Protocol of the Session on May 12, 2009

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 21. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch zwei Geburtstagswünsche aussprechen. Heute hat Frau Kollegin Dr. Annette Bulfon Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben und Ihr privates Leben. Ich möchte noch einen Geburtstag nachtragen, der letzte Woche sträflicherweise vergessen worden ist. Es handelt sich dabei um den Geburtstag des Kollegen Vizepräsidenten Peter Meyer.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche Ihnen ebenfalls alles Gute und viel Erfolg für Ihre weitere parlamentarische Arbeit hier in diesem Hause.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Ministerbefragung gem. § 73 GeschO auf Antrag der SPD-Fraktion "Vom Reden zum Handeln: Bayern ohne Agrogentechnik!"

Zuständig für die Beantwortung ist der Staatsminister für Umwelt und Gesundheit. Erster Fragesteller ist der Kollege Ludwig Wörner. Herr Staatsminister Dr. Söder, ich bitte Sie, am Rednerpult Platz zu nehmen.

(Allgemeine Heiterkeit)

- Ich bitte Sie "Stand" zu nehmen.

Ja, Herr Minister, Sie sollten bei dem, was Sie der bayerischen Bevölkerung versprochen haben, standhaft bleiben. Sie haben versprochen, für gentechnikfreie Regionen in Bayern einzutreten. Von der Standhaftigkeit bis hin zum Handeln besteht eine Diskrepanz, die ich aufzeigen will. Ich erwarte von Ihnen eine Antwort, wie Sie dies handeln wollen. Ich möchte nicht verschweigen, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass Sie seit einiger Zeit den ernsthaften Ansatz zeigen, dieses Thema innerhalb Ihrer Partei so zu diskutieren, wie wir das von Ihnen als handelndem Umweltminister erwarten. Sie setzen sich

dafür ein, Agrogentechnik von Bayern und darüber hinaus fernzuhalten.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings ist das Ergebnis ein anderes. Sie sollten versuchen, Ihre eigenen Reihen in dieser Frage zu schließen. Ich weiß, dass das nicht immer einfach ist, aber Geschlossenheit gehört dazu. Wenn Herr Weber als Europaminister, der in Zukunft zur Agrogentechnik in Europa etwas zu sagen hat, in einer Podiumsdiskussion erklärt, er sei für grüne Gentechnik und sei froh, dass er in einer Partei sei, die verschiedene Meinungen zulasse, dann ist das eine Aussage. Ich habe zu ihm gesagt: Wenn jemand eine Meinung vertritt, ist das in Ordnung. Bei der CSU erlebe ich jedoch, dass einer meistens mehrere Meinungen vertritt. Dann wird es schwierig.

Herr Minister, wir fordern Sie deshalb auf, tätig zu werden. Dieses Thema hätten Sie auch schon als Europaminister auf die Tagesordnung setzen können. Das haben Sie nicht gemacht. In schriftlicher Form haben wir in den Archiven darüber nichts gefunden. Sie haben immer angekündigt, dass Sie das dem Ausschuss der Regionen vorlegen wollen. Wir wissen beide, wie wichtig das Gremium ist und welche Tragweite die Entscheidungen dort haben. Wir fordern Sie auf, den von uns gestellten Antrag zu begleiten und in Europa vorstellig zu werden. Zwar hat die SPD-Bundestagsfraktion diesen Antrag schon eingebracht, jedoch wurde er mit den Stimmen der CSU abgelehnt. Ein abgewandelter Antrag der GRÜNEN, der ebenfalls eingebracht wurde, ist von der CSU genauso abgelehnt worden.

Jetzt fordern wir Sie auf, Nägel mit Köpfen zu machen. Wir wollen heute von Ihnen wissen, wie Sie als Staatsregierung über den Ausschuss der Regionen hinaus die Bundesregierung unterstützen wollen, für gentechnikfreie Regionen zu werben. Außerdem möchten wir von Ihnen wissen, wie Sie Ihr Versprechen, dass Bayern gentechnikfrei bleibt, halten, wenn Ihre CSU-Ministerin bereits bei der Kartoffel wieder klein beigibt. Sie hat der Aussaat anderer gentechnisch veränderter Pflanzen inzwischen ebenfalls zugestimmt. Wie wollen Sie das unterbinden? Wie wollen Sie mit uns zusammen dafür sorgen, die Sorgen und Nöte der Landwirte und der Verbraucher in Bezug auf die Gentechnik in Bayern ernst zu nehmen?

