Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 128. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch Glückwünsche aussprechen: Frau Kollegin Gertraud Goderbauer ist in der vergangenen Woche zur Vorsitzenden des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen gewählt worden. Persönlich und im Namen des Hohen Hauses gratuliere ich dazu sehr herzlich und wünsche viel Kraft für die verantwortungsvolle Aufgabe in der verbleibenden Zeit.
Ich verbinde damit meinen Dank an den bisherigen Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Kollegen Georg Winter.
Ebenso herzlich gratuliere ich Frau Kollegin Theresa Schopper zu ihrer Wahl zur stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Alles Gute für Ihre neue Aufgabe!
Herr Kollege Dr. Leopold Herz kann heute einen runden Geburtstag feiern. Auch dazu gratuliere ich herzlich im Namen des gesamten Hauses und persönlich und wünsche weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarische Arbeit.
Außerhalb der Tagesordnung gebe ich gemäß § 26 Absatz 2 der Geschäftsordnung folgende Ausschussumbesetzungen bekannt: Die CSU-Fraktion hat Frau Kollegin Annemarie Biechl an Stelle von Frau Kollegin Christa Stewens als neues Mitglied im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit benannt. Außerdem wurde vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Kollege Reiner Erben anstelle von Frau Kollegin Maria Scharfenberg als neues Mitglied für den Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit benannt. Ich bitte um entsprechende Kenntnisnahme.
Dann darf ich Ihnen noch zur Information mitteilen, dass Tagesordnungspunkt 11 im Einvernehmen mit allen Fraktionen nochmals von der Tagesordnung abgesetzt wird. Das ist, glaube ich, für Ihre eigenen Dispositionen wichtig.
Regierungserklärung des Staatsministers für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie "Bayern ist stark, wir stehen zusammen"
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Land ist von einer Hochwasserkatastrophe bisher unbekannten Ausmaßes heimgesucht worden. Ausgerechnet das Wasser, der Quell des Lebens, hat den betroffenen Menschen mit seiner zerstörerischen Kraft unvorstellbares Leid und Verzweiflung gebracht. Wir stehen fassungslos vor Bildern, die wir so nicht für möglich gehalten hätten. Wir fühlen mit jenen Menschen, denen das Wasser vieles, nicht selten alles genommen hat.
Sie werden sicherlich verstehen, dass ich meine seit vielen Wochen für heute geplante Regierungserklärung unter diesen Eindrücken nicht mehr so halten kann, wie ich das ursprünglich geplant hatte. Die wirtschaftspolitische Leistungsbilanz der Staatsregierung muss heute hintanstehen, weil die Bürger, vor allem die vom Hochwasser betroffenen Menschen, nicht verstehen würden, wenn wir heute im Landtag um Bilanzen und Prozentzahlen streiten. Dafür ist jetzt nicht die Stunde und auch nicht die Zeit.
Ich möchte damit dem Landtag die Gelegenheit geben, sich erneut mit der Flutkatastrophe und ihren einschneidenden Folgen zu beschäftigen, aber eben auch mit der Frage, wie diese Folgen möglichst schnell gelindert und die Schäden für Privathaushalte und Unternehmen behoben werden können.
Meine Damen und Herren! In schlimmen Zeiten wie diesen rückt Bayern zusammen, um jenen Menschen zu helfen, die unfassbares Leid, großen Schmerz und nicht nur materiellen Schaden, sondern manchmal sogar den Verlust ihres Zuhauses oder ihres Betriebes zu beklagen haben.
Es zeigt sich aber auch, zu welch großartigen Leistungen unser Land nach einer solchen Katastrophe fähig ist. In Passau, in Rosenheim, in Kolbermoor, in Deggendorf, in Straubing, in Regensburg – überall dort, wo unvorstellbare Wassermassen vernichtend gewütet haben, haben sich die Menschen selbstlos verhalten und Großartiges geleistet.
Ich denke etwa an die Studenten, die ihre Bücher zur Seite gelegt haben, tagelang Sandsäcke füllten und
schleppten und nun mit aufräumen. Ich denke auch an die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks und der vielen Feuerwehren aus ganz Bayern, an unsere Polizei, an das Rote Kreuz, die Wasserwacht und natürlich auch an die herbeigerufenen Soldaten der Bundeswehr. Ich denke an die Einsatzleute vor Ort, zum Beispiel an den Oberbürgermeister Dupper von Passau und Landrat Bernreiter, die bis an die Grenze ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit und auch darüber hinaus für andere ihr Bestes gegeben haben und immer noch geben.
