Protocol of the Session on April 11, 2013

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen, damit wir mit der Sitzung beginnen können.

(Thomas Hacker (FDP): Können wir den Ministerpräsidenten darauf hinweisen, dass die Sitzung jetzt beginnt?)

- Ich denke, dass der Herr Ministerpräsident eine Uhr hat, Herr Fraktionsvorsitzender. Der Herr Ministerpräsident muss selbst entscheiden, wann er in den Plenarsaal kommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen allen einen schönen guten Morgen. Ich freue mich besonders über die, die jetzt schon da sind, und hoffe, dass die anderen Kolleginnen und Kollegen auch noch in den Plenarsaal kommen. Wir haben heute eine sehr intensive Tagesordnung. Ich wünsche uns allen gute Beratungen und einen guten Verlauf. Dies ist die 123. Vollsitzung des Bayerischen Landtags in dieser Legislaturperiode. Presse, Funk und Fernsehen sowie die Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese ist ihnen wie immer vorab erteilt worden.

Bevor wir beginnen, darf ich Glückwünsche zum Ausdruck bringen. Am 28. März feierte Herr Kollege Berthold Rüth einen halbrunden Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Am 5. April hatte der Erste Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Herr Kollege Bocklet, Geburtstag. Wir werden ihn heute noch gebührend feiern.

(Allgemeiner Beifall)

Ganz besonders darf ich Ihnen, Herr Kollege Dr. Fischer, zu Ihrem heutigen Geburtstag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch, Gesundheit und alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Streibl hatte gestern Geburtstag. Herr Streibl, im Ältestenrat haben wir Ihnen zu Ihrem runden, 50. Geburtstag gratuliert. Noch einmal ganz herzlichen Glückwunsch, alles Gute für Sie und Gesundheit!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers des Innern "Bayern digital - Sicherheit im Internet"

Ich erteile Herrn Staatsminister Herrmann das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Den herzlichen Glückwünschen an das heutige und an das gestrige Geburtstagskind schließe ich mich mit großer Herzlichkeit an.

Meine Damen und Herren, der Freistaat Bayern ist von allen deutschen Ländern das sicherste. Hier leben die Menschen sicherer als anderswo. Das ist das Ergebnis einer konsequenten und erfolgreichen Innen- und Rechtspolitik der Bayerischen Staatsregierung, aber auch der Erfolg des großartigen Engagements unserer Kolleginnen und Kollegen in Polizei und Justiz. Ihnen sage ich für ihren steten Einsatz für unser aller Sicherheit zunächst einmal ein ganz herzliches Dankeschön. Vielen Dank für den engagierten Einsatz von Polizei und Justiz für unsere Sicherheit in Bayern!

(Beifall bei der CSU, der FDP und Abgeordneten der SPD)

Trotz dieser Erfolge müssen wir neuen Gefahren und Risiken von bisher unbekannter Dimension klar ins Auge sehen. Wer die aktuellen Schlagzeilen verfolgt, bemerkt beispielsweise: Südkorea bekommt die Konfrontation mit dem kommunistischen Nordkorea auch durch massive Cyber-Angriffe zu spüren. Vor solchen Angriffen ist kein Land in der Welt mehr völlig sicher. Der Kalte Krieg ist vorbei, doch der Krieg in der virtuellen Welt des Internets wird von Jahr zu Jahr heißer. Dabei wird es immer schwieriger, zwischen inländischen und ausländischen Angriffen zu unterscheiden.

Allein auf das bayerische Behördennetz gibt es täglich über 36.000 Angriffsversuche aus dem Internet. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat im Jahr 2011 pro Tag vier bis fünf gezielte, gravierende Trojanerangriffe auf das deutsche Regierungsnetz abwenden müssen. Besonders gefährdet sind auch Einrichtungen der sogenannten kritischen Infrastruktur: Kraftwerke, Stromnetze, Telekommunikationsnetze oder auch Banken. Sie alle können mit Schadsoftware, Virenprogrammen und Trojanern gestört oder sogar lahmgelegt werden. Denken Sie an den bekannten Computerwurm Stuxnet.

