Protokoll der Sitzung vom 13.06.2007

Herr Kollege Unterländer, Sie werden dabei tatkräftig von meinem katholischen Lieblings-Bischof Mixa, der sich auch in diese Debatte wieder mit passenden Bemerkungen eingemischt hat, unterstützt. Die konservativen Ideologen in Ihren Reihen bremsen die Anpassung des Familienbildes an die Realität.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Uns wird immer vorgeworfen, wir würden den allein selig machenden Lebensentwurf durchsetzen wollen, indem wir Kinderkrippen fordern. Das ist nicht wahr. Wir sind genauso wie Sie für die Wahlfreiheit, allerdings mit dem Unterschied, dass wir dafür sorgen wollen, dass diese Wahlfreiheit auch gewährleistet ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Moment gibt es keine Wahlfreiheit. Im Moment gibt es keine Kinderkrippen für die Menschen, die sie in Anspruch nehmen wollen. Lange Wartelisten und viel zu teure Angebote. Das ist keine Wahlfreiheit. Das haben Sie zu verantworten. Deshalb wollen Sie unsere Vorschläge mit dem Betreuungsgeld torpedieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss sich einmal klarmachen, wie vernagelt diese Eiferer sind, wenn sie diesen „Heimchenbonus“ gegen die Eltern einführen wollen.

(Helmut Guckert (CSU): Das ist eine Unverschämtheit!)

Es ist doch klar. Wer wird sich diesen Heimchen-Bonus nehmen? – Das werden Eltern sein, die, weil sie einer unteren Einkommensschicht angehören, dieses Geld gut gebrauchen können. Ob dieses Geld dann bei den Kindern ankommt, ist die nächste Frage. Sie erzielen damit außerdem den Effekt, dass Sie dieses Geld dem Ausbau der Kinderkrippen entziehen und Kinder aus bildungsfernen Schichten daran hindern, in einer Kinderkrippe, in einer Bildungseinrichtung, tatsächlich gefördert zu werden und vielleicht auch gute Zukunftsaussichten zu erhalten. Mit anderen Worten: Sie schlagen drei Fliegen mit einer Klappe. Das Geld wird falsch verwendet, die Kinder werden nicht gebildet und das Geld wird dem Kin

derkrippen-Ausbau entzogen. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Kunstgriff.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Wahlfreiheit möchte ich die Familienministerin zitieren. Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören. Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen. Sie hat gesagt:

Ich möchte den jungen Frauen vor allem raten, sich nicht entmutigen zu lassen und sich kein schlechtes Gewissen einreden zu lassen. Auch ich habe einmal als junge Ärztin mit Kind angefangen. Ich habe Zeiten zuhause verbracht und dann versucht zu arbeiten. Wie immer ich es hielt, es war nie recht. War ich zuhause, wurde ich von den Kollegen abgeschrieben, habe ich gearbeitet, kam der Vorwurf der Rabenmutter. Ich sage allen jungen Eltern: Macht es, wie ihr es für richtig haltet. Ihr habt meinen Respekt und meine Unterstützung.

Ihren Respekt und Ihre Unterstützung haben diese Eltern nicht; denn bei Ihnen herrscht noch immer das Rabenmütter-Image vor. Deshalb torpedieren Sie mit dieser Maßnahme den Ausbau der Kinderkrippen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie tun damit den Kindern nichts Gutes. In einer Studie des Robert-Koch-Instituts zur Kinder- und Jugendgesundheit wurde festgestellt, dass Kinder aus benachteiligten Familien schlechtere Ergebnisse in Bezug auf Schullaufbahn, Gesundheit und psychische Gesundheit haben. Soweit sind die Ergebnisse noch klar. Allerdings wurde auch festgestellt, dass Kinder, die Krippen besuchen, psychisch weniger auffällig sind als solche, die zuhause bleiben. Hört, hört. Offensichtlich ist das Gegenteil von dem der Fall, was Sie ständig propagieren.

(Joachim Unterländer (CSU): Das ist unglaublich!)

Mittlerweile hat es sich fast überall herumgesprochen, dass frühkindliche Bildung das Startkapital für ein erfolgreiches Leben ist. Krippen sind Bildungseinrichtungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier möchte ich aus einer weiteren Studie zitieren, die am Forschungszentrum für Erziehung und Arbeitsmarkt der Universität Maastricht veröffentlicht wurde. Darin wurde festgestellt: „Je länger ein Kind in eine Kindertageseinrichtung geht, umso mehr sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind später auf die Hauptschule kommt.“ Anders ausgedrückt: Viele Kita-Jahre sind eine gute Voraussetzung dafür, dass ein Kind später ein Gymnasium besuchen kann.

Man sieht aus der Studie sehr deutlich, dass die Kinder einkommensschwacher Eltern weniger lang im Kindergarten sind, und damit wird deutlich, dass die Bildungs

benachteiligung, über die wir in Deutschland diskutieren, dort anfängt.

