Es besteht ein eklatantes Missverhältnis zwischen Anfänger- und Absolventenzahlen. Dabei wird die fi nanzielle Misere der deutschen Hochschulen umso deutlicher, wenn man die Zahlen mit europäischen Spitzenuniversitäten vergleicht.
Als Beispiel mag hier ein Vergleich zwischen der TU München und der ETH Zürich dienen. So ist das Verhältnis von Studierenden pro Professor an der ETH Zürich mit 35 Studierenden deutlich günstiger als an der TU München mit 44 Studierenden pro Professor. Zudem stehen an der ETH Zürich für knapp 12 000 Studierende 624 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung, an der TU München sind es 227 Millionen Euro für 20 000 Studierende.
An der Ludwig-Maximilians-Universität in München, der größten Universität in Bayern, stehen für fast 40 000 Studierende circa 280 Millionen Euro zur Verfügung. So viel zur Finanzierung, die Sie, Herr Goppel, in den Himmel gelobt haben.
Wir sind an unseren Hochschulen komplett unterfi nanziert, das kann von allen Seiten bestätigt werden. Sie haben dargelegt, dass den Hochschulen wesentlich mehr Freiheit gewährt werden soll. Selbst wenn es so wäre – was nützt diese Freiheit, wenn die Mittel derart begrenzt sind, dass die Studienbedingungen und die Ausstattungen darunter leiden und dass wir so weit reichende Probleme haben, dass viele, die ein Hauptseminar machen wollen, zwei bis vier Semester warten müssen. Die Bereitstellung nur geringer Mittel verlängert also auch die Studienzeiten.
Darunter wird natürlich auch die Forschung, etwa die Grundlagenforschung, leiden. Deswegen bin ich in größter Sorge um die Spitzenposition der bayerischen Universitäten, die ich gar nicht bestreiten will. Sie argumentieren in einem Moment, in dem man weiß, es werden 50 % Studierende mehr sein, mit Studiengebühren, weil das in der Lehre hilft. Ich kann von unserer Seite nur ein defi nitives Nein zu Studiengebühren sagen, und zwar aus vielerlei Gründen.
Denn Studiengebühren sind sozial selektiv, zwingen die Studierenden zu Mehrarbeit und haben letztlich längere Studienzeiten zur Folge. Offensichtlich sind Sie sich darüber nicht im Klaren, dass bereits heute fast die Hälfte der Studierenden unter Hartz-IV-Niveau lebt. Sie können sich hoffentlich vorstellen, was dies für jemanden bedeutet, der monatlich zusätzlich 80 Euro aufzuwenden hat. Da würde ich bitte schön von Ihrer Seite einmal gerne erklärt bekommen, wie das mit Ihren sonst so pseudo-sozial vorgetragenen Ansichten übereinstimmt.
Zudem kommt natürlich von Ihnen immer wieder die Rückfrage, woher das Geld kommen soll. Woher das Geld kommen soll, ist relativ simpel: Wir haben in diesem Jahr Steuermehreinnahmen in Höhe von 300 Millionen Euro, und wir werden nach dem Steueränderungsgesetz in 2007 ein weiteres Plus weit über diese 300 Millionen Euro hinaus erzielen. Angesichts dieser Zahlen kann ich Sie nur bitten, dieses Geld in die Bildung zu stecken. Denn wir wissen, welche Defi zite wir an den Hochschulen und an den Schulen haben.
Nehmen Sie dieses Geld und sorgen Sie dafür, dass die Zukunft unserer Kinder und unserer Jugendlichen anders aussieht als in Ihrem Plan, nämlich weiterhin zu selektieren, auszugrenzen und nichts dagegen zu tun, dass in Bayern Ihre Politik der sozialen Auslese weiter betrieben wird, die eines so großen und reichen Landes nicht würdig ist.
Sie argumentieren immer, man müsse mit der schwarzen Null für die Zukunft der Kinder sorgen. Ich weiß nicht, wo da tatsächlich die Sorge um die Kinder und Jugendlichen ist. Man muss vielmehr für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen sorgen, indem man ihnen Bildung nicht verkauft. Bildung ist keine Ware, sondern Aufgabe des Staates und die Zukunft dieses Landes. Wenn Sie das nicht kapieren, wird die Zukunft der CSU äußerst begrenzt sein.
(Beifall bei der SPD - Margarete Bause (GRÜNE): Hoffentlich! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das kann uns nur recht sein!)
Dass Sie sich auf die Studiengebühren einlassen, die letztlich dazu führen, dass das Studieren künftig für bestimmte Gruppen ein Armutsrisiko ist, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe es bereits gesagt: Die Hälfte der Studierenden hat weniger Geld als Hartz-IV-Empfänger zur Verfügung. Sie können sich ungefähr vorstellen, wie sich diese Situation gestalten wird. Herr Kollege Rabenstein wird zu diesem Thema noch ausführlicher reden.
Ihre Ideologie, Ihr Herangehen an die Bildung und an die Bürgerinnen und Bürger Bayerns zeigt – dies ist der Spruch des Kollegen Stockinger, den er im Ausschuss häufi ger brachte: Jeder ist seines Glückes Schmied. Gegen diese abgedroschenen Sprüche, die aber auch eine klare Ideologie zeigen, wehren wir uns vehement, davon setzen wir uns deutlich ab. Denn nicht jede und nicht jeder ist seines Glückes Schmied, sondern der Staat hat die klare Aufgabe, Menschen die Unterstützung zu gewähren, die sie brauchen, und allen jungen Menschen gleichen Chancen zu geben. Man kann sich nicht auf solch einen Spruch zurückziehen, außer man ist eines: so unsozial, dass es unsozialer nicht mehr geht.