Aus vielen Teilen unseres Landes und darüber hinaus sind freiwillige Helfer, deren Namen uns oft unbekannt bleiben, in die von der Katastrophe heimgesuchten Gebiete gereist. Es sind Menschen, die sich berufen fühlten, anderen zu helfen, die ihre Zeit und ihre Kraft geben, um sich aufzuopfern. Wir werden diesen großartigen Einsatz niemals vergessen und danken von ganzem Herzen all jenen, die uneigennützig und selbstlos geholfen haben und dies bis heute tun. Sie alle tun im wahrsten Sinne des Wortes ein gutes und ein großes Werk.
Dies alles zeigt, dass Bayern viel mehr ist als die Summe seiner Bürger, viel mehr als eine bloße Ansammlung von Menschen. Überall im Land sind Spenden- und Benefizaktionen angelaufen. Das, was wir in diesen für so viele Menschen schlimmen Tagen an Mitgefühl und an konkreter Hilfe erleben durften, macht Bayern und die Stärke unseres Landes aus. Deswegen werden wir das, was noch alles geleistet werden muss, auch schaffen. Gemeinsam werden wir es schaffen.
Jetzt muss es darum gehen, die enormen Schäden so schnell und so umfassend wie möglich zu beheben, damit die Menschen in den Hochwassergebieten in ihren Alltag zurückkehren und in ihr gewohntes Leben zurückfinden können. Wir alle zusammen müssen dabei helfen. Wir brauchen alle, damit dort so schnell wie möglich Normalität einkehrt. Häuser müssen repariert und viele Betriebe saniert werden. Straßen und Schienen müssen instand gesetzt werden, damit die Hochwassergebiete möglichst rasch wieder Teil des Wirtschaftskreislaufs werden.
Wir müssen jetzt mit aller Kraft an der Seite der betroffenen Menschen stehen, deren Optimismus und Zukunftswille uns zum Vorbild gereichen soll. "Es muss doch weitergehen!", haben uns einige Menschen unter Tränen gesagt, die in den vergangenen zehn Tagen vieles, manchmal sogar alles verloren
Gerade weil Bayern wirtschaftlich und finanziell so gut dasteht wie noch nie, gerade weil unser Land vor wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit strotzt, weil die Investitionen hoch sind und die Arbeitslosenzahlen niedrig, können die Staatsregierung und der Freistaat Bayern den betroffenen Menschen und Unternehmen in einer Weise helfen, die Maßstäbe setzen wird. Wir werden viel Geld in die Hand nehmen, um schnell und umfassend zu helfen. Die Botschaft ist klar: Keiner der Betroffenen wird mit seinem Schicksal allein gelassen. Die vom Hochwasser gepeinigten Menschen können sich darauf verlassen, dass wir in dieser schweren Zeit an ihrer Seite sind. Auch der Bund hat bereits erste Maßnahmen getroffen. Aber auch in diesem Zusammenhang sagen wir ganz klar: Für uns gilt die Zusage der Bundeskanzlerin in Passau, dass jeder Euro, den wir in Bayern als Hilfe bereitstellen, durch den Bund mit einem Euro ergänzt wird, 1 : 1. Also bitte keine zu komplizierten Fonds oder Ähnliches, sondern klare Lösungen, die wirklich helfen!
Eines möchte ich aber auch sagen: Auch von der EU müssen wir – das ist meine klare Forderung – mehr erhalten als nur warme Worte. Solidarität ist keine Einbahnstraße.
Viele Kolleginnen und Kollegen waren – so wie der Ministerpräsident und ich – in den letzten Tagen vor Ort und haben mit den Betroffenen gesprochen, um das ganze Ausmaß der Flutkatastrophe noch besser zu verstehen und zu begreifen, wo und wie wir helfen müssen. Wir haben mit den Verantwortlichen vor Ort gesprochen, vor allem mit jenen, die Erfahrungen mit solchen Flutkatastrophen haben. Wir haben erörtert, wie die Hilfsmaßnahmen maßgeschneidert und reibungslos ablaufen können. Damit die betroffenen Menschen ihren Lebensmut nicht verlieren, ist es jetzt das Wichtigste, dass die Hilfen schnell, flexibel und damit unbürokratisch bei ihnen ankommen.
Auf der Grundlage dieser Gespräche hat die Staatsregierung ein umfassendes Hilfspaket geschnürt. Die ersten konkreten Hilfsmaßnahmen sind angelaufen. Ich will aber unmissverständlich sagen: Wir beginnen zunächst schnell mit kleineren Beträgen, damit die erste Not gelindert werden kann. Jeder, der Hilfe braucht, bekommt sie auch. Am Geld wird und darf die Beseitigung der Schäden nicht scheitern.
Ich bin den Kollegen Klein und Söder dankbar, dass sie sofort den Vorschlag gemacht haben, die zu erwartenden Rückzahlungen aus dem Länderfinanzausgleich in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro zur Rücklage für die Flutopfer zu verwenden.
