Vielen Dank, Herr Dr. Heubisch. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deswegen kann ich die Aussprache schließen und zur Abstimmung schreiten, die in namentlicher Form beantragt worden ist. Sie finden die Kästchen an der üblichen Stelle.
Der Abstimmungsvorgang ist beendet. Wir zählen das Ergebnis außerhalb des Plenarsaals aus. Ich gebe das Ergebnis nachher bekannt.
Vorab gebe ich Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag von CSU und FDP auf Drucksache 16/14265 betreffend "Zusätzliche Bürokratie für Pflegeheime verhindern!" bekannt. Mit Ja haben 132 Abgeordnete gestimmt, mit Nein hat niemand gestimmt. Es gab 18 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Landesentwicklungsprogramm (LEP) muss Bayern zukunftsfähig machen! (Drs. 16/14268)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Annette Karl, Dr. Thomas Beyer u. a. und Fraktion (SPD) Das Landesentwicklungsprogramm (LEP) als Leitbild für die räumliche Entwicklung Bayerns nachhaltig, demografiefest und zukunftsfähig (Drs. 16/14309)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Alexander Muthmann u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Für eine fachübergreifende Landesplanung - LEP als Instrument zukunftsweisender bayerischer Gesamt-Entwicklung statt Nebeneinander von Einzelplanungen (Drs. 16/14310)
Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, Frau Staatssekretärin! Da der stellvertretende Ministerpräsident in Kanada ist, muss der Ministerpräsident hören, was wir zu diesem Entwurf des Landesentwicklungsprogramms, des LEP, zu sagen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir sehr bewusst, dass man normalerweise im Landtag nicht über einen Entwurf redet, der weder die parlamentarischen Weihen hat noch eine Drucksache ist. Aber das ist machbar, wenn man befürchtet, dass etwas kommt, das in der geplanten Art nicht richtig ist. Deswegen nutzen wir die Chance, am heutigen Tag vor etwas leeren Rängen darüber zu sprechen. Aber die wichtigen Leute, die sich mit der Landesplanung beschäftigen, sind anwesend. Es freut mich sehr, dass auch der Vorsitzende da ist.
Herr Minister Zeil ist angetreten, ein entschlacktes und entbürokratisiertes LEP aufzustellen. Er hat gesagt, er habe ein weißes Blatt Papier. Wir haben zwei Jahre gewartet, was denn komme. Jetzt stellen nicht nur wir fest: Herausgekommen ist ein dürftiger, konzeptionsloser, nichtssagender Entwurf, der dringend der Überarbeitung bedarf. Das sind nicht meine Worte - ich würde mich nie trauen, das zu sagen -, sondern die des Präsidenten der Akademie für den ländlichen Raum, Prof. Dr. Magel, also desselben Präsidenten, der noch im letzten Jahr auf Einladung des Bayerischen Landtags eine Fachtagung zu der Frage durchgeführt hat, welcher Handlungen es bedarf, um den ländlichen Raum zu stärken. Wir haben als Opposition zwar nicht alle Einwendungen vorliegen. Aber alle 2.000 Einwendungen von Bürgerinnen und Bürgern und aller Fachverbände, die sich beruflich mit dem Thema Regionalplanung auseinandersetzen bzw. dazu ihre eigene Meinung kundtun, haben im Grundsatz denselben Tenor: Der Entwurf negiert alles, was von Landesplanung ausgehen soll und Landesplanung ausmacht. Dieser Entwurf muss weg.
Ich will anhand der Kritik Prof. Dr. Magels exemplarisch aufzeigen, was im Entwurf falsch läuft. Ich hoffe natürlich, dass sich der Minister nicht wie bisher bockig präsentiert und sagt, er wolle aber, dass dieser Entwurf so durchgehe, sondern aufmerksam zuhört, was ihm an Unterstützung und Tipps gegeben werden, wie dieser Entwurf verbessert werden kann.
