Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 111. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie wurde erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, spreche ich zwei Geburtstagsglückwünsche aus. Am 27. Oktober feierte Frau Kollegin Natascha Kohnen einen halbrunden Geburtstag. Am 1. November feierte Frau Kollegin Christine Kamm einen runden Geburtstag. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg in der parlamentarischen Arbeit.
Tagesordnungspunkt 1 - Aktuelle Stunde - entfällt, nachdem die CSU-Fraktion auf ihr Vorschlagsrecht verzichtet hat.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Alexander Muthmann u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Änderung des Bayerischen Landesplanungsgesetzes Doppelsicherungsverbot beseitigen (Drs. 16/14203) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich erteile Herrn Kollegen Alexander Muthmann von den FREIEN WÄHLERN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! So mancher wird denken: Schon wieder Landesplanungsgesetz? Warum schon wieder? - Auch uns wäre es lieber gewesen, verehrter Herr Staatsminister, wenn wir uns das nach den Beratungen vom Sommer dieses Jahres hätten ersparen können.
Wir sind schon an die Frage herangegangen, was im Landesplanungsgesetz stehen muss, um die Inhalte des nachfolgenden Landesentwicklungsprogramms angemessen zu steuern und zu bestimmen. Das war keine ganz einfache Geburt. Aber letztlich hat der Landtag im Sommer dieses Jahres durch den Beschluss des Gesetzes seinen Willen und seine Erwartung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass im Landesentwicklungsprogramm eine umfassende - ich betone umfassende -, fachübergreifende, koordinie
rende Raumplanung für den gesamten Freistaat Bayern zu leisten ist. Denn dies stellt eine Aufgabe der Landesplanung dar, und das zentrale Instrument der Landesplanung ist das Landesentwicklungsprogramm. In diesem Zusammenhang war es die Idee der Staatsregierung, dem Landesentwicklungsprogramm nur ein paar sektorale Themenbereiche als Planungsinhalt zu überlassen. Letztlich hat dies der Landtag korrigiert.
Jetzt haben wir eine Regelung, die das sogenannte Doppelsicherungsverbot einschließt, welches besagt, dass im Landesentwicklungsprogramm und in den Regionalplänen fachliche Festlegungen dann nicht vonnöten sind, wenn die jeweiligen Belange fachrechtlich hinreichend gesichert sind. Es handelt sich um eine schwierige Balance, die Dinge miteinander in Einklang zu bringen und zu klären, was einerseits im Landesentwicklungsprogramm unterzubringen und was andererseits in den anderen, ebenfalls wichtigen Fachplanungen zu leisten ist.
Aber eines war in der gesamten Debatte sicher: Dieses Gremium wollte und erwartete bei der Verabschiedung des Landesplanungsgesetzes, dass alle wesentlichen fachlichen und überfachlichen Planungen im Landesentwicklungsprogramm koordinierend zusammengefasst werden und dort der Gesamtentwurf für die Entwicklung Bayerns niedergelegt ist.
Dass die einzelnen Grundsätze daneben auch bei den Fachplanungen weiterentwickelt werden können, ist etwas anderes. Wesentlich war aber die Verpflichtung, die Fachplanungen nicht nebeneinanderher laufen zu lassen, sondern zu koordinieren. Wo es notwendig war, sollten die Planungen konfliktauflösend im Landesentwicklungsprogramm präsentiert werden. Damit sollte die Frage geklärt werden: Wie soll Bayern im Jahr 2020 oder 2030, zumindest was die flächenmäßige Entwicklung angeht, aussehen? Was soll da in den Regionen, in der Fläche entstehen, und was soll vermieden oder wie gesteuert werden? Antworten auf all diese Fragen haben wir bei den maßgeblichen Themenbereichen trotz dieser Debatte und trotz des bestehenden Gesetzes nicht erhalten. Die Enttäuschung ist nicht nur im Landtag und bei der Opposition, sondern auch darüber hinaus deutlich spürbar und hörbar.
