Protokoll der Sitzung vom 15.05.2018

Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) hier: Sicherstellung (Drs. 17/21750)

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Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) hier: Postsicherstellung - Öffnungsbefugnis (Drs. 17/21751)

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Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) hier: Besondere Mittel der Datenerhebung (Drs. 17/21752)

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Änderungsantrag der Abgeordneten Claudia Stamm (fraktionslos) hier: Recht auf Pflichtverteidigung bei Vorbeugehaft im PAG verankern (Drs. 17/21580)

Der Änderungsantrag von Abgeordneten der CSUFraktion auf Drucksache 17/21514 wurde von den Antragstellern zwischenzeitlich zurückgezogen und in einer geänderten Fassung zur Beratung im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen neu eingereicht.

Bevor ich die Aussprache eröffne, gebe ich bekannt, dass die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu diesem Gesetzentwurf eine Dritte Lesung beantragt haben. Wann die Dritte Lesung aufgerufen wird, gebe ich Ihnen rechtzeitig bekannt.

Frau Abgeordnete Claudia Stamm hat zu ihrem Änderungsantrag auf Drucksache 17/21580 namentliche Abstimmung beantragt. Außerdem haben sowohl die SPD-Fraktion als auch die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zur Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs sowie zur Schlussabstimmung namentliche Abstimmung beantragt.

Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat für die Zweite Lesung 48 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Die Verteilung auf die Fraktionen darf ich als bekannt voraussetzen. Die fraktionslosen Abgeordneten können jeweils bis zu 3 Minuten sprechen.

Erster Redner ist Herr Kollege Kreuzer. Bitte sehr.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehöre diesem Haus seit 1994 an. Aber eine so bizarre Geschäftsordnungsdebatte wie heute habe ich noch nie gehört. Ein Gesetz wird Anfang Februar eingebracht und in den Ausschüssen beraten. Es wird eine Anhörung durchgeführt. Das Gesetz wird im Rechtsausschuss unter einem SPD-Vorsitzenden endberaten. Im Ältestenrat wird ohne irgendein Wort der Kritik die Zweite Lesung für heute einvernehmlich festgesetzt. Am Ende behaupten Sie, dies solle durchgepeitscht werden. Das ist wirklich unglaublich.

(Beifall bei der CSU)

Die Einzigen, die hier etwas peitschen wollen, sind SPD und GRÜNE; denn sie wollen die Stimmung hochpeitschen,

(Beifall bei der CSU)

nämlich zu dem Zweck, eine Sachdebatte möglichst zu verhindern. Das ist diesem Anlass nicht angemessen. Es handelt sich bei diesem Gesetz um eine äußerst schwierige Abwägung zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung.

(Zuruf des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Deswegen rate ich dringend dazu, dass wir hier zu einer Sachdiskussion kommen.

(Beifall bei der CSU)

Freiheit braucht Sicherheit; denn Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit. Wir wollen das Menschenmögliche tun, um die Menschen vor Straftaten in der realen und digitalen Welt zu schützen und dabei natürlich gleichzeitig ein Höchstmaß an Rechtsstaatlichkeit zu gewähren. Ich stelle fest: Diesem Anspruch wird das neue Polizeiaufgabengesetz, das wir heute beraten und verabschieden wollen, in vollem Umfang gerecht.

(Beifall bei der CSU)

Das neue Polizeiaufgabengesetz dient nicht irgendeinem staatlichen Kontroll- oder Überwachungsinteresse, sondern einzig und allein dem Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger. Es ebnet schon gar nicht den Weg in einen Polizeistaat, sondern wahrt selbstverständlich die Freiheitsrechte des Einzelnen.

(Zuruf von der SPD: Wo denn?)

Das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung messen dem Schutz der Bevölkerung eine zentrale Bedeutung bei. Es ist ein wesentlicher Auftrag eines staatlichen Gemeinwesens, die Bevölkerung bereits im Vorfeld, vor der Begehung schwerster Straftaten, wirksam zu schützen. Dies erwarten die Menschen von uns zu Recht.

(Beifall bei der CSU)

Dabei kommt es in unserem Verfassungsstaat darauf an, das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit vor allem dann immer wieder neu auszutarieren, wenn sich neue Bedrohungslagen ergeben oder wenn neue technische Errungenschaften für kriminelle Zwecke missbraucht werden. Wer hier dem Staat von vornherein präventive Mittel zum Schutz vor schweren Straftaten verweigern möchte, macht den Staat und die Gemeinschaft letztlich wehrlos. Er lädt schwere Schuld auf sich, wenn sich am Ende Gefahren verwirklichen, die durch entsprechende polizeiliche Maßnahmen hätten verhindert werden können.

(Beifall bei der CSU)

Dafür haben die Menschen in Bayern kein Verständnis; denn es geht in solchen Fällen um ihr Leben, um ihre Gesundheit und ihre Sicherheit.

Die Diskussionen und Proteste der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass es bezüglich des PAG Sorgen und Verunsicherung gibt. Ich versichere Ihnen: Selbstverständlich nehmen wir diese Sorgen in der Bevölkerung sehr ernst. Wir begegnen ihnen durch Information, Aufklärung und intensiven Dialog.

(Zuruf von der SPD)

Wir machen unmissverständlich klar: Die Freiheitsrechte unserer Bürgerinnen und Bürger sind und bleiben ein elementares Verfassungsgut, das wir schützen.

(Beifall bei der CSU)

Die Freiheitsrechte können deshalb nur eingeschränkt werden, wenn dies zur Verhinderung von Schäden für ein anderes überwiegendes Rechtsgut erforderlich ist. Daran halten wir uns auch bei diesem Gesetzentwurf. Wir setzen damit die Staatsaufgabe um, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Wir tun das selbstverständlich innerhalb der rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich gegebenen Voraussetzungen.

