Protokoll der Sitzung vom 18.10.2006

munen von Bürokratie entlasten will, dann muss man ganz andere Themen, ganz andere Bereiche ansehen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Da muss man differenzieren!)

Um zu diskutieren und auszuloten, was möglich und sinnvoll ist, brauchen wir ein breites Gespräch. Ich fände es schade, wenn dies nicht im Sinne der Mehrheitsfraktion im Bayerischen Landtag wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Welnhofer bittet nochmal ums Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, es liegt uns völlig fern, Sie am Nachdenken hindern zu wollen. Das können Sie jederzeit gerne tun.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CSU)

Die Frage, die ich mir aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen jedoch stelle, ist die, was dabei herauskommen wird.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wir werden uns selbstverständlich über den Gesetzentwurf hinaus Gedanken machen, weil es eine Daueraufgabe ist, zu überlegen, wie man Kommunen, wie man die Staatsverwaltung entlasten kann. Sie tun in Ihrem Wortbeitrag gerade so, als ob es unanständig wäre, auch darüber nachzudenken, wie man die Staatsverwaltung entlasten kann.

In der Begründung zu Ihrem Antrag nehmen Sie zudem ausdrücklich Bezug auf den Gesetzentwurf, der inzwischen eingebracht, jedoch noch nicht in Erster Lesung behandelt worden ist. Ich bleibe deshalb dabei: Über einen Gesetzentwurf findet erst dann eine Anhörung statt, wenn die Erste Lesung erfolgt ist.

Im Übrigen sind die kommunalen Spitzenverbände weder so zurückhaltend noch so furchtsam, dass sie uns ihre Argumente nicht sagen wollten. Die kommunalen Spitzenverbände werden sehr wohl die Möglichkeit haben, und sie werden sie auch wahrnehmen, in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf auch das vorzubringen, was ihnen in diesem Gesetzentwurf gegebenenfalls fehlt, was die kommunalen Spitzenverbände sich zusätzlich wünschen. Wenn eine schriftliche Anhörung den kommunalen Spitzenverbänden nicht genügt, dann können sie darüber hinaus im Ausschuss Gehör finden.

Herr Kollege Welnhofer, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Kamm?

Ich genehmige fast jede Zwischenfrage.

Bitte schön, Frau Kollegin Kamm.

Herr Welnhofer, ist Ihnen bewusst, dass die CSU-Fraktion bereits im Innenausschuss, im Rechtsausschuss und im Wirtschaftsausschuss einen Antrag hat beraten lassen, der zum Inhalt hatte, dass ein solcher Modellversuch durchgeführt wird?

Herr Kollege Welnhofer, bitte.

Das ist mir selbstverständlich bewusst. Ich will nicht sagen, dass die Staatsregierung in vorauseilendem Gehorsam gegenüber diesem Antrag der CSU-Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Sie sehen daran aber einmal mehr: Wir arbeiten gut zusammen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Das ist konfus! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD)

Die CSU-Fraktion hat einen Antrag gestellt. Die Staatsregierung bringt nun einen Gesetzentwurf ein. Über den Gesetzentwurf wird selbstverständlich mehr als über den Antrag zu diskutieren sein. Das liegt doch auf der Hand.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es aus unserer Sicht keinen Sinn macht, bereits jetzt eine Anhörung zu beschließen, wenn die kommunalen Spitzenverbände im Gesetzgebungsverfahren ohnehin anzuhören sind. Darüber hinaus kann die Minderheit in diesem Haus eine Anhörung beantragen. Wir werden uns in dieser Frage nicht bewegen.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat erneut Frau Kollegin Kamm.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, ich finde es außerordentlich bedauerlich, wenn Sie sich in dieser Frage nicht bewegen. Wenn es um Bürokratieabbau in den Gemeinden geht, muss wesentlich mehr geschehen, vor allem aber muss anderes geschehen als das, was hier in diesem Gesetzentwurf steht.

