Protokoll der Sitzung vom 29.02.2012

Nun kommen wir zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/11650 der SPD-Fraktion. Wer diesem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe die Stimmen der drei Oppositions

fraktionen und von Frau Dr. Pauli sowie eine Stimme bei der FDP-Fraktion. Gegenprobe! - Ich sehe die Stimmen der CSU und der FDP. Gibt es Enthaltungen? - Eine Enthaltung bei der CSU-Fraktion. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Nun führen wir die namentliche Abstimmung über den Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 16/11633 durch. Ich bitte Sie, Ihre Stimmkarten in die Urnen zu werfen. Die Abstimmung ist eröffnet. Sie dauert fünf Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 19.22 bis 19.27 Uhr)

Ich schließe die Abstimmung. Die Stimmen werden außerhalb des Saales ausgezählt. Das Ergebnis wird Ihnen so schnell wie möglich bekannt gegeben.

Jetzt rufe ich zur gemeinsamen Behandlung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Renate Dodell, Erwin Huber u. a. und Fraktion (CSU), Karsten Klein, Dietrich Freiherr von Gumppenberg, Dr. Otto Bertermann u. a. und Fraktion (FDP) Sonderprogramm für den barrierefreien Ausbau von Regionalbahnhöfen in ganz Bayern sowie von S-Bahnhöfen im Großraum München und Nürnberg (Drs. 16/11635)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Mittelausstattung Verkehrshaushalt Barrierefreiheit voranbringen (Drs. 16/11651)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Blume für die CSU-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Aufregerthema EEG hoffe ich an dieser Stelle auf etwas mehr Harmonie in diesem Hohen Hause. Vielleicht ist das Thema "Barrierefreiheit" auch nicht so konfliktbeladen, wie wenn wir hier über Energiepolitik diskutieren.

(Zuruf von den GRÜNEN: Da bin ich aber ge- spannt!)

- Ja, auch ich bin gespannt, Herr Kollege. Gleichwohl ist es ein Thema, das für die Menschen in Bayern von großer Bedeutung ist.

Ich stelle voran, dass Barrierefreiheit heute kein Thema mehr ist, das man mit Luxussanierung von Bahnhöfen und dergleichen in Verbindung bringen

könnte. Es ist noch nicht einmal ein Thema, bei dem es um die Frage geht, wie komfortabel es sei, heute die Deutsche Bahn zu nutzen. Nein, es ist ein sehr grundsätzliches Thema vor dem Hintergrund, dass wir heute den Menschen die Mobilität des Schienenverkehrs nahebringen, die Barrieren abbauen und für bestmögliche Nutzbarkeit der Einrichtungen sorgen wollen. Dies gilt nicht nur für Menschen, die mit Mobilitätseinschränkungen zu kämpfen haben und im Rollstuhl sitzen, sondern auch für alle Menschen, die mit Kinderwagen usw. unterwegs sind.

Das Thema "Barrierefreiheit" ist in den letzten Jahren vor allem bayerisch buchstabiert worden. Denn es war der Freistaat Bayern, der in einer Zeit, als der Bund die Mittel auf einige wenige Großbahnhöfe gelenkt hatte, gesagt hat: Obwohl es eine Aufgabe des Bundes ist, nehmen wir selber Geld in die Hand. Damals handelte es sich um ein 102-Millionen-Euro-Programm, mit dem vornehmlich im Großraum München viele S-Bahn-Stationen ausgebaut werden konnten. Aber auch dieses Programm neigt sich nun dem Ende zu. Die letzten Stationen, die aus diesem Programm finanziert werden, befinden sich gerade im Umbau. Insofern stellt sich die Frage: Was kommt danach?

Ich glaube auch, es ist fair, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass das Thema Barrierefreiheit, so wie es bisher an manchen Stellen angegangen wurde, vor Ort durchaus für Verdruss sorgt, dass auch noch Aufgaben zu erledigen sind. Es gab Umbauplanungen der Deutschen Bahn, die nach einer Umpriorisierung der Mittel nicht zu Ende gebracht werden konnten. Es gab Bahnhöfe in Bayern mit extrem großen Ein- und Aussteigerzahlen, die auf der Prioritätenliste immer weiter nach hinten rutschten, weil sie in Verbindung mit anderen Ausbauvorhaben standen. So war es in Fürstenfeldbruck oder im innerstädtischen Bereich in München-Riem, wo die Erwartung bestand: Wenn die Strecke ausgebaut wird, kommt auch der Bahnhof dran. Das heißt, es besteht eine große Betroffenheit, aber bis heute ist nichts passiert.

