Herr Kollege, erlauben Sie mir eine Zwischenbemerkung. Ich will Sie jetzt nicht zur Ordnung rufen, aber ich denke, dass solche generellen Schlussfolgerungen und Bewertungen nicht angemessen sind.
Aus der angekündigten Mutter aller Reformen ist eher ein Reförmchen geworden. Als Tiger oder Braunbär gestartet, als Bettvorleger gelandet.
Herr Ministerpräsident, ich darf Sie zitieren. Am 31. März haben Sie hier in diesem Hause von einem Signal für die Reformfähigkeit gesprochen. Da können wir nur sagen: Au weia, um die Reformfähigkeit ist es aber nicht so gut bestellt.
Dass so wenig dabei herausgekommen ist, ist gleichermaßen erstaunlich und erschreckend, und dies vor dem Hintergrund: Massiver Handlungsdruck ist gegeben, es gibt einen Konsens darüber, dass etwas geschehen muss, und wir haben es mit einer großen Koalition zu tun, in der die eine oder andere Entscheidung leichter zu treffen sein müsste. Weshalb ist die Reform in unseren Augen kein großer Wurf:
Ich kann dies in Stichworten abhandeln, denn wir haben uns hierüber mehrfach und zuletzt am 31. März ausführlich ausgetauscht.
Erstens gibt es immer noch zu wenig Entfl echtungen der Zuständigkeiten, weiterhin ein Zuviel an Vermengungen. Ein Beispiel ist die Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Warum muss eine solche Gemeinschaftsaufgabe erhalten bleiben?
Zweitens. Die Abweichungsgesetzgebung halten wir in der Art und Weise für wenig überzeugend, das PingPong-Spiel sorgt eben nicht für Klarheit, sorgt eben nicht für Transparenz.
Drittens. in unseren Augen sind die Zuständigkeiten in manchen Bereichen falsch verortet. Ich nenne einige wenige Beispiele: Versammlungsrecht, Strafvollzug, Notariat und Heimrecht. Am Beispiel des Heimrechts möchte ich unsere Bedenken und Befürchtungen, die jetzt schon Realität zu werden drohen, deutlich machen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Länder bei einer erneuten Zuständigkeitsverlagerung in einem negativen Sozialleistungswettbewerb gegenseitig unterbieten wollen und Qualitätsstandards nach Kassenlage defi nieren.
Das heißt es wird sich eine Qualitätsspirale nach unten in Gang setzen. In Bayern hat die zuständige Ministerin bereits mit dem Ruf nach einer Absenkung der Fachkraftquote begonnen. das ist also Realität. Dies sind nicht nur
Jawohl. – Der vierte ganz gravierende Kritikpunkt ist das Ausklammern der Finanzbeziehungen. Der Kollege Förster hat es höfl ich verkleidet, aber ein ganz großes Manko ist das Beharren auf den Anträgen der Regierungskoalition und des Bundesrats gewesen. Zitat: „Es wird nichts mehr aufgeschnürt.“
Wir hatten die größte Sachverständigenanhörung, die es jemals in einem Gesetzgebungsverfahren gegeben hat. Einige Kolleginnen und Kollegen – ein paar sehe ich hier – durften dankenswerterweise mit dabei sein. Herr Präsident, das war sehr interessant.
Was ist dabei herausgekommen? Sehr wichtige Kritikpunkte sind genannt und niedergeschrieben worden. Wichtige Anregungen wurden gegeben, aber herausgekommen sind nur kosmetische Änderungen. Lediglich bei der Hochschulkooperation hat man noch ein klein wenig geändert. Das heißt, die Anhörung war nichts anderes als eine Farce.
Das was gesagt und geschrieben worden ist, war für den Orkus bzw. für den Papierkorb. Allenfalls kann man noch sagen, dass das einen akademischen Wert gehabt hat.
Großartiger Widerstand, zahllose Nein-Stimmen vor allem aus der SPD-Bundestagsfraktion waren angekündigt, und dies aus gutem Grund. Zum Schluss waren es noch bescheidene 20 SPD-Bundestagsabgeordnete.
Oder sogar weniger. Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. – Das halten wir für keinen großen Wurf. Vielmehr haben die Zuchtmeister der Fraktionen zugeschlagen. Das ist alles andere als ein Ruhmesblatt für das Parlament, in diesem Fall für den Bundestag.
Die Zielsetzungen einer Föderalismusreform sehen wir ja alle gleich. Auch diese noch einmal in Stichworten: Die Entfl echtung der Zuständigkeiten ist gut für die Entscheidungsfi ndung und für die Entscheidungsdurchsetzung, sie ist gut für die Transparenz und für die Wahrnehmung der Verantwortung. Damit kann es auch gelingen, gegen die Politikverdrossenheit anzugehen.