Die Sicherheitsbranche hat im Jahr 2011 weltweit 5,5 Milliarden Cyber-Angriffe auf Wirtschaftsunternehmen registriert, 81 % mehr als im Vorjahr. Deutschland ist dabei das häufigste Angriffsziel in Europa.

Meistens geht es um Wirtschaftsspionage. Deutsche und vor allem bayerische mittelständische Unternehmen gehören zu den innovativsten weltweit. Kleine und mittlere Unternehmen stehen im Fokus der Hacker. 2011 zielte die Hälfte der Angriffe in Deutschland auf Unternehmen mit weniger als 2.500 Beschäftigten. Nach der offiziellen Statistik des Bundeskriminalamts haben sich die gemeldeten Schäden durch Cyber-Kriminalität von 2009 bis 2011 auf über 71 Millionen Euro verdoppelt. Dabei geht man aber davon aus, dass von 1.000 Cyber-Angriffen nur einer überhaupt angezeigt wird. Manche Unternehmen haben zum Beispiel Angst vor einem Imageschaden und melden solche Angriffe erst gar nicht. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft schätzt den Schaden für die deutsche Wirtschaft auf bis zu 50 Milliarden Euro jährlich.

Diese Angriffe haben oft auch den Zweck, Schaden anzurichten, Systeme lahmzulegen und Unternehmen zu erpressen. Die Sabotage wird nur gegen Zahlung großer Summen beendet. Extremisten und Terroristen nutzen die komplexen Strukturen des Netzes, um neue Anhänger zu rekrutieren, sie zu fanatisieren und zu radikalisieren. Sie stellen auch gleich noch die Anleitung zum Bau einer Bombe mit ins Netz.

Die Anonymität des Internets wird auch für Verbrechen an den Schutzbedürftigsten unserer Gesellschaft genutzt: unseren Kindern. Im Jahr 2012 haben wir in Bayern allein 493 Fälle aufgedeckt, in denen Kinderpornografie über das Netz verbreitet wurde. Hinter jedem dieser Fälle von Kinderpornografie im Netz steht immer auch ein konkreter Missbrauch eines Kindes.

Meine Damen und Herren, gleich, ob Cyber-Angriffe fremder Staaten oder brutaler sexueller Missbrauch kleiner Kinder: Wir müssen diese Bedrohungen noch entschlossener bekämpfen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die zunehmende Digitalisierung bietet für den Wirtschaftsstandort zweifellos große Chancen. Die "Bayern digital"-Strategie der Staatsregierung setzt deshalb bewusst darauf, dass wir auch hier an der Spitze des Fortschritts marschieren. Gerade deswegen müssen wir die Gefahren ernst nehmen. Wir müssen Risiken reduzieren und Missbrauch eindämmen. Dabei ist die Aufgabe des Staates klar zu definieren. Egal, ob es um Mord oder Totschlag geht, um Einbruchsdiebstahl oder Erpressung: In der realen Welt ist es immer Kernaufgabe des demokratischen Rechtsstaats, Kriminalität zu bekämpfen und Verbrecher zu strafen, kurz gesagt: unsere Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu schützen und für gleiches Recht für alle zu

sorgen. In der realen Welt gibt es darüber Gott sei Dank einen breiten Konsens.