Wir haben hier also eine Aufgabe, die wir als Politiker angehen müssen. Ich bin froh, dass sich für das Thema neue Perspektiven ergeben. In den letzten Monaten ist einiges geschehen. Über das Konjunkturpaket II sind 1,4 Milliarden Euro zusätzlich in den Schienenverkehr geflossen, davon ein beträchtlicher Teil auch in den Bahnhofsbereich. Es ist viel über den Finanzkreislauf Schiene geredet worden, der bis zum Jahr 2015 ebenfalls eine Milliarde Euro zusätzlich bringen wird und von dem sich insbesondere Bahnchef Grube wiederum für den Bahnhofsbereich einiges verspricht. Sie alle wissen, dass auch der Verkehrsetat um eine Milliarde Euro aufgestockt wurde, um im Verkehrsbereich insgesamt stärkere Akzente

setzen zu können. Davon geht ein Teil in den Schienenverkehr und ein Teil wiederum in den Bahnhofsbereich. Wir müssen über Geld reden. Deswegen sagen wir als CSU-Fraktion: Diese Ansätze müssen verstetigt werden.

Der Antrag enthält auch einen kleinen Fehler. Dort muss es heißen: "… eine zusätzliche Milliarde in der Zukunft insbesondere im Schienenverkehr …". Dieser Aspekt der Verstetigung erscheint uns sehr wichtig.

Wenn wir über Geld reden, müssen wir auch sagen: Es muss effizient eingesetzt werden. Es muss nicht immer die ganz große Lösung der DB sein, die einen völligen Umbau vorsieht. Häufig ist es mit einer kleinen, pragmatischen Lösung getan, die den Menschen schnell Verbesserung bringt. Sie alle kennen Beispiele dafür, wo man sich ein solches pragmatisches Vorgehen wünschen würde.

Wir sehen ein günstiges Zeitfenster; wir sehen auch einen gewissen Rückenwind. Deswegen glauben wir, es ist gut, wenn wir das Thema aus Bayern heraus mit Blickrichtung auf den Bund politisch anschieben. Wir möchten an der Stelle noch nicht darauf hinweisen, dass wir natürlich auch als Freistaat Bayern Geld in die Hand nehmen könnten. Nach allem, was der Freistaat Bayern in der letzten Zeit in diesem Bereich schon getan hat, ist es meiner Meinung nach aber richtig, darauf hinzuweisen, dass nun der Bund seiner Aufgabe nachkommen muss. Das ist auch der Grund, warum wir dem Antrag der FREIEN WÄHLER heute nicht nähertreten werden.

Insgesamt, so hoffe ich zumindest, ist es unser aller Ziel hier in diesem Hohen Hause, dass am Ende der Bahnslogan "Die Bahn macht mobil" tatsächlich gilt aber bitte auch in Bayern, und zwar für alle Menschen. - Danke.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Jetzt gebe ich kurz das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Dr. Runge, Gote und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN), betreffend "Die PhotovoltaikBranche erhalten", Drucksache 16/11633, bekannt. Mit Ja haben 53 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 75 Abgeordnete gestimmt, es gab eine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 7)

Wir fahren in der Debatte mit der FDP und Dietrich Freiherr von Gumppenberg fort. - Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen! Aus dem Antrag ist sicherlich ersichtlich, was unsere Vorstellung in Bezug auf die Barrierefreiheit auf Bahnhöfen ist. Ich will das nicht lange ausführen. Der Kollege hat eigentlich bereits das Wesentliche zu diesem Antrag gesagt. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass es in diesem Bereich bereits eine ganze Reihe von Aktivitäten gibt, zum Beispiel den barrierefreien Ausbau mit Aufzügen am Bahnsteig von Gleis 1 und Gleis 2 bei mir zu Hause in Landshut, des Weiteren den ebenfalls barrierefreien Ausbau in Vilshofen, wo der Bahnsteig erhöht und ein Aufzug am Bahnsteig der Gleise 2 und 3 gebaut wird. Man ist also tätig in dieser Frage und ist dem Bedürfnis nachgekommen.

