Verfassungsstreitigkeit Schreiben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2017 (Vf. 6 VIII17) betreffend Meinungsverschiedenheit zwischen der Antragstellerin BayernSPD Landtagsfraktion und den Antragsgegnerinnen 1. CSUFraktion im Bayerischen Landtag 2. Bayerische Staatsregierung vom 2. Mai 2017 über die Frage, ob die Art. 1 Satz 2 Halbsatz 2, Art. 4 Abs. 4, Art. 6 Satz 1, Art. 11 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 und 2 und Art. 14 Abs. 1 des Bayerischen Integrationsgesetzes (BayIntG) vom 13. Dezember 2016 (GVBl S. 335, BayRS 266A) die Bayerische Verfassung verletzen PII/G1310.170005
Verfassungsstreitigkeit Schreiben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2017 (Vf. 7 VIII17) betreffend Meinungsverschiedenheit zwischen der Antragstellerin Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag und den Antragsgegnerinnen 1. CSUFraktion im Bayerischen Landtag 2. Bayerische Staatsregierung vom 2. Mai 2017 über die Frage, ob die Präambel, Art. 1 bis 11, 13, 14, 17 a Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 5 bis 12 des Bayerischen Integrationsgesetzes (BayIntG) vom 13. Dezember 2016 (GVBl. S. 335, BayRS 266A) die Bayerische Verfassung verletzen PII/G1310.17006
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamt redezeit der Fraktionen beträgt nach der Vereinba rung im Ältestenrat 36 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Erster Redner ist der Kollege Rinderspacher. Bitte schön.
Verehrte Frau Präsi dentin, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht zum ersten Mal veranlasst uns die Bayerische Staatsregierung, ein Gesetz auf dem juristischen Weg überprüfen zu lassen, weil es aus unserer Sicht gegen die Bayerische Verfassung verstößt. Erst vor einigen Monaten hatten wir, die SPDFraktion, Erfolg mit unserer Klage gegen das sogenannte Volksbefra gungsgesetz. Der Verfassungsgerichtshof hat uns am Ende recht gegeben. Das war kein Gesetz, das die
Mitbestimmungsrechte der Bürger stärkte. Das Ge setz diente allein dem Machterhalt und dem Macht ausbau des Bayerischen Ministerpräsidenten.
Ähnlich wie das Volksbefragungsgesetz ist das Inte grationsgesetz erkennbar wahlkampfstrategisch moti viert. Nach überwältigender Meinung der Experten in den Landtagsanhörungen geht es bei diesem Gesetz nicht darum, Integration in Bayern besser gelingen zu lassen. Es geht darum, einer verbreiteten Skepsis ge genüber Migration CSUstrategisch Rechnung zu tra gen und diese Skepsis kulturell, symbolisch und poli tisch zu befeuern. Das ist der Geist, der das Gesetz durchzieht, ein Geist, der der Sache der Integration nicht zuträglich, sondern abträglich ist, liebe Kollegin nen und Kollegen.
Aber es ist nicht allein dieser Geist, den wir als SPD Fraktion kritisieren. Wir halten das Gesetz zumindest in weiten Teilen für verfassungswidrig. Ich werbe dafür, dass sich der Landtag an dem Verfahren betei ligt, unseren Antrag für begründet erachtet und den Vorsitzenden des Rechts und Verfassungsausschus ses Franz Schindler zum Vertreter des Landtags er nennt.
Ich komme nun zu den Gründen. Dreh und Angel punkt des Integrationsgesetzes ist die sogenannte Leitkultur. Wir hatten als SPD hier im Landtag eine Marathondebatte zur Zweiten und Dritten Lesung, um der Staatsregierung und der CSUFraktion die Gele genheit zu geben darzustellen, was sie unter Leitkul tur verstehen; denn wer von seinen Bürgerinnen und Bürgern Leitkultur einfordert, auch von Migrantinnen und Migranten, wer dazu ein Leitkulturgesetz formu liert, wer Verstöße gegen die Leitkultur sanktionieren will, der sollte doch bitte dazu in der Lage sein, die Leitkultur zu definieren. Tatsächlich gab es im Land tag kein einziges Statement unserer Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsbank oder aus der CSU Fraktion, das die Leitkultur hinreichend definiert hätte, ja im Gegenteil: Man hat auch in Plenaranfragen der Opposition zur Leitkultur Antworten darauf systema tisch verweigert.