Meines Erachtens wird in der aktuellen Diskussion diese Sicherheitsaufgabe des Staates von der Opposition vollständig ausgeblendet.

(Beifall bei der CSU)

Die Diskussionen und Proteste der vergangenen Wochen haben leider auch gezeigt, dass von verschiedenen Gruppen aus politischen Gründen Unwahrheiten und Übertreibungen verbreitet werden, die mit dem Inhalt des Gesetzentwurfs nichts zu tun haben, aber in der Bevölkerung zu vielen unberechtigten Sorgen führen. Das ist verantwortungslos.

(Beifall bei der CSU)

Natürlich ist in unserer parlamentarischen Demokratie eine sachliche und kontroverse Debatte über einen Gesetzentwurf wie über das PAG-Neuordnungsgesetz notwendig; denn wir alle ringen stets um die für unsere Bürger und für die Gemeinschaft beste Lösung. Aber es trägt zur Verunsicherung der Menschen bei, wenn an dem Gesetz eine völlig unsachliche Kritik geübt und sogar von einem Polizeistaat gesprochen wird. Meine Damen und Herren, dafür tragen auch diejenigen Verantwortung, die mit Linksextremisten, Verfassungsfeinden und der Antifa in einem gemeinsamen Bündnis gegen das PAG vorgehen und sich von diesen Gruppierungen nicht distanzieren wollen.

(Beifall bei der CSU)

Wie zuletzt der G-20-Gipfel in Hamburg gezeigt hat, handelt es sich beispielsweise bei der Antifa um klare und radikale Gegner der Polizei. Daher ist es kein Wunder, dass mit Falschbehauptungen und Horrorszenarien gearbeitet wird, die keiner Nachprüfung standhalten. Ich nenne nur den absurden Vorwurf, die Polizeibeamten würden künftig flächendeckend Handgranaten einsetzen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns an die Fakten halten und zu einer sachlichen Debatte zurückkehren.

Bayern ist nach wie vor das sicherste Bundesland in Deutschland. Die Kriminalitätsrate hat den niedrigsten Stand seit 30 Jahren erreicht. Um unseren Bürgern auch in Zukunft diesen hohen Sicherheitsstandard bieten zu können, müssen wir unserer Polizei aber auch die Möglichkeit geben, auf eine veränderte Sicherheitslage zu reagieren.

(Beifall bei der CSU)

Nachdem die Nutzung elektronischer und digitaler Informationsmittel in allen Lebensbereichen zunimmt, müssen wir die informationstechnische Handlungsmöglichkeit unserer Sicherheitsbehörden den aktuellen Herausforderungen anpassen. Auch der internationale Terrorismus bedroht uns zunehmend. Schließlich gibt es heutzutage auch neue Technologien, deren Einsatz für die Abwehr von Straftaten möglich und sinnvoll ist. Diesen Einsatz erwarten die Bür

ger auch, weil wir neue technische Möglichkeiten nicht nur den Kriminellen überlassen dürfen. Für die Sicherheit der Bevölkerung braucht die Polizei Befugnisse auf der Höhe unserer Zeit.

(Beifall bei der CSU)

So können nun beispielsweise auch Daten in der Cloud untersucht werden. Es wäre nämlich widersinnig, wenn die Polizei zwar lokal auf ein Endgerät gespeicherte Daten sichten darf, aber keine auf dem Endgerät sichtbaren Cloud-Daten. Das würde niemand verstehen. Nicht nur das Schritthalten mit den Tätern ist wichtig, sondern auch die Nutzung des technischen Fortschritts, um unsere Bürgerinnen und Bürger noch besser zu schützen.

So können Drohnen wie Hubschrauber wichtige Hilfsmittel der Polizei sein. Kann etwa ein Hubschrauber witterungsbedingt nicht starten, so können Drohnen zum Beispiel bei der Vermisstensuche eingesetzt werden und Leib und Leben retten. Nachdem hier völlig unberechtigte Sorgen aufgekommen waren, haben wir mit unserem Änderungsantrag klargestellt, was ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich dass Drohnen nicht bewaffnet sein dürfen.

Des Weiteren brauchen wir zum Beispiel auch mehr Rechte bei der Verwertung von DNA-Spuren. Hebt beispielsweise die Polizei die Werkstatt eines potenziellen Bombenbauers aus, ohne diesen am Tatort anzutreffen, kann sie künftig DNA-Spuren sichern, auch wenn diese zunächst keiner Person zuzuordnen sind. Dies verbessert die Chance, den unbekannten Bombenbauer noch rechtzeitig zu ermitteln. Meine Damen und Herren, sollen wir stattdessen lieber warten, bis er seine Vorbereitungen fortsetzen und zuschlagen kann? – Dies können wir in einem Rechtsstaat doch nicht hinnehmen.

(Beifall bei der CSU)

In den Medien und auf Veranstaltungen wird insbesondere beim Begriff der drohenden Gefahr der unzutreffende Eindruck erweckt, dass der Polizei ansatzlos, anlasslos und willkürlich Befugnisse zustehen würden. Wenn Sie Artikel 11 Absatz 3 des PAG lesen, erkennen Sie, dass dies schlichtweg falsch ist. Artikel 11 Absatz 3 des PAG ist im Übrigen bereits zum 01.08.2017 in Kraft getreten. Verehrte Damen und Herren der SPD, Sie haben sich damals bei der Abstimmung im Plenum enthalten. Es wundert mich schon sehr, dass Sie jetzt einen solchen Popanz um diesen Begriff aufführen, obwohl Sie damals nicht einmal dagegen gestimmt haben.