Protokoll der Sitzung vom 10.05.2005

Lassen Sie mich ganz kurz zu einigen Punkten kommen.

Der Rechtsanspruch, der hier thematisiert wird, ist aus unserer Sicht überhaupt nicht erforderlich. Wir gehen davon aus, dass wir im Kindergartenbereich bayernweit eine Bedarfsdeckung von 99,4 % haben. Was soll dann, frage ich mich, noch eine Festlegung eines Rechtsanspruchs? Das ist doch reine Augenwischerei.

(Beifall bei der CSU – Susann Biedefeld (SPD): Faule Ausreden sind das! – Christa Steiger (SPD): Das gibt es in allen anderen Bundesländern!)

Es ist gut, dass Sie das sagen, Frau Kollegin. Schauen Sie sich die Situation in den anderen Bundesländern an. Für mich ist dies eine willkommene Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass die anderen Bundesländer wesentlich niedrigere Fördersätze und wesentlich höhere Elternbeiträge haben. Darauf legen Sie Ihre Schwerpunkte.

(Christa Steiger (SPD): Das stimmt nicht! BadenWürttemberg fi nanziert mit 67 %!)

Schauen Sie sich einmal an, wie das bayerische Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz von anderen Bundesländern bewertet wird: als positives Pilotprojekt.

(Beifall bei der CSU – Susann Biedefeld (SPD): Nehmen Sie sich ein Beispiel an der CDU in Baden-Württemberg!)

Bei der Bedarfermittlung und bei der Bedarferhebung hat sich gerade im Vorfeld der Gesetzesberatungen herausgestellt, dass die Einbeziehung der Eltern über das SGB VIII fi xiert ist, und die Einbeziehung der freien Wohlfahrtspfl ege ist, wie wir heute bei den Gesetzesberatungen festgestellt haben ebenfalls defi niert. Wir haben darüber hinaus bei der Anhörung, die vor drei Wochen im Sozialausschuss des Bayerischen Landtages stattgefunden hat, festgestellt, dass die kommunalen Spitzenverbände sehr wohl ein großes Interesse daran haben, dass die Bedarferhebung fl ächendeckend und breit erfolgt. Deshalb wird von den kommunalen Spitzenverbänden gemeinsam mit der Staatsregierung hier eine Handreichung erarbeitet, die eine hervorragende Orientierung für die Kommunen ist. Wenn das ist nicht positiv ist, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CSU – Christa Steiger (SPD): Und die Träger? Und die Eltern? – Susann Biedefeld (SPD): Es gibt auch noch andere Träger außer den Kommunen!)

Wenn Sie mir zugehört hätten, wüssten Sie, dass ich die Träger soeben angesprochen habe. Sie werfen uns vor, dass wir bei den Gesetzesberatungen weghören, wenn Sie etwas sagen. Ich habe das mindestens heute fünfmal angesprochen. Aber es ist offensichtlich bei Ihnen nicht angekommen.

(Christa Steiger (SPD): Herr Unterländer, seien Sie nicht so aufgeregt!)

Wir stellen fest, dass bei der Gastkinderregelung ein Kompromiss zwischen der fi nanziellen Situation und der Bedarffeststellung der Kommunen auf der einen Seite und dem Wunsch und Wahlrecht der Eltern gefunden worden ist. Eine Kommune, die ausreichend Kindergartenplätze zur Verfügung stellt,

(Christa Steiger (SPD): Wenn sie das Geld dazu hat!)

kann doch nicht dafür bestraft werden, dass sie die Schwerpunkte richtig gesetzt hat.

(Susann Biedefeld (SPD): Also Abschaffung der Wahlfreiheit für die Eltern! Sagen Sie es doch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben einen schönen bunten Brief an die Kindergartenleiterinnen im Freistaat Bayern geschickt. Darin ist eine Aufstellung enthalten, in der steht, es gebe so gut wie keine Gastkinderregelung.

(Christa Steiger (SPD): Wir reden jetzt aber über die Petition!)

