Protocol of the Session on July 18, 2013

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Nächster Redner in der Debatte ist Herr Professor Dr. Bauer für die FREIEN WÄHLER.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorlage des Aktionsplans durch die Bayerische Staatsregierung ist überaus vage geblieben. Nur durch das engagierte und gemeinsame Vorgehen aller Beteiligten – ich möchte das an dieser Stelle deutlich sagen und mich bei der Vorsitzenden, Frau Meyer, bedanken; sonst wäre das so nicht zustande gekommen – ist es gelungen, diesen Vorschlag gemeinsam zu konkretisieren. Nach meiner und der Auffassung der FREIEN WÄHLER hat nun die Staatsregierung eine zweite Chance, nämlich ein Sonderinvestitionsprogramm zu verabschieden. Sie haben vorhin angesprochen, dass alles noch offen sei. Die Kommunen und die freien Träger sollen dabei unterstützt werden, Barrieren in Einrichtungen und Gebäuden, auf Straßen und Plätzen und in dem Kommunikationssystem abzubauen. Mit diesem Sonderinvestitionsprogramm für ein barrierefreies Bayern 2025 kann die Staatsregierung das Versäumnis des im März 2013 vorgelegten Aktionsplanes beseitigen. Nutzen Sie diese Möglichkeit für unsere Bürgerinnen und Bürger. Gehen wir es gemeinsam an!

Hintergrund ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen für die Rechte der Menschen mit Behinderung, das vom deutschen Gesetzgeber Ende 2008 ratifiziert worden ist und seit dem 26. März 2009 innerstaatliches Recht ist. Das sollte uns zu denken geben, weil es die Rechtsgrundlage darstellt. Ich habe bei dem vorigen Thema einiges über Rechtsgrundlagen gelernt. Bei dieser Thematik ist die Rechtsgrundlage klar. Insofern müssen wir sie auch umsetzen.

Die Bayerische Staatsregierung muss den Kommunen und freien Trägern finanziell helfen und den Alltag der Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung spürbar verbessern. Nachdem der Aktionsplan diese konkrete Unterstützung schuldig geblieben ist, können nur Sondermittel die Voraussetzungen für eine verbesserte Lebensführung bieten. Von der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum profitieren nicht nur Menschen mit Behinderung – Sie haben es gerade angesprochen und den demografischen Wandel betont –, sondern auch ältere Menschen und Menschen mit Kindern. Bayern muss vorangehen, und es wäre schön, wenn Bayern ein leuchtendes Beispiel wäre.

Wegen der Kürze der Zeit möchte ich nur stichwortartig aufführen, was aus Sicht der FREIEN WÄHLER in das Sonderinvestitionsprogramm gehört. Konkretes Beispiel ist eine wohnortnahe Versorgung mit Frühförderungsmaßnahmen. Wichtig sind auch Spielräume der offenen Beratung. Es gehört auch eine landesweite Abdeckung durch den mobilen sonderpädagogischen Betreuungs- und Unterstützungsdienst dazu. Weiter ist die Diagnostik in der Frühförderung beson

ders wichtig. Des Weiteren müssen Koordinationsund Beratungsstellen geschaffen werden. Zum Kernpunkt: Wir müssen einen inklusiven Sozialraum schaffen. Bevor man Gelder verteilt, muss man wissen, wo es brennt und wo sie sinnvoll und gewinnbringend für die Menschen in unserem Land eingesetzt werden können. Deswegen ist der Kernpunkt die Errichtung eines inklusiven sozialen Raumes. Wir kennen die Probleme der städtischen Entwicklung. Sie sind immer komplexer geworden und deswegen müssen wir diesen inklusiven Sozialraum klar definieren.

Zu dieser Sozialraumanalyse gehört auch, dass soziale Ungleichheit und Unterversorgung ermittelt werden. Die Ermittlung besonderer Bedarfsgruppen und vorrangiger Räume sowie die Ermittlung von Ressourcen und Potenzial sind ebenso wichtig wie die Darstellung nachbarschaftlicher Hilfe, sozialer Netzwerke und bürgerschaftlichen Engagements.