Wenn schon der Gesetzgeber nicht weiß, wovon er bei der Leitkultur im Konkreten spricht, wie sollen sich dann die Bürgerinnen und Bürger an diese gesetzli chen Vorgaben halten können, wenn sie nicht wissen können, was der Staat von ihnen im Konkreten erwar tet? Was genau soll die Leitkultur vorgeben? – Der Kollege Heike hat dem Verfassungsausschuss ge sagt, die Leitkultur basiere auf dem hiesigen Ver ständnis von Zusammenleben. An anderer Stelle war
von einer stillschweigenden Übereinkunft über die Grundregeln des Zusammenlebens die Rede. Dass das hiesige Verständnis von Zusammenleben sehr uneinheitlich sein kann, haben zuletzt die Debatten über die Ehe für alle, den sogenannten Veggie Day oder verschiedene andere Sachfragen gezeigt, die mit Blick auf das Zusammenleben immer wieder behan delt werden.
Was ist das hiesige Verständnis von Zusammenle ben? – Für uns steht fest: Unsere Verfassung sieht keine staatlich vorgegebene Lebensweise, keine staatlich verordnete, ideologisch überformte Lebens kultur und keinen leitkulturellen Zeigefinger, der über Recht und Ordnung schwebt, vor. Die einschlägigen Freiheitsartikel widersprechen gar einer solchen Be vormundung durch den Staat, im Besonderen, wenn man sieht, dass hinter der Begrifflichkeit "letztlich eine sehr statische Vorstellung von der Wertebasis einer Gesellschaft" steht. – So formulierte es der Diözesan rat der Katholiken der Erzdiözese München und Frei sing in der Anhörung im Sozialausschuss. Deshalb stellt sich die Frage: Wie kann sich ein Staat, noch dazu ein Staat, der sich Freistaat nennt, anmaßen, seiner Bevölkerung einen Verhaltenskodex in wohlge merkt kulturellen Fragen von oben herab gesetzlich vorzugeben? Einen einheitlichen Volkswillen verkör pern zu wollen und den demokratischgesellschaftli chen Prozess des Aushandelns unterschiedlicher In teressen und Vorstellungen durch zeitlose Leitkultur Ideologien zu ersetzen, passt nicht zu unserem Freistaat und widerspricht dem Geist unserer demo kratischen Verfassung.
Und so stelle ich fest: Die Verpflichtung zu einer unab dingbaren Achtung der Leitkultur – so heißt es in Arti kel 1 – ist ein Eingriff in den verfassungsrechtlich ge schützten innersten Bereich der Persönlichkeit von jedermann. Dieser Artikel verstößt gegen die Arti kel 101 und 100 der Bayerischen Verfassung und ist deshalb nichtig.
Die SPDFraktion ist des Weiteren überzeugt, dass Artikel 4 Absatz 4 gegen Artikel 3 Absatz 1 der Baye rischen Verfassung verstößt und deshalb ebenfalls nichtig ist. Hier geht es um Dolmetscherkosten, die Personen auch dann auferlegt werden können, wenn eine Kostenauferlegung nach anderen Vorschriften nicht vorgesehen ist. Haftungsansprüche wegen feh lerhafter Übersetzung gegen die Körperschaft oder deren Behörde werden aber ausgeschlossen.
Die Vorgabe nach Artikel 6, dass alle Kinder in baye rischen Kitas zentrale Elemente der christlichabend
ländischen Kultur erfahren sollen, verstößt gegen das Elternrecht auf Erziehung ihrer Kinder und gegen die Glaubens und Gewissensfreiheit. Das ist somit ein Verstoß gegen Artikel 126 Absatz 1 und Arti kel 107 Absatz 1 der Verfassung. Damit ist auch diese Vorgabe nichtig. Die Bayerische Verfassung kennt eben nicht die Vorrangigkeit einer Religion, weder im Kindergarten noch anderswo. Sie kennt nicht die Do minanz einer Hautfarbe. Sie kennt keine führende Rolle einer politischen Weltanschauung und keine Vorrangstellung oder Überlegenheit eines Ge schlechts. Sie schließt all das aus.