Wie sieht das aber in der virtuellen Welt aus, im Internet, im Cyberspace? – Manch einer propagierte in den letzten Jahren gewissermaßen ein staatsfreies Internet, das Netz des rechtsfreien Raumes. Den Schutz geistigen Eigentums beispielsweise gibt es bei den Piraten überhaupt nicht mehr. Angesichts der fast unser gesamtes Leben dominierenden Bedeutung des Internets würde ein solches rechts- und staatsfreies Netz zu Chaos und Anarchie führen. Das Internet kann kein rechtsfreier Raum sein.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Daten und Datennetze bedeuten Geld und Macht. Geld und Macht sind die zentralen Treiber für organisiertes Verbrechen und Terrorismus. Deshalb gilt für mich ohne Zweifel: Auch im Cyberspace hat der Staat eine Schutzpflicht für unsere Bürgerinnen und Bürger. Unsere Ziele sind die Schaffung eines hohen Sicherheitsniveaus für Bayerns Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen sowie der Schutz kritischer Infrastrukturen und der Handlungsfähigkeit des Staates.

Ich will dazu fünf Kernpunkte unserer Cyber-Sicherheitsstrategie benennen:

Erstens. Wie auf unseren Straßen ist auch auf der Datenautobahn die Sicherheit des Einzelnen nur zu gewährleisten, wenn jeder seiner Verantwortung selbst gerecht wird. Alle IT-Nutzer müssen sich dessen bewusst sein, dass sie mit ihren eigenen Systemen viel zur Sicherheit unserer Datennetze beitragen können. Wer ohne aktuellen Virenschutz oder Firewall im Netz unterwegs ist, gefährdet nicht nur sich, sondern auch andere. Ungeschützte Rechner geraten leicht unter Kontrolle von Cyber-Kriminellen und werden zu Virenschleudern umfunktioniert oder fügen als Teil von sogenannten Bot-Netzwerken anderen Nutzern Schaden zu.

Die Nutzer müssen sich auch Gedanken darüber machen, welche Massen an sensiblen Daten sie selber generieren und unbedarft über das Netz weitergeben, sei es in sozialen Netzwerken, über SmartphoneApps oder Suchmaschinen. Wir müssen die Nutzer – das ist inzwischen die große Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger im Land – für diese Probleme sensibilisieren und aufklären. Wir verfügen bereits heute über gute Beratungsangebote: von der Vermittlung von Medienkompetenz mit dem Medienführerschein Bayern bis zu Präventionsangeboten des Bayerischen Landeskriminalamts.

Herausheben möchte ich unser Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht. Es hat sich zu einem

deutschlandweit anerkannten Kompetenzzentrum in Datenschutzfragen im Umgang mit Unternehmen oder sozialen Netzwerken entwickelt. Es ist beispielsweise Partner der Initiative "Datenschutz geht zur Schule". Ich bin überhaupt der Meinung, dass die Schulen unsere Jugendlichen noch umfassender für die Chancen, aber auch für die Risiken im Netz sensibilisieren müssen.

Zweitens. Die Handlungsfähigkeit unseres Staates hängt immer mehr von verlässlichen IT-Netzen ab. Das gilt für Polizeieinsatzzentralen ebenso wie für die kommunale Verkehrssteuerung oder die gesamte Steuerverwaltung. Ressortübergreifende Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der staatlichen IT-Nutzung obliegt in Bayern dem IT-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung. Das Bayern-CERT schützt zum Beispiel die Internetangebote der Behörden erfolgreich vor Hackerangriffen. Auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz trägt dazu bei, dass sensible Daten nicht in falsche Hände geraten.

Unsere Sicherheitsbehörden haben sich im Laufe der letzten Jahre kontinuierlich auf die neuen Herausforderungen der digitalen Welt eingestellt. Als erstes Land haben wir bereits 1995 die anlassunabhängige Netzwerkfahndung im Bayerischen Landeskriminalamt eingeführt. Beim Landeskriminalamt wurden außerdem eine Taskforce Cybercrime eingerichtet und komplexe Cybercrime-Verfahren konzentriert. In den Ballungsräumen gibt es zudem Schwerpunktkommissariate zur Bekämpfung der Computer- und InternetKriminalität. Als erstes Bundesland haben wir die Sonderlaufbahn der IuK-Kriminalisten geschaffen. 25 gelernte Informatiker haben wir bisher zu echten Polizisten ausgebildet. Aufgrund der guten Erfahrungen mit diesem Modell führen wir die Initiative in diesem Jahr im gleichen Umfang fort. Diesen Kolleginnen und Kollegen müssen wir auch die richtigen Instrumente in die Hand geben. IT-Kriminelle sind keine Kleinkriminellen. Sie sind meist Teil von Banden und organisierter Kriminalität. Am digitalen Tatort hilft kein Fingerabdruckpulver. Wir brauchen Möglichkeiten zur Sicherung der digitalen Spuren. Nur so können wir den Opfern effektiv zu ihrem Recht verhelfen.