Die Realisierung der Grundsätze inklusiver Sozialplanungen sollte der Freistaat Bayern für die Kommunen mit den Mitteln aus diesem Sonderinvestitionsprogramm bestreiten. Wichtig ist Folgendes:

Erstens. Die Einrichtung kommunaler Gremien muss gefördert werden und administrative Stellen müssen für eine inklusive Sozialraumplanung vorgesehen werden.

Zweitens. In allen bayerischen Kommunen müssen die Zuständigkeiten für eine inklusive Sozialraumplanung festgelegt werden.

Drittens. Eine Bestandsanalyse muss aufgenommen werden, etwa durch die Berechnung eines Inklusionsindexes oder in ähnlicher Form.

Damit diese Maßnahmen finanziert werden können, brauchen wir dieses Sonderinvestitionsprogramm. Ich halte eine klare Zeitschiene für wichtig; dass dies nicht so festgelegt wurde, ist wieder ein Nachteil unserer Rahmenvereinbarung. Deshalb ist das Jahr 2025 besonders wichtig. Das war auch der Wunsch aller Verbände am runden Tisch, die immer wieder gefordert haben, einen konkreten Zeitpunkt festzulegen. Visionen sind in der Politik nicht unüblich. Diese Vision 2025 sollten wir weiterverfolgen, und deswegen werden die FREIEN WÄHLER dem Antrag der SPD zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Nächste Rednerin in der Debatte ist Renate Ackermann für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Optimismus, dass dieses Sonderinvestitionsprogramm kommen wird, fällt etwas verhaltener aus. Ich habe zwar auch in "Focus Online" gelesen, dass die Sozialministerin für 2025 ein barrierefreies Bayern und dafür auch einen finanziellen Kraftakt fordert, von wem auch immer der kommen soll. Im "Fränkischen Tag" hat sie erneut ein Sonderinvestitionsprogramm des Freistaates Bayern und wiederum einen finanziellen Kraftakt gefordert. Jetzt hat sie offensichtlich keine Zeit für einen kraftvollen Einstieg. Das müssen wir ihr nachsehen. - Sie hat es nicht gehört, ich rede trotzdem weiter. - Frau Ministerin, es geht gerade um den finanziellen Kraftakt, den Sie fordern.

(Staatsministerin Christine Haderthauer: Ich höre schon zu!)

Das wundert mich, denn Herr Goppel hatte heute gesagt: Wenn man redet, gehen die Ohren zu. Bei Ihnen scheint das nicht so zu sein.

(Staatsministerin Christine Haderthauer: Das ist nur bei den Männern so! - Volkmar Halbleib (SPD): Bei Männern würde man sagen: Flegelhaftes Verhalten!)

Der "Fränkische Tag" schreibt ebenfalls von einem kraftvollen Einstieg in das Sonderinvestitionsprogramm.

Könnte man allen diesen Ankündigungen glauben, würde ich mich ihnen auch anschließen und sagen: Jawohl, das Sonderinvestitionsprogramm kommt.

Ich weiß aber, dass es sich bei diesen Ankündigungen wieder einmal nur um Luftblasen der Ministerin und um Wahlkampfpropaganda handelt. Ich weiß auch, dass dieses Sonderinvestitionsprogramm, das 200 Millionen Euro umfassen müsste, niemals kommen wird. So wird auf dem Rücken von Menschen mit Behinderung Politik gemacht. Diese Menschen machen sich Hoffnungen, aber ihre Hoffnungen werden jedenfalls von dieser Ministerin niemals erfüllt werden. Das kann ich Ihnen von dieser Stelle aus versichern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben einen Aktionsplan, der unter Haushaltsvorbehalt steht, beschlossen. Auch wenn dieser kraftvolle Einstieg nur ansatzweise geplant wäre, warum steht dann im Aktionsplan, der erst in der letzten Woche beschlossen wurde, kein Wort von diesem Sonderinvestitionsprogramm, obwohl es die Ministerin zwei Monate davor schon verkündet hat? Es ist unsäglich, wie hier Politik gemacht wird und wie die Menschen mit völlig haltlosen Ankündigungen hinters