Der in Artikel 11 formulierte Auftrag an Rundfunk und Telemedien, "einen Beitrag zur Vermittlung der deut schen Sprache und der Leitkultur leisten" zu sollen – als ausdrückliche SollBestimmung –, verletzt die Pro grammfreiheit, verstößt damit ebenfalls gegen die Bayerische Verfassung, nämlich gegen Artikel 111 a Absatz 1 Satz 4, und ist damit nichtig. Die Programm freiheit verbietet diesen langen Arm der Regierung in die Redaktionsstuben des Bayerischen Rundfunks und das, was die Redakteure dort tun sollen oder nicht tun sollen.
Folgenreicher ist aber der Artikel 13 des Bayerischen Integrationsgesetzes. Er gibt Sicherheitsbehörden die Möglichkeit, jeden zu einem Grundkurs über die Werte der freiheitlichdemokratischen Grundordnung zu verpflichten, der erkennen lässt, dass ihm die Rechts und Werteordnung in ihren Grundsätzen un bekannt oder gleichgültig ist. So heißt es dort wörtlich. Diese Vorschriften verstoßen gegen das rechtsstaatli che Bestimmtheitsgebot und sind deshalb verfas sungswidrig, auch weil sie mit Artikel 104 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der Bayerischen Verfassung in Verbindung mit Artikel 74 und 72 des Grundgesetzes nicht vereinbar sind. Das gilt gleichermaßen für Arti kel 14.
Nun gab es verschiedene außerparlamentarische Ver suche, Leitkultur zu definieren. Ich erinnere an Bun desinnenminister Thomas de Maizière. Ihm ging es unter anderem darum, dass wir in Deutschland bei der Begrüßung einander die Hand reichen und uns in die Augen schauen. – Meinetwegen. Aber Bundesin nenminister de Maizière gelangt auch zu der Einsicht, die wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gern ans Herz legen wollen; denn auf die Frage "Kann eine Leitkultur vorgeschrieben werden?", antwortet der Bundesinnenminister klar und unmissverständlich: Nein. Wie der Name Kultur schon sagt, gibt es hier eben keine vorgeschriebenen Regeln.
Wir wollen deshalb für eine Integration auf Augenhö he arbeiten. Fordern und fördern, selbstverständlich, aber bitte auf der Basis der Bayerischen Verfassung und unseres Grundgesetzes. Wir stehen für eine Poli tik, die Integration über die Teilhabe am Arbeitsmarkt eben nicht blockiert; denn wer Respekt erfährt, Chan cen erhält und sich in die Gesellschaft einbringen kann, wird sich eher integrieren als derjenige, der sich nicht willkommen fühlt und einem ständigen Anpas sungsdruck ausgesetzt sieht. Wenn sich alle an die Grundregeln halten, die unsere Verfassung und die darauf basierenden Gesetze vorgeben, und wenn ge nügend Freiraum für individuelle Lebensentwürfe bleibt, wird das gelingen, was wir als Sozialdemokra tie anstreben, nämlich eine Gesellschaft, die zusam menhält.
Danke schön, Herr Kollege Rinderspacher. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Margarete Bause. Bitte schön.
Kolleginnen und Kolle gen! Das Bayerische Integrationsgesetz ist wohl eines der umstrittensten in dieser Legislaturperiode. Schon im Gesetzgebungsverfahren, in der Ersten Lesung, in den Ausschussberatungen, in der Zweiten und Dritten Lesung, bei den Anhörungen, die der Landtag durch geführt hat, bei den Stellungnahmen der Verbände, der Kirchen, der verschiedensten Organisationen, bei all diesen Gelegenheiten ist nicht nur festgestellt wor den, dass dieses Gesetz nicht der Integration dient, sondern vielmehr der Ausgrenzung bestimmter Bevöl kerungsgruppen und der Spaltung der Gesellschaft, sondern es ist auch darauf hingewiesen worden, dass dieses Gesetz von seiner grundsätzlichen Zielrichtung her, aber auch in vielen einzelnen Bestimmungen mit unserer Verfassung nicht übereinstimmt.
Wir und die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben immer wieder darauf hingewiesen, dass dieses Ge setz in dieser Form nicht den Landtag passieren darf. Sie haben es mit Ihrer Mehrheit trotzdem durchge setzt. Wir lassen aber nicht locker; denn ein Gesetz, das an so vielen Stellen ganz offensichtlich in Wider spruch zu den Vorschriften der Bayerischen Verfas sung steht, muss auch vom Bayerischen Verfas sungsgerichtshof überprüft werden.