Wir sind uns im Klaren, dass das eine Bundesangelegenheit ist, und wir werden das von Bayern aus pushen. Mehr will ich zu dem Antrag nicht sagen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER darf ich Thorsten Glauber das Wort geben. Bitte sehr.

(Georg Schmid (CSU): Sie sind auch dafür, nicht wahr?)

Herr Präsident, verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der barrierefreie Ausbau von Bahnhöfen liegt sicherlich allen hier am Herzen. Ich denke, darin sind wir uns alle hier im Hause einig. Als FREIE WÄHLER finden wir es schade, dass wir in der Sitzung am 2. Februar einen solchen Antrag für den Raum München gestellt haben und Sie ihn haben ablehnen wollen oder müssen. Vielleicht hat auch hier der Koalitionsvertrag gestochen.

Das Infrastrukturbeschleunigungsprogramm des Bundes wurde am 9. Februar beschlossen. In Ihrem Antrag suggerieren Sie ein Stück weit, dass eine Milliarde für die Infrastruktur von Bahnhöfen und für die Bahninfrastruktur bereitgestellt werden soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da muss man schon direkt ins Programm hineinschauen: Ganze 102 Millionen Euro fließen nach Bayern. Von diesem Gesamtpaket in Höhe von einer Milliarde Euro fließen 600 Millionen Euro in die Straße, 300 Millionen Euro in Wasserstraßen und 100 Millionen Euro in die Bahn. Von dem Gesamtpaket fließen wiederum 100 Millionen nach Bayern und nur 20 Millionen in die Schiene oder in die Infrastruktur der Bahnhöfe. Man suggeriert also in

dem Antrag eine Milliarde, hat aber effektiv nur 20 Millionen in Bayern zu verplanen und zu vergeben. Vielleicht sollen wir in der Zukunft eine Milliarde für die Schieneninfrastruktur bekommen. Wenn das das Ziel des Antrags ist, so wäre es sicherlich eine vernünftige und weitreichende Entscheidung. Aber das ist aus Ihrem Antrag nicht ersichtlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Da liegt auch die Crux: Es gibt keine Verstetigung. Der geschätzte Kollege Rotter moniert das auch immer wieder im Wirtschaftsausschuss und weist darauf hin, dass wir eine Verstetigung brauchen; denn Verstetigung bedeutet Planungssicherheit, und Planungssicherheit bedeutet auch ordentliche Perspektiven. Dadurch, dass wir immer ein Auf und Ab haben, bekommen wir nicht die Umsetzungen, die wir wollen.

Wir alle in diesem Haus sind natürlich für die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention. Von daher ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Bahnhöfe barrierefrei ausgebaut werden. Aber wir sind nicht der Meinung, dass es ausschließlich um den barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen gehen muss. Vielmehr muss es darum gehen, ob ein Bahnhof eine besondere Erschließungsfunktion hat oder ob Bahnhöfe hinsichtlich barrierefreier Zugänge besonders hoch beansprucht sind. Das Aufkommen am Bahnhof allein wird nicht weiterhelfen.

Wir würden uns auch wünschen, dass darunter kein bayerisches Programm leiden muss, dass später nicht eine Diskussion darüber entsteht, ob wir aus bayerischen Mitteln künftig noch die Barrierefreiheit ausbauen werden. Das darf nicht geschehen.

Wir würden uns, wie gesagt, Planungssicherheit, Kontinuität in den Investitionen, kein so sprunghaftes Auf und Ab und einen größeren Fokus auf mehr Bahnhöfe wünschen. Darin sehen wir eine Stärkung der Schieneninfrastruktur und Vorteile für die Nutzerinnen und Nutzer hinsichtlich der Barrierefreiheit. Von daher haben wir einen eigenen Antrag gestellt, der darauf abzielt, dass Kontinuität und damit Planungssicherheit in diesen Haushalt hineingebracht wird.