(Beifall bei der SPD)

Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst

einmal vielen Dank, dass Sie angemerkt haben, dass wir seit längerer Zeit sehr engagiert bemüht sind, diesem Thema unsere ganze Aufmerksamkeit und auch unsere politische Aktion zu widmen.

In einem darf ich Sie korrigieren. Sie waren in der letzten Woche während der Regierungserklärung zur Europapolitik sicherlich anwesend. Staatsministerin für Europa ist in Bayern Frau Emilia Müller, nicht Manfred Weber. Das sei an dieser Stelle noch einmal gesagt für den Fall, dass Sie es in der letzten Woche nicht richtig verfolgt haben. Mitglied im Europäischen Parlament ist etwas anderes. Vielleicht wäre manch ein Europaabgeordneter gern Staatsminister. Aber das ist ein anderes Thema, das wir heute nicht klären müssen.

Ich mache einige grundsätzliche Ausführungen.

In der Tat nehme ich persönlich, aber auch die Staatsregierung, die Sorgen der Bevölkerung im Allgemeinen sowie die fachlichen Bedenken, die es gegenüber der Agrogentechnik bzw. der grünen Gentechnik gibt, sehr ernst. Aus ethischer Sicht geht es um die Bewahrung der Schöpfung. Bezüglich der Auskreuzung geht es um enorme Möglichkeiten, die sich ergeben, wenn ein Prozess in der Natur erst einmal in Gang gesetzt ist. Hier ist nicht nur an die Tier- und die Pflanzenwelt, sondern auch an die Bodenökologie zu denken. Da gibt es erhebliche Auswirkungen, die nicht erforscht sind. Es können erhebliche Sicherheitsrisiken entstehen.

Die bislang gemachten Versprechen einiger Konzerne, die in dem Bereich tätig sind, haben bei Weitem nicht den Ergebnissen standgehalten, die sowohl angekündigt als auch erzielt worden sind.

Vor diesem Hintergrund nehmen wir die Sorgen ernst. Wir haben auch gesagt: Wir müssen von bayerischer Seite aus handeln. Denn es gibt, wie auch Sie es angesprochen haben, die absurde Situation, dass wir, wenn in Europa einmal etwas zugelassen worden ist, keine Möglichkeit mehr haben, weder rechtlich noch tatsächlich etwas gegen die Entwicklung zu unternehmen.

Die sich daraus für uns ergebende Herausforderung, die wir annehmen wollen, hatte ich bereits als Europaminister angenommen. Das kann man auch nachlesen. Es geht darum, dass wir ein Selbstbestimmungsrecht der Regionen haben wollen. Was auf bayerischen Feldern angebaut wird, wollen wir selber entscheiden; das soll nicht durch eine Kommission in Brüssel entschieden werden.

Unser Ziel ist ein gentechnikanbaufreies Bayern mit der klaren Aussage, dass wir den kommerziellen Anbau auf jeden Fall verhindern wollen. Deswegen haben wir gehandelt, auch ich persönlich.

Ich darf einmal rekapitulieren, was in der kurzen Zeit passiert ist. Wir haben erreicht - das ist das Wichtigste -, dass MON 810 in Deutschland verboten ist. Das ist eine fundamental wichtige Entscheidung. Sie ist deswegen besonders wichtig, weil das Verwaltungsgericht Braunschweig im Eilverfahren bestätigt hat, dass dies rechtens ist, und zwar nicht nur, weil es darum geht, dass im Zweifelsfall eine Gefahr vorliegen muss, sondern auch weil in dem Urteil steht: Es reicht aus, dass sich Anhaltspunkte für eine Schädigung von Menschen und Tieren ergeben. Damit hat der Bund an dieser Stelle seinen Beurteilungsspielraum völlig korrekt genutzt.

Wir haben uns von Anfang an für ein solches Verbot eingesetzt. Wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt, dass beispielsweise Wertprüfungen in Bayern nicht stattfinden. Wir haben einen eigenen Zuständigkeitsbereich. Wir haben - auch ich als Umweltminister den Vorschlag, der im Bereich von Natura 2000 immer wieder kam, angenommen und den Radius für Verträglichkeitsprüfungen auf 1.000 Meter erweitert. Das ist der weiteste Abstand, den es in Deutschland gibt. Es gibt kein Land, das einen weiteren Abstand hat.