Licht geführt werden, wenn ein barrierefreies Bayern bis 2025 verwirklicht sein sollte. Wie wir alle wissen, wie überall gesagt wird und wie auch die Ministerin hat verlauten lassen, kann dieses Ziel nicht von heute auf morgen erreicht werden. Wir hätten daher eher gestern als heute damit anfangen müssen, Bayern barrierefrei zu machen. Das ist aber nicht geschehen, und so schnell wird es auch nicht geschehen. Deshalb werden wir dem Antrag der SPD zustimmen. Wir wissen auch, warum Sie diesen Antrag gestellt haben. Eines kann ich Ihnen sagen: Dieser Ministerin glaube ich kein Wort.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Rednerin in der Debatte ist Brigitte Meyer für die FDP-Fraktion.

Verehrter Herr Präsident, werter Herr Ministerpräsident! Wir haben in der Tat diesen Antrag in der letzten Woche im Ausschuss behandelt. Es war zu erwarten, dass wir ihn heute wieder behandeln werden, weil auf der einen Seite die Ankündigung der Ministerin stand, dieses Sonderinvestitionsprogramm voranzutreiben, und Sie auf der anderen Seite mit Ihrem Antrag gemeint haben, es müsse alles sofort, am besten gestern, passieren. Ihr Antrag fordert aber ganz einfach, ich zitiere:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, ein Sonderinvestitionsprogramm "Bayern Barrierefrei 2025" aufzulegen. Mit diesem Programm sollen Kommunen und freie Träger dabei unterstützt werden, Barrieren in Einrichtungen und Gebäuden, auf Straßen und Plätzen und in den Kommunikationssystemen abzubauen.

Liebe Frau Kollegin Steiger, wir sagen nicht immer, die Anträge der Opposition seien per se abzulehnen. Wenn die Anträge gut sind, denken wir wirklich darüber nach. Das haben wir im Ausschuss auch mehrfach bewiesen.

(Christa Steiger (SPD): Meinen Sie, dieser Antrag ist nicht gut?)

- Er ist mir einfach zu dünn und zu wenig. Herr Professor Bauer hat ganz eindrucksvoll deutlich gemacht, was alles dazugehört. Es geht nicht nur um diesen einen Punkt, sondern um einen riesigen, umfassenden Komplex. Teile des Programms haben wir im Wirtschaftsministerium zum Beispiel schon auf den Weg gebracht. Sie haben gesagt – ich weiß nicht, welcher der Vorredner es war -, dass es Beschlüsse aus dem Jahr 2013 gibt, mit denen ganz konkret Mittel zur Verfügung gestellt wurden und als Ziel angege

ben wurde, wie viele S-Bahnhöfe und wie viele Bahnhöfe barrierefrei ausgebaut werden sollen.

(Christa Steiger (SPD): Es geht nicht um S-Bahnhöfe, sondern um die Kommunen und die Träger!)

- Es geht auch darum, dass die Kommunen unterstützt werden. Es geht aber auch darum, dass die Kommunen mit in die Verantwortung genommen werden. Denn auch die Kommunen – ich komme wie viele von Ihnen aus der Kommunalpolitik – haben sehr wohl die Aufgabe, ihr Gemeindegebiet barrierefrei zu gestalten. Auch in den Kommunen müssen Aktionspläne erstellt werden. Auch dort müssen Ziele gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt werden. Für mich muss dieser Aktionsplan ein ganz umfassendes Konzept sein. Ich bin dankbar dafür, dass wir diesen Aktionsplan in der Form, wie er jetzt vorliegt, erarbeitet haben. Auch wenn Sie anderer Meinung waren, haben wir diesen Aktionsplan mit den Betroffenen und den beteiligten Verbänden gemeinsam erarbeitet. Wir werden ihn jetzt schrittweise verwirklichen. Ein Punkt davon ist das Konzept, das Frau Ministerin Haderthauer mit ihrem Sonderinvestitionsprogramm angestoßen hat.