Zum einen wird die unvertretbare Reduzierung der Regelungsbreite und Regelungstiefe im Landesentwicklungsprogramm kritisiert. Die Frage ist zum Beispiel: Wo ist die Reaktion auf den demografischen Wandel? Der demografische Wandel wird in einer Präambel als Vision genannt. Aber wer dann in der Vision mit vier Grundsätzen reagiert, hat nicht verstanden, was der demografische Wandel für Bayern ausmachen wird.
Wo ist die Reaktion auf den Klimawandel? Dieser Programmentwurf wird als oberflächlich kritisiert. Der alte Plan ist in einer Karte im Maßstab 1 : 1.000.000 beigeheftet. Damit soll man in einer Schärfe umgehen, die absolut nicht tragfähig ist.
Wir Kollegen im Wirtschaftsausschuss können uns gut erinnern, dass wir den Minister einstimmig dazu gezwungen haben, im LEP auf die soziale, kulturelle und medizinische Infrastruktur im ländlichen Raum explizit hinzuweisen. Aber was man uns präsentiert, ist ein zweiseitiger "hingerotzter" Entwurf nach dem Motto: Ihr wolltet es, hier habt ihr es, ich will es nicht.
Herr Ministerpräsident, Sie sprechen mit Herrn Zeil öfter als ich. Ich hoffe, dass Sie da noch etwas bewirken können. Das Landesentwicklungsprogramm nennt in Bezug auf den demografischen Wandel kein einziges Ziel. Ich gehe davon aus, dass auch Sie die Prognosen der nächsten 30 Jahre für die nördlichen Landesteile kennen und wissen, was sich abspielen wird. Es gibt einen Staatssekretärsausschuss, und Sie selber waren in einer Arbeitsgruppe zum Thema "Ländlicher Raum". Im LEP wären mehrere Ziele zum demografischen Wandel bitter nötig.
Der Klimawandel wird in der Vision als eine der großen Herausforderungen in Bayern genannt. Gleichzeitig nennen Sie aber den Ausbau der dritten Startbahn in München als eines der wichtigsten verkehrlichen Ziele. Damit konterkarieren Sie Ihre Vision. Sie wissen, dass der Flugverkehr der größte Klimakiller ist. Wie passt das mit "Vision Bayern 2025" zusammen? Wie passt das dazu, dass Sie in Bezug auf die zukünftige Energiegewinnung in Bayern keinerlei Festlegung treffen? Darauf hat Herr Kollege Huber sehr wohl hingewiesen.
Herr Ministerpräsident, Ihr Stellvertreter scheint nicht gewillt zu sein, seinen Entwurf zu ändern. Bisher lassen sich die Äußerungen so deuten; denn er hat auf die Kritik, die aus allen Ecken kam, nach dem Motto reagiert: Viel Feind, viel Ehr. Ich hoffe aber, dass das nicht so bleibt. Sturheit ist nicht gleich Klugheit.
- Lieber Herr Kollege, das gilt für alle Seiten. Der Punkt ist nur, dass ihr regiert. Wenn ihr stur bleibt, dann heißt das auch etwas. Dass dann in neun Monaten dieses LEP zur Erfolgsbilanz Ihres Ministers, Herr Kollege von Gumppenberg, zählen wird, kann ich mir nicht vorstellen. Ich würde mir wünschen, wie alle auf der linken Seite und alle diejenigen in den Vereinigungen und den Verbänden, die Einwendungen gebracht haben, dass der Minister seinen Entwurf zurückzieht, überarbeitet und die Anmerkungen der Fachleute zum Thema Landesentwicklung in seinen Entwurf aufnimmt. Ziehen Sie den Entwurf zurück, überarbeiten Sie ihn und kümmern Sie sich um Landesentwicklung und um das, was dieses Landesentwicklungsprogramm sein soll.
Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die Plenarsitzung mit einer Bildungsdebatte begonnen und schließen die Debatte über die Dringlichkeitsanträge mit einer Hausaufgabe für das Wirtschaftsministerium. Kollege Mütze hat den Entwurf, der nur in der Verbandsanhörung war, schon erschöpfend kritisiert. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich kann nur sagen, liebe Vertreter des Wirtschaftsministeriums, nutzen Sie die Chance, die Sie jetzt beim Entwerfen eines wiederum neuen Entwurfs haben, um ein gutes und nachhaltiges LEP auf den Weg zu bringen und dann diesen Entwurf im Landtag zur Diskussion zu stellen.
