Protocol of the Session on March 27, 2012

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 98. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Heute Morgen hat Herr Staatsminister a. D. Georg Fahrenschon vor der Präsidentin mit Ablauf des 2. April 2012 auf sein Landtagsmandat verzichtet. Der Kollege scheidet damit gemäß Artikel 56 Absatz 2 des Landeswahlgesetzes mit Ablauf des 2. April 2012 aus dem Bayerischen Landtag aus. Den Namen des Listennachfolgers bzw. der Listennachfolgerin werde ich zu gegebener Zeit bekannt geben.

Ich danke Herrn Kollegen Georg Fahrenschon für seine engagierte parlamentarische Arbeit. Auch wenn Sie nur ein knappes Jahr Mitglied des Hohen Hauses gewesen sind, haben Sie doch in Ihrer Zeit als Staatssekretär und als Staatsminister der Finanzen bei der Bewältigung der Probleme der Bayerischen Landesbank ein schweres Stück Arbeit zu leisten gehabt und darüber hinaus wichtige politische Akzente setzen können. Ihr Umgang mit dem Bayerischen Landtag war konstruktiv und fair. Für Ihre neuen beruflichen Aufgaben wünsche ich Ihnen im Namen des Bayerischen Landtags und persönlich viel Erfolg.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung die

Tagesordnungspunkte 1 und 2 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzausgleichsänderungsgesetz 2012) (Drs. 16/10799) - Zweite Lesung

und

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2011/2012 (Nachtragshaushaltsgesetz 2012 - NHG 2012) (Drs. 16/10800) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsanträge zum Nachtragshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 von Abgeordneten der SPD-Fraktion (Drsn. 16/11263 mit 16/11316 und 16/11318, 16/11456 mit 16/11493 und 16/11585 mit 16/11606),

von Abgeordneten der Fraktion FREIE WÄHLER (Drsn. 16/11215 mit 16/11240, 16/11440 mit 16/11455, 16/11545 mit 16/11566, 16/11730 und 16/11731)

sowie von Abgeordneten der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Drsn. 16/11241 mit 16/11262, 16/11494 mit 16/11508, 16/11567 und 16/11569 mit 16/11584)

und

Nicht vorberatene Änderungsanträge zum Nachtragshaushaltsplan 2012 der Fraktionen der CSU und der FDP (Drs. 16/11997), der Fraktion FREIE WÄHLER (Drs. 16/11998) und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Drs. 16/11999)

und

Änderungsanträge zum Nachtragshaushaltsgesetz 2012 der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) hier: zusätzliche Stellen im Nachtragshaushalt 2012 (Drs. 16/11616), hier: Nettotilgung (Drs. 16/11617), hier: Rücknahme der Verlängerung der Wiederbesetzungssperre (Drs. 16/11618), hier: Wegfall des Stelleneinzugs nach Art. 6 b HG (Drs. 16/11619) , hier: Rücknahme der Sparmaßnahmen im Personalbereich (Drs. 16/11620), hier: Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes (Drs. 16/11621),

der Abgeordneten Volkmar Halbleib, Markus Rinderspacher, Stefan Schuster u. a. (SPD) (Drs. 16/11622)

sowie der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drs. 16/11623)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von 30 Minuten pro Fraktion vereinbart.

Erster Redner ist Herr Staatsminister Dr. Söder. Bitte schön, Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise ist die Zweite Lesung zum Nachtragshaus

halt eher ein formaler Akt. Aber wir erleben heute einen Meilenstein der bayerischen Finanzpolitik. Es ist wichtig, dies noch einmal herauszustellen. Der Nachtragshaushalt, der heute hier beraten und verabschiedet werden kann, ist ein Dokument der Seriosität, der Stärke, aber auch der moralischen Verantwortung für die kommenden Generationen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Während überall in Europa die Sorge vor den Finanzmärkten herrscht, während man sich überall in Europa darum bemüht, die Schuldenflut einzudämmen; während man sich überall in Europa und auch in einigen Ländern Deutschlands darum bemüht, nicht mehr Schulden zu machen, gehen wir schon einen Schritt weiter. Die Kernbotschaft unserer Haushaltspolitik lautet: Die eine Milliarde Euro, die wir heute tilgen, ist nicht nur der Einstieg in das schuldenfreie Bayern; sie ist auch ein einmaliger Beitrag in der Geschichte des Freistaates Bayern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Schulden sind unmoralisch, insbesondere dann, wenn man den Gegenwartskonsum der nächsten Generation in Rechnung stellt. So ist es oft gemacht worden. Aber Schulden sind nicht nur unmoralisch, sondern auch eine ökonomische Belastung für die Gegenwart; denn die zu zahlenden Zinsen sind immer verlorenes Geld.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das wissen wir seit der Landesbank!)