Dazu dient eine Anhörung und Sie können nicht einfach irgendwelche Punkte herauspicken, bei denen Sie meinen, man könnte irgendetwas tun, die aber eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Was haben die ÖPNV-Nahverkehrspläne mit dem Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit oder der Pflicht zur Trophäenschau oder mit dem Denkmalschutz oder anderem zu tun? Es ist ein breites Sammelsurium, das hier als Modellversuch laufen soll, der eigentlich überhaupt nicht modellhaft werden kann. Deshalb lassen Sie uns den Bürokratieabbau auf vernünftige Füße stellen und die Themen angehen, die die Spitzenverbände als wirklich wichtig ansehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen und wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 15/6461 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Das ist die Fraktion der CSU. Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Helga Schmitt-Bussinger, Christa Naaß u. a. u. Frakt. (SPD) Keinen Raum für private Sicherheitsdienste lassen – Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Landespolizei in ganz Bayern! (Drs. 15/6462)

Ich eröffne die Aussprache und darf hierzu Frau Kollegin Schmitt-Bussinger das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Vor nicht einmal vier Wochen hat Innenminister Dr. Beckstein einen hoch angesehenen Polizeiführer aus Unterfranken öffentlich einen Versager genannt. Das war – so müssen wir heute feststellen – ein folgenschwerer Fehler. Dieser Wutausbruch zeugt nicht gerade von einem partnerschaftlichen, modernen Führungsstil, sondern bringt eher ein stark hierarchisches Denken zum Ausdruck, nach dem Motto: Wer aufmuckt, der bekommt eine übergebraten. Heute stellt sich vielmehr die Frage, wer der eigentliche Versager ist.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ein bayerischer Innenminister den Anspruch erhebt, für die Sicherheit auf öffentlichen Straßen in Bayern sei ausschließlich die Polizei zuständig, dies aber im wirklichen Bayern nicht mehr gilt, wer hat dann versagt? Der örtliche Polizeiführer, der Streifenpolizist, gar der Bürgermeister oder der Innenminister, der für eine ausreichende Personalausstattung zu sorgen hat?

Nicht nur in Schweinfurt und im dortigen Landkreis, sondern auch im Landkreis Dachau, so wurde gestern bekannt, wurden und werden private Sicherheitsdienste zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung engagiert. Entscheidend dabei ist, dass die Gemeinden überhaupt einen Anlass gesehen haben, einen privaten Sicherheitsdienst zu beauftragen, statt der bayerischen Polizei zu vertrauen. Das ist der Punkt, über den wir heute diskutieren müssen.

Sicherheit zu geben ist eine Kernaufgabe des Staates; darin sind wir uns einig. Es ist ein Markenzeichen eines demokratischen Staates, diese Kernaufgabe gegenüber jedermann zu erfüllen, egal, wo er herkommt und wo er wohnt. Deshalb ist auch der Wahlspruch der bayerischen Polizei richtig, wie er auf der Internetseite veröffentlicht ist: Polizei Bayern – der Garant für Ihre Sicherheit. Der Anspruch ist richtig und die Motivation der Polizistinnen

und Polizisten, genau das zu sein, nämlich Garant für unsere Sicherheit, ist es auch. Nur lässt man sie das nicht, zumindest in einigen Gebieten Bayern ist das offenbar nicht mehr der Fall, und zwar vor allem im ländlichen Raum. Wenn ich an die Diskussion von heute morgen denke, dann muss ich sagen: Hier könnten Sie ernst machen mit der Stärkung des ländlichen Raums. In beiden Gemeinden im Landkreis Dachau – so hat man mir gesagt – würde die Polizei helfen wollen, aber sie liegen im hintersten Winkel des Landkreises und die Polizei brauche zu lange, bis sie dort sei. Genau dies fällt in die Verantwortung des Innenministeriums. Der Innenminister ist dafür verantwortlich, dafür zu sorgen, dass die Polizeistrukturen so beschaffen sind, dass ein ausreichendes Maß an Sicherheit in ganz Bayern gewährleistet werden kann, auch im ländlichen Raum und auch im hintersten Winkel des Landkreises Dachau.

Man muss sich einmal die Diskrepanz vor Augen führen: Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten machen eine sehr gute Arbeit; das haben sie erst kürzlich bei der Fußballweltmeisterschaft und beim Papst-Besuch bewiesen. Im Alltag schaffen wir es aber nicht, Gemeinden im hintersten Winkel eines Landkreises die Sicherheit zu geben, dass die Polizei da sein kann, wenn sie gebraucht wird. Das ist doch der Grund für den Einsatz von Sicherheitsdiensten in den Gemeinden. Die Bürgermeister sehen: Ich muss etwas tun, um unsere Kinderspielplätze zu schützen, Vandalismus zu verhüten oder – schlimmer noch – der Bevölkerung die Angst zu nehmen, allein durch dunkle Gassen zu gehen. Sie sehen auch: Unsere Polizei würde das gerne tun, aber sie kann es nicht, weil nur noch ein oder zwei Streifenwagen nachts im ganzen Landkreis verfügbar sind. Das ist das Problem, vor dem wir stehen und das gelöst werden muss. Das Problem besteht offensichtlich in mehreren Teilen Bayerns, quer durch alle Zuständigkeitsbereiche von Polizeidienststellen.