Deswegen hat auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine sogenannte Meinungsverschiedenheit einge reicht. Wir wollen, dass der Verfassungsgerichtshof
überprüft, ob dieses Gesetz tatsächlich verfassungs gemäß ist. Es gibt viele gravierende Anhaltspunkte dafür, dass die Verfassungsmäßigkeit verletzt ist. Als verfassungswidrig sehen wir am Bayerischen Integra tionsgesetz insbesondere Folgendes an:
Zum einen stellt das Integrationsgesetz das Ziel einer Integrationspflicht auf. Dieses soll die bayerischen Be hörden verpflichten, die Integrationspflicht durchzu setzen. Das ist ein Verstoß gegen die Kompetenzord nung des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber im Bereich der Integration ist in erster Linie der Bundes gesetzgeber; er hat ein Integrationsgesetz erlassen, das von seiner Zielrichtung und von der ganzen Auf fassung von Integration her in Widerspruch zum Bayerischen Integrationsgesetz steht. Die Vorstellung des Bundesgesetzes von Integration ist geprägt von gegenseitiger Akzeptanz; die Vorstellung von Integra tion im Bayerischen Integrationsgesetz ist geprägt von Assimilierung. Das ist ein deutlicher Widerspruch. Hier hat der bayerische Gesetzgeber seine Kompe tenzbefugnisse überschritten. Es steht dem Bundes gesetzgeber zu, die Integration zu regeln. Deswegen sehen wir einen Verstoß gegen die Kompetenzord nung des Grundgesetzes.
Zum Zweiten sehen wir einen Verstoß gegen das Zi tiergebot des Grundgesetzes. Am Ende Ihres Integra tionsgesetzes in Bayern wird in einer Generalklausel darauf verwiesen, dass Grundrechtseinschränkungen pauschal und unbestimmt vorgenommen werden. Das geht in dieser Form nicht. Sie können nicht in einer Pauschalklausel einfach mal so nebenbei Grundrech te einschränken. Hier sehen wir einen Verstoß gegen das Zitiergebot des Grundgesetzes.
Wir sehen weiter einen Verstoß gegen den Bestimmt heitsgrundsatz. Gesetze müssen klar, verständlich und nachvollziehbar sein, insbesondere mit den Be grifflichkeiten, die dort zentral sind und dort verwendet werden. Ihr zentraler Begriff ist da die Leitkultur. Trotz mehrfacher Nachfragen und Aufforderungen haben Sie es bis heute nicht geschafft, nachvollziehbar zu erklären, was denn diese ominöse Leitkultur nun an geblich sein soll, an die sich alle halten sollen. Wer sich nicht daran hält, wird sogar noch mit Sanktionen bedroht. Wenn man jemandem eine Strafe androht, dann soll er wenigstens wissen, woran er sich halten soll. Dass man jemandem zur Begrüßung nicht die Hand gibt, mag vielleicht respektlos sein, aber sollte nicht einer Sanktion unterliegen. Sie verstoßen hier also gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Grund gesetzes; auch hier sehen wir eine Verfassungswid rigkeit.
Gesetzgebers, das Handeln der staatlichen Behörden an der Leitkultur auszurichten, wie Sie das im Integra tionsgesetz verlangen. Der Gesetzgeber ist gerade daran gehalten, kulturelle Gehalte für alle gleicherma ßen zu ermöglichen und nicht eine Kultur höherwertig als eine andere darzustellen. Also: Hier verlässt der Gesetzgeber die Neutralität und identifiziert sich mit sehr speziellen Vorstellungen, was denn nun unsere Kultur oder gar unsere Leitkultur ausmachen soll.
Das Integrationsgesetz verstößt auch in einzelnen Be stimmungen gegen Vorschriften der Verfassung. Zum Beispiel wird die Rundfunkfreiheit eingeschränkt; Kol lege Rinderspacher hat schon darauf hingewiesen. Die Meinungsfreiheit wird mehrfach eingeschränkt. In Artikel 17, wo es um den sozialen Wohnungsbau geht, sehen wir die Gefahr, dass bestimmte Bevölke rungsgruppen diskriminiert werden. Das widerspricht dem Antidiskriminierungsgrundsatz. Auch die Rege lungen zu Straf und Untersuchungsgefangenen grei fen in die Grundrechte der Betroffenen ein und sind so ebenfalls nicht verfassungskonform.