Ein weiteres ganz entscheidendes Ziel, die Stärkung der Landesparlamente auch zulasten der Landesregierungen, hatten wir in unseren zahlreichen Anträgen und Dringlichkeitsanträgen ebenfalls immer wieder genannt. Denn die Landesregierungen haben sich bekanntermaßen im Zuge
Herr Ministerpräsident Stoiber, ich darf Sie noch einmal zitieren. Am 31. März haben Sie von einer Reparlamentarisierung unserer Demokratie gesprochen. – Schön wärs! – Jetzt betrachteten wir uns einmal die Geschichte der Föderalismusreform und Fragen, wie es weiter gehen soll. Es war schon ein wenig erfreulicher Akt, dass die Landtage nicht an der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung beteiligt waren. Zwar gab es eine Bank der Landtage – Herr Glück, Sie waren auch dabei - , aber diese hatten lediglich einen Beobachterstatus. Wenn es um die Diskussion und das Abstimmen ging, waren die Landtage leider nicht dabei.
Nun wird signalisiert – wir hören und staunen und lesen –, dass man sich schon bald mit der Finanzverfassung beschäftigen wird. Insoweit ist von einem Fahrplan und von Arbeitsgruppen nachzulesen. Und wie geht es dann weiter im Text? Beteiligt werden Bundestag, Bundesregierung und Landesregierungen. Also wieder das Gleiche: Den Parlamenten, die es ebenfalls originär angeht, wird wahrscheinlich wieder der Status des Beobachters zugewiesen. Meine Damen und Herren, dies sollte uns allen nicht genügen, denn dies ist, denke ich, schon ein klares Signal.
Damit sind wir jetzt bei den politischen Realitäten. Die Stärkung der Landesparlamente wird wohl in Bayern heißen: Wir dürfen mehr originär Kritisieren und uns weiterhin abarbeiten, und die CSU-Fraktion darf mehr originär Abnicken, denn das sind die Realitäten der zwei Drittel Mehrheit, das sind die Realitäten, wenn einer Mehrheitsfraktion das eigenständige Profi l fehlt.
Es geht nicht nur darum dass wir behaupten, Ihnen fehle das eigenständige Profi l, sondern es ist auch schon wieder einiges im System angelegt. Bei dem Ping-PongSpiel über den Bundesrat sind per se zunächst wieder die Regierungen gefragt und gefordert.
Das Thema der Aktuellen Stunde, lautet – so wurde sie aufgerufen -: Chancen für Bayern nutzen. Wir sind gespannt, was wir hierzu konkret hören. Die Regierungserklärung vom 31. März sollte ja auch schon die Chancen für Bayern behandeln. Abgehandelt wurden dann ganz andere, sehr interessante Themen, aber nicht konkret, die Frage, was in Bayern anders werden soll.
Wir werden sehr genau zuhören und mitmachen. Eine Gestaltung der neuen Handlungsfelder zulasten sozial Schwacher und die Gestaltung neuer Handlungsfelder zulasten des Umweltschutzes werden wir nicht mit machen. Sie können jetzt schon versichert sein, dass wir gegenhalten, und können sich auf unseren Einsatz freuen - Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Chancen für Bayern nutzen. Kollege Runge hat darum gebeten, Informationen zu erhalten, worin die Chancen für Bayern liegen.
Hierzu verweise ich auf das, was Herr Kollege Welnhofer eingangs zitiert hat: Altbundespräsident Roman Herzog hat gesagt, der Leitwert in einem freiheitlichen Gemeinwesen heiße Vielfalt. Damit ist vollkommen unklar, warum beispielsweise eine einheitliche deutsche Bildungspolitik der Garant für ein hohes Bildungsniveau wäre, Herr Kollege Dr. Runge. Genau das Gegenteil ist der Fall.
In diesem Zusammenhang darf ich mich ganz herzlich bei unserem Ministerpräsidenten bedanken, der für die Bildung gekämpft, ihr Gestaltungsspielräume eröffnet und die Möglichkeit gegeben hat, Verantwortung zu zeigen. Das ist keine Diskussion für den Papierkorb gewesen, wie Sie, Herr Kollege Runge, gemeint haben,
sondern es ging darum, dass wir unseren Kindern ein gediegenes Bildungsangebot auf einem hohen Niveau machen wollen.
- Ich bedanke mich für den Zwischenruf, Herr Kollege Wörner. Das war, wie man im Fußball sagt, eine Steilvorlage. Bayern profi tiert nämlich von diesem Wettbewerb.
Das war früher so, das ist jetzt so, und das wird auch künftig so sein; denn es wäre ein Alptraum, sich vorzustellen, wo Bayern wäre, wenn es bei der Bildung Verantwortung des Bundes gäbe. Es gibt ja immer wieder Vorschläge in Richtung einer Nivellierung auf ein niedriges Niveau. Ich kann hierzu nur feststellen: In Bayern wird dies nicht der Fall sein – ganz eindeutig nicht. Verbesserungen sind nämlich stets eine Sache des Wettbewerbs. Diesem Wettbewerb, dem Wettbewerb der Länder untereinander, stellen wir uns sehr, sehr gerne. Die Länder können voneinander profi tieren. Auch wir blicken über den Tellerrand hinaus und versuchen, Dinge, die in anderen Ländern möglicherweise besser als bei uns geregelt sind, zum Wohle unserer Kinder auch auf Bayern zu übertragen.