Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich nach der Osterpause und eröffne die 45. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Meine Damen und Herren! Am vergangenen Samstag, dem 10. April, sind bei einem Flugzeugabsturz nahe der russischen Stadt Smolensk der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski, seine Gattin Maria und eine große Anzahl weiterer ranghoher Persönlichkeiten Polens ums Leben gekommen. Die Nachricht von diesem Schicksalsschlag, der das polnische Volk so unvermittelt traf, hat uns zutiefst erschüttert. Der Präsident und seine Begleiter waren auf dem Weg zu einer Gedenkfeier für die polnischen Opfer des Massakers von Katyn vor 70 Jahren. Vor dem Hintergrund dieser hoffnungsvollen Versöhnungsgeste zwischen den Völkern Polens und Russlands ist dieses Unglück von besonderer Tragik.
Als Ausdruck aufrichtiger Anteilnahme hat sich gestern Frau Landtagspräsidentin Barbara Stamm im Generalkonsulat der Republik Polen in das Kondolenzbuch für die Opfer eingetragen. Dabei sprach sie im Namen des Bayerischen Landtags den Angehörigen der Verunglückten und dem gesamten polnischen Volk unser herzliches Beileid und unser tief empfundenes Mitgefühl aus. Wir trauern mit den Familien der Hinterbliebenen und gedenken der Toten auch im Gebet. Unsere Zuversicht bleibt, dass die Völker auf dem Weg der Versöhnung weiter zusammenrücken werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, erlauben Sie mir folgenden Hinweis: Wie Sie wissen, findet morgen, am Donnerstag, zwischen 10.00 Uhr und ca. 16.00 Uhr erstmals ein "Tag behinderter Menschen im Bayerischen Landtag" statt. Wir erwarten fast 300 Gäste, die wir gerne begrüßen wollen. Ich darf vor diesem Hintergrund heute noch einmal an Sie alle appellieren, sich morgen in der einen oder anderen Weise an diesem Großereignis zu beteiligen. Sie können dies vor allem tun, indem Sie an den vormittäglichen Arbeitsgruppen in verschiedenen Sitzungssälen teilnehmen, um hautnah zu erfahren, welche Anliegen die Menschen mit Behinderung haben. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die nachmittägliche Podiumsdiskussion zu besuchen, in der die Ergebnisse der Arbeitsgruppen von Verbandsvertretern
und betroffenen Menschen vorgestellt und mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert werden.
Seitens der kooperierenden Verbände und des Landtagsamts wurde alles getan, den morgigen Tag zu einem Erfolg werden zu lassen und das Hohe Haus angemessen zu präsentieren. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, - erlauben Sie mir bitte diese Feststellung sind als die Mitglieder des Verfassungsorgans Landtag die Substanz des Parlaments. Je mehr von Ihnen anwesend sein werden, umso positiver werden wir alle in den Augen derer wahrgenommen, die sich sonst nicht selten an den Rand gedrängt fühlen. Bitte schenken Sie den Menschen mit Behinderung einige Stunden Ihrer Zeit. Ich danke Ihnen.
Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion Freie Wähler "Mehr Eigenverantwortung bei der Rehwildbejagung"
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen. Der erste Redner ist der Vorsitzende der Fraktion der Freien Wähler, Herr Kollege Hubert Aiwanger. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Jagd bewegt die Gemüter. Das haben wir alle mittlerweile zur Genüge erfahren. Wir haben als Fraktion der Freien Wähler vor Kurzem im Landtag einen Antrag eingebracht, mit dem wir die Rehwildbejagung ohne Abschussplan fordern. Sie soll denjenigen ermöglicht werden, die dies vor Ort selber abschätzen können. Wenn sich eine Jagdgenossenschaft für die Rehwildbejagung ausspricht, könnte sie hierzu einen Antrag bei der Unteren Jagdbehörde stellen. Wenn diese keine Einwände hat, könnte die Rehwildbejagung in Absprache mit dem Revierinhaber durchgeführt werden. Das Ganze fußt auf einem Pilotprojekt der Jahre 2001 bis 2007, mit dessen Ergebnis alle Beteiligten sehr zufrieden waren. Sie haben gesagt: Jawohl, das wollen wir weiterführen. Auch der Vorgänger von Herrn Minister Brunner, Herr Miller, der damalige Landwirtschaftsminister, hat in einem Schreiben im Frühjahr 2008 zum Ausdruck gebracht, er hoffe, dass dieses Verfahren ab 2010 zum Einsatz komme. Das ist
also genau das, was wir wollen. Wir haben es zum Antrag gemacht. Dieser ist von allen Fraktionen, natürlich außer der unseren, abgelehnt worden.
Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen uns, dass wir hier goldrichtig lagen. Das Papier aus dem Forstministerium ist angeblich hinter dem Rücken des Ministers, also ohne sein Wissen, gefertigt worden. Leider Gottes hat es Anlass dazu gegeben, dass im Verhältnis zwischen Forst und Jagd auf der einen Seite und den Grundeigentümern auf der anderen Seite Öl ins Feuer gegossen wurde. Wir sind hier in eine Konfliktsituation gekommen, bei der der eine dem anderen nicht mehr über den Weg traute. Warum? Weil jeder meint, die besten Konzepte zu haben, und weil sehr viel von oben hineinpolitisiert wird. Die Betroffenen vor Ort wissen häufig gar nicht, wie ihnen geschieht.
Herr Minister Brunner, wir haben vor Kurzem in Niederbayern ein Gespräch mit den Vorsitzenden der Kreisverbände des Bayerischen Jagdverbands gehabt. Dort hat man mitbekommen, dass im Behördenapparat und im Behördenablauf sehr vieles nicht richtig funktioniert. Da bekommen plötzlich die Abschussempfehlungen der Forstbehörden über die Regierungen Dienstanweisungscharakter. Vor Ort sind die Jagdvorsteher und die Jäger verunsichert. Sogar die Unteren Jagdbehörden sind verunsichert. Man meint, es handle sich um einen Marschbefehl seitens der Regierungen.
Komischerweise hat jede Regierung ein anderes Vorgehen. In Oberbayern gibt es das in der Form nicht, wohl aber in Niederbayern und der Oberpfalz. Da liegt also kein einheitliches Vorgehen vor.
Schlussendlich fühlen sich die Betroffenen vor Ort überfahren. Sie sagen: Wir haben doch das Jagdrecht an Grund und Boden gebunden und wollen federführend entscheiden, was bei uns passieren soll; warum wird hier über unsere Köpfe hinweg von den Behörden Politik hineingetragen?
Deshalb appellieren wir noch einmal an dieser Stelle an Sie, sich dem sinnvollen Vorschlag zu öffnen. Auf der einen Seite geht es um das Ziel, den Umbau der Wälder voranzubringen, auf der anderen Seite darum, die Existenz von Wildbeständen nicht infrage zu stellen. Darüber können am besten die Betroffenen vor Ort entscheiden.
Es gibt Gebiete, in denen die Wildbestände zu hoch sind. Da wird mehr geschossen. Woanders ist die Lage in Ordnung; da kann man so weitermachen wie bisher.
Die Kompetenz und die Informationen seitens der Forstbehörden sind sehr erwünscht, aber in einer Form, die akzeptabel ist. Das Papier, das hier angesprochen wurde, ist jedoch nicht akzeptabel. Es sieht nach Be
hördenwillkür aus, wenn die Jäger einseitig an den Pranger gestellt werden und der Minister nicht bereit ist, die Namen derjenigen zu nennen, die das umfängliche Papier fabriziert haben. Da wird dann gesagt, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebiete es, die Namen geheimzuhalten. Es ist ein Geheimpapier mit geheimen Namen.
