Protokoll der Sitzung vom 28.06.2011

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Mit dem Energiegipfel im Rücken und dem Willen der Menschen zum Umstieg haben wir den größtmöglichen gesellschaftlichen Konsens. Wir haben gewissermaßen einen ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag für den Umstieg.

Politik, Verbände und Unternehmen arbeiten gemeinsam für folgende Ziele:

Erstens. Die Energieversorgung in Bayern bleibt sicher, bezahlbar und klimafreundlich. Alle drei Kriterien sind bei der Energiewende gleichberechtigt.

Zweitens. Wir halten die Technologieführerschaft bei Umwelt- und Energietechnik.

Drittens. Bayern bleibt - ich sagte es schon - Produktionsstandort für Energie und wird nicht Stromhändler oder Stromdurchleiter.

Viertens. Wir sorgen für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, insbesondere der energieintensiven Betriebe. Ich komme darauf zurück.

Für diese Ziele haben wir - Politik, Verbände und Unternehmen; das ist das Ergebnis des Gipfels - einen klaren Fahrplan. Wir werden den Anteil erneuerbarer Energien innerhalb der nächsten zehn Jahre in Bayern verdoppeln. Heute sind es schon 25 %; im Bund sind es nur 17 %. Wir werden, wie gesagt, den Anteil verdoppeln.

Wir brauchen neue Technologien. Denken Sie nur an die Speichertechnologien für Strom. Da ist noch sehr viel zu tun. Manchmal wird hier ein bisschen blauäugig diskutiert, wie weit wir angeblich schon sind. Aber es ist noch eine Menge an Forschung zu leisten.

Wir brauchen eine begrenzte Zahl neuer Gaskraftwerke. Wir brauchen - auch das darf nicht vergessen werden; vielleicht ist es sogar die erste Priorität - mehr Energieeffizienz und Stromeinsparung zur Begrenzung der CO2-Emissionen. Unsere bayerischen Klimaschutzziele - auch das möchte ich der Bevölkerung sagen - bleiben unverändert gültig. Dafür fördern wir die energetische Sanierung von Gebäuden und neue Formen der Mobilität.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wenn wir gemeinsam, schnell und pragmatisch handeln, haben wir eine Win-win-Situation für alle Men

schen in Bayern. Wenn wir schnell sind, ist die Energiewende in Deutschland ein einziges großes Konjunkturpaket für Bayern. Ich füge hinzu: nicht nur, wenn wir schnell sind, sondern wenn wir auch stetig und nachhaltig sind. Es würde nichts nützen, für ein oder zwei Jahre die Gebäudesanierung besonders hoch auszustatten, um anschließend auf ein schwer erträgliches Maß zurückzufallen. Für mich - das sage ich für die Regierung - ist es sehr viel wichtiger, dass wir dies alles auf ein höheres Niveau führen. Aber dann müssen wir das hohe Niveau auch stetig und nachhaltig für viele Jahre durchhalten. Machten wir es anders, würden wir die Preise subventionieren, aber nicht die Gebäudesanierung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir liefern die Spitzenforschung, die Entwicklung, die Technik und das Know-how hier in Bayern. Damit holen wir Aufträge und Arbeitsplätze nach Bayern.

Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaft, Professor Claudia Kemfert, spricht für Deutschland von bis zu einer Million mehr Arbeitsplätzen durch die Energiewende. Die Energiewende wird also zu mehr Wirtschaftswachstum führen. Die Energiewende bis 2022 bedeutet viele Investitionen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren 200 Milliarden Euro in Deutschland investiert werden.

Wir werden diese Chance in Bayern nutzen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Na endlich - Bayern steht in den Startlöchern!)

Der Vorstand von Siemens, der heute vertreten war, sieht ein großes Potenzial für moderne Kraftwerke und neue Energietechnik. Das Vorstandsmitglied von Siemens, Frau Ederer, hat heute in der Zusammenkunft davon gesprochen, Siemens gehe davon aus, dass die Energiewende in Bayern unter verschiedenen Aspekten zu einem enormen Technologieschub führen wird.

Die Exportschlager von morgen kommen also aus Bayern. Das sind: Elektromobilität, Umwelttechnik, energetische Sanierung, Energietechnik. Viele mittelständische Unternehmer und Handwerker warten auf den Startschuss für intelligente Energienetze - auch da ist noch viel zu leisten -, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Gebäudesanierung.

Der Chef der BayWa, der heute auch vertreten war, hat kürzlich im "Handelsblatt" davon gesprochen, er rechne mittelfristig mit einer Milliarde Euro Umsatz durch die Energiewende, also schon in kurzer Zeit.

