Protokoll der Sitzung vom 17.07.2007

Wir alle wissen, dass diese Art zu wirtschaften die Temperaturen nach oben treibt. Wir leiden immer öfter unter extremen Wetterlagen, unter Hitzewellen, Wolkenbrüchen und Stürmen. Wir brauchen dringend eine wirkliche Trendumkehr.

In Bayern verursacht der Auto- und Flugverkehr fast ein Drittel aller CO2-Emissionen – mit steigender Tendenz. Beim Flugverkehr gibt es seit 1990 sogar eine Steigerung um 83 %. CSU und Staatsregierung setzen nach wie vor auf die wirtschafts- und strukturpolitischen Rezepte von gestern: Sie subventionieren den Flugverkehr, Sie fördern Regionalfl ughäfen und die dritte Startbahn in München. Sie lehnen wirksame CO2-Grenzwerte für Autos ab; Sie nehmen Gelder, die dem öffentlichen Regionalverkehr gehören, weg und stecken sie in den Transrapid. Sie wollen eine Autobahn durchs Fichtelgebirge bauen, obwohl selbst die Bundesregierung sagt, sie sei überfl üssig. All diese unsinnigen Großprojekte schaden dem Klima, kosten Arbeitsplätze und beeinträchtigen unsere Lebensqualität.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Beckstein – ist er noch da oder ist er schon gegangen?

(Franz Maget (SPD): Dem war das zu viel heute!)

Also spreche ich einmal zum virtuellen Beckstein.

Minister Beckstein glaubt bis heute, dass Straßen mehr Fortschritt und weniger Stau bedeuten. Das glaubt er bis heute,

(Zurufe von den GRÜNEN)

unbeirrt von allen wissenschaftlichen Studien. Denn genau das Gegenteil ist der Fall. Das Umweltbundesamt sagt, etwa 15 bis 20 % des Verkehrswachstums sind auf den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zurückzuführen. Das heißt, je mehr Straßen man baut, desto mehr Verkehr gibt es. Das sagt das Umweltbundesamt. Kollege Pschierer, damit auch Sie das verstehen, habe ich es übersetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von den GRÜNEN)

Sie glauben immer noch, neue Straßen könnten strukturschwachen Regionen helfen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Das Umweltbundesamt stellt fest, dass der Anschluss an das Autobahnnetz die Abwanderungstendenzen verstärkt.

Aber Klimaschutz ist dem Minister egal. Das hat er im Dezember mit seiner Forderung nach einer Pkw-Maut gezeigt. Mit einer Pkw-Maut, hat er erklärt, würde es für Autofahrer billiger. Wenn einer viel fährt, dann wird es viel billiger. Da freuen sich alle, die den Klimaschutz ernst nehmen und möglichst wenig fahren.

Wer wie Minister Beckstein noch immer in den Denkmustern von gestern rechnet, ist sicher kein Hoffnungsträger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, alle Menschen in ganz Bayern wollen mobil sein, auch die Hälfte der Bevölkerung, die über kein Auto verfügt. Deswegen müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen für mehr Lebensqualität und Klimaschutz. Die Industrie muss sparsamere Autos bauen. Dazu brauchen wir Grenzwerte und Tempolimit, sonst macht sie das nicht. Bus und Bahn müssen attraktiver werden. Wir werden dafür das Geld verwenden, das Staatsregierung und CSU in den Transrapid stecken wollen. Schließlich stoppen wir alle direkten und indirekten Subventionen für den Flugverkehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der größte Teil der CO2-Emissionen stammt aus dem Energieverbrauch. Wir wollen den Verbrauch senken, aber die Lebensqualität steigern. Dazu setzen wir GRÜNE auf die drei großen „E“ in der Energiepolitik: Einsparung, Effi zienz und Erneuerbare Energien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was machen Staatsregierung und CSU? Die Staatsregierung macht nicht viel – Kollege Maget hat es schon gesagt: Das Thema „erneuerbare Energien“ ist kein einziges Mal vom Ministerpräsidenten erwähnt worden –, und die CSU hat alle unsere Anträge zum Klimaschutz auch nach der

weltweiten Klimadebatte abgelehnt. Sie machen weiter wie bisher, als sei nichts gewesen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben 1995 versprochen, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2000 auf 13 % auszubauen. Vielleicht erinnern Sie sich noch. Getan haben Sie in Ihrer Regierungszeit wenig dafür.

(Erwin Huber (CSU): Wir sind an der Spitze!)

Stattdessen wollten Sie – und Sie, Herr Minister Huber, an der Spitze – das Erneuerbare-Energien-Gesetz verhindern.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Genau, im Bundestag!)

Damit sind Sie auf die Nase gefallen, Gott sei Dank, zum Glück für Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn es war genau dieses Gesetz der rot-grünen Bundesregierung, das den beispiellosen Boom auch in Bayern für Sonne, Biomasse und Wind erst ermöglicht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotzdem, als der Boom schon sichtbar war, wollten Sie das Gesetz noch abschaffen. Sie sind in den Wahlkampf gezogen und wollten es abschaffen, Kollege Huber.

(Erwin Huber (CSU): Nicht abschaffen!)

Gott sei Dank sind Sie wieder auf die Nase gefallen zum Wohle Bayerns.

(Beifall bei den GRÜNEN – Erwin Huber (CSU): Blödsinn!)

1995, Herr Ministerpräsident, haben Sie gesagt, 13 % bis zum Jahr 2000. Vor Kurzem haben Sie wieder großspurig erklärt, Sie wollten den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf 16 % „verdoppeln“. Ja Wahnsinn! Sieht so Ihr klarer Kurs aus?