Bei dieser Thematik ist das Versteckspiel nicht angebracht. Ich appelliere an Sie, Herr Minister, Transparenz walten zu lassen. Zunächst muss gesagt werden, wer das Papier produziert hat. Nur zu sagen, das Papier sei für nichtig erklärt, ist zu wenig. Hier sind Leute massiv beleidigt worden. Sie wollen wissen, wer so etwas produziert und wer die Hände darauf hält. Sie wollen wissen, wer hier verantwortlich ist.
Um aus der Vergangenheit zu lernen und in die Zukunft zu blicken, bitte ich Sie, sich diesem Gedanken zu öffnen. Die Bewirtschaftung des planlosen Abschusses von Rehwild hat funktioniert und wird auch in Zukunft funktionieren. Bitte lehnen Sie diesen Gedanken nicht deshalb ab, weil er von der falschen Gruppierung kommt, sondern öffnen Sie sich dem Gedanken und sagen Ja zu dieser zukunftsweisenden Lösung.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Als ich die Tagesordnung bekam, stellte sich mir die Frage: Herr Aiwanger, was wollen Sie eigentlich?
Wir diskutieren heute zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit dieselbe Thematik. Sie haben selber gesagt, dass der Gedanke vom gesamten Haus außer von den Freien Wählern zweimal abgelehnt worden ist. Zum dritten Mal ist es das Gleiche. Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie politische Stimmung machen? Wollen Sie im Landtag Wahlkampf für den Jagdverband führen? Wollen Sie gar Buße tun für Ihr aggressives Schüren über Wochen, das mit der Aussage endete - so wurde Herr Aiwanger auf Veranstaltungen der Jäger zitiert -, es sollten Köpfe rollen? Wollen Sie den Jägern helfen? Sagen Sie eigentlich bei den Waldbesitzern das Gleiche wie bei den Jägern?
Eines erreichen Sie sicher nicht, Herr Aiwanger - da können Sie ruhig fünfmal dazwischenschreien -: eine Befriedung im Sinne dessen, was Sie immer propagie
ren, dass nämlich Jäger und Waldbesitzer miteinander vernünftigen Konsens pflegen. Die lässt sich mit Ihrer Art der Argumentation auf keinen Fall verwirklichen.
Wo gibt es eigentlich Dissens? Zwischen der Staatsregierung und den Jägern jedenfalls nicht. Denn die Jagd ist in Bayern nach wie vor hoch anerkannt. Das bayerische Jagdrecht ist im Ländervergleich konkurrenzlos positiv.
In ganz Bayern bezweifelt niemand, dass der Waldumbau ohne die Jäger nicht funktionieren würde. Allen in Bayern ist bewusst, dass es heute schwieriger als früher ist, Jagd zu betreiben.
Es ist wahr: Wenn früher irgendwo ein Wildschwein war, hat man darum gekämpft, wer die Jagd pachten darf. Heute ist es schwieriger, die Jagd zu verpachten, wenn es ein Wildschwein gibt. Es ist komplizierter geworden, fürwahr.
Deswegen sage ich Ihnen, dass alle, die in diesem Land Regierungsverantwortung tragen, ganz genau wissen, dass es ohne Jagd in der Sache und ohne Einschätzung der Jagd als hohes Kulturgut bei uns nicht möglich sein wird, Waldumbau vernünftig zu betreiben. Es kommt darauf an, es gemeinsam zu tun. Wir haben dabei auch Erfolge erzielt.
Dass der Bundesrat nun das Wildursprungszeichen abgelehnt hat, ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass wir vom Freistaat Bayern aus gemeinsam mit der Staatsregierung und den Regierungsfraktionen auf Bundesebene dagegen gestritten haben. Hier haben nicht Sie, Herr Aiwanger, Erfolge erzielt, sondern die CSU und die FDP gemeinsam mit der Staatsregierung.