In den Gemeinden - auch das ist in den Gesprächen vor Ort sehr deutlich geworden - entsteht eine dezentrale Energieversorgung. Viele Gemeinden wollen ihre Energie selbst produzieren.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Gute Idee!)

Immer mehr Menschen - auch das ist sehr bemerkenswert - wollen sich in Bayern an ihrer Energieversorgung beteiligen.

Vor zwei Wochen war ich beim Spatenstich für einen der größten Solarparks in Bayern, nämlich in Weismain. Über 8.000 Haushalte werden von dort durch eine Anlage mit Strom aus Sonnenenergie versorgt werden. Die Anlage wird von den Bürgern mitfinanziert. Die Menschen in Oberfranken nehmen in diesem Fall also ihre Energieversorgung in die eigene Hand. Ich war besonders beeindruckt davon - es war ein Termin an einem Montagvormittag um 11 Uhr, Thomas Hacker war dabei -, wie zahlreich die Bürger bei dieser Veranstaltung vertreten waren und wie sie dabei sind, die Energieversorgung für ihre Heimat, drei Landkreise und drei Gemeinden, selbst zu übernehmen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die haben es nicht glauben können!)

Meine Damen und Herren, die Aufgeregtheit auf der linken Seite ändert auch nichts daran. Das ist die Zukunft. Das ist der "Aufbruch Bayern".

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Mit dem Energiegipfel haben wir den Umstieg besiegelt. Die Energiewende ist und wird ein Gemeinschaftsprojekt. Wir tragen die Verantwortung gemeinsam. Und wir packen jetzt auch gemeinsam an. Viele Kräfte - ein gemeinsamer Wille. Mit Energie in die Zukunft, das ist unser bayerischer Weg.

Die bayerischen Kernkraftwerke werden abgeschaltet - Schritt für Schritt und endgültig. Isar 1 geht nicht mehr ans Netz. Die anderen folgen: 2015 Grafenrheinfeld, 2017 Gundremmingen B, 2021 Gundremmingen C und 2022 Isar 2.

Der Staatsregierung ist sehr wohl bewusst, dass diese Schließungen von Kernkraftwerken für die dort Beschäftigten Einschnitte und Veränderungen bedeuten. Deswegen werde ich gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister die Arbeitnehmervertretungen in die Staatskanzlei einladen, damit auch die Beschäftigten der Kernkraftwerke wissen, dass sie die Bayerische Staatsregierung bei diesem Strukturwandel nicht alleine lässt. Wir reden miteinander, und wir werden uns

überlegen, wie wir die Situation der Beschäftigten der Kernkraftwerke bewältigen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

In elf Jahren ist in Bayern kein Kernkraftwerk mehr am Netz - und dies verlässlich und ohne Hintertürchen. Auch die Endlagerfrage packen Bund und Länder gemeinsam an.

(Inge Aures (SPD): Wie denn?)

Meine Damen und Herren, ich möchte es auch der Volksvertretung sagen: Die Generation, die die Kernenergie nutzt, muss sich auch um die Entsorgung kümmern.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Harald Güller (SPD): Ach was! Welch eine Neuigkeit!)

Zu dieser Verantwortung stehen wir. Deshalb habe ich als Ministerpräsident in Berlin zugestimmt, dass wir erstens Gorleben bis zu einem Endergebnis zügig untersuchen und dass wir zweitens vorsorglich parallel dazu geologische Formationen - nicht Standorte, sondern geologische Formationen! - in ganz Deutschland auf ihre Eignung zur Atommülllagerung untersuchen. Bei dieser Standortentscheidung dürfen wir uns nur und ausschließlich von wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten lassen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das heißt für Bayern: Unter diesem Aspekt, nach der alten Entsorgungsphilosophie, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass ein Standort in Bayern infrage kommt. Das möchte ich hinzufügen. Es ist aber auch etwas Neues entschieden worden. Wir müssen auch eine neue Endlageroption untersuchen. Wir dürfen uns nicht mehr darauf beschränken, den Abfall wie über viele Jahrzehnte in einem Salzstock einzuschließen, wo er nicht mehr zugänglich ist. Wir müssen auch andere Optionen, zum Beispiel die Rückholbarkeit, mit in den Blick nehmen. Ich habe dieser Option und der Untersuchung dieser Option zugestimmt. Gerade wenn man diese Option untersucht, muss man sich davor hüten, widersprüchlich zu werden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann weiß man aber auch, dass Bayern nicht dabei ist!)

