Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 118. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, wie immer, vorab erteilt.
Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben, damit wir zweier ehemaliger Kollegen gedenken können.
Am 10. Januar starb kurz vor Vollendung seines 93. Lebensjahres der ehemalige Abgeordnete Fritz Böhm. Er war von 1958 bis 1965 Mitglied des Hohen Hauses und vertrat für die SPD den Wahlkreis Oberbayern. Während seiner Zugehörigkeit zum Bayerischen Landtag war Fritz Böhm Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Kriegsfolgegeschädigten, im Ausschuss für sozialpolitische Angelegenheiten und im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr.
Seine politische Arbeit im Stadtrat, im Bayerischen Landtag und später im Deutschen Bundestag war geprägt von seinem Bestreben um sozialen Ausgleich. Sein Name und sein Lebenswerk sind untrennbar verbunden mit dem Autohersteller Audi, bei dem er sich über 34 Jahre lang als Vorsitzender des Betriebsrates für die Belange der Beschäftigten einsetzte, ohne dabei den Blick für das Ganze zu verlieren. Dem überzeugten Verfechter der Arbeitnehmerrechte wurde eine außergewöhnliche politische Autorität und intellektuelle Unabhängigkeit zugeschrieben. Sein Lebensmotto lautete: "Was wir uns nicht erkämpfen, werden wir nicht besitzen". Bei aller Streitbarkeit in der Sache stand der Respekt im Umgang miteinander für ihn an erster Stelle. Im Jahr 2000 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Ingolstadt ernannt.
Am 16. Januar verstarb unser ehemaliger Kollege Adalbert Brunner im Alter von 91 Jahren. Er war Mitglied des Bayerischen Landtags von 1970 bis 1978 und vertrat für die SPD zunächst den Stimmkreis München-Stadt und später den Wahlkreis Oberbayern. Während seiner Zugehörigkeit zum Bayerischen Landtag war er unter anderem im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes und im Ausschuss für kulturpolitische Fragen tätig. Die Bildung lag dem Gymnasiallehrer Adalbert Brunner besonders am Herzen, nicht nur beruflich. Auch als Staatsbürger übernahm er Verantwortung für das Gemeinwohl in einem umfassenden Sinn und war vor allem durch seinen Ein
satz für die politische Bildung ein herausragendes Beispiel echten Bürgersinns. Darüber hinaus war Adalbert Brunner Gründungs- und Vorstandsmitglied des Bayerischen Elternverbandes und hatte großen Anteil an der Durchsetzung der christlichen Gemeinschaftsschulen in Bayern. Engagiert in der Sache und konstruktiv im Miteinander − das hat sein politisches und gesellschaftliches Wirken stets ausgezeichnet.
Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen der Verstorbenen und wird ihnen ein ehrendes Gedenken bewahren. − Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben.
Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie nach der Weihnachtspause herzlich willkommen heißen. Ich gehe davon aus, dass Sie nicht nur gearbeitet haben, sondern dass Sie auch für die Familie Zeit hatten und sich erholt haben. Es liegen noch wenige Monate vor uns, bis sich der Landtag in den Wahlkampf verabschiedet. Wir wollen diese Zeit gut nutzen und unsere Arbeit nach Möglichkeit so sachlich, wie es nur irgendwie geht, gestalten, um dem Gemeinwohl zu dienen und unserer Verantwortung gerecht zu werden. Wir beginnen mit neuer Kraft, neuem Elan und neuem Schwung. Wir freuen uns über alle, die gesund und munter sind. Wir wollen dem Kollegen Staatssekretär Sackmann am Beginn der Sitzung einen lieben Gruß übermitteln und gute Besserung wünschen.