(Zuruf von der CSU: Kindergärten sind ein an- deres Thema!)

Frau Kollegin, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Es geht um Kitas. Kitas sind nicht Kindergärten. Da müssen Sie sich einmal informieren.

Sie haben bereits mit dem Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ein äußerst schlechtes Gesetz abgeliefert, das Eltern, Kinder und Erzieherinnen nur Probleme bereitet. Bitte machen Sie nicht den nächsten Fehler, indem Sie jetzt den Ausbau der Kinderkrippen durch die Einführung einer parallelen Herdprämie behindern.

Wir wissen, dass die CSU ohnehin Schlusslicht im Meinungsbildungsprozess ist. Maßgebliche Politiker der CDU und auch Frau von der Leyen haben längst begriffen, dass der Krippenausbau notwendig ist, und stehen mit Ihrer Herdprämie auf Kriegsfuß. Frau von der Leyen hat gesagt, sie will das Geld lieber in frühkindliche Erziehung stecken als in Flachbildschirme. Hört, hört. Ihre Familienministerin misstraut den Eltern, wenn ich Ihre Worte gebrauchen will.

Frau Kollegin, ich muss Sie noch einmal darauf hinweisen, jetzt ist Ihre Redezeit zu Ende.

(Zurufe von der CSU: Bravo!)

Ich werde mit einem Appell an die CSU schließen, von dem ich von vornherein überzeugt bin, dass er völlig umsonst ist, aber ich möchte ihn Ihnen trotzdem nicht ersparen: Nehmen Sie in Zukunft Familien ernster als heute. Verabschieden Sie sich von Ihrem antiquierten Familienbild. Helfen Sie mit, die Krippen auszubauen, und beenden Sie endlich diesen Krippenalbtraum, den Sie über dieses Land verbreiten.

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Das war ein rhetorischer Albtraum!)

Nächste Wortmeldung: Frau Staatsministerin Stewens.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Wahnschaffe. Sie monieren, dass wir das Landeserziehungsgeld – übrigens im Nachtragshaushalt 2004 – gekürzt hätten. Tatsächlich haben wir aber das Landeserziehungsgeld umgestaltet, und um eine Anschlussleistung zu schaffen, geben wir in den kommenden Haushaltsjahren zusätzlich 75 Millionen Euro aus. Die SPD wollte das Landeserziehungsgeld gänzlich abschaffen. Was ist denn das für eine Scheinheiligkeit?

(Beifall bei der CSU)

Sie wollten es gänzlich abschaffen. Wir haben in Bayern seit 1989 eine Milliarde Euro für Familien ausgegeben in der Gründungsphase, also in der Phase, in der sie das Geld am dringendsten benötigen. Das nur noch einmal zur Richtigstellung.

Weiter möchte ich ganz klar sagen, dass die Worte, die hier gefallen sind, wie „Herdprämie“ und „Heimchen am Herd“ – –

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das haben wir nicht gesagt!)

Das weiß ich. Solche Worte, Frau Kollegin Ackermann – damit man deutlich den Adressaten erkennt –, sind eine Beleidigung von 65 % der jungen Eltern, also von Müttern und Vätern, die sich entscheiden, freiwillig bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Ich meine, das ist eine Diffamierung unserer Familien.

(Beifall bei der CSU)

Man schickt so 65 % der Familien in die Asozialität. Man tut so, als ob die Frauen das Geld versaufen.

(Renate Ackermann (GRÜNE) meldet sich für eine Zwischenfrage)

Nein, keine Zwischenfrage. Man tut so, als ob diese Frauen und Männer ausschließlich vor dem Fernseher sitzen und als ob all diejenigen, die Kinder haben, sozusagen asozial sind. Das ist eine pauschale Beleidigung von 65 % unserer Familien, und das ist für mich absolut intolerabel.

(Beifall bei der CSU)

Außerdem möchte ich Ihnen sagen, nach der vorliegenden Erhebung haben wir jetzt 10 % Betreuung für Kinder unter drei Jahren, und zwar altersgemischte Gruppen, Krippen und Tagesmütter. Kein Land in Deutschland hat so rasant die Kinderbetreuung für die Kinder unter drei Jahren ausgebaut wie Bayern.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Weil es notwendig war!)

Das war notwendig, keine Frage. Ich habe mich auch selbst intensiv dafür eingesetzt. Ich stehe auch dazu, und wir werden die Betreuung für die Kinder unter drei Jahren weiter ausbauen. Sie haben durchaus recht: Zur Wahlfreiheit gehört der Ausbau der Kinderbetreuung für die Kinder unter drei Jahren.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wahlfreiheit gehört auch, dass man die Lebensentwürfe der Frauen, die sagen, ich tue das gern, ich bleibe gern zu Hause, das macht mir Spaß, das ist eine tolle Tätigkeit, nicht einfach

in den Papierkorb wirft und den Eltern sagt, dieser Lebensentwurf ist nichts.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das sagen wir nicht!)