Bayern wird konkret helfen. Wir haben die Zahlung von Sofortgeld an die Privathaushalte in Gang gebracht. Für die Gewerbebetriebe stehen bis zu 5.000 Euro zur Verfügung. Die Auszahlung dieser Gelder durch die jeweiligen Landratsämter und Gemeinden läuft seit Ende letzter Woche. Die Hilfen kommen direkt und unmittelbar bei den Betroffenen an, und zwar schnell, bürgernah und unbürokratisch. 42 Millionen Euro hat Kollege Söder den vom Hochwasser betroffenen Kommunen unmittelbar nach den Gesprächsrunden vor Ort für diese erste Soforthilfe ausbezahlt. Dieses Geld wird – das hören wir auch aus Rückmeldungen – von den betroffenen Bürgern bereits dankbar angenommen.
Das kann aber nur der Anfang sein. Deswegen haben wir gestern in der Staatsregierung die Beträge für weitere Hilfen verdoppelt. Wir werden für geschädigte Betriebe bis zu 100.000 Euro und bei Existenzgefährdung bis zu 200.000 Euro zur Verfügung stellen. Es wird auch einen Härtefonds geben, aus dem Privathaushalte und daneben Selbstständige sowie Landund Forstwirte bedient werden, deren Existenz akut bedroht und gefährdet ist.
Damit nicht nur die Verteilung der Gelder, sondern auch die notwendige Beratung und Betreuung der Betroffenen in der Nähe ihrer Wohnorte erfolgt, fungieren die Landratsämter und kreisfreien Städte als zentrale und erste Anlaufstellen. Die Regierungen von Niederbayern, Oberbayern und der Oberpfalz haben auf meine Weisung hin Ansprechpartner für Unternehmer und Selbstständige benannt, damit diese Programme schnell durchgeführt werden können. Die Kammern, die Wirtschaftsverbände und der Gaststättenverband stellen vor Ort ebenfalls Berater und spezielle Krisenstäbe bereit. Alle haben entsprechende Hotlines und Internetseiten eingerichtet.
Selbstverständlich können alle vom Hochwasser Geschädigten auch steuerliche Erleichterungen nutzen. Um unnötige Verzögerungen zu vermeiden und jetzt eine schnelle Abwicklung zu gewährleisten, haben die Versicherer und die Kammern auf meinen Wunsch hin eine Taskforce gebildet. So ist gewährleistet, dass an jedem Ort genügend Mitarbeiter und vereidigte Sachverständige zur Verfügung stehen.
Auch die Bundesagentur für Arbeit hat einen eigenen Krisenstab eingerichtet, um Betriebe umfassend zu informieren und zu betreuen. Notwendige Hilfen wie die Gewährung von Kurzarbeitergeld können auf diese Weise sehr schnell auf den Weg gebracht werden. Die Landwirtschaft erhält Soforthilfen. Die Gemeinden haben bereits erste Hilfen bekommen, um Schäden an den Straßen oder der Infrastruktur rasch zu beseitigen.
Zum Hochwasserschutz wird Herr Kollege Dr. Huber in der nächsten Woche ein Konzept vorlegen, das auf den Ausbauplan für die bereits eingestellten drei Milliarden Euro, die Notwendigkeit zusätzlicher Mittel, aber auch auf die bisherigen Hemmnisse und Blockaden beim Hochwasserschutz umfassend eingehen wird. Dem will ich heute nicht vorgreifen. Deshalb hierzu nur zwei Punkte: Pauschale Schuldzuweisungen an nur eine Gruppe, beispielsweise die Landwirte, halte ich nicht für angemessen.
Eine unvoreingenommene, eine ehrliche Analyse muss alle Hemmnisse einbeziehen, auch solche durch Bürgerinitiativen, politische Gruppen, Verbände und Verwaltungen vor Ort. Dann kann entschieden werden, wie dem Allgemeinwohl künftig schneller und besser Rechnung getragen werden kann.
Dafür, dass der Hochwasserschutz zwischen Straubing und Vilshofen nicht länger blockiert wird, hat diese Staatsregierung bereits erfolgreich gesorgt. Durch die Richtungsentscheidung für den Ausbau ohne Staustufe in diesem Abschnitt können dort jetzt endlich die geeigneten Maßnahmen für den Hochwasserschutz in Angriff genommen werden.
Meine Damen und Herren, Wirtschaft ist nicht alles. Wer wollte diesen Satz angesichts der aktuellen Bilder auch allen Ernstes bezweifeln? – Aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. Wenn wir als Staatsregierung, als Freistaat, in der Lage sind, jetzt zu helfen, dann ist das darauf zurückzuführen, dass Bayern so stark ist und unsere Unternehmen dieses Geld zuvor erwirtschaftet haben.