Wie ist es heute? Heute sind die Abklingbecken bei den Kernkraftwerken. Dann werden die Kernbrennstäbe in Castorbehältern in Hallen gelagert. Die Genehmigungen dafür sind für bis zu 40 Jahre ausgesprochen. Jetzt frage ich Sie auch vor der Öffentlichkeit, ob es logisch ist, dass man die Genehmigung der oberirdischen Lagerung in Landshut, in Gundremmin

gen oder in Schweinfurt für bis zu 40 Jahre für unproblematisch hält, dass man die Überlegung einer unterirdischen, aber zugänglichen Lagerung dagegen für problematisch hält. Das ist logisch nicht zu begründen. Deshalb stehe ich dazu, dass man diese Optionen untersucht. Vielleicht gewinnt man mehr Sicherheit, wenn man das, was heute 40 Jahre lang oberirdisch gelagert wird, in Zukunft unterirdisch und vielleicht auch für andere Zwecke rückholbar lagert.

Für Bayern bedeutet die Energiewende konkret, dass in diesem Jahrzehnt - deshalb sind manche Übertreibungen auch zurückzuweisen - zwei weitere Kernkraftwerke durch erneuerbare Energien und durch Gaskraftwerke zu ersetzen sind. Das sollten wir dem Land Bayern als hochentwickeltem Land zutrauen. Mit unserem bayerischen Energiekonzept "Energie innovativ" haben wir eine realistische Strategie für den Umstieg - ich sage es noch einmal: Hand in Hand mit den Unternehmen, Bürgern und Kommunen.

Wir machen Bayern zum Vorreiter für erneuerbare Energien. Das sind wir ohnehin schon. Dafür brauchen wir zum einen die Kompetenz und die Finanzkraft von Investoren und Unternehmen. Zum anderen brauchen wir dezentrale Energiekonzepte von Kommunen und Bürgern. Beides macht die Stärke Bayerns aus. Wir sollten das eine nicht gegen das andere ausspielen.

Derzeit kämpfen wir beim Bund dafür, dass der verstärkte Ausbau der Windenergie nicht nur auf hoher See, sondern auch an Land vorangetrieben wird. Abstriche bei der Förderung von Onshore-Windkraftanlagen darf es deshalb nicht geben. Das wäre nämlich zum Nachteil Bayerns. Kleine Biomassekraftwerke dürfen gegenüber größeren nicht benachteiligt werden. Dafür haben wir bis zur letzten Stunde gekämpft, und das ist uns auch gelungen. Das ist für unsere vielen kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe in Bayern wichtig.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Hilfreich ist, dass die beschlossene Senkung der Einspeisevergütung bei den Solaranlagen jetzt nicht greift. Ich hoffe, es bleibt dabei; denn daran wird immer noch gezerrt. 40 % des deutschen Solarstroms kommen schon heute aus Bayern. Das zeigt die Kraft, die in Bayern bei der Nutzung erneuerbarer Energien vorhanden ist.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das war letztes Jahr auch schon so!)

In Bayern hat die Energiewende längst begonnen. Ich verweise auf das Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe in Straubing. Es war eine weitsichti

ge Entscheidung, dieses Zentrum dort einzurichten. Damit haben wir ein internationales Aushängeschild. In der Energiewende liegen für die bayerische Landund Forstwirtschaft große Chancen. Dies hat sich auch gezeigt. Jeder Landwirt kann in Zukunft auch Energiewirt sein - egal, ob mit Hackschnitzel, Biomasse oder Solarenergie. Die Gemeinde Ascha in Niederbayern und die Gemeinde Wildpoldsried im Oberallgäu produzieren ihre Energie schon heute nahezu vollständig selbst. Sie sind damit nahezu autark, andere sind auf den Weg dorthin. In Bayern - auch das ist uns heute gesagt worden - sind schon heute neun Heißwasser-Geothermie-Anlagen in Betrieb. Zwei davon erzeugen neben Wärme auch Strom. Zehn weitere Anlagen sind im Bau. Die Landsiedlung des Bayerischen Bauernverbandes plant unter anderen im oberbayerischen Neumarkt-Sankt Veit ein Bürgerwindrad. Die Bürger aus der Region können sich daran beteiligen. Hier wird sich etwas grundlegend ändern. Das war vor vierzehn Tagen auch in Oberfranken zu erfahren. Es gibt die genossenschaftliche Energie. Die Leute wollen nicht mehr einen anonymen Investor aus England, sondern sie wollen ihre Energieversorgung für ihre Gemeinde und ihren Landkreis selbst organisieren. Ich glaube, das ist in einer Bürgergesellschaft gut so.