Der Dringlichkeitsantrag der SPD macht deutlich - ich habe den Eindruck, dass das vor allen Dingen im Wirtschaftsministerium in Vergessenheit geraten ist -, wozu Landesplanung überhaupt da ist und was sie leisten kann und soll. Die SPD steht für einen aktiven Staat, einen Staat, der den Gestaltungsanspruch annimmt und wahrnimmt. Es hat Bayern immer gutgetan, wenn sich der Staat dieses Gestaltungsanspruches bedient hat, sei es in der Wirtschaft oder in der Landesentwicklung. Die FDP forciert jetzt einen Nachtwächterstaat, der alles den Kräften des Marktes, den Einzelinteressen oder dem Zufall überlassen will. Das ist keine Option für eine gute Zukunft Bayerns.
Der gestaltende Staat, für den wir stehen, muss sich auch im Landesentwicklungsprogramm widerspiegeln. Es ist ein Staat, der aktiv ist und nicht nur aktivierend, ein Staat, der handelt und nicht nur moderiert, ein Staat, der klare Zielvorgaben hat und nicht nur die Probleme analysiert, ein Staat, der den Überblick behält und das Ganze sieht und nicht nur Einzelinteressen und Einzelthemen bedient, ein Staat, der Regeln setzt, der den Mut hat zu Entscheidungen und Prioritäten setzt. Vor allen Dingen ist es ein Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger mitnimmt und diese nicht nur verwaltet.
Das Landesentwicklungsprogramm ist erklärtermaßen eine Vision, wie sich Bayern in den nächsten Jahrzehnten entwickeln soll. Eine solche Vision ist nicht etwas, was man einfach auf ein leeres Blatt Papier schreibt, sondern sie erfordert die Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger und aller gesellschaftlichen Akteure bei ihrer Erstellung. Die Pflichtübung einer Verbandsanhörung reicht nicht aus. Alle vier Raumakademien haben ihre Hilfe bei der Organisation von
Fachgesprächen und Bürgerdialogen angeboten, um in einem demokratischen Diskurs eine vernünftige Vision Bayerns auf den Weg zu bringen. Nehmen Sie sich die Zeit. Hier geht Qualität vor Schnelligkeit.
Die inhaltliche Richtschnur für das Landesentwicklungsprogramm bilden die Bayerische Verfassung und das Landesplanungsgesetz. Der Blick in die Bayerische Verfassung ist für Politiker durchaus immer hilfreich. Es gibt dort zum Beispiel den Artikel 3, der Bayern als Rechts-, Kultur- und Sozialstaat definiert. Wenn wir das ernst nehmen, dann muss das LEP Antworten geben, zum Beispiel darauf: Wie kann ich soziale Standards in Qualität und Quantität in Zeiten demografischen Wandels erhalten? Wenn wir den Kulturstaat ernst nehmen, dann muss ich auch im LEP Antworten geben, wie ich ein vielfältiges, hochqualitatives Kulturangebot in allen Landesteilen und nicht nur in München und Nürnberg organisiere, sicherstelle und den Zugang dorthin organisiere. Dann gibt es den Artikel 141 der Bayerischen Verfassung auch ein sehr wichtiger Artikel für die Landesentwicklung. Er schreibt den Schutz, die Pflege und den Erhalt des Landschaftsbildes, der Kunst-, Geschichtsund Kulturdenkmäler ausdrücklich als Aufgabe dem Staat und den Kommunen zu. Das kann man nicht mit einem Verweis auf die UNESCO-Weltkulturerbestätten abhandeln.
