Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Kommunalwahlgesetz wurde in mehreren Sitzungen diskutiert und beraten. Wir hatten es in Erster Lesung im Plenum; wir haben es in mehreren Ausschüssen beraten. Wir hatten intensiv gerungen, um vernünftige Ergebnisse zu erzielen. Das kommunale Wahlrecht ist wie wenige andere Rechtsbereiche ein Bereich, der unmittelbar auf den Bürger einwirkt, an dem der Bürger teilnimmt und an dem er Interesse hat. Die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen ist unvergleichbar besser als bei anderen Wahlen. Ich glaube, das zeigt das Interesse, das der Bürger an seinem Recht hat, an den Kommunalwahlen teilzunehmen.
Meine Damen und Herren, wir haben einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich glaube, wir haben ihn sehr ausgewogen gestaltet, um auf die Interessen der Bürger Rücksicht nehmen zu können, und haben die Bürgernähe ganz in den Vordergrund gerückt.
Lassen Sie mich mit dem Lebensalter der hauptamtlichen Bürgermeister und der Landräte beginnen. Meine Damen und Herren, es gab bisher eine Regelung mit der Grenze von 65 Jahren. Es gibt Vorschläge, diese Grenze auf 67 Jahre festzusetzen, und zwar nicht schon bei der nächsten Kommunalwahl, sondern erst bei der übernächsten Kommunalwahl, was in unseren Augen überhaupt nicht erklärbar ist. Meine Damen und Herren, wenn wir ernst nehmen, was wir dem Bürger immer wieder erklären, dass wir den Bür
ger schätzen, dass wir ihm so viele Möglichkeiten wie möglich geben wollen, dass wir ihn als mündigen Bürger betrachten und bezeichnen,
wenn wir das ernst nehmen, meine Damen und Herren, müssen wir die Entscheidung darüber, ob dieser Bürger einen 30-Jährigen oder einen 68-Jährigen als Bürgermeister will, in die Hände des Bürgers geben, nicht in die Hand des Gesetzgebers.
Meine Damen und Herren, der Wähler soll die Chance haben, zu entscheiden, wie alt sein Wunschbürgermeister sein soll. Das ist es, was wir in unserem Gesetzentwurf ganz deutlich zum Ausdruck bringen. Wir wollen diese Altersgrenze freigeben, meine Damen und Herren, weil wir glauben, dass der Bürger mündig und reif genug ist, zu entscheiden, was er will.
Meine Damen und Herren, dafür spricht einiges. Beim Alter, ab wann man wählbar ist und ab wann man wählen kann, gehen wir auch herunter. Ich glaube, man muss dem Rechnung tragen, was unsere Gesellschaft widerspiegelt: Die Menschen in unserer Gesellschaft werden älter, gehen zu einem späteren Zeitpunkt in Rente, und wir diskutieren heute über eine Arbeitszeit bis zum 70. Lebensjahr. Wir wollen entscheiden, dass derjenige, der zum hauptamtlichen Bürgermeister oder zum Landrat gewählt wird, keine Altersbegrenzung erfährt. Meine Damen und Herren, kein Minister, kein Bundestagsabgeordneter, kein Landtagsabgeordneter unterliegt einer Altersbegrenzung - zu Recht, wie wir meinen. Meine Damen und Herren, es wird noch schlimmer: Auch der nebenamtliche Bürgermeister unterliegt keiner Altersbeschränkung. Beim hauptamtlichen Bürgermeister will man plötzlich eine Altersbeschränkung. Das entzieht sich meiner Logik.
Die Tatsache, dass ein hauptamtlicher Bürgermeister ein Beamter ist, kann keine Begründung sein, weil es selbst im Beamtenrecht diverse Ausnahmeregelungen gerade zur Altersbegrenzung gibt. Insofern kann dies nicht als Exempel für eine Begründung eines festzusetzenden Lebensalters eines Bürgermeisters dienen. Meine Damen und Herren, die Lebenserwartungen steigen, und die Menschen werden älter.
durchaus, gegen solche Festlegungen vor das Verfassungsgericht zu ziehen, um die Verfassungsmäßigkeit solcher Regelungen zu überprüfen, weil es um das Recht der Berufsausübung geht, das durch diese Altersfestlegung begrenzt wird, und weil es auch darum geht, dass nicht erkennbar und nachvollziehbar ist, warum der ehrenamtliche Bürgermeister mit 80 oder 85 Jahren noch Bürgermeister sein kann, der hauptamtliche Bürgermeister aber nicht.