Ich bin mir ganz sicher, dass es in der nächsten Legislaturperiode in den Koalitionsparteien genügend Kräfte geben wird, die sich darum bemühen werden, dass dieses Konzept differenziert umgesetzt werden kann. Dieses Konzept betrifft nicht nur ein Ministerium. Nicht nur das Sozialministerium ist betroffen. Das Innenministerium ist genauso betroffen wie das Wirtschaftsministerium und alle möglichen anderen Ministerien. Deshalb kann ich nicht sagen: Setzt einfach einmal ein Programm auf. Dieses Programm muss wirklich differenziert zusammen mit allen Ministerien erarbeitet werden. Ich bin mir sicher, dass das in der nächsten Legislaturperiode der Fall sein wird.

Frau Kollegin, bitte bleiben Sie noch. Wir haben noch zwei Zwischenbemerkungen. Die erste Zwischenbemerkung kommt von Frau Kollegin Ackermann vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Kollegin, können Sie folgenden Widerspruch aufklären: Einerseits stehen im Aktionsplan die Worte "im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel". Der Aktionsplan steht damit unter dem Haushaltsvorbehalt. Andererseits zieht die Sozialministerin durch die Lande und verspricht ein Sonderinvestitionsprogramm, das mit keinem Wort im Aktionsplan erwähnt ist. Nicht einmal die Absicht, ein solches Programm aufzulegen, ist erwähnt. Können Sie sich diesen Widerspruch erklären?

Frau Kollegin, bitte.

Das Sonderinvestitionsprogramm ist deswegen kein Punkt des Aktionsplans, weil es auf verschiedene Ministerien aufgeteilt werden muss. Dort werden sich die Investitionen wiederfinden. Deswegen ist das für mich kein Widerspruch, sondern nach der Haushaltssystematik ganz klar.

Frau Kollegin Steiger, bitte zu einer weiteren Zwischenbemerkung.

Frau Kollegin Meyer, Sie verwirren mich schon ein bisschen. Sie sagen, Sie würden unseren Anträgen durchaus zustimmen, wenn sie gut sind.

Das haben wir auch schon gemacht.

Diesen Antrag, der Frau Ministerin Haderthauer im Originalton wiedergibt, haben Sie abgelehnt. Wollen Sie damit sagen, dass die Forderung von Frau Ministerin Haderthauer nach einem Sonderinvestitionsprogramm nicht gut ist?

Sie haben auf Bahnhöfe und S-Bahnhöfe verwiesen. In diesem Sonderinvestitionsprogramm geht es explizit um die kommunale Ebene und um die Träger. Bahnhöfe sind ein extra Thema. Der Aktionsplan betrifft nicht nur das Sozialministerium,

(Christa Stewens (CSU): Das sagt Frau Meyer doch!)

sondern geht doch querbeet. Infolgedessen ist die Forderung nach einem Sonderinvestitionsprogramm auch über alle Ministerien gedacht. Das ist doch ganz klar. Irgendwo haben Sie sich mit der Strategie zur Ablehnung unseres Antrags in Widersprüche verwickelt, die Sie bis jetzt nicht auflösen konnten.

Frau Kollegin, bitte.

Wenn man das so sehen möchte, dann kann ich Sie wahrscheinlich nicht davon überzeugen, dass das nicht so ist, auch wenn ich noch eine Stunde rede Ich habe vorhin deutlich gemacht, dass sich das Thema in allen Einzelplänen wiederfinden muss. S-Bahnen beispielsweise sind auch eine kommunale Aufgabe. Ich sehe den Widerspruch nicht, weil Frau Ministerin Haderthauer auch angekündigt hat, was passieren soll. Sie hat aber noch nicht im Detail gesagt, wie das sein soll. Das muss man doch erst noch erarbeiten. Ich sehe also die Widersprüche, die Sie sehen, nicht. Doch wie gesagt, wahrscheinlich kann ich Sie auch nicht davon überzeugen, dass es diese Widersprüche nicht gibt.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Christa Stei- ger (SPD): Nein!)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Es wurde namentliche Abstimmung beantragt. Die Urnen stehen bereit. Ich eröffne die Abstimmung: Fünf Minuten, bitte.