Dass das Verhältnis Jagd und Waldbesitz seit Jahrzehnten ein besonderes Spannungsfeld darstellt, ist nicht neu, sondern bekannt. Niemand von uns will einen Wald ohne Wild. Aber wir wollen einen Wald ohne Zaun. Das ist das Ziel des Waldgesetzes in Bayern. Wir haben es bisher gut geschafft, in Bayern einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichsten Interessenslagen herbeizuführen.
Sie haben hier zum wiederholten Mal das Papier aus dem Ministerium zitiert. Es ist nicht zur Amtszeit von Staatsminister Brunner entstanden. Staatsminister Brunner hat es als bedeutungslos eingestampft. Das Papier konnte keinerlei politische Wirkung entfalten. Vor diesem Hintergrund wissen Sie ganz genau, dass Sie mit Ihrer Auffassung in diesem Haus ganz allein stehen.
Niemand im Freistaat Bayern beabsichtigt eine Änderung des Jagd- oder des Waldgesetzes. Ich kenne keinen Verband, der eine Änderung des Jagdgesetzes anstrebt, wie Sie sie jetzt zum dritten Mal propagieren. Auch die bayerischen Jäger streben so etwas nicht an. Ich kenne keine Partei - mit Ausnahme der Freien Wähler -, die das haben will. Vielleicht ist die Ausnahme noch nicht einmal die Fraktion der Freien Wähler, sondern nur Herr Aiwanger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Stimmung ist aufgeheizt. Sie, Herr Aiwanger, haben in den letzten Wochen nicht zur Versachlichung der Stimmung beigetragen. Dafür spricht auch, dass Sie heute hier unaufhörlich dazwischenschreien. Sie haben Redezeit gehabt. Da hätten Sie das sagen können, was Sie sagen wollten; denn jetzt stören Sie dauernd andere beim Reden.
Sie haben in ganz Bayern dafür gesorgt, die Stimmung aufzuheizen, weil Sie Interessen der Jägerschaft persönlich nutzen wollen. Wir sollten aber alle miteiander zur Versachlichung beitragen. Immer dann, wenn die Köpfe heiß sind, ist es ungut, über weitreichende Probleme zu entscheiden.
Am Wochenende haben wir den Landesjägertag. Da werden wir sehen, wie Sie, Herr Aiwanger, mit dem, was Sie hier nutzen wollen, bei der Jägerschaft ankommen, nachdem Sie jetzt wochenlang Wahlkampf betrieben haben. Tragen Sie diese Auseinandersetzung bitte nicht in den Landtag.
Wie erreichen wir Befriedung? Wir erreichen Befriedung, indem wir die Sorgen und Anliegen auf beiden Seiten ernst nehmen, sowohl seitens der Waldbesitzer als auch seitens der Jägerschaft.
Sie sprechen immer das Pilotprojekt an, auf dem Ihr Antrag zur Änderung des Jagdgesetzes fußt. Wir haben hier im Hohen Haus schon mehrfach erklärt, dass dieses Pilotprojekt mit Zustimmung des Obersten Jagdbeirates eingestellt wurde. Denn es hat dort stattgefunden, wo die Verbisssituation ohnehin günstig war. Deswegen konnte es auch nicht als repräsentativ für ganz Bayern betrachtet werden.
Sie vergessen immer eines, dass nämlich auch der Bayerische Jagdverband eine Änderung des Jagdgesetzes in diesem Punkt bisher stets abgelehnt hat.
Darüber, dass Einigung und Subsidiarität in strittigen Fällen automatisch bei diesen Fragen vor Ort zur Befriedung führt, bin ich mir nach 20 Jahren Erfahrung in der Kommunalpolitik nicht ganz so sicher. Sie werden dort Einigung bekommen, wo sich der Verbiss in Grenzen hält, und Sie werden dort Streit finden, wo das nicht der Fall ist. Bei der Frage, wie man dann zu einer Einigung kommt, steckt der Teufel im Detail. Ich wäre da vorsichtig.