Ihre Staatssekretärin hat zwar in der Debatte der vorletzten Woche darauf hingewiesen, dass es neben dem Landesentwicklungsprogramm auch Beschlüsse der Staatsregierung gibt, beispielsweise bei der Staatsstraßenplanung und in Bezug auf ein Tourismuskonzept. Sie hat mit diesem Hinweis begründet, dass die fachrechtliche Planung im Sinne des Landesplanungsgesetzes ausreichend gewährleistet wird.
Diese Haltung können sich die Mitglieder des Landtags nach unserer Meinung keinesfalls leisten. Der Beschluss einer Staatsregierung reicht aus mehreren Gründen nicht: Zum einen wird eine solche Beschlussfassung, anders als beim Landesentwicklungsprogramm, ohne Beteiligung der Öffentlichkeit und damit auch ohne Beteiligung von Verbänden durchgeführt. Dass das womöglich für die Staatsregierung eine bequemere Variante ist, mag sein, aber das ist nicht unsere Vorstellung davon, wie die Landesentwicklung in Bayern in einem geordneten Verfahren entworfen und umgesetzt werden soll. Zum Zweiten geht das nicht nur an den Verbänden vorbei, sondern wird im Übrigen auch nicht mit der gleichen Verbindlichkeit geregelt, wie das im Landesentwicklungsprogramm der Fall ist. Sie können natürlich argumentieren, dass sich die nachgeordneten staatlichen Behörden an diese Beschlüsse zu halten haben, aber die rechtliche Verbindlichkeit des Landesentwicklungsprogramms geht erheblich darüber hinaus. Ein wesentliches Stichwort ist die Zielmaßgeblichkeit im Verhältnis zu den Kommunen; Stichwort: Bauleitplanung.
Was uns als Mitglieder des Landtags eigentlich am meisten empören müsste und in Bezug auf diese Gesetzesinitiative eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass mit solchen Hinweisen auf Beschlüsse der Staatsregierung die für die Landesplanung in den wesentlichen Entscheidungsschritten vorgesehene Beteiligung des Landtags unterlaufen wird.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD - Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Das stimmt nicht!)
Lieber Kollege Gumppenberg, ganz kurz zur Erhellung der Rechtslage: Die Staatsregierung kann Beschlüsse ohne Zustimmung des Landtags fassen, wie wir wissen und leider immer wieder erleben. Für das Landesentwicklungsprogramm gilt das nicht. Das Landesentwicklungsprogramm ist nur mit Zustimmung des Landtags wirksam zu machen. Das ist verfahrensmäßig der entscheidende Unterschied. Die Staatsregierung kann, wenn sie nur auf ihre Beschlüsse verweist, uns einfach außen vor lassen. Das wollen wir nicht und das sieht das Landesplanungsgesetz auch anders vor.
Wir müssen mit dieser Gesetzesinitiative deutlich machen, dass Landesplanung vom Verfahren her anders abläuft, und zwar nicht nur inhaltlich. Wir werden darüber debattieren, sobald der Entwurf des Landesentwicklungsprogramms in der jetzt fortgeschriebenen Fassung dem Landtag endlich vorgelegt wird. Das, was wir bislang wissen und hören, zielt auf eine Missachtung des Landtags ab und missachtet auch die
Aufgabe der Landesplanung in Bezug auf ihre koordinierende Wirkung. Deswegen der nochmalige Vorstoß durch diese Gesetzesinitiative. Wir seitens der Fraktion der FREIEN WÄHLER jedenfalls wollen uns dieses Verfahren und diese Inhalte der Landesplanung nicht gefallen lassen. Deshalb die Gesetzesinitiative, die wir heute vorgelegt haben.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, habe ich die Ehre und das Vergnügen, einen Ehrengast in diesem Hohen Haus begrüßen zu können. Auf der Ehrentribüne hat die Erste Vizepräsidentin des Schweizer Nationalrats, Frau Maya Graf, als Gast Platz genommen. Sie ist auf Einladung der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN bei uns. Wir begrüßen sehr, dass damit die Beziehungen zwischen dem Schweizer Nationalrat und dem Bayerischen Landtag in besonderer Weise aufgenommen werden. Im Namen des Hohen Hauses darf ich Sie, sehr geehrte Frau Graf, herzlich begrüßen und Ihnen einen angenehmen und interessanten Aufenthalt im Maximilianeum und in Bayern wünschen.