Das Landesplanungsgesetz schreibt für das Landesentwicklungsprogramm vor, dass es die Grundzüge der räumlichen Ordnung und Entwicklung festlegt, und zwar des Landes Bayern als Ganzes, aber auch seiner Teilräume, die alle sehr verschieden sind. Wir haben Städte, Gemeinden, Verdichtungsräume und unterschiedliche ländliche Räume. Das erfordert zum einen Abstimmung, es erfordert übergeordnete Vorgaben, damit die nachgeordnete Fachplanung dies umsetzen kann. Wenn ich ein Haus baue, baue ich erst den Rohbau und stelle dann die Möbel hinein und nicht umgekehrt.
Das Doppelsicherungsverbot stellt das Verhältnis von Fach- und Landesplanung auf den Kopf. Wir haben es deshalb bei der Erstellung des Landesplanungsgesetzes heftig bekämpft. Warum? Weil unverbindliche Konzepte, wie sie der Freistaat zum Beispiel in so wichtigen Bereichen wie der Energiewende und dem Tourismus aufgestellt hat, eben kein Ersatz für eine ordentliche Planung sind, egal auf welcher Ebene ich diese Planung durchführe. Unverbindliche Konzepte bedeuten, dass ich Konflikte und Entscheidungsbedarf nur auf eine untergeordnete Ebene verlagere. Das ist die Abschaffung des Staates durch sich selbst.
Ein Landesentwicklungsprogramm, das seinen Namen verdient, stellt das Gemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger Bayerns über die Partikular- oder Lobbyinteressen Einzelner. Das bedeutet unter anderem, dass es klare Aussagen geben muss, wie ich mit den drohenden Nutzungskonflikten in Räumen umzugehen habe. Einige Beispiele dazu: Biogas gegen Nahrungsmittelproduktion, Stromtrassen gegen Landschaftsschutz, Wasserschutz gegen Rohstoffsicherung.
Wir haben viele Gespräche mit Regionalplanern geführt. Dabei ist deutlich geworden, liebe Frau Staatssekretärin Hessel, dass Regionalplaner konkrete Zielvorgaben brauchen; denn sie müssen auf diesen aufbauen. Sie müssen Regionalpläne oder Flächennutzungspläne erstellen, die dann gerichtsfest sind. All das funktioniert nicht, wenn ich die wichtigsten Aussagen nur in Grundsätze packe. Grundsätze unterliegen immer dem Abwägungsvorbehalt und schaffen keinerlei Rechtssicherheit.
Die Energiewende kann nur gelingen, wenn es klare Regeln gibt, wie man die daraus folgenden Raumnutzungskonflikte bewältigen kann. Diese Vorgaben sind nicht die Aufgabe der Kommunen, sondern Aufgaben des Staates. Deshalb fordern wir Sie auf: Nutzen Sie die Chance, die Sie jetzt haben, bevor in einigen Wochen erneut ein Entwurf vorzulegen ist. Schaffen Sie ein starkes, klares, nachhaltiges, aber auch ein demografiefestes und zukunftsfähiges Landesentwicklungsprogramm. Wir helfen gerne dabei. Den Anträgen von GRÜNEN und FREIEN WÄHLERN werden wir zustimmen.
Ich danke Frau Kollegin Karl. Für die FREIEN WÄHLER bitte ich Herrn Muthmann ans Mikrofon. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident! Ich kann an das von Kollegin Karl Gesagte nahtlos anschließen und es fortsetzen. Wenn wir eine Planung für das Land Bayern machen wollen, frage ich: Wo anders als im Landesentwicklungsprogramm soll etwas Derartiges stattfinden? Das ist auch der gesetzliche Auftrag.
Jetzt sehen und erleben wir, dass seitens der Staatsregierung die Gefahr besteht, dass der Koordinierungs- und Gestaltungsanspruch, den das Landesentwicklungsprogramm umfassend, überfachlich und
auch überörtlich haben muss, völlig aufgegeben wird. Wir haben diese Frage schon bei der Diskussion über das Landesplanungsgesetz diskutiert. Die erste Idee der Staatsregierung war, hier nur bestimmte sektorale Regelungsbereiche überhaupt der Landesplanung zu überlassen. Wir haben in dieser Debatte schließlich doch erreicht, dass das Landesplanungsgesetz den umfassenden Gestaltungsanspruch an die Landesentwicklung weiter öffnet und zulässt.