Meine Damen und Herren, unsere Auffassung zum 65. Lebensjahr ist: Die Altersgrenze freigeben, den Bürger entscheiden lassen, was er will, ob er den 65jährigen Bürgermeister, den 30-jährigen oder den 70jährigen will. Nach unserer Auffassung sind unsere Bürger in der Lage, darüber zu entscheiden. Unsere generelle Grundprämisse der FREIEN WÄHLER wollen wir auch hier beibehalten. Wir schätzen den mündigen Bürger und wollen nur dort etwas regeln, wo man etwas regeln muss, wo etwas nicht automatisch freigegeben werden kann.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, der uns stört und der bei unseren Entscheidungen eine ganz gravierende Rolle spielte, ist der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen. Meine Damen und Herren, der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ist für die kommunale Ebene ganz entscheidend. Dort, wo der Wähler zuhause ist und jeden Mitbürger kennt, kennt er seine Kandidaten. Dann kann er entscheiden, warum er diese Kandidaten wählen will. Meine Damen und Herren, bei keiner anderen Wahl haben wir so viele Wähler, die durch die Listen galoppieren, die nicht strikte Parteidisziplin wahren, sondern über die Listen hinweg ihre Kreuzchen machen, weil dies zum einen das Wahlrecht ermöglicht und weil die Leute zum anderen ihre Mitbürger kennen. Das ist die Stärke unseres kommunalen Wahlrechts. Das wollen wir jetzt dadurch untergraben, dass wir plötzlich eine Möglichkeit für jemanden eröffnen, der nur eine Nebenwohnung hat? Eine Nebenwohnung ist relativ leicht zu erlangen, indem man zum Meldeamt geht, sich dort anmeldet und sagt: Ich bin ab sofort mit zweitem Wohnsitz hier bei dir gemeldet.
Nur: Der Wähler soll entscheiden zwischen Bürgern, die in der Gemeinde wohnhaft sind, die dort daheim sind, die sich auskennen, die zum Beispiel wissen, worum es geht, wenn von der Bahnhofstraße gesprochen wird.
Es soll nicht ein Bürger zur Wahl stehen, der in der Nachbargemeinde wohnt und der, etwa weil er ein bekannter Fußballspieler oder Filmschauspieler ist, nur deshalb kandidiert, um Stimmen zu fangen, aber im nächsten Augenblick erklärt: Ätsch! Es war doch nichts, lieber Bürgermeister. Es gefällt mir nicht mehr bei dir im Gemeinderat.
Meine Damen und Herren, das war bisher nicht möglich. Da musste er einen schriftlichen Antrag mit Begründung einreichen.
Unter Umständen war sogar die Bescheinigung des Hausarztes vorzulegen, dass der Amtsträger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, das Amt auszuüben.
Nach unserer Auffassung ist es ein entscheidender Aspekt eines gut funktionierenden kommunalen Wahlrechts, dass ein Bürger, der sich zur Wahl stellt, den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen im Wahlkreis bzw. in der Gemeinde haben muss.
Meine Damen und Herren! Wo bleibt denn in der Gesetzesvorlage der Staatsregierung der verfassungsmäßig gebotene Bezug zur Örtlichkeit? Diesen vermisse ich, er ist nicht mehr gegeben. Wenn sich jemand drei Monate vorher zum Schein in der Gemeinde anmeldet, dann ist er nicht in der Lage, im Gemeinderat eine vernünftige, sachbezogene, auf die Örtlichkeit gerichtete Entscheidung zu treffen.
Wir wollen zwar den Aspekt "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen im Wahlkreis" stärken, aber auf Nachprüfungen, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, verzichten. Eine eidesstattliche Erklärung des Bewerbers - damit hat es sich. Auch für den Fall, dass sie falsch abgegeben wurde, enthält unser Gesetzentwurf eine Regelung. Ich meine, damit haben wir eine vernünftige Aussage zu diesem Thema getroffen.