Sehr überrascht war ich, dass das Innenministerium auch hiervon nichts gewusst haben will. Wenn es ein Ministerium gibt, das stets als nahezu allwissend auftritt, so ist es doch das Innenministerium – außer der Staatskanzlei selbstverständlich. Es stellt sich die Frage, wieso sind diese Vorgänge des Einsatzes privater Sicherheitsdienste angeblich niemals zur Kommunalaufsicht im Innenministerium vorgedrungen? Oder hat man die Frage nur nicht wichtig genug genommen?

Ich weiß natürlich genau, was Sie jetzt antworten werden. Sie werden sagen: Frau Schmitt-Bussinger, deswegen machen wir doch die Polizeireform mit den tollen Einsatzzentralen voll modernster Technik, damit nicht auf jeder Wache jemand am Funk sitzen muss, sondern alle Beamten vor Ort rausgehen können. Sie werden sagen: Deshalb machen wir die Polizeireform, damit mehr Indianer auf der Straße sind und weniger Häuptlinge in den Dienststellen. Wo sind nun in Unterfranken die sogenannten Indianer auf der Straße? Wo ist die Polizeipräsenz für die Bevölkerung spürbar gestiegen? Wieso ist dann die Zusammenarbeit von Kommunen mit den privaten Sicherheitsdiensten nicht schlagartig mit dem Wirken der Polizeireform in Unterfranken beendet worden? Wieso melden sich denn landauf, landab Kritiker der Reform aus den Reihen der Polizei zu Wort? Wieso bekomme ich ano

nyme Mails und Briefe von Polizeibeamtinnen und beamten, die sich nicht trauen, öffentlich Kritik zu üben, aber in Sorge um die Arbeit der Polizei sind?

Ich sage Ihnen voraus: Ihre missratene Polizeireform wird Ihnen nichts nützen. Hier hat Ihnen der Herr Ministerpräsident ein Kuckucksei ins Nest gesetzt, über das Sie nun bis zur Erschöpfung brüten können. Eine tolle Sache kann aus diesem Ei nicht mehr entstehen. Da sieht man, was herauskommt, wenn die Staatskanzlei nicht nur alles weiß, sondern alles besser weiß.

(Zuruf von der SPD: So ist Stoiber!)

Ja, so ist Stoiber. Allwissend.

Entscheidend wäre gewesen, Verwaltungsbelastungen der Beamtinnen und Beamten abzubauen und in der Personalentwicklung mit dem Aufgabenzuwachs der Polizei Schritt zu halten.

Wir dürfen nicht zulassen, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung privatisiert wird. Bayerns Polizei muss tatsächlich der Garant für unsere Sicherheit bleiben, nicht nur auf dem Papier und nicht nur in Lippenbekenntnissen im Parlament, sondern im wirklichen Leben, in allen Teilen Bayerns, auch im hintersten Winkel der Landkreise. Wir dürfen nicht zulassen, dass Bürgermeister sich nicht mehr anders zu helfen wissen, als private Sicherheitsleute zu engagieren. Das ist unsere Aufgabe. Die Beispiele aus Schweinfurt und Umgebung und die Beispiele im Landkreis Dachau haben gezeigt, dass es nicht von der Entscheidungsfreude oder dem Einsatz eines einzelnen Dienststellenleiters abhängt, ob die Polizei die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen kann, sondern es hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen ab, die wir im Parlament und die Sie, Herr Innenminister und Herr Staatssekretär, im Innenministerium setzen.

Das zeigt aber auch, dass man mit dem Vorwurf, sehr geehrter Herr Minister, an Untergebene, diese hätten versagt, sehr vorsichtig umgehen sollte. Das kann leicht auf einen selbst zurückschlagen. In diesem Sinne erwarte ich eine breite Unterstützung und die Zustimmung zu unserem heutigen Dringlichkeitsantrag.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Kreidl. Bitte.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, Sie haben eine Reihe von Behauptungen aufgestellt, die man nicht unwidersprochen stehen lassen kann. Ich will an verschiedenen Beispielen darlegen, dass Sie ein Zerrbild gezeichnet haben, das teilweise mit der Realität nicht in Einklang zu bringen ist. Sie haben mit Ihren Ausführungen den Eindruck erweckt, als sei der Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten in allen Bereichen, vor allem im ländlichen Raum, gang und gäbe; das sei Alltagsgeschäft und von Bürgermeistern immer wieder in die Wege geleitet worden,

weil die Polizei nicht in der Lage sei, für die innere Sicherheit zu sorgen.

(Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Richtig!)