stehen. Arbeitnehmer, Rentner, Familien, Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftige können am wenigsten gebrauchen, dass nicht gehandelt wird und es nur politische Sprechblasen und Schuldzuweisungen gibt. Deswegen müssen wir konkret entscheiden und handeln. Ich rege an, dass wir die Ergebnisse dieser Diskussion in einem weiteren hoch geschätzten Gremium, nämlich im Forum Soziales Bayern, weiter erörtern, um in einer Art politischer Werkstatt über neue Impulse für die Sozialpolitik aus diesen Berichten heraus diskutieren zu können.
In diesem Zusammenhang muss auch festgestellt werden, dass die beschriebene Entwicklung der Erfolg der Menschen in diesem Land ist, der Erfolg der Arbeitnehmer und der Unternehmer, der sozialen Institutionen und ihrer Mitarbeiter, ja des gesamten Landes. Aber sie ist auch der Erfolg einer zukunftsorientierten Politik, die den Spagat zwischen wirtschaftlicher und technischer Modernität, dem Aufbau entsprechender Strukturen und dem sozialen Ausgleich geschafft hat. Sie ist das Ergebnis von gewachsenen Sozialstrukturen. Der bekannte Kriminologe Professor Pfeiffer, der übrigens eher sozialdemokratisch orientiert ist, hat festgestellt, dass die Entwicklungen im Freistaat Bayern deswegen positiver sind, weil es gewachsene Strukturen, Vereinsgemeinschaften und ein gutes soziales Miteinander gibt. Daher sollten wir alles tun, damit Spaltungen in der Gesellschaft nicht zunehmen und das Prinzip der Solidarität auf der einen sowie der Entwicklungsmöglichkeiten für den Einzelnen auf der anderen Seite gefördert und gestärkt werden.
Wenn wir den Bericht zur sozialen Lage zur Grundlage einer entsprechenden Zwischenbilanz nehmen, so kann sich diese - ich darf dies nochmals sagen sehen lassen. Der mittlere Wohlstand hat trotz der im Berichtszeitraum enthaltenen Wirtschaftskrise real zugenommen, während die Armutsgefährdung insgesamt nicht signifikant angestiegen ist. Der mittlere Wohlstand war im Freistaat Bayern um rund 4 % höher als im westdeutschen Durchschnitt und um 7 % höher als in Deutschland. Bundesweit lag die Armutsquote um 3,5 % höher als im Freistaat Bayern, wo 11,1 % als armutsgefährdet gelten. Während im Bundesdurchschnitt 9,5 % der Privatpersonen überschuldet waren, betraf dies im Freistaat Bayern 7 %.
Ich habe vorhin bereits auf die Situation in den Ballungsräumen und Brennpunkten hinsichtlich der Kinderbetreuung hingewiesen, aber es ist doch wirklich eine beeindruckende Leistung, auch ein Ergebnis der
gemeinsamen Arbeit dieser Regierungskoalition, dass die Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen gerade der Kinder unter drei Jahren in den letzten Jahren gemeinsam mit den Kommunen mehr als verdreifacht werden konnte. Das ist eine Bilanz, die ihresgleichen sucht.
In allen Arbeitsmarktbereichen - dies deckt sich mit den Ergebnissen im Schulbereich - sind die Chancen und Perspektiven besser als in sämtlichen anderen Bundesländern.
Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die gesamte Sozialpolitik. Man muss feststellen, dass die Schwerpunkte bayerischer Sozialpolitik insgesamt greifen und wirkungsvoll sind: Unsere Familienpolitik dabei kann ich die Frau Staatsministerin nur ausdrücklich in der Formulierung unterstützen - schreibt den Familien die Lebensbiografie nicht vor, sondern sichert ihnen ausdrücklich Lebensperspektiven und Wahlfreiheit zu. Es geht die Politik nichts an, welche Lebensbiografie, welchen Lebensweg Familien gestalten und wofür sie sich entscheiden. Das ist einzig und allein Aufgabe der Familie, und wir haben die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, meine Damen und Herren.