Der Hammer im Gesetzentwurf der Staatsregierung ist für mich, dass jemand nach der Wahl, ohne einen wichtigen Grund angeben zu müssen, zurücktreten kann. Das in Bezug gesetzt zum Wegfall des Prinzips "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen im Wahlkreis" öffnet Spekulationen Tür und Tor. Das wollen wir nicht. Wir wollen eine klare Regelung: Nur derjenige, der in dem jeweiligen Ort daheim ist, kann kandidieren. Wenn er zurücktreten will, muss er eine vernünfti
ge Erklärung abgeben. Wo kommen wir denn hin, wenn der Bürgermeister in die Sitzung geht, aber nach der Sitzung nicht mehr weiß, wer sein 2. Bürgermeister ist, weil dieser ihm während der Sitzung erklärt hat: Lieber Freund, heute gefällt mir deine Frisur nicht mehr. Ich trete zurück.
Er muss nicht einmal mehr einen Grund angeben. Bisher musste er zumindest einen schriftlichen Antrag stellen oder den Wohnsitz wechseln. Aber den Wohnsitz wechselt man nicht so wie das Unterhemd, Herr Kollege Rohde.
Den Wohnsitz wechselt man dann, wenn man wirklich wegzieht. Wir wollen verhindern, dass man einfach nur deshalb den Wohnsitz wechselt, wie es einem passt, um woanders kandidieren zu können. Wir wollen, dass derjenige, der in der Gemeinde daheim ist, wählbar ist und wählen kann. Alles andere sind Konstruktionen, die nach weiteren sechs Jahren wieder zurückgenommen werden. Das haben wir mit der letzten Änderung des Wahlgesetzes erlebt. Meine Damen und Herren von der CSU, schauen Sie sich an, was Sie vor fünf Jahren geändert haben und welche dieser Änderungen sie heute schon wieder ändern müssen, weil sie sich in der Praxis nicht bewährt haben.
Wenn ich nach der Wahl von meinem Ehrenamt zurücktreten kann, ohne einen Grund angeben zu müssen, dann geht das für mich an die Grundpfeiler des Ehrenamtes. Es gibt in unserer Demokratie mehrere Ehrenämter, die ich annehmen muss und von denen ich nicht ohne Weiteres zurücktreten kann. Ich muss vielmehr in schriftlicher Form Gründe angeben und den Nachweis führen, dass sie tatsächlich vorliegen. Das ist in vielen Bereichen so; ich denke zum Beispiel an ehrenamtliche Richter.
Mit der Regelung im Gesetzentwurf der Staatsregierung geht der Pflichtcharakter des Ehrenamtes gänzlich verloren. Das Ehrenamt wird entwertet. Wir wollen, dass jemand, der zurücktreten will, einen Grund angeben muss, der von jedem Bürger der Gemeinde nachvollzogen werden kann.
Ich möchte jetzt nicht den Eindruck erwecken, als ob die vorliegenden Gesetzesanträge in allen Punkten
Wir sind der Auffassung, dass bei Kommunalwahlen das Mindestalter für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre heruntergesetzt werden sollte. Das wäre sicherlich eine vernünftige Regelung. Die Begrenzung nach oben sollte aufgehoben werden. Das passive Wahlrecht wollen wir aber an das Mindestalter von 18 Jahren knüpfen, weil wir glauben, dass jemand, der zum Gemeinderat, zum Stadtrat oder zum Bürgermeister gewählt werden soll, über eine bestimmte Lebenserfahrung verfügen muss, um dieses Amt ausüben zu können.
Die Erleichterung der Briefwahl ist ebenfalls vernünftig. Diese soll künftig beantragt werden können, ohne einen Grund angeben zu müssen. Im Grunde wurde das schon bisher so gehandhabt; dann hat der Bürger halt Gründe erfunden. Auf dem Antragsformular zur Briefwahl waren doch die Gründe aufgeführt, die zur Briefwahl berechtigen. Die musste der Bürger nur abschreiben; er musste nicht nachweisen, ob sie tatsächlich vorlagen. Dann können wir die Angabe von Gründen auch wegfallen lassen. Das ist eine sinnvolle Regelung.
Die Verkürzung des Mindestaufenthalts im Wahlkreis zur Erlangung des aktiven und des passiven Wahlrechts ist ebenfalls vernünftig.
In einigen Punkten erfolgen also Änderungen, die dem Bürger mehr Möglichkeiten und Freiheiten bieten.
Insgesamt werden wir dem Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht zustimmen. Gravierende Kritikpunkte habe ich erwähnt.
Wir werden auch dem Antrag der SPD-Fraktion nicht zustimmen. Dieser enthält zwar nur wenige Punkte, die uns stören, aber er enthält welche.