Das Schöne ist, dass man auch wieder Geburtstagsglückwünsche aussprechen kann: Jeweils einen halbrunden Geburtstag feierten am 16. Dezember Kollege Jürgen Ströbel, am 24. Dezember Frau Kollegin Brigitte Meyer und am 10. Januar Herr Staatsminister Dr. Marcel Huber. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, Gesundheit und weiterhin gutes Gelingen in Ihrer Verantwortung und Ihren Aktivitäten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, erinnere ich an einen ganz besonderen halbrunden Geburtstag: Am 18. Januar 1888, also vor 125 Jahren, wurde der erste Präsident des wieder eingerichteten Bayerischen Landtags nach dem Zweiten Weltkrieg, Dr. Michael Horlacher, in Pottenstein geboren. In seinen Ämtern als Präsident der Verfassunggebenden Versammlung und des Bayerischen Landtags − das war von 1946 bis 1950 − hat Dr. Michael Horlacher für einen respektvollen, konstruktiven und vor allem grunddemokratischen Politikstil gekämpft. Bei aller Ernsthaftigkeit im Umgang mit der Würde des Parlaments war sein Humor sein be
sonderes Markenzeichen. Neben Ordnung und Disziplin bat er seine Kolleginnen und Kollegen während hitziger Debatten immer wieder um geistreiche Zwischenrufe. Geradezu visionär war eine seiner ersten Amtshandlungen, als er im Sitzungssaal das Rauchen mit der Begründung untersagte, man sei ja schließlich nicht in einem gewöhnlichen Lokal. Als es um die Zuteilung von Braugerste ging, erklärte er mit großer Überzeugung, dass Wassertrinken außerordentlich ungesund sei und dass die bayerischen Bauern, wenn sie kein Bier bekämen, Milch trinken würden. Hierdurch seien die Milchablieferung und damit auch die Fetterzeugung stark gefährdet.
Zu seinem Abschied gab er den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten − bitte hören Sie zu − folgende Worte mit auf den Weg: Wenn einen hier im Parlament die Wut packt, dann tut es gut, den Blick in die Weite unserer bayerischen Heimat hinaus zu werfen; da findet man die Ruhe seiner Seele wieder. − Das gilt auch heute, liebe Kolleginnen und Kollegen.
In diesem Sinne werden wir in die Tagesordnung unserer ersten Sitzung im Jahr 2013 eintreten. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN "Studiengebühren abschaffen - volle Kompensation der wegfallenden Einnahmen durch Studierendenboni garantieren"
Frau Präsidentin, lassen Sie mich kurz etwas ergänzen. Herr Horlacher hat auch einen Beitrag zu der aktuellen Sexismusdebatte geleistet, als er sagte: Eine Frau im Parlament ist wie eine Rose; viele davon sind wie Unkraut.
Wir GRÜNE wussten schon immer, wie wertvoll Unkraut ist. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Grüne freue ich mich natürlich ganz besonders über den Ausgang der Landtagswahl in Niedersachsen.
Als Hochschulpolitikerin freue ich mich im gleichen Maße über den Ausgang der Landtagswahl in Nieder
Dann wird Bayern das letzte Bundesland sein, das seine Studierenden abkassiert, das Schlusslicht. Das wird mehr als traurig sein. Aber so weit muss es nicht kommen. Die bayerischen Bürgerinnen und Bürger nehmen derzeit die Politik selbst in die Hand. Das ist für mich als Grüne schon wieder ein Grund, mich zu freuen. Wir steuern bei dem Volksbegehren gegen Studiengebühren auf die 10-%-Marke zu. Einige Stimmen fehlen noch. Bis zum Ende der Eintragungsfrist werden wir jede Minute nutzen, die Menschen dazu zu bewegen, sich einzutragen. Im Moment ist es noch nicht geschafft, aber die Chance ist greifbar. Wir werden es schaffen.
Dann retten die Bürger das hochschulpolitische Ansehen Bayerns und machen deutlich, wie wichtig ihnen die Hochschulbildung in diesem Land ist. Damit leisten sie vor allem den Hochschulen einen guten Dienst. Sie befreien sie aus dem neoliberalen Denkmuster, nach dem alles ökonomisiert und bepreist und für Bildung bezahlt werden muss.
Sie soll von der Kita bis zu den Hochschulen kostenfrei sein. Ich bin froh, dass wir im Landtag beschlossen haben, auch die Meisterausbildung, die Fachschulen, Krankenpflege, Physiotherapie, Altenpflege usw. in dieser Weise voranzubringen und die privaten Kosten auf den Prüfstand zu stellen.
Volkswirtschaftlich ist es sowieso ein Unsinn, vor Bildung finanzielle Hürden aufzutürmen. Gerade unser Land ist auf gut ausgebildete Menschen angewiesen. Um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, brauchen wir gute Schulen und Hochschulen, wir brauchen Forschung und Innovation und vor allen Dingen Menschen, die den kulturellen und wissenschaftlichen Diskurs in unserer Gesellschaft antreiben. Jeder Euro, den wir in Bildung investieren, bringt ein Mehrfaches an Rendite für das Gemeinwohl. Deshalb ist es ein Ärgernis, ja sogar ein Skandal, dass ein sozialer Aufstieg über Bildung in unserem Land heute schwerer ist als in den 1970er-Jahren.