Wir GRÜNE haben mit der Bundesregierung bewiesen, dass sich mit grünen Konzepten schwarze Zahlen schreiben lassen. Damit haben wir die Menschen überzeugt. Klimaschutz ist ein wirksames Zukunftsprogramm für Lebensqualität und Arbeitsplätze. Selbst die ökologisch rückständige „Wirtschaftswoche“, ungefähr auf dem Niveau von Minister Huber, schrieb unter dem Titel „Grüne Technologien stehen vor einem gigantischen Boom“: „Die weltweit führende Automobilindustrie hat beste Exportchancen und das Zeug zum wichtigsten Jobmotor.“ Wir GRÜNE haben dafür gearbeitet. Jetzt ist es an Ihnen, endlich etwas zu tun.

Kolleginnen und Kollegen, nun zum dritten großen politischen Handlungsfeld in Bayern, der sozialen Gerechtigkeit. Auch hier fehlt Ihnen ein frischer Blick auf die ganze Wirklichkeit in Bayern. Wir sind alle froh, in einem relativ reichen Land wie Bayern zu leben. Aber immer mehr Menschen haben auch in unserem Land kaum eine Chance, am öffentlichen und privaten Wohlstand teilzuhaben.

Nun sagt die Staatsregierung, allen voran Minister Huber: Alles ist wieder gut, der Aufschwung ist da. Sie fabulieren sogar von Vollbeschäftigung.

(Erwin Huber (CSU): Wenn die GRÜNEN weg sind, kommt der Aufschwung!)

Aber der Aufschwung hilft längst nicht allen. Die Erwerbslosenquote sinkt zwar, aber zu viele profi tieren nicht davon. Der Arbeitsmarkt ist gespalten, das ist der Fehler. Es gibt eine große Nachfrage nach Fachkräften, aber nur, wenn sie nicht zu lange beschäftigungslos waren. Es gibt in Bayern noch immer zu viele Regionen, in denen qualifi zierte, arbeitswillige und arbeitsfähige Menschen keine Chance haben, Arbeit zu fi nden, weil sie keine Arbeit vorfi nden, weil es keine gibt und keinen Arbeitsmarkt.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben zu Anfang Ihrer Rede aus der Prognos-Studie zitiert. Aber wie so oft nehmen Sie nur den Teil der bayerischen Wirklichkeit zur Kenntnis, der Ihnen gefällt. Denn in der Prognos-Studie steht noch mehr. Sie müssen die gesamte Studie lesen und daraus Konsequenzen ziehen.

Es gibt viele Studien in der letzten Zeit, und alle diese Studien, auch der aktuelle Zukunftsatlas 2007 von Prognos, bestätigen für Bayern eine einzigartige Spaltung. Bei uns gibt es viele Landkreise mit besten Zukunftschancen, aber es gibt auch ungewöhnlich viele mit großen Zukunftsrisiken. Das steht in diesen Studien.

Sogar die Studie des bayerischen Staatsministeriums zur Entwicklung des ländlichen Raums kritisiert diesen Punkt. Auch sie spricht von einer Schere zwischen Stadt und Land, die sich immer weiter öffne. Dazu, sagt die Studie des Landwirtschaftsministeriums, trage die Politik der Staatsregierung aktiv bei. Ich zitiere – ein bisschen schwer, der Satz –:

Sowohl die strukturpolitische Fokussierung auf Metropolregionen als auch die weitgehende Vernachlässigung des ländlichen Raums in der Diskussion um zukunftsträchtige Clusterlandschaften haben bislang kaum positive Wachstumssignale für strukturschwache Regionen geboten.

Übersetzt heißt das: Sie, Herr Ministerpräsident, haben mit Ihren Zukunftsoffensiven vor allem Boom-Regionen gefördert, alle anderen haben Sie damit weiter abgehängt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Phantasielosigkeit, mit der Sie und die CSU nur auf Straßen, Flughäfen, Großprojekte und Zentralisierung setzen, hat dem ländlichen Raum geschadet. Für eine Trendumkehr braucht Bayern neue Konzepte. Wir bauen auf die Stärken der Regionen und helfen, sie zu entwikkeln. Wir haben ein grünes Impulsprogramm für den ländlichen Raum vorgelegt, wir setzen auf Eigenverantwortung, auf Bildung, Kinderfreundlichkeit, Vernetzung und regionale Wirtschaftskraft.

Kolleginnen und Kollegen, Bayern ist ein mehrfach gespaltenes Land. Die Armut nimmt nach wie vor zu bei Menschen mit und ohne Arbeit. Die neuen Arbeitsplätze,

von denen Minister Huber so schwärmt, sind in erster Linie prekäre Jobs: Teilzeit, befristet oder im Niedriglohnbereich.

(Erwin Huber (CSU): Wo leben Sie denn überhaupt? 150 000 mehr!)

Immer mehr Menschen geraten in die Schuldenfalle. Sie sind auf die Hilfe von Schuldnerberatern angewiesen, natürlich, es werden immer mehr. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, Kollege Pschierer.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Von Ihnen nehme ich nichts zur Kenntnis!)

Die Staatsregierung und die CSU haben die Zuschüsse für die Schuldnerberatung 2004 drastisch gekürzt. Jetzt reichen die Mittel der Schuldnerberatung nur noch bis August. Die Anmeldezahlen haben sich aber in den letzen fünf Jahren, Herr Kollege Pschierer, verdreifacht, das heißt, dreimal so viele Leute suchen Hilfe. Deswegen kommt es zu monatelangen Wartezeiten.