Sie stellen die Tatsachen völlig falsch dar.

(Christa Steiger (SPD): Nein!)

Sie stellen damit ein Verhetzungspotenzial bei den Erzieherinnen dar. So kann man nicht seriös mit dem Gesetzentwurf umgehen.

(Beifall bei der CSU – Christa Steiger (SPD): Herr Unterländer, das ist eine Petition!)

Richtig ist nämlich, dass die Kommune, wenn die Bedarffeststellung erfolgt ist, auch verpfl ichtet wird, den kommunalen Anteil zu übernehmen, wenn das Kind in eine andere Gemeinde geht. Sie stellen es völlig falsch dar.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich noch einmal feststellen, dass dieser Gesetzentwurf einen Paradigmenwechsel darstellt, der neue Perspektiven und neue Möglichkeiten innovativer Art für die Kommunen, für die Träger, für die Erzieherinnen, für die Einrichtungen bietet.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das glaubst du selber nicht!)

Das wird auch für das Aktionsbündnis eine Chance darstellen. Ich bitte deshalb, die Petition so zu bescheiden, wie es im federführenden Sozialausschuss der Fall gewesen ist.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Unterländer. – Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik hat empfohlen, die Eingabe gemäß § 80 Nummer 3 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag der Staatsregierung als Material zu überweisen. Wer dem Votum des Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Wer ist dagegen? – Die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dem Votum des Ausschusses entsprochen.

Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 4 – Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schulfi nanzierungsgesetzes auf Drucksache 15/ 2692 – bekannt geben. Mit Ja haben 89 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 43 Abgeordnete gestimmt. Ein Kollege hat sich der Stimme enthalten. Das Gesetz ist damit angenommen. Es hat den Titel „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Schulfi nanzierungsgesetzes“.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Wie zwischen den Fraktionen vereinbart, rufe ich nun Tagesordnungspunkt 14 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Ludwig Wörner, Christa Naaß u. a. u. Frakt. (SPD) Übernahme des neuen Tarifvertrags im öffentlichen Dienst (Drs. 15/2881)

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich eröffne die Aussprache. Redezeit pro Fraktion 15 Minuten. Für die SPD-Fraktion darf ich Herrn Kollegen Schuster das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diesen Dringlichkeitsantrag gestellt, damit sichergestellt wird, dass der Freistaat Bayern in der Tarifgemeinschaft der Länder verbleibt und den richtungweisenden Tarifabschluss des Bundes, den auch die Kommunen übernommen haben, auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Freistaat Bayern übernimmt.

Bisher haben Sie unseren Antrag im Ausschuss abgelehnt. Wir haben ihn in diesem Plenum noch einmal hochgezogen, weil wir damit auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Freistaates Bayern, die heute in Nürnberg und München gestreikt haben und auf die Straße

gegangen sind und die am Freitag in Ansbach auf die Straße gehen werden, den Rücken stärken wollen. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Freistaat Bayern hoffen auf eine Übernahme des Tarifvertrages.

In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass es Finanzminister Faltlhauser war, der als Verhandlungsführer der Länder nicht nur den Tarifvertrag, sondern auch die Prozessvereinbarung für die Tarifverhandlungen zur Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes zu Beginn des Jahres 2003 ausgehandelt hat mit dem Ziel, das Tarifrecht der Angestellten und Arbeiter in den nächsten zwei Jahren grundlegend zu modernisieren. Kaum war der Minister aus Potsdam zurückgekehrt, wollte Bayern plötzlich davon nichts mehr wissen.

Der Abschied von der Tarifgemeinschaft wurde gerade von starken Ländern wie Bayern massiv betrieben, um bei den Beschäftigten künftig noch mehr zu sparen, als es in der Vergangenheit bereits der Fall war. Die Beschäftigten werden leider immer mehr als Kostenfaktor und nicht mehr als Leistungsfaktor betrachtet.