Wir sind gespannt auf das Urteil des Verfassungsge richtshofs, und wir sind uns sehr sicher, dass dieses Integrationsgesetz, wie Sie es hier mehrheitlich verab schiedet haben, nicht den Segen des Bayerischen Verfassungsgerichtes bekommt. Wir freuen uns auf das Ergebnis dieser Auseinandersetzung. Ich glaube, dass es gut ist, dass dieses Gesetz noch einmal vom Verfassungsgericht überprüft wird, und dass es so nicht bestehen bleiben kann.
Danke schön, Frau Kollegin Bause. – Nächster Redner ist der Kolle ge Heike. Bitte schön, Herr Heike.
Frau Vizepräsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Wir haben ausführlich über das Integrationsgesetz diskutiert. Wir haben hef tige Debatten gehabt, aber wir haben auch fachlich sehr tiefgehend debattiert. Das will ich überhaupt nicht bestreiten. Im Gegenteil; ich fand das gut. Das Problem ist nur: Sie kommen, Herr Kollege Rinders pacher, Frau Kollegin Bause, wieder mit dem Thema Leitkultur, dass Sie nichts dazu wüssten, und wir hät ten Ihnen nichts vorgetragen. Ich würde sagen: Da sollten wir die Papiere, die Protokolle noch einmal nachlesen. Zumindest weiß ich, dass ich im Rechts und Verfassungsausschuss sehr deutlich gesagt habe, was wir unter Leitkultur unter anderem verste hen, nämlich die Achtung vor unserem Grundgesetz, vor dem gesellschaftlichen Zusammenleben und so weiter und so weiter. Wir wollen natürlich die Gleich heit der Bürger, wir wollen die Religionsfreiheit, die
Ich sage Ihnen dazu auch, Herr Kollege Rinders pacher: Ich sehe es für wichtig an – da sind wir wahr scheinlich einer Meinung –, dass es ein Asylrecht in Deutschland für in Not geratene Menschen ausländi scher Herkunft geben muss. Ich sehe aber nirgendwo einen Hinweis, dass das so weit gehen muss, dass Kultur, wie Sie es eben gesagt haben, heißt, dass alles als Kultur subsumiert werden kann. Für mich ist Scharia zum Beispiel keine Kultur; das ist für mich etwas, was in unserem Rechtsstaat nichts zu suchen hat, und da sollten wir – ich glaube jedenfalls das aus Ihren Reaktionen jetzt zu sehen – einer Meinung sein.
Nein, nein, Recht und Gesetz sind auch das Straf recht, auch das Zivilrecht, auch das öffentliche Recht und so weiter. Aber darüber wollen wir uns jetzt gar nicht weiter ausbreiten. Ich will eigentlich sagen: Eine Ausgrenzung oder Spaltung der Gesellschaft schaffen wir dadurch, dass wir uns hier wirklich in dieser Rich tung weiterentwickeln würden, sprich: wenn wir eine Nebengesellschaft möglich machen würden und wenn wir hier nicht von vornherein sagen: Wer zu uns als Gast kommt, wird als Gast behandelt, hat Rechte und vor allem auch Pflichten. Das bedeutet, Leitkultur zu berücksichtigen. Die Gäste müssen sich daran halten und mitmachen.
Jetzt bin ich schon wieder so weit gekommen, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte. Sie haben es aber geschafft, mich zu provozieren, damit ich zu diesem Thema noch etwas sage. Wir haben – es wurde vor hin schon gesagt – sowohl in den Ausschüssen als auch in der Ersten und Zweiten Lesung – die Dritte war abgekürzt – Entscheidungen getroffen, ein Ge setz auf den Weg gebracht. Dieses Gesetz wollen Sie – und das ist Ihr Recht als Opposition – vom Verfas sungsgericht überprüft haben. Dieses Recht sollen, müssen Sie sogar haben, dazu stehe ich auch.
Herr Rinderspacher und Frau Kollegin Bause haben jetzt verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Ich kann Ihnen nur sagen, wir sehen bei diesen verfas sungsrechtlichen Bedenken keine Veranlassung zu sagen, es liegt ein Verstoß gegen die Verfassung – das Grundgesetz, die Bayerische Verfassung – usw. vor. Die Beispiele, die Sie angeführt haben, halte ich für nicht zielführend. Ich sage Ihnen auch dazu: Hier wird nicht mehr darüber entschieden, sondern beim Verfassungsgerichtshof. Deswegen halte ich die heu tige Debatte für nicht mehr notwendig.