Bei unserer Forderung nach Speicherung von Verbindungsdaten und IP-Adressen geht es um notwendige Werkzeuge im Kampf gegen Bedrohungen aus dem Cyberspace nach den Regeln des Rechtsstaats und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Drittens. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat eine hohe Kompetenz beim Schutz von Wirtschaftsunternehmen vor Spionage entwickelt. Ein Beispiel ist das Wirtschaftsschutzportal, das in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium aufge

baut wurde. Es gibt gute und vertrauensvolle Verbindungen zwischen dem Landesamt und zahlreichen Unternehmen. Das hat sich bewährt. Daran wollen wir anschließen.

Beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz wird das "Cyber-Allianz-Zentrum Bayern" geschaffen werden. Das "Cyber-Allianz-Zentrum Bayern" wird als zentraler Ansprechpartner und Kompetenzzentrum die Unternehmen sowie Betreiber kritischer Infrastrukturen bei der Prävention oder Abwehr von Bedrohungen aus dem Netz unterstützen. Damit schaffen wir ein konkretes Angebot für die Wirtschaft, das den Bedürfnissen nach Vertraulichkeit in der Bearbeitung von Cyber-Vorfällen gerecht wird. Das Cyber-Allianz-Zentrum wird mit entsprechenden Einrichtungen von Bund und Ländern eng zusammenarbeiten und als Frühwarnsystem fungieren. Es wird am 1. Juli seinen Betrieb aufnehmen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Viertens. Wir wollen die Zusammenarbeit jedoch nicht nur mit der Wirtschaft, sondern mit allen für die CyberSicherheit wichtigen Akteuren auf eine neue Grundlage stellen. Wir intensivieren und institutionalisieren einen dauerhaften Dialog in den Bereichen CyberCrime, Cyber-Sicherheit und Datenschutz zwischen unseren Sicherheitsbehörden, dem IT-Beauftragten, den anderen Ressorts, der Wissenschaft, den Verbänden und den Unternehmen. Wir werden dies in enger Kooperation mit dem Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie tun.

Ich begrüße es übrigens sehr, dass unser Wirtschaftsministerium unter anderem die Fraunhofer-Einrichtung für Angewandte und Integrierte Sicherheit fördert. Diese Einrichtung beschäftigt sich mit Forschungsthemen wie Softwaresicherheit und Zuverlässigkeit von IT-Systemen und kann deshalb auch unter dem Sicherheitsgesichtspunkt den Standort Bayern weiter profilieren, lieber Herr Kollege Zeil.

(Staatsminister Martin Zeil: Genau!)

So können wir frühzeitig Bedrohungen erkennen und gemeinsam bewältigen sowie Präventionsstrategien ausbauen und weiterentwickeln.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Ziel ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten im Bereich der Cyber-Sicherheit. Nur so werden wir es schaffen, auf den Datenautobahnen für mehr Sicherheit zu sorgen.

Fünftens. Um alle Akteure auf die Bewältigung dieser Herausforderungen auszurichten, schaffen wir im Bayerischen Innenministerium das neue Sachgebiet "Cyber-Sicherheit". Dieses wird alle strategischen Belange der Cyber-Sicherheit im Ministerium, mit den anderen Ressorts der Staatsregierung sowie mit unseren Partnern in Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden koordinieren. Ich lege auch großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Bund und den anderen Ländern, mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der Europäischen Union.