Wir fahren mit der Aussprache fort. Ich darf Herrn Kollegen Dr. Otmar Bernhard von der CSU das Wort erteilen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die FREIEN WÄHLER versuchen erneut, wie schon andere vorher, das Doppelsicherungsverbot zu beseitigen und eine an sich überflüssige Klarstellung zu erreichen. Wir haben das Thema ausführlich besprochen und behandelt. Ihre Begründung dafür, dass Sie das wieder hochziehen, ist ziemlich dünn, weil eines der wesentlichen Ziele des neuen Landesplanungsgesetzes und des Landesentwicklungsprogramms gerade eine Entbürokratisierung, Verschlankung und Deregulierung ist. In diesem Zusammenhang muss das Doppelsicherungsverbot gesehen werden.
Der Herr Ministerpräsident hat ursprünglich gesagt, es solle ein weißes Blatt geben und alles, was darauf festgehalten wird, muss ganz besonders begründet werden und es muss streng beurteilt werden, ob man es überhaupt aufnehmen soll. Das ist von Anfang an die Grundlinie für dieses Gesetz gewesen. Wir haben einen vielstimmigen Chor, gerade aus der Kommunalpolitik, gehört, der geklagt hat, es sei zu unflexibel, es bestehe zu wenig Spielraum vor Ort, es sei zu bürokratisch usw. Alle Argumente gingen in die Richtung, es zu verschlanken und flexibler zu machen.
Wir haben eine intensive Diskussion darüber geführt, einiges erreicht und gemeinsam eine fruchtbare Debatte geführt. Deshalb ist es keine neue Interpretation, wie Sie das darstellen, und schon gar keine Missachtung des Landtags, wonach es ein bisschen weit gehe, wenn man die Vorgeschichte und die Strategie der Gesetzgebung betrachtet. Es ist doch sinnvoll, etwas, das mit der gleichen rechtlichen Qualität und mit dem gleichen Inhalt gesichert ist, nicht noch einmal im Landesentwicklungsprogramm zu behandeln. Es wäre unnötig, überflüssig und unlogisch. Sie sollten das zur Kenntnis nehmen.
Wir haben gemeinsam die Regelungsmöglichkeiten erweitert - Gesundheit, Kultur usw. Aber auch in dieser Beziehung gilt das Gleiche: Regelungen sind möglich, wenn aber diese Bereiche im Einzelfall in derselben Weise und mit demselben Inhalt woanders gesichert sind, gilt auch hier das Doppelsicherungsverbot. Das ist logisch. Ich verstehe insofern nicht, welcher Vorwurf in diesem Zusammenhang erhoben wird.
Man muss auch unterscheiden: Das eine betrifft das Doppelsicherungsverbot, wenn an anderer Stelle eine Sicherung vorgenommen worden ist. Das andere ist die Frage, was aufgenommen wird und was zweckmäßig ist. Das kann man unterschiedlich beurteilen. Wir werden über diese Fragen ausführlich diskutieren. Wir diskutieren auch intern, ob die Regelung ausreicht. In diesem Bereich bleibt die Regelungsmöglichkeit offen. Wenn es also nicht zweckmäßig ist, das oder jenes hineinzuschreiben, widerspricht das nicht dem Doppelsicherungsverbot. Insofern ist es unnötig, uns in dieser Form und nach so kurzer Zeit wieder mit dieser Frage zu befassen. Wir werden über die Thematik diskutieren, aber ich kann Ihnen keine große Hoffnung auf Zustimmung machen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einer meiner Lieblingsspielfilme trägt den schönen Titel "Und täglich grüßt das Murmeltier".