Wir werden den Antrag der Kollegen von CSU und FDP ablehnen.

Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege. Für die SPD-Fraktion darf ich nun Dr. Thomas Beyer das Wort geben.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche in der gebotenen und möglichen Kürze zu den beiden Anträgen.

Ich habe soeben noch einmal mit dem Kollegen Blume gesprochen. Zuvor hatte ich schon mit dem Kollegen Rotter gesprochen. Ich wusste, dass der Antrag nicht von ihm sein kann, weil er in dem entscheidenden Punkt fehlerhaft ist. Denn eine Milliarde stellt Herr Ramsauer insgesamt für den Verkehrsbereich im Infrastrukturbeschleunigungsgesetz zusätzlich zur Verfügung. Davon gehen 600 Millionen Euro in den Straßenbereich, 300 Millionen Euro in den Bereich der Wasserstraßen und nur 100 Millionen Euro in die Schiene, und davon geht - sie ist genannt worden - nur eine zweistellige Millionensumme nach Bayern. Davon hätten wir also gar nichts.

Deshalb gibt es jetzt zwei Möglichkeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen von CSU und FDP: Entweder lassen Sie in der zweiten Zeile das Wort "auch" weg; das würde heißen, dass Sie in den nächsten Jahren eine Milliarde zusätzlich für die Schiene fordern, und das insbesondere für die Bahnhöfe. Oder aber Sie verschieben das Wort "insbesondere" in die dritte Zeile, dass es heißt: "… insbesondere für Investitionen in die Schienenverkehrsinfrastruktur und hier für den Bahnhofsbereich …". Ich unterstelle einmal, nachdem auch Kollege Blume das im persönlichen Gespräch so gesagt hat, dass Sie das so meinen. Mit dieser Maßgabe können wir zustimmen, obwohl dieser Antrag das Problem nicht vollumfänglich löst.

Die Bedeutung der Barrierefreiheit ist von allen Rednern betont worden. Ich muss das nicht erneut tun. Ich möchte nur einmal die Dimension nennen, um die es hierbei geht: Wir haben in Bayern circa 1.000 Verkehrsstationen - so nennt das heutzutage die DB-Station-&-Service -, wovon 800 Stationen nicht barrierefrei sind. Die Stationen, die barrierefrei sind - deshalb Kollege Blume, auch wenn Sie aus München sind, geht es ein wenig an der Realität vorbei -, sind in erster Linie in den S-Bahn-Netzen der Regionen München und Nürnberg.

Es hat nicht nur das im Antrag genannte Paket von 102 Millionen Euro für den MVV gegeben, sondern es hat daneben ein Paket von 46 Millionen Euro für die S-Bahn Nürnberg gegeben. Zusätzlich gab es das Zehnjahres-Entwicklungskonzept, das außerhalb der Ballungsräume München und Nürnberg im Wesentlichen nur sehr große Stationen erfasst.

Das heißt, wir können diesem Antrag mit der Maßgabe zustimmen, dass wir damit nur einen Teil des Problems gelöst sehen. Es ist richtig, wir brauchen eine Verstetigung der Mittel. Deshalb werden wir dem Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER zustimmen. Wir brauchen mehr Mittel, was Kollege Blume auch im Vier-Augen-Gespräch noch einmal klargestellt hat.

Ich sage Ihnen aber auch: Mit dem heutigen Antrag von CSU und FDP wird deutlich, dass Sie bei Ihrem eigenen Bundesverkehrsminister die Themen nicht hinreichend umgesetzt sehen. Diesbezüglich wollen wir Ihnen gern beispringen.

(Beifall bei der SPD)

Weiterhin muss man sagen: Was Kollege Blume hier einfordert, ist natürlich richtig. Wir müssen in vielen Fällen pragmatischer vorgehen, aber - das ist nicht gesagt worden - wir haben hierbei die Vorgaben des Eisenbahnbundesamtes - EBA - zu beachten. Insofern gehört zu diesem großen Thema, auch darüber zu sprechen, ob wir in der Tat überall diesen Ausbaustandard brauchen, den das EBA vorschreibt oder ob wir nicht mit angepassten Standards viel mehr erreichen können.