Dass Deutschland im europäischen Vergleich ganz weit hinten liegt, zeigt uns der aktuelle EurostudentReport vom Hochschulinformationszentrum.
Das spiegelt sich auch in unseren Hochschulen wider. Noch immer finden sich dort 77 % Studierende aus den beiden höchsten sozialen Gruppen der Gesellschaft. Hieran müssen wir endlich etwas ändern. Ich erwarte dazu Ihre Vorschläge, wenn Sie nach Abschaffung der Studiengebühren den Blick wieder frei haben. Wir müssen nämlich weitere geeignete Maßnahmen für mehr Bildungsgerechtigkeit auf den Weg bringen.
Von Anfang an müssen in unserem Land die Familien enorme Kosten für die Bildung ihrer Kinder schultern. Das beginnt in der Kita und geht weiter in der Schule, in der Musikschule, bei der kulturellen Bildung, bei Auslandsaufenthalten, für Nachhilfe bis hin zum Studium. Allen, die es immer noch nicht verstanden haben, sage ich: Auch ohne Studiengebühren ist Studieren nicht kostenlos. Es kostet viel Geld. Es kostet das Geld der Familien und der Studierenden. Und keineswegs steht am Ende ein überdurchschnittlicher Verdienst oder wenigstens eine unbefristete, nicht prekär bezahlte Stelle.
Auch wenn die meisten Eltern ihre Kinder gern und in großem Umfang finanziell unterstützen, müssen viele nebenher arbeiten. Jeder Euro, der hinzukommt, ist eine zusätzliche Hürde. Ihre Studiengebühren waren mitnichten sozialverträglich. Dies war ein großes Märchen, das Sie uns immer erzählt haben. Studiengebühren sind nicht sozial. Es ist nicht sozial, jemandem, der nichts hat, zu sagen, er möge sich verschulden. Es ist nicht sozial, wenn von dem guten Drittel derjenigen, die an den Hochschulen von den Gebühren befreit waren, 28 % aus der höchsten sozialen Gruppe stammen und nur 19 % aus den beiden unteren Gruppen.
Dies heißt nämlich im Klartext: Von den Studiengebühren werden die Kinder aus den Familien befreit, die das meiste Geld mitbringen. Die Kinder des Sparkassendirektors, von dem wir jetzt alle wissen, dass er mehr verdient als die Kanzlerin, werden befreit, das Kind der alleinerziehenden Mutter jedoch nicht.
In den vielen Gesprächen, die ich während der Eintragungsfrist geführt habe, wurde ein einziges Gegenargument genannt: Die Hochschulen brauchen das Geld. Ja, das ist richtig, die Hochschulen brauchen
das Geld. Aber sie brauchen nicht die Gebühren. Wir konnten bereits letzte Woche im Ausschuss feststellen, dass keine Stelle gestrichen wird, wenn die Gebühren entfallen. Darüber hinaus werden wir für die vollständige Kompensation der Studiengebühren sorgen. Wie das geht, können Sie in Baden-Württemberg sehen. Dort hat die grün-rote Regierung die Kompensation bereits umgesetzt. Die Hochschulen sind damit zufrieden. Wer hier im Haus anderes behauptet, kennt die Fakten nicht, oder er lügt.
Wir haben heute einen Gesetzentwurf eingereicht, der auch in Bayern die Kompensation sicherstellt: das Studierendenbonigesetz. So kann die Kompensation gemeinsam und rechtzeitig mit dem erfolgreichen Abschluss des Volksbegehrens verbindlich beschlossen werden.
Unser Gesetz sieht einen Studierendenbonus von 300 Euro pro Student bzw. Studentin vor. Der Studierendenbonus errechnet sich aus dem Mittel der Einnahmen aus Studiengebühren der letzten drei Jahre abzüglich der Befreiungen. Es ist also exakt der Betrag, den die Hochschulen auch bisher pro Studierenden zur Verfügung hatten. Bei wachsenden Studierendenzahlen erhalten die Hochschulen entsprechend mehr Geld. Die Studierendenboni sind dynamisiert und kapazitätsneutral.