Viele Länder, insbesondere diejenigen, die von Ihrer Partei, Herr Halbleib, regiert werden, haben in den letzten Jahren ungebremst Schulden gemacht. Dieses Schuldenmachen hat dazu geführt, dass die betreffenden Staaten und Volkswirtschaften heute in einer Situation sind, dass sie sich das Notwendige des Allgemeinguts nicht mehr leisten können. Wir in Bayern haben die niedrigste Zinsquote von allen. Aber wir geben uns damit nicht zufrieden. Wir wollen mehr: Wir wollen nicht nur keine Schulden mehr machen, sondern wir wollen auch Schulden tilgen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen, ein Land, das von seiner Größe und wirtschaftlichen Kraft her durchaus mit Bayern vergleichbar ist, hat einen Schuldenrekord - 172,7 Milliarden Euro! - aufgestellt. Die Regierung dort wollte sogar vier Milliarden Euro neue Schulden machen. 2011 konnte sie nur durch das Landesverfassungsgericht gestoppt werden. Nordrhein-Westfalen hat eine viermal so hohe, Berlin sogar eine siebenmal so hohe Pro-Kopf-Verschuldung

wie Bayern. Eines kann man festhalten: Wenn es um kontinuierliche, glaubwürdige Haushaltspolitik geht, war und ist Bayern Vorbild für ganz Deutschland.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir sind nicht nur Vorbild, sondern entwickeln uns tatsächlich als Modellregion für Deutschland, aber auch für ganz Europa. Die eine Milliarde, die wir heute tilgen, entspricht fast fünf Prozent der allgemeinen Haushaltsschulden.

Das ist nur der erste Schritt. Es handelt sich nicht um eine einmalige, singuläre Aktion, sondern wir gehen weiter. Unser Ziel ist das schuldenfreie Bayern 2030. Dem ersten Schritt wird der zweite kräftige Schritt folgen. Wir werden im nächsten Doppelhaushalt erneut mindestens eine Milliarde zur Tilgung ansetzen, und dies - das ist ganz wichtig -, ohne andere Programme kürzen zu müssen oder zu sparen. Wir haben in der Vergangenheit so gut gewirtschaftet, dass wir das nicht nur leisten können, sondern auch leisten wollen. Das sind übrigens fast zehn Prozent der allgemeinen Haushaltsschulden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Zu erwähnen ist, dass sogar der Oberste Rechnungshof dies ausdrücklich anerkannt und uns heute dafür gelobt hat. An dieser Stelle ein Dankeschön zurück!

(Markus Rinderspacher (SPD): Das ist eine eigenwillige Interpretation!)

Übrigens: Wenn man die zwei Milliarden Euro jetzt ansetzen würde, bedeutete dies allein auf dem Weg bis 2030 über eine Milliarde Euro Zinsersparnis.

Seit 2006 gilt bei uns de facto eine Schuldenbremse, nämlich über den ausgeglichenen Haushalt. Damals war unser Vorhaben heftig umstritten. Ich erinnere mich an verschiedene Pressemitteilungen der Opposition, in denen behauptet wurde, der ausgeglichene Haushalt sei eine Luftnummer, ja Populismus. Zudem sei er schädlich, und er werde sogar das Bayernland belasten.

(Alexander König (CSU): So war’s!)

Heute stehen wir nicht nur fiskalisch und haushaltspolitisch, sondern auch ökonomisch und gesellschaftspolitisch an der Spitze der Bundesrepublik Deutschland. Der ausgeglichene Haushalt ist ein Markenzeichen für gute Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir werden die Schuldenbremse übrigens auch in der Verfassung verankern, obwohl wir sie de facto bereits haben. Ich hoffe, alle machen mit. Mich freut, dass auch auf dem Parteitag der SPD beschlossen wurde, eine Schuldenbremse einzuführen. Allerdings ist das Motiv offenkundig nicht die innere Überzeugung, dass Schuldenmachen falsch ist, sondern es ist mehr ein taktisches Motiv. Auch die "Süddeutsche Zeitung" vom 26. März schreibt, dies sei wohl aus taktischen Gründen beschlossen worden. Sonst sei die SPD am Ende wohl die einzige Partei, die sich gegen die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung ausspreche.

Also, meine Damen und Herren, offensichtlich geht es mehr um taktische als um inhaltliche Motive. Schließen Sie sich unserem Kurs an. Das ist der bessere Weg.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Markus Rinderspacher (SPD): So ein Quatsch!)

2030 schuldenfrei! Wir werden auch hier normative Ansätze finden. Durch die Haushaltsgesetzgebung und Haushaltsordnung können wir klarmachen, dass uns das ernst ist, dass es nicht nur eine Gegenwartsbetrachtung ist. Wir starten klar: Wir sparen Zinsen ein. Wir werden jährlich konjunkturabhängige Beiträge aus dem Haushalt erbringen können.

Wir werden einen großen Anteil aus einem der ungerechtesten Finanzausgleichssysteme nicht nur Deutschlands, sondern sogar der Welt, nämlich dem Länderfinanzausgleich, einbringen wollen und müssen. Die verfassungsrechtliche Ungerechtigkeit ist geradezu offenkundig. Derzeit trägt der Freistaat Bayern alleine 3,7 Milliarden Euro, also mehr als die Hälfte der Lasten. Dieser Betrag sollte auf viele Schultern der Geberländer verteilt werden. Stattdessen trägt nur noch einer die Last; nicht viele Schwächere bekommen die Leistung, sondern nur noch einer, nämlich Berlin, sodass es im Moment so aussieht, dass der Freistaat Bayern quasi das Bundesland Berlin finanziert. Dies ist offenkundig ungerecht und aus unserer Sicht verfassungswidrig und muss geändert werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)