- Herr Kollege Stockinger, ich habe es auch schon erlebt, dass Sie oder andere hier reden und gackern und am Schluss nur mäßiger Beifall kommt.
Heute steht in der „Süddeutschen Zeitung“: „Die Hochschulen an der langen Leine“. Ich würde eher sagen, dieser Gesetzentwurf nimmt die Hochschulen mehr denn je an die Kandare. Das wäre eigentlich die korrekte Überschrift gewesen.
Mit dem, was Sie vorgetragen haben, Herr Minister Goppel, haben Sie einen Fakt völlig außen vor gelassen, und das fi nde ich besonders erstaunlich. Bisher konnten die Hochschulen Grundordnungen, also sozusagen ihre Satzungen für die innere Struktur der Hochschule, erlassen. Diese Grundordnungen mussten vom Ministerium nur insofern bearbeitet werden, als die Rechtsaufsicht wahrgenommen wurde. Man hat sich also damit unter juristischen Gesichtspunkten beschäftigt.
Künftig soll die Fachaufsicht dazukommen. Wo hier mehr Autonomie sein soll, wo hier mehr Offenheit sein soll, wo hier mehr Zugeständnisse in Richtung Freiheit für die Hochschulen sein sollen, ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar. Auch die Freiheiten, die Sie mit Zielvereinbarungen usw. suggerieren, sind doch nur scheinbar stichhaltige Argumente, wenn man genau hinschaut. Zielvereinbarungen mit den Universitäten sind dann sinnvoll, wenn man sie fi nanziell tatsächlich gut ausstattet,
wenn man ihnen fi nanziell mehr Hoheiten gibt, als Sie jetzt zugestehen wollen, und wenn der Bayerische Landtag Anspruch darauf erhebt, über die Rahmenbedingungen, unter denen Hochschule stattfi ndet, zu diskutieren.
So viel Freiheit soll es aus meiner Sicht nicht geben, dass man sagt: Dann macht mal einfach. Ich bin der Meinung: Der Bayerische Landtag ist das Gremium, das solche Fragen auch diskutieren und kontrollieren muss. Hier verweigern Sie sich. Wir werden künftig als Landtag über die Frage der Zielvereinbarungen nicht mitdiskutieren können. Ich bedauere dies zutiefst.
Ich möchte noch etwas zu den Frauen an den Hochschulen sagen. Ich denke, das ist ein Kapitel, das Ihnen inzwischen richtig peinlich sein müsste. Die Situation der Frauen und ihre Karriereverläufe an den Hochschulen haben sich über viele, viele, viele Jahre nicht verbessert. Wir haben immer noch geringste Anteile an den Professuren, auch in Deutschland, in Bayern. Wir sind in manchen Bereichen bei drei bis vier Prozent. Aber bei den Studierenden haben die Frauen sehr aufgeholt.
Es ist also nicht so, dass die Grundvoraussetzungen nicht gegeben wären. Wo fi ndet denn in den Regelungen Ihres Gesetzentwurfs tatsächlich Frauenförderung statt?
Wenn ich vergleiche, nehme ich eben nicht immer nur Deutschland als Maßstab, weil Deutschland in dieser Frage generell schlecht ist. Das muss man sagen. Aber dann muss man sich einmal die Rangliste anschauen. Vor uns liegt Finnland mit über 20 % – gut, da sagt man: na ja, Bildung in Finnland. Dann kommt – erstaunlich – Portugal, danach Polen, Spanien, Frankreich, Italien, das Vereinigte Königreich, Schweden, Litauen und dieTschechische Republik.
Dann kommt Deutschland, innerhalb Deutschlands steht Bayern an der letzten Stelle, und dann kommen noch die Niederlande. Das ist richtig peinlich.
Sie reagieren auf eine solche Situation, indem Sie nichts Besseres zu tun haben, als zu sagen: Frauenbeauftragte können künftig problemlos auch Männer sein.
Genau das ist der falsche Weg. Wir brauchen Frauenbeauftragte, Frauen, die engagiert sind, die diese Misere kennen und die wissen, welche Wege man gehen muss, wenn man an der Universität Spitzenpositionen erreichen will.
Zur Rolle der Studierenden möchte ich noch ein paar Sätze sagen, weil das, was da stattfi ndet, für mich seit langem unerträglich ist. Es gibt in Bayern ASten, das wissen Sie, das nehmen Sie inzwischen auch zur Kenntnis. Sie laden auch die Landes-ASten-Konferenz zu Anhörungen ein, Sie laden AStA-Vorsitzende hierher ein. Wenn es darum geht, unter den Studierenden kompetente Diskussionspartner zu haben, dann reden auch Sie mit den ASten-Vertretern.
Seit 32 Jahren halten die Studierenden die ASten in Bayern aufrecht, obwohl es sie per Gesetz nicht mehr gibt. Ich kenne keine andere Aktion, die es so lange gibt. 32 Jahre kommen Studierendengeneration nach Studierendengeneration an die Hochschulen, engagieren sich in
ASten, in selbst organisierten Gremien, weil diese kastrierten Gremien aus Ihrem Bayerischen Hochschulgesetz defi nitiv nicht geeignet sind, studentische Interessen wahrzunehmen.
Da bitte ich dringend darum, zu sagen: Hier akzeptieren wir endlich einmal die Realität, anerkennen, dass das so ist, und gehen wieder von diesem Wahnsinn weg.
Sie haben damals die ASten abgeschafft mit einem hochinteressanten Argument: Hätte der RCDS an den Hochschulen die Mehrheit, würden wir es nicht tun. Registrieren Sie bitte: Auch heute hätte er nicht die Mehrheit. Das ist nun einmal in Bayern gesellschaftliche Realität. Machen Sie das, was andere Bundesländer selbstverständlich tun. Führen Sie die verfasste Studierendenschaft wieder ein.