Die Tarifgemeinschaft hat sich meiner Meinung nach seit vier Jahrzehnten bestens bewährt und war bislang eine ökonomische Friedensformel. Dies zu beschädigen, ist sehr riskant. Deshalb erwarte ich von der Staatsregierung, dass sich diese darauf besinnt, welch hohes Gut es ist, wenn die Rechtsverhältnisse der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bund und Ländern in zentralen Fragen wie Arbeitszeit und Bezahlung gleichartig geregelt werden. Das entspricht einer jahrzehntenlangen, erfolgerprobten Rechtskultur. Diese Stück für Stück über Bord zu werfen, war ein gravierender Fehler, dessen Folgen heute noch gar nicht absehbar sind. Im Zeitalter der Globalisierung auf eine derart kleinkarierte Kompetenzzersplitterung zurückzufallen, birgt die Gefahr, dass der Standort Deutschland an Attraktivität verliert.

An dieser Fehlentwicklung ist die Staatsregierung mitschuldig. Sie hat mit ihrer einseitigen Arbeitszeitverlängerung Anfang der Neunzigerjahre den ersten Stein geworfen. Bei den Öffnungsklauseln für das Weihnachts- und das Urlaubsgeld hatte sie eine bestimmende Rolle. Auch bei der Kündigung einschlägiger Tarifverträge war sie eine treibende Kraft.

Im Jahr 2004 hat die Bayerische Staatsregierung mit allen Mitgliedern der CSU-Landtagsfraktion wiederum einseitig und über alle Köpfe hinweg Arbeitszeitverlängerungen eingeführt. Die 42-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich stellt nicht nur einen Wortbruch Stoibers dar. Sie führt zu weiteren Ungerechtigkeiten mit arbeitsmarktpolitisch mehr als kontraproduktiven Folgen und ist ein Affront gegenüber den Beschäftigten, die loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber sind und unter den gegebenen Rahmenbedingungen ihr Bestes leisten.

Nachdem diese Arbeitszeitverlängerung für die Beamten durchgezogen wurde, wird nun heuchlerisch von einem Ungleichklang der Arbeitszeit gesprochen. Nun werden, um den Gleichklang wieder herzustellen, die Arbeitszeitbestimmungen in den Tarifverträgen gekündigt und für

neu eingestellte Tarifbeschäftigte wird die Arbeitszeit ebenfalls verlängert.

Sie haben dadurch den eingeleiteten Reformprozess zu einem abrupten Ende gebracht. Das ist ein Rückfall in die Kleinstaaterei. Die Folge könnte sein, dass sich in Zukunft die Länder ihre Beamten bezahlungsmäßig abwerben, also gegenseitig Konkurrenz machen werden.

Durch den neuen Tarifvertrag wird für die 1,9 Millionen Arbeiter und Angestellten von Bund und Kommunen am 1. Oktober 2005 ein neues Zeitalter anbrechen, das für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur Verbesserungen bringen wird. Die Beschäftigten wissen das, sie sind aber trotzdem mit dem Tarifvertrag zufrieden, sie können mit dem Tarifvertrag leben.

Dieser Tarifvertrag bringt natürlich auch Vorteile für die Arbeitgeber, denn die Arbeitgeber können dadurch fl exibel auf die Arbeitsmarktentwicklung und ihre fi nanziellen Spielräume reagieren. Die Staatsregierung hat dies anscheinend bisher nicht erkannt.

Die Länder mit ihren 900 000 Beschäftigten haben sich in eine Sackgasse manövriert, aus der sie möglichst schnell herauskommen sollten. Sie sollten ihre Blockadehaltung aufgeben. Ich fordere deshalb die Staatsregierung nochmals auf, für einen Verbleib Bayerns in der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder zu sorgen und den richtungsweisenden Tarifabschluss, den die Kommunen und der Bund für den öffentlichen Dienst ausgehandelt haben, auch für die Beschäftigten im Freistaat Bayern zu übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schuster. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Heckner. Bitte schön, Frau Kollegin Heckner.