängst beispielsweise bei den Belehrungen für Hobby-Lebensmittelverkäufer und Hobby-Lebensmittelverteiler – das sind Leute, die beispielsweise bei Schulfesten und Ähnlichem ehrenamtlich für Verköstigung gesorgt haben – erlebt haben.

Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Runge, das Gegenteil ist der Fall. Artikel 2 Absatz 1 ist keine neue Vorschrift, sondern bestehendes Recht. In der Tat ist die Rechtsfrage zu klären, ob auch solche Einrichtungen, die kein Personal erfordern, unter diese Vorschrift fallen und wie diese Vorschrift auszulegen ist: Welche Intention hat sie, und wen soll sie schützen?

Hier geht es konkret um die Feiertagsruhe. Herr Kollege, darüber hatte bisher nicht der Landtag zu entscheiden, sondern ausschließlich die Rechtsprechung hat sich dezidiert zu dieser Frage geäußert. Ich darf kurz aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Augsburg zitieren:

Zum Charakter eines Ruhetages, der seelische Erhebung ermöglichen soll, gehört eine Atmosphäre der äußeren und inneren Ruhe, frei von Hektik und Geschäftstätigkeit. Sonn- und Feiertage sollen von den Bürgern frei von Zwängen des Alltags genutzt werden. Sie sollen sich nach ihrem Erscheinungsbild deutlich von den Werktagen unterscheiden, die durch Arbeit und Gelderwerb geprägt sind.

Dann sagt das Gericht ganz ausdrücklich:

Der Betrieb von Automaten-Videotheken stellt eine öffentlich bemerkbare Arbeit im Sinne des Artikel 2 Absatz 1 des Feiertagsgesetzes dar. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin in diesem Verfahren wird das Element der Arbeit durch die Automatisierung und die Selbstbedienung der Kunden nicht ausgeschlossen.

Das hat nichts mit dem Landtag und dem Gesetzgeber zu tun, sondern ausschließlich mit der Frage, wie Artikel 2 Absatz 1 des Feiertagsgesetzes zu interpretieren ist. Genau das hat das Gericht noch einmal im Sinne der langjährigen Rechtsprechung getan.

Dann doch noch eine Zusatzfrage: Herr Kollege Runge.

Auf diese Antwort habe ich jetzt doch eine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär. Vor dem Hintergrund dieser Interpretation durch die Rechtsprechung möchte ich nachfragen, ob die Staatsregierung beabsichtigt, zu einer Änderung des bestehenden Rechts zu kommen und dabei unter Berücksichtigung der von Ihnen genannten Ausführungen der Gerichte nicht nur beispielsweise die Betriebsmöglichkeiten für DVD-Verleihautomaten zu erweitern, sondern auch die in einem Vorstoß einzelner Ihrer Parteifreunde geforderte Sonntagsöffnung für Waschstraßen einzubeziehen.

Herr Staatssekretär.

Wenn Sie mich an dieser Stelle nach meiner persönlichen Meinung fragen, kann ich sagen: Ich bin der Überzeugung, dass wir keinen Änderungsbedarf haben. Wir brauchen die Sonntagsruhe so, wie sie beschrieben ist. Das ist meine ganz persönliche Auffassung. Über die Frage, die Sie noch aufgeworfen haben, wird gerade vehement diskutiert. Ich persönlich habe dazu eine ganz klare Meinung: Wir müssen das, was es zu tun gibt, an sechs Tagen abwickeln können.

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Staatssekretär, dürfen wir hier also nicht die gleiche Salamitaktik erwarten, wie wir sie bei der Sperrstunde erlebt haben, zu der Sie vor zwei Jahren auch Ihre persönliche Meinung geäußert haben?

Herr Staatssekretär.

Jetzt haben Sie aus einer Zusatzfrage doch noch drei gemacht. Ich glaube, dass wir die einzelnen Punkte sehr differenziert betrachten müssen. Bei den Videothekautomaten stellt sich noch eine zweite Frage, die zur Frage des Schutzes des Sonntags hinzukommt. Es ist die Frage des Jugendschutzes, die mit diesem Thema unmittelbar zusammenhängt. Dazu gab es Gesetzesänderungen. Aus diesem Aspekt heraus erfordert dieses Thema noch eine ganz andere Betrachtungsweise.

Die nächste Frage für Herrn Kollegen Hoderlein übernimmt Herr Ritter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Staatssekretär! In welchen Kommunen und Landkreisen neben Eschenlohe sind der Staatsregierung Aktivitäten einzelner Rechtsextremisten oder der NPD bekannt, bestehende Organisationen zu reaktivieren oder neue zu gründen, wie werden die Bürgermeister und Landräte vor Ort über diese Bestrebungen informiert und welche Strategie verfolgt das Innenministerium in diesem Zusammenhang?

Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Ritter! Die Erfolge von NPD und DVU bei den Landtagswahlen 2004 in Sachsen und Brandenburg sowie die Diskussion über das vom Parteivorsitzenden der NPD propagierte Konzept einer „Volksfront von Rechts“ haben vor allem bei der NPD zu verstärkten Bemühungen geführt, neue Parteigliederungen zu gründen bzw. inaktive wieder zu beleben. Neugründungen von NPD-Kreisverbänden erfolgten in jüngster Zeit in München, Deggendorf-Regen und Straubing-Dingolfi ng. Anzeichen für eine

beabsichtigte Neustrukturierung fehlender oder inaktiver Untergliederungen gibt es in München bei den Jungen Nationaldemokraten sowie in Regensburg, Weiden, Hof und Garmisch-Partenkirchen. Zu erwarten ist ferner eine Wiederbelebung des NPD-Bezirksverbands Oberbayern. Darüber war auch in den Medien zu lesen.