Das heißt: Wir haben erstens erreicht, dass wir das im eigenen Bereich tun können. Wir haben zweitens erreicht, dass der kommerzielle Anbau verboten ist. In Bayern handelt es sich da um 66 Hektar. Auf 66 Hektar findet in Bayern dieser Anbau nicht statt. Die vom Bund ursprünglich geplanten Wertprüfungen sind komplett zurückgezogen worden. Was die Entscheidungen des Landwirtschaftsministers betrifft, so gibt es keinen Versuchsanbau auf staatlichen Flächen.

Zusammenfassend kann man sagen: Es gibt kein Land, das im Endeffekt mehr gehandelt hat als der Freistaat Bayern.

Wir sind in diesem Prozess natürlich noch nicht am Ende. Das zeigt sich beispielsweise an den genehmigten Freisetzungen, die nach § 16 des Gentechnikgesetzes auf der Basis eines Rechtsanspruchs nicht einfach zurückgenommen werden können. Es sind 16 Freisetzungen genehmigt worden. 13 werden nicht genutzt.

Es geht um zwei Standorte. Der eine liegt im Bereich Düllstadt, der andere bei Möttingen/Landkreis DonauRies. In dem einen Fall sind es 0,44 Hektar, in dem anderen geht es um 266 Quadratmeter. Das sind die letzten zwei Freisetzungen.

Unser Bestreben ist, Stück für Stück zu erreichen: erstens ein gentechnikfreies Bayern, zweitens Beibehaltung der Sicherheitsforschung - allerdings in Gewächshäusern -, drittens die Möglichkeit, selber zu bestimmen, was gemacht werden soll. Das dritte Ziel ist mir ganz wichtig.

Wie Sie wissen, gibt es unter den Bundesländern SPDLänder, die zum Thema Gentechnik durchaus eine andere Haltung haben. Daher glaube ich: Es ist wichtig, dass wir in Bayern selber entscheiden, was wir machen werden.

In dem halben Jahr, in dem die jetzige Staatsregierung schon amtiert, ist eine Fülle von Maßnahmen getroffen worden, die im Vergleich mit den Zuständen vor vielen Jahren in Deutschland, aber auch in diesem Land einen Riesenfortschritt erkennen lassen. Insofern nehme ich das Lob, das Sie natürlich nicht so deutlich aussprechen können - das verstehe ich -, an und bedanke mich dafür. Unsere Staatsregierung hat in dieser Frage die Sorgen und Befürchtungen der Bevölkerung mehr als ernst genommen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Als Nächste hat Frau Kollegin Maria Noichl das Wort.

Grüß Gott, Herr Minister! Ich denke, nicht Sie, sondern die Menschen in Bayern haben das erreicht. Die haben nicht den Mund gehalten, und das war gut so.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern)

Wegen der knappen Redezeit mache ich es ganz kurz. Es ist unumstritten, dass eine Koexistenz nicht möglich ist. Jeder Freilandanbau genetisch veränderter Pflanzen kommt auf irgendeine Art und Weise in die Nahrungskette auch des Menschen. Es ist klar, dass die gentechnisch veränderten Organismen - GVO - nicht rückholbar sind.

Ich frage Sie: Was unternimmt die Staatsregierung, um aus Gründen der Vorsorge den Anbau aller genveränderten Pflanzen im Freiland zu beenden? Dazu gehören auch die Sortenversuche und die Versuche mit Genkartoffeln. Nach wie vor besteht hier großer Handlungsbedarf. Weitere Versuche dürfen nicht zugelassen werden.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern)

Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Kollegin, wir müssen festhalten, wie es sich hier mit den Entscheidungen verhält. Auf der einen Seite sagen Sie, wir müssten handeln. Auf der anderen Seite sagen Sie, wir hätten nichts erreicht. Da muss man die Dinge zueinander schon in ein angemessenes Verhältnis setzen. Letztlich müssen wir die politischen

Entscheidungen treffen. Wir müssen die Entscheidungen dort, wo die Möglichkeit besteht, auch durchsetzen.

Unser Grundproblem ist dieses: Über einen langen Zeitraum hinweg muss alles, was auf der europäischen Ebene mit grüner Gentechnik bzw. Agrogentechnik zu tun hat, in einer im Grunde positiven Entwicklung gesehen werden.

(Franz Maget (SPD): Das Problem war, dass dies bei Ihnen positiv war!)

- Die Befragung dient doch dazu, Herr Maget, dass wir einander zuhören. Wenn Sie dazu eine Frage haben, können Sie sie noch stellen.