In diesem Spielfilm geht es um einen abgehobenen, arroganten Großstadtjournalisten, der gezwungen wird, alle Jahre über den Murmeltiertag zu berichten. Er gerät in eine Zeitschleife, und erst als er sich verändert, als er die Umgebung wahrnimmt und den Menschen auf Augenhöhe begegnet, auch den Men
Die Variante bei uns im Landtag heißt: "Und wöchentlich grüßt die Landesplanung". Ich sage Ihnen ganz deutlich, lieber Herr Minister Zeil: Wir als Opposition haben kein Problem, das Thema wieder und wieder zu debattieren, auch hier im Plenum, und zwar so lange, bis der arrogante, abgehobene LEP-Entwurf, der uns momentan vorliegt, durch einen neuen ersetzt wird, der den Namen Entwicklungsprogramm auch wirklich verdient.
Wir erwarten einen Entwurf, der den Herausforderungen und Chancen der Zukunft gerecht wird und der dem Anspruch, eine Vision für Bayern 2025 zu sein, auch wirklich entspricht.
Ceterum censeo: Auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht an erster Stelle die Raumordnung und darauf folgt die Fachplanung. Also: Auf A folgt B. Auf Landesplanung folgt Fachplanung. Nicht umgekehrt und auch nicht nebeneinander her!
Deshalb darf es das Doppelsicherungsverbot, das es auch schon vorher gab, wenn überhaupt, dann nur in der sehr restriktiven Auslegung geben, wie es im LEP 2006 geschehen ist.
Im Unterschied zu der Begründung des Gesetzentwurfs der FREIEN WÄHLER waren wir uns als SPD von Anfang an bewusst, dass das Doppelsicherungsverbot im neuen Entwurf eben nicht sehr restriktiv angewandt wird, sondern höchstwahrscheinlich sehr inflationär. Das hat damit zu tun, dass das Wirtschaftsministerium es als oberstes Ziel bezeichnet, das Landesentwicklungsprogramm um jeden Preis und mit allen Mitteln zu kürzen und zu deregulieren. Wir haben deshalb vor einem halben Jahr bei der Neufassung des Landesplanungsgesetzes mit Änderungsanträgen versucht, das Doppelsicherungsverbot herauszustreichen. Leider haben wir dafür keine Mehrheit gefunden.
Der Entwurf des Landesentwicklungsprogramms - ich habe es schon gesagt - bestätigt die Richtigkeit unserer Einschätzung.
Die FREIEN WÄHLER haben drei Tage nach der Einreichung des Gesetzentwurfes zur letzten Plenarsitzung einen Dringlichkeitsantrag eingebracht. Dieser Dringlichkeitsantrag enthielt einen Antrag auf einen Bericht zu den Auswirkungen des Doppelsicherungsverbotes. Ich habe gedacht, der Gesetzentwurf sei eingebracht worden, weil die negativen Auswirkungen
allen bekannt gewesen seien. Und deshalb forderte dieser Gesetzentwurf die Abschaffung des Doppelsicherungsverbotes.
Aber egal. Begründung und Genese sind nicht Teil des Gesetzentwurfes. Deshalb, weil die Intention richtig ist, werden wir diesen Gesetzentwurf unterstützen.
Die Staatsregierung und die CSU-Fraktion haben in der letzten Zeit oft ihre Meinung geändert, um Probleme vor den Wahlen wegzuräumen. Ich erinnere an die Themen Breitbandausbau, Atomausstieg, Donauausbau und vieles mehr. Es sollte Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, also nicht schwer fallen, auch hier auf die Stimme der Vernunft zu hören und den Gesetzentwurf ebenfalls zu unterstützen.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Und täglich grüßt das Murmeltier!)