Unsere Familienpolitik besteht aus vier Säulen aus dem Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben. Hierbei gibt es noch einen größeren Nachholbedarf, auch im Bewusstsein der Wirtschaft. Erste Säule. Ich würde mir wünschen, dass zwischen den Tarifvertragsparteien in der gleichen Intensität, mit der zu Recht in Tarifverhandlungen gestritten wird, auch über Bedingungen der Familienfreundlichkeit in der Arbeitswelt diskutiert wird. Dafür müssen neue Bündnisse her, die auf dem Arbeitsmarkt zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und den betroffenen Familien geschlossen werden.
Die zweite Säule ist die bereits mehrfach angesprochene Situation der Kinderbetreuung. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals ausdrücklich feststellen: Neben dem Ziel einer Gebührenbefreiung für das dritte Kindergartenjahr mit entsprechenden Zuschüssen ist für uns die Qualität in der Kinderbetreuung von ganz entscheidender Bedeutung. Die Lebensphase, in der sich Kinder in Kinderbetreuungseinrichtungen befinden, ist prägend für die Zukunft sowie für das menschliche Leben des Einzelnen. Deshalb muss Qualität in den Kinderbetreuungseinrichtungen Priorität in unserem politischen
Handeln haben. Das bedeutet: Verbesserung des Einstellungsschlüssels. Damit sind wir noch nicht am Ende angelangt.
Die dritte Säule ist eine familienfreundliche Kommunalpolitik, bei der Kommunen und Land miteinander die Rahmenbedingungen, gerade auch im Wohnungsbereich, verbessern müssen.
Die vierte Säule ist die Hilfe für diejenigen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe - Kollege Imhof ist Vorsitzender des Landesjugendhilfeausschusses -, die in besonderer Weise unserer Förderung bedürfen. Ich darf nochmals ausdrücklich sagen: Es ist ein Schmuckstück bayerischer Sozialpolitik, Frau Kollegin Haderthauer, dass die Jugendsozialarbeit an Schulen weiter ausgebaut wird, ein ausgesprochenes Erfolgsmodell, bei dem die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe als Modell erfolgreich funktioniert.
Wir müssen aus dieser Diskussion aber auch entsprechende Herausforderungen zur Kenntnis nehmen und uns damit auseinandersetzen. Das ist die Situation der Alleinerziehenden sowie der Menschen mit Migrationshintergrund, deren Prozentsatz bei der Armutsgefährdung höher als der Durchschnittswert ist. Es gibt aber auch für die Situation älterer Alleinstehender ein Armutsrisiko. Dies ergibt sich objektiv aus dem Sozialbericht, und Sie können sicher sein, dass sich die Bayerische Staatsregierung und diese Koalition insbesondere spreche ich hier für die CSU-Fraktion dieses Themas in besonderer Weise annehmen. Es ist eine politische und moralische Verpflichtung, den Menschen, die unser Land aufgebaut sowie unsere Existenz und die unserer Familien gesichert haben, eine Zukunftsperspektive auch im Alter und bei Pflegebedürftigkeit zu geben. Das hat Priorität für uns.
Es ist notwendig, in den Ballungsräumen den gewachsenen Anforderungen, die hierbei bestehen, gerade was das Preisgefälle betrifft, mit einer intelligenten und differenzierten Politik entgegenzutreten. Wir müssen dort, wo es Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt gibt - darauf wurde bereits von beiden Vorrednern hingewiesen -, nämlich dort, wo der Niedrig
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen: Das Problem ist nicht, dass es Instrumente wie Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse oder Zeitarbeit gibt, sondern es ist die Frage, wie sie genutzt werden. Teilzeitarbeit wird von vielen, die heute noch keine Gelegenheit dazu haben, ausdrücklich gewünscht, da sie Ausdruck von Flexibilität ist. Dies dürfen wir dabei nicht vergessen und Teilzeitarbeit nicht in Bausch und Bogen verurteilen. Sie ist Bestandteil wirksamer Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik.
im Bereich der Zeit- und Leiharbeit korrigiert werden. Es kann nicht sein, dass es Firmen gibt, die ihre Beschäftigung zu einem überwiegenden Anteil nur noch aus Zeitarbeitnehmern organisieren. Das hat nichts damit zu tun, konjunkturelle oder betriebswirtschaftliche Spitzen abzufedern, sondern das ist eine Umgehung von originären Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsmarktbestimmungen, und hierbei brauchen wir klare Korrekturen.
Wir müssen bei der Frage des Rentenniveaus die jeweilige Erwerbsbiografie in besonderer Weise berücksichtigen. Das hat etwas mit der Geschichte und der Struktur unseres Landes zu tun.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dem Sozialbericht werden einige spezifische sozialpolitische Trends beurteilt. Wir müssen noch stärker darauf achten, dass es als Folge der Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft, die der Individualisierung geschuldet ist, nicht immer mehr ärmere Menschen gibt; die Schere darf nicht noch weiter aufgehen. Das ist übrigens ein bundesweiter Trend. Wir können auch nur wohlwollend den Diskurs der Tarifvertragsparteien begleiten, was die Umsetzung der Produktivitätsentwicklung in entsprechende tarifliche Abschlüsse anbelangt.
Zur Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer bedarf es nicht nur neuer Arbeitsmarktinstrumente, sondern auch ähnlich wie bei dem Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf eines veränderten Bewusstseins auf vielen Seiten. Die Rente mit 67 auf der einen Seite und das ab dem 55. Lebensjahr erhöhte Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, aber auch der Verzicht auf Erwerbstätigkeit - das alles wird in dem Bericht geschildert - erfordern große Kraftanstrengungen.
Die Zahlen sind durchaus interessant. So ist in 30 % aller Fälle der Ruhestand die Ursache für die Nichterwerbstätigkeit von Frauen; in 37 % der Fälle sind es familiäre Gründe bzw. die Pflege von Familienangehörigen. Obwohl der Anteil der professionellen Pflege im ambulanten wie im stationären Bereich um weit mehr als 20 % gestiegen ist, spielt die häusliche Pflege nach wie vor eine sehr große Rolle. Diese Feststellung veranlasst mich zu einem Dankeschön an alle diejenigen, die aufopferungsvoll und unter Hintanstellung persönlicher Bedürfnisse Familienangehörige pflegen. Auf die Bedeutung dieser Leistung muss in Debatten über die Sozialpolitik und über das Zusammenleben in unserer Gesellschaft immer wieder hingewiesen werden. Es hilft auch nichts, wegzuschauen. Wir haben die Aufgabe, diesen Menschen durch entsprechende Anrechnung in der Sozialversicherung bzw. der Pflegeversicherung unsere Anerkennung auszusprechen. Das Dankeschön sei an dieser Stelle wiederholt.
Mir ist es wichtig, dass in der Diskussion über die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht eine Schieflage verstärkt wird; die Frau Staatsministerin hat schon darauf hingewiesen. Das duale System der beruflichen Bildung ist zu stärken. Es ist das Kernstück für den Erfolg unserer bayerischen Arbeitsmarktpolitik, auch weil es die Ausbildungsbereitschaft gerade der kleinen und mittelständischen Betriebe fördert. Im Kern ist es im höchsten Maße sozialpolitisch motiviert.
Ich habe vor Kurzem ein Gespräch mit Vertretern der Elektroinnung geführt. Dabei konnte ich erneut feststellen, wie hoch die Bereitschaft dieser Unternehmen ist, junge Menschen, die erst am Anfang ihrer Erwerbsbiografie stehen, aufzunehmen und auszubilden. Das ist aber, wie gesagt, nur im System der dualen Ausbildung möglich, und dieses müssen wir stärken. Es ist eine unserer vorrangigen Aufgaben, jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Daran haben Bildungs- und Sozialpolitik einen wesentlichen Anteil.
Abschließend komme ich zu einigen Punkten, die mir im Hinblick auf die Zukunft besonders wichtig sind:
Erstens. Der Sozialbericht zeigt die Notwendigkeit, Bildungs- und Sozialpolitik weiter miteinander zu vernetzen. Die Aussage, dass Sozialpolitik durch Bildungspolitik wesentlich ergänzt wird und Bildungspolitik sogar die Sozialpolitik der Neuzeit ist, trifft zu. Sie muss aber auch unter Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung und von
Zweitens. Das Ziel, für Familien echte Wahlfreiheit zu erreichen, muss endlich ideologiefrei erreicht werden. Es kann nicht angehen, dass wir in der Politik mit Begriffen wie "Herdprämie" oder "Rabenmütter" über verschiedene Lebensentwürfe immer noch an der gesellschaftlichen Realität vorbei diskutieren.
Drittens. Der Freistaat Bayern wird auf dem erfolgreichen Weg des weiteren Ausbaus der Kinderbetreuungsangebote, gerade für Kinder unter drei Jahren, weitergehen. Dabei steht das Ziel einer hohen Qualität im Mittelpunkt. Die Kindertageseinrichtungen haben auch Bedeutung für das gesellschaftliche Umfeld; sie sind Anlaufstellen für Mütter, für Familien, für mehrere Generationen. Zu entwickeln sind Modelle von Mehrgenerationenhäusern der anderen Art; das muss bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Deswegen sage ich: Neben der Diskussion über die Gebührenentlastung darf die Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen für die Einrichtungen nicht vergessen werden.
Der Stellenwert älterer Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt muss überproportional gesteigert werden. Die Zahlen aus dem Bericht zur sozialen Lage machen deutlich, dass ein früherer Eintritt in den Ruhestand gerade bei Personen unter 60 Jahren häufig mit gesundheitlichen Problemen zusammenhängt. Deshalb ist der Vernetzung von Gesundheits-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ein hoher Stellenwert beizumessen. Gleiches gilt für die Prävention in der Arbeit, gerade mit dem Schwerpunkt psychischer Belastungen. Prävention hilft auch dabei, die Chancen älterer Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Für Menschen mit Behinderung muss es eine Vielfalt von Perspektiven der Beschäftigung auch auf dem Arbeitsmarkt geben. Dazu ist eine kreative Arbeitsmarktpolitik notwendig. Es bedarf aber auch des Zusammenwirkens mit den Werkstätten, die bei verschiedenen Arten von Behinderung von großer Bedeutung sind. Wir können auf die Werkstätten nicht verzichten. Wir können auf die wertvollen Infrastrukturen, die im Behindertenbereich aufgebaut worden sind, nicht verzichten. Dies ist ein Baustein, um Inklusion zu erreichen und um die Behindertenrechtskonvention offensiv umzusetzen. Es ist aber nicht alles falsch, was in der Behindertenpolitik bisher gemacht worden ist - im Gegenteil. Von dieser Stelle aus ein herzliches Vergelts Gott an die Träger der Infrastrukturen!
Bei Menschen mit Migrationshintergrund müssen die Schwerpunkte Arbeitsmarkt und Armutsbekämpfung im Vordergrund sehen. Es gilt, neben der Sprachförderung auch die sonstigen Bildungsangebote noch stärker auf diesen Personenkreis abzustimmen. Daraus ergeben sich auch positive Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt.
Der Wunsch von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen, in der vertrauten Wohnumgebung oder in wohnähnlichen Strukturen leben zu können, muss noch stärker berücksichtigt werden: in der Wohnungsbaupolitik, bei den ambulanten und den stationären Pflegeangeboten, bei der Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung sowie des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes.
Gestatten Sie mir noch eine letzte Anmerkung: Der Sozialhaushalt des Freistaates Bayern hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Es ist unsere Aufgabe, immer wieder genau zu prüfen, wie sich die Maßnahmen bewährt haben und was tatsächlich erreicht worden ist. Wir wollen deshalb ein neues Instrument einführen, nämlich die Wirksamkeitsprüfung, die sich aus der Diskussion um den Sozialstaats-TÜV ergab. Dazu werden wir